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5 Aussagen zur tiergerechten Haltung der Mongolischen Wüsten- Wüsten-rennmaus und ihre Bewertung

5.4 Kontakt zum Menschen

5.5.3 Bewertung der Haltungsstrukturen

Die Haltungsstrukturen spielen als unmittelbarer Lebensraum der Tiere eine bedeu-tende Rolle bei der Gestaltung von tiergerechten Haltungsbedingungen. Physiologi-sche, morphologische und ethologische Erkenntnisse liefern wertvolle Hinweise sowohl für die Entwicklung von Tierhaltungen als auch für die Bewertung vorhande-ner Einrichtungen.

Den ethologischen Bedürfnissen der Tiere wird dabei bislang zuwenig Bedeutung beigemessen. Stattdessen stehen ökonomische und praktische Beweggründe im Vordergrund. Bei der Versuchstierhaltung werden zudem durch die Notwendigkeit der Standardisierung gewisse Grenzen gesetzt.

Käfiggröße, Käfiggestaltung und Einrichtungselemente

Die empfohlenen Richtwerte für die Käfiggröße basieren meistens auf Erfahrungen und menschlichen Vorstellungen. Für die Größenzuteilung wird allgemein die Körpermasse zugrunde gelegt. Dies ist für bewegungsfreudige Tierarten wie der Mongolischen Wüstenrennmaus vom ethologischen Standpunkt aus nicht gerechtfer-tigt. Im natürlichen Lebensraum bewohnen die Tiere ein festgelegtes Territorium, innerhalb dessen sie für die Futtersuche und Fortpflanzung weite Strecken

zurückle-gen. Für die Bedingungen in Gefangenschaft gelten allerdings völlig andere Voraus-setzungen, so dass es schwierig erscheint, entsprechende Abmessungen für die Unterkunft festzulegen. Eine Kompromisslösung stellt die regelmäßige Gewährung von Auslauf dar, wobei dies wohl nur für die Haltung als Heimtier praktikabel sein dürfte. Gerade hier sind jedoch zu geringe Käfigabmessungen nicht das größte Problem.

Wichtiger erscheint in diesem Zusammenhang die Strukturierung und Raumgestal-tung der Unterkunft. Die Tiere brauchen die Möglichkeit, ihre Umgebung in Lebens-bereiche zu unterteilen. Durch eine dreidimensionale Raumaufteilung sind die Voraussetzungen dazu gegeben, und zudem wird zusätzliche Grundfläche geschaf-fen.

Die natürlichsten Umgebungsbedingungen lassen sich durch Verwendung eines Terrariums bzw. eines als Terrarium genutzen Aquariums erzielen. Es versteht sich von selbst, dass die Abdeckung luftdurchlässig sein muss und die Flucht der Tiere verhindert.

Hier besteht die Möglichkeit, den Tieren in Form eines Biotops die optimale Einstreu-zusammensetzung und Einstreutiefe zur Verfügung zu stellen, um den Tieren das Graben und Anlegen eines Baus zu ermöglichen. Ein Gemisch aus Ton, Sand und Stroh liefert die erforderliche Stabilität. Die Verwendung von Weichholzgranulat bietet weniger Stabilität, hat jedoch ökonomische, praktische und hygienische Vorteile.

Kombiniert mit Heu, Stroh, Papier und Zweigen bildet auch Weichholzgranulat ein stabiles Substrat für das Anlegen eines Baus. Die optimale Einstreutiefe beträgt etwa 30 cm.

Die Käfighöhe muss so bemessen sein, dass die Tiere sich komplett aufrichten können. Um an der Käfigabdeckung noch eine Trinkflasche befestigen zu können, ist eine Höhe von insgesamt etwa 50 cm erforderlich.

Gitterkäfige sind weniger geeignet, da die Bodenwanne nicht hoch genug ist, um eine entsprechende Einstreutiefe zur Verfügung zu stellen. Selbst bei einer hohen Bodenwanne schleudern die Tiere Einstreu aus dem Käfig.

Der Käfigboden muss solide und mit Einstreu bedeckt sein, damit den Tieren eine adäquate Lokomotion ermöglicht wird und Verletzungen vermieden werden. Draht-boden ist aus diesen Gründen abzulehnen.

Die in der Versuchstierhaltung verwendeten Makrolonkäfige weisen weitaus geringe-re Abmessungen auf als die im Handel angebotenen Vollglasbehälter. Um so wichtiger ist eine reizreiche Umgebungsgestaltung und dreidimensionale Strukturie-rung des Käfigs sowie eine Beschränkung der Besatzdichte. Die von WAIBLINGER (2002) vorgeschlagene Käfiggestaltung bietet eine Unterteilung des Lebensraums mit Rückzugsmöglichkeit und ermöglicht die Durchführung essentieller Verhaltens-weisen. Erforderlich ist dazu ein Makrolonkäfig vom Typ IV mit einer Grundfläche von ca. 1.800 cm² und einer Höhe von 20 cm. Dieser Käfigtyp kann entweder für ein Zuchtpaar mit Nachwuchs verwendet werden oder entsprechend der Richtlinie der Arbeitsgruppe zum Europäischen Übereinkommen (2000) eine Gruppe von maximal sieben adulten Tiere beherbergen. Bei Verwendung dieses künstlichen Bausystems entwickeln die Tiere nachweislich weniger stereotype Verhaltensweisen. Der Bedarf

an Rückzugsmöglichkeiten wird gedeckt und Schäden im Sinne stereotyper Verhal-tensweisen werden vermieden. Indem die Tiere sich der Reizquelle, also dem Tunnel mit angegliederter abgedunkelter Nestbox, zuwenden, bewerten sie den Zustand als angenehm. Im Sinne des Bedarfsdeckungs- und Schadensvermeidungskonzeptes kann diese Unterbringung als verhaltensgerecht bewertet werden. Den Tieren wird die Möglichkeit zur Kontrolle der Umwelt geboten und damit die Voraussetzung für Wohlbefinden geschaffen.

Weitere Vorteile sind Praktikabilität und Hygiene, denn die einzelnen Module können getrennt gereinigt werden und die Käfige sind weiterhin stapelbar.

Langzeituntersuchungen im Hinblick auf die Praxistauglichkeit fehlen allerdings, so dass die bislang damit gemachten Erfahrungen zunächst unter Vorbehalt beurteilt werden müssen.

Die Verwendung kleinerer Makrolonkäfige (Typ I bis III) stellt aus Gründen der fehlenden Mindestgrundfläche und Mindesthöhe suboptimale Bedingungen dar. Für die längerfristige Unterbringung sind sie ungeeignet.

Alternativ zum Vorschlag von WAIBLINGER (2002) ist den Tieren zumindest ein Tunnelersatz und/oder eine Rückzugsmöglichkeit zur Verfügung zu stellen.

Wünschenswert ist die Gestaltung mehrerer Etagen durch Kunststoffeinsätze, die durch Rampen zu erreichen sind. Auch Einrichtungsgegenstände wie Steine, Wurzeln und Äste animieren zu vielfältigen Verhaltensweisen wie z. B. zum Markie-ren, Sichern und explorativem Verhalten.

Unbedingt erforderlich sind geschützte Ruhebereiche. Sicherheit stellt für Mongoli-sche Wüstenrennmäuse einen elementaren Bestandteil des Wohlbefindens dar. Als Rückzugsgelegenheit dient ein Schlafhäuschen oder ein umgedrehter halbierter Blumentopf. Bei größeren Gruppen sind mehrere Rückzugsgelegenheiten zur Verfügung zu stellen, um eine Benachteiligung sozial untergeordneter Tiere zu vermeiden.

Mongolische Wüstenrennmäuse zeigen eine deutliche Handlungsbereitschaft zum Nagen. Es handelt sich dabei um eine essentielle Verhaltensweise. Bei fehlendem spezifischen Reiz kommt es zu Handlungen am Ersatzobjekt. So wird die gesamte Einrichtung bearbeitet, wenn nicht genügend adäquates Nagematerial zur Verfügung steht. Geeignet sind vor allem Obstbaumzweige und Rindenstücke sowie Heu und Stroh. Nagematerial muss ständig in ausreichender Menge zur Verfügung stehen und deshalb regelmäßig ersetzt werden. Fehlendes Nagematerial führt zu Störungen des Verhaltens und zu übermäßigem Zahnwachstum, ruft also Schäden hervor.

Bedarfsdeckung und Schadensvermeidung gelingen den Tieren dann nicht mehr.

Ähnlich verhält es sich beim Nestbaumaterial. Auch dieses sollte stets in ausreichen-der Menge zur Verfügung gestellt werden, da im Ethogramm Mongolischer Wüsten-rennmäuse das Nestbauverhalten als Bestandteil des normalen Verhaltens enthalten ist. Neben Heu und Stroh eignet sich ungefärbtes Papier am besten.

Um den Krallenabrieb zu sichern, sind rauflächige Materialien zur Verfügung zu stellen. Geeignet dazu sind Steine und Tonzubehör.

Essentiell ist für Mongolische Wüstenrennmäuse ein Sandbad, denn die Tiere zeigen eine deutliche Handlungsbereitschaft zum Sandbaden als Bestandteil des Komfort-verhaltens. Eine flache Schale mit Vogel- oder Chinchillasand befriedigt das Bedürf-nis und erfüllt Funktionen der Thermogenese.

Kritisch ist die Beurteilung der Notwendigkeit eines Laufrades. Die im Handel erhältlichen Geräte weisen häufig Sicherheitsmängel auf, so dass vor allem der Schwanz der Mongolischen Wüstenrennmäuse gefährdet ist. Einseitig geschlossene Laufräder sind offensichtlich kommerziell nicht erhältlich, so dass dem Tierhalter nur der Eigenbau bleibt. Ein weiterer kritischer Punkt ist der meistens zu gering bemes-sene Durchmesser des Gerätes.

Nach gegenwärtigem Kenntnisstand überwiegen eher die Nachteile, so dass auf ein Laufrad besser verzichtet und stattdessen Wert auf eine reizreiche Umgebung im Sinne des Environmental Enrichment gelegt werden sollte.

Fütterungs- und Tränkevorrichtungen

Mongolische Wüstenrennmäuse sind in der freien Natur täglich viele Stunden mit der Nahrungssuche und -bevorratung beschäftigt. Die gängige Praxis, einmal täglich einen prall gefüllten Napf anzubieten, befriedigt in keiner Weise das Beschäftigungs-bedürfnis und ist somit nicht artgerecht. Wird auf einen Futternapf verzichtet und das Futter stattdessen auf der Einstreu verteilt oder an verschiedenen Stellen im Käfig versteckt, wird die Handlungsbereitschaft zur Beschäftigung mit dem Futter befriedigt und die Nahrungsaufnahme verhaltenstypisch mit Bewegungsaktivität kombiniert.

Bei der Verwendung eines Futternapfes muss das Verhältnis Fressplatz zu Tier eins zu eins betragen, um soziale Auseinandersetzungen zu vermeiden.

Soll auf die Fütterung des Grundfutters per Futterraufe nicht verzichtet werden, so können alternativ geringe Mengen Sonnenblumenkerne direkt auf die Einstreu gegeben werden. Für Jungtiere muss in jedem Falle Futter auf dem Käfigboden supplementiert werden.

Als Tränkevorrichtung sind Trinkflaschen mit Nippel- oder Saugvorrichtung aus Glas oder rostfreiem Stahl zu empfehlen. Tränkschalen stellen hygienische Risiken dar und sind ungeeignet.

Sozialpartner

Durch die Einzelhaltung sozialer Tierarten werden schwere Leiden verursacht. Der Sozialpartner ist für die Mongolische Wüstenrennmaus einer der wichtigsten Fakto-ren im Sinne des Environmental Enrichment. Zu berücksichtigen ist dabei die arttyische Zusammensetzung der Gruppe und der richtige Zeitpunkt der Gruppenzu-sammenstellung. Mongolische Wüstenrennmäuse müssen vor Eintritt der Ge-schlechtsreife vergesellschaftet werden, um aggressive Auseinandersetzungen zu vermeiden. Am verträglichsten sind Geschwistertiere.

Die Einzelhaltung ist grundsätzlich abzulehnen und nur in Ausnahmefällen, z. B.

durch den Versuchsaufbau bedingt, zu akzeptieren. Da für Männchen die Einzelhal-tung weniger belastend zu sein scheint, sollten für derartige Versuchsvorhaben

bevorzugt männliche Tiere verwendet werden. Für die Haltung als Heimtier ist generell die Gruppen- bzw. Paarhaltung anzustreben. Die Einzelhaltung ist nur dann zu rechtfertigen, wenn bei der monogamen Paarhaltung ein Partner stirbt und ein neuer Sozialpartner trotz Gewöhnungsversuche nicht akzeptiert wird.

Von besonderer Bedeutung ist die soziale Umgebung während der Ontogenese. In diesem Zeitraum müssen die Tiere prädisponierte Verhaltensmuster erlernen können, da sonst im Laufe des späteren Lebens Verhaltensstörungen und körperli-che Schäden auftreten. Für die Mongoliskörperli-che Wüstenrennmaus bedeutet dies konkret, dass der Nachwuchs so lange bei den Elterntieren bleiben sollte, bis Erfahrungen im Bereich der Jungtierpflege gesammelt werden konnten. Nach WAIBLINGER (2002) steigt die Frequenz des Gitternagens signifikant an, wenn die Nachkommen von den Eltern getrennt werden, bevor der nachfolgende Wurf gebo-ren ist.

Nach dem Absetzen können die Tiere problemlos in gleichgeschlechtlichen Gruppen gehalten werden, wobei die Haltung in Dreiergruppen aufgrund des instabilen Sozialgefüges zu vermeiden ist.