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Bewertung des öffentlichen Immobilienbestands

Im Dokument EUROPEAN BUSINESS SCHOOL (Seite 194-199)

4 Maßnahmen zur Optimierung des öffentlichen Immobilienmanagements

4.1 Handlungsfeld Datenverfügbarkeit und -transparenz

4.1.3 Bewertung des öffentlichen Immobilienbestands

Die Bewertung des öffentlichen Immobilienbestands ist im Zusammenhang mit den aktuellen Aktivitäten zur Verwaltungsmodernisierung eine wichtige Aufgabe der öffentlichen Hand.583 Die Ergebnisse der Bewertung584 sollen dabei vor al-lem folgende Ziele bzw. Aufgaben erfüllen:585

582 Quelle: Deakin (1999c), S. 98-99.

583 Im Zusammenhang mit den nachfolgenden Überlegungen zur Bewertung der öffentlichen Immobilien soll lediglich auf grundlegende Aspekte eingegangen werden. Die Ausarbeitung eines methodischen Bewertungsverfahrens für die öffentlichen Immobilien bzw. die Evaluie-rung der vorhandenen Verfahren ist nicht Ziel dieser Arbeit. Hierfür wird auf die weiterfüh-rende Literatur verwiesen. Vgl. hierzu grundsätzlich Kleiber und Simon (1999); Mahnkopf (1998), S. 307-308; Paul (2002), S. 542-580; Leopoldsberger (1999), S. 84-122.

• Verbesserung der Transparenz über vorhandene Vermögenswerte;586

• Anhaltspunkt zur Ermittlung interner Verrechnungsmieten;

• Grundlage für Abschreibungssätze und kalkulatorische Verzinsungen;

• Entscheidungsgrundlage für immobilienwirtschaftliche Transaktionen (An-kauf, Ver(An-kauf, Vermietung und Verpachtung);

• Vergleichsbasis zur Bewertung von Investitionsalternativen;587

• Voraussetzung zur Optimierung der Finanzierungsstrukturen.588

Herausforderungen bei der Bewertung des öffentlichen Immobilienvermö-gens

Mit der Bewertung des öffentlichen Immobilienvermögens sind besondere Herausforderungen verbunden: "Valuation of public property has been concep-tually and methodologically the most challenging and debated topic associated

584 Im Rahmen der Bewertung von Immobilien werden zahlreiche Wert- und Kostenbegriffe verwendet, z.B. Verkehrswert, Beleihungswert, Versicherungswert, Einheitswert, Wiederbe-schaffungswert, Wiederbeschaffungszeitwert, Anschaffungskosten und Herstellungskosten.

Vgl. hierzu z.B. Leopoldsberger (1999) In der angelsächsischen Literatur ist vor allem der market value von Bedeutung: "[..] the most probable price in cash, terms equivalent to cash, or in other precisely revealed terms, for which the appraised property will sell in a competi-tive market under all conditions requisite to a fair sale, with the buyer and seller each acting prudently, knowledgeably, and for self interest, and assuming that neither us under undue duress." Vgl. Roddewig und Papke (1993), S. 53.

585 Vgl. zur Notwendigkeit der Bewertung des öffentlichen Immobilienbestands u.a. KGSt (2000b), S. 60-61; Bond und Dent (1988), S. 369-370; Young (1994), S. 9; Cooper (1993), S. 11-18.

586 Vgl. Dent (1997), S. 228; Lundström und Lind (1996), S. 31. Im Zusammenhang mit der Ausgründung öffentlicher Unternehmen oder der Einführung einer Kosten- und Leistungs-rechnung für den öffentlichen Sektor ist die Erstellung einer Bilanz mit den entsprechenden Vermögenswerten erforderlich. So z.B. in Nordrhein-Westfalen. Vgl. Nagel und Matuschowit (2003), S. 15; Modellprojekt "Doppischer Kommunalhaushalt in NRW" (2002), S. 7. In Großbritannien sind die Gemeinden seit 1994 gemäß des "Code of Practice on Local Au-thority Accounting in Great Britain" dazu verpflichtet, Immobilienbestandsverzeichnisse zu führen und die Immobilien zu bewerten. Die Bewertung muss dabei in Anlehnung an das

"RICS Appraisal and Valuation Manual" erfolgen. Vgl. hierzu Connellan (1997), S 215;

French (1994), S. 20.

587 Die Darstellung der objektspezifischen Opportunitätskosten ist ein weiterer Bewertungs-grund. Es geht dabei vor allem um die Entscheidung, ob das investierte Geld nicht woan-ders besser, d.h. mit einem höheren Nutzen, investiert werden könnte. Vgl. Andrew und Pitt (2000), S. 627. Zur Theorie der Opportunitätskosten siehe z.B. Woll (1990), S. 589-601.

588 So ist davon auszugehen, dass sich die öffentliche Hand im Rahmen der Kapitalbeschaf-fung zukünftig zunehmend am Kapitalmarkt engagieren wird. Hierfür ist die Bewertung der Immobilien und oftmals auch ein Rating erforderlich.Vgl. Lundström und Lind (1996), S. 31-33.

with public asset management."589 Im Einzelnen sind bei der Bewertung des Immobilienvermögens der öffentlichen Hand im Vergleich zur Privatwirtschaft folgende Sonderaspekte zu berücksichtigen:590

• nicht alle Immobilien im Portfolio der öffentlichen Hand werden (normaler-weise) im Immobilienmarkt gehandelt und haben einen Marktwert;

• viele Immobilien haben einen sozialen Nutzen, dessen Wert nur schwer messbar und in Geldeinheiten darstellbar ist;

• die Bewertung kann in der Praxis auf Grund der Portfoliogröße und der teilweise geringen Datentransparenz oftmals nur unter Annahmen durch-geführt werden;591

• der Bewertungsprozess an sich ist ein kostenintensiver Prozess, der von den Steuerzahlern getragen werden muss.592

Die Diskussion, welches Bewertungsverfahren für öffentliche Immobilien ver-wendet werden sollte, dauert zur Zeit in Deutschland noch an.593 Maßgebliches Entscheidungskriterium bei der Auswahl eines geeigneten Bewertungsverfah-rens ist der Anlass der Bewertung (zweckorientierte Bewertung).594 Für die wei-teren Überlegungen zur Bewertung der öffentlichen Immobilien wird hierzu zwi-schen zwei Bewertungsanlässen (Zielsetzungen) unterschieden: Die Bewertung zur Ermittlung einer internen Verrechnungsmiete und die Bewertung als Ent-scheidungshilfe im Portfoliomanagement.

589 Kaganova und Nayyar-Stone (2000), S. 316.

590 Vgl. Young (1994), S. 9; Roddewig und Papke (1993), S. 52-62; Kaganova und Nayyar-Stone (2000), S. 316; Dent (1997), S. 228.

591 So werden zur Vereinfachung häufig Gruppenbewertungen durchgeführt.

592 Das Datenmanagementsystem ist aufgrund des erheblichen Bewertungsaufwands mög-lichst so auszurichten, dass alle für eine Bewertung erforderlichen Daten im System mit vorgehalten werden und die Bewertung quasi automatisch durchgeführt werden kann. Vgl.

Leopoldsberger (1999), S. 292; Deakin (1999a), S. 194-200.

593 Vgl. Detemple und Marettek (2001), S. 30-32. Im sogenannten Speyerer Verfahren wird zwischen dem Sachanlagevermögen, das zur kommunalen Leistungserstellung eingesetzt wird, und dem realisierbaren Sachvermögen, welches ein Vorratsvermögen ist und nicht zur kommunalen Leistungserstellung erforderlich ist, unterschieden. Das Sachanlagevermögen wird zu Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten bewertet und um die kumulierten Abschrei-bungen korrigiert. Das realisierbare Sachvermögen wird in Anlehnung an den Veräuße-rungswert bewertet. Vgl. Lüder (1996), S. 40. Weitere Diskussionen finden sich u.a. Nagel und Matuschowit (2003), S. 15; Innenministerium Baden-Württemberg (1997), S. 89; KGSt (2000b), S. 63-65. Zur Bewertung öffentlicher Immobilien in Großbritannien siehe Bond und Dent (1988), S: 376; Dent (1997), S. 228; Andrew und Pitt (2000), S. 628; White, et al.

(2000), S. 20; Lundström und Lind (1996), S. 34; Roddewig und Papke (1993), S. 53.

Bewertung zur Ermittlung einer internen Verrechnungsmiete

Zur Ermittlung einer geeigneten Miete für die verwaltungsintern genutzten Im-mobilien ist die Durchführung einer ImIm-mobilienbewertung von großer Bedeu-tung. Das Ziel dabei ist, die Immobiliennutzer zum sparsamen Umgang mit den Immobilien zu motivieren. Die Voraussetzung hierfür ist die verursachungsge-rechte Weiterleitung der Kosten.

Daher ist zur Ableitung einer internen Miete ein Wertermittlungsverfahren an-zuwenden, welches die mit der Immobilienbereitstellung verbundenen Kosten als Bemessungsgrundlage verwendet.595 Die so ermittelte kostenorientierte Miete596 ist ein geeigneter Vergleichsmaßstab zur Bewertung von alternativen Bereitstellungsformen und zum Aufzeigen von Einsparpotenzialen.

Bewertung als Entscheidungshilfe im Portfoliomanagement

Im Hinblick auf Veräußerungsentscheidungen ist jedoch die kostenbasierte Be-trachtungsweise nicht ausreichend. Die Höhe des möglichen Veräußerungser-löses wird einzig dadurch bestimmt, welcher Preis im Markt erzielbar ist und nicht dadurch, was die Immobilie ursprünglich gekostet hat.597

Bei Entscheidungen innerhalb des Portfoliomanagements sind sowohl markt- als auch kostenbasierte Betrachtungsweisen heranzuziehen. So wird die Ent-scheidung darüber, ob eine Immobilie veräußert werden soll, sowohl vom im Markt erzielbaren Veräußerungserlös, als auch von den aktuellen und ver-gleichbaren Bereitstellungskosten bestimmt.598

Das in Abbildung 4-6 dargestellte Beispiel veranschaulicht diese Überlegungen:

594 Vgl. Paul (2002), S. 912.

595 Z.B. das Sachwertverfahren. Kostenbasierte Ansätze werden kritisiert, da sie keine markt- bzw. transaktionsbasierte Werte ermitteln. Vgl. Deakin (1999c), S. 100; White, Brambring und Turner (2001), S. 22-24. Bei der Ermittlung eines Wiederbeschaffungswertes stellt sich (vor allem bei historischen Objekten) die Frage, ob dasselbe Gebäude Ausgangsbasis für die Bewertung ist oder ein (modernes) Gebäude, welches dieselben funktionalen Anforde-rungen erfüllt. Eine Untersuchung von Krankenhäusern in Großbritannien hat gezeigt, dass sich in Abhängigkeit des gewählten Ansatzes, Abweichungen in der Bewertung von bis zu 30 Prozent ergeben können. Vgl. Andrew und Pitt (2000), S. 630.

596 Nicht zu verwechseln mit der Kostenmiete, wie sie in der II. Berechnungsverordnung ver-wendet wird. Vgl. Schulte, Allendorf und Ropeter (2000), S. 547-553.

597 Vgl. Lundström und Lind (1996), S. 35; Bond und Dent (1988), S. 377-380; Dent (1997), S.

226-233; Connellan (1997), S. 215-225.

598 Vgl. Lundström und Lind (1996), S. 36.

Schule A:

Lfd. Kosten p.a. 130 GE1) Veräußerungs- 1.000 GE erlös

Barwert der 1.276 GE zukünftigen

Kosten

Schule B:

Lfd. Kosten p.a. 100 GE Veräußerungs- 1.200 GE erlös

Barwert der 982 GE zukünftigen

Welche Schule soll weiter genutzt und welche veräußert werden?

Szenario 1:

Schule A behalten und Schule B veräußern

Veräußerungserlös 1.200 GE Schule B

Barwert der zu- 1.276 GE künftigen Kosten

Schule A

Ergebnis -76 GE

Szenario 2:

Schule B behalten und Schule A veräußern

Veräußerungserlös 1.000 GE Schule A

Barwert der zu- 982 GE künftigen Kosten

Schule B

Ergebnis 18 GE

1) GE: Geldeinheiten Empfehlung:

Schule B sollte im Bestand behalten werden und Schule A veräußert werden

Berechnung

Annahmen

Zins 8%

Betrachtungszeitraum 20 Jahre Jahr Kosten Barwert der Kosten Kosten Barwert der Kosten

Schule A 1 130 1.276,36 100 981,81

Kosten p.a. 130 2 130 100

Erlös 1000 3 130 100

Schule B 4 130 100

Kosten p.a. 100 5 130 100

Erlös 1200 6 130 100

7 130 100

8 130 100

Szenario A: A halten; B veräußern 9 130 100

Kosten A 1.276,36 10 130 100

Erlös B 1.200,00 11 130 100

Ergebnis -76,36 12 130 100

13 130 100

Szenario B: A veräußern; B halten 14 130 100

Kosten B 981,81 15 130 100

Erlös A 1.000,00 16 130 100

Ergebnis 18,19 17 130 100

18 130 100

19 130 100

20 130 100

Schule A Schule B

Berechnung

Abbildung 4-6: Beispiel zur Relevanz von kosten- und wertbasierten Betrachtungs-weisen im Portfoliomanagement

Bei einem Überangebot an Schulflächen ist zu entscheiden, welche von zwei vergleichbaren Schulen veräußert werden sollte. Hierzu werden die zukünftigen Bereitstellungskosten – dargestellt als diskontierter Barwert der laufenden Kos-ten – und die jeweiligen Veräußerungserlöse betrachtet. Obwohl durch den Verkauf von Schule B ein höherer Veräußerungserlös erzielt werden könnte, ist

auf Grund der vergleichsweise hohen laufenden Kosten599 ein Verkauf von Schule A zu empfehlen. Eine isolierte Betrachtung der Erlössituation hätte hier zu einer ungünstigeren Entscheidung geführt.

Im Dokument EUROPEAN BUSINESS SCHOOL (Seite 194-199)