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Beweis des Riemannschen Abbildungssatzes

Wir beginnen diesen Abschnitt mit einem vorbereitenden Resultat das auch unabh¨angig von unserer speziellen Anwendung f¨ur sich interessant ist.

Satz 5.17 (Hurwitz). Sei Ω ⊂C eine zusammenh¨angende offene Menge undfn: Ω→Ceine Folge holomorpher Funktionen, die gleichm¨assig auf je-der kompakten Teilmenge vonΩgegen eine Funktionf : Ω→Ckonvergiert.

Wir nehmen an, dass die Funktionenfn keine Nullstellen haben:

fn(z)6= 0 ∀n∈N ∀z∈Ω.

Dann ist f entweder auf ganz Ω gleich Null, oder f hat keine Nullstelle.

Beweis. Wir nehmen an, dass f nicht ¨uberall auf Ω verschwindet. Nach Satz 3.41 ist f holomorph und die Folge der Ableitungen fn0 konvergiert gleichm¨assig auf jeder kompakten Teilmenge von Ω gegen f0. Daf 6≡0 ist, ist die Menge

A:={z∈Ω|f(z) = 0}

der Nullstellen vonf diskret (siehe Korollar 3.58 und Definition 4.35).

Sei nun z0 ∈Ω und w¨ahle r >0 so dass

Br(z0)⊂Ω, ∂Br(z0)∩A=∅.

Mit Γ :=∂Br(z0) gilt

infΓ |f|>0.

Hieraus folgt, dass auch die Funktionenfolge 1/fn auf Γ gleichm¨assig gegen 1/f konvergiert, Also konvergiert die Folge fn0/fn auf Γ gleichm¨assig gegen f0/f. Mit

γ(t) :=z0+re2πit, 0≤t≤1, folgt daraus

1 2πi

Z

γ

f0(z)

f(z) dz= lim

n→∞

1 2πi

Z

γ

fn0(z)

fn(z)dz = 0

Die letzte Gleichheit folgt aus Korollar 3.21. Hieraus folgt wiederum nach dem Prinzip vom Argument in Satz 4.64, dassf keine Nullstellen inBr(z0) haben kann und insbesondere, dass f(z0) 6= 0 ist. Da aber z0 ∈ Ω beliebig gew¨ahlt war, haben wir den Satz damit bewiesen.

5.3. BEWEIS DES RIEMANNSCHEN ABBILDUNGSSATZES 155 Beweis von Satz 5.1. Wir beweisen zun¨achst die Eindeutigkeit der biholo-morphen Abbildung f : Ω → D, die (5.1) erf¨ullt. Seien also f0, f1 : Ω → D zwei biholomorphe Abbildungen mit

f0(z0) =f1(z0) = 0, f00(z0)>0, f10(z0)>0.

Wir betrachten die Abbildung

f :=f1◦f0−1 :D→D.

Diese ist ebenfalls biholomorph und erf¨ullt die Bedingungen f(0) = 0, f0(0) = f10(z0)

f00(z0) >0.

Daraus folgt nach Satz 3.68, dass |f(z)| ≤ |z| ist f¨ur alle z ∈D. Nun l¨asst sich dieser Satz ebenso auf die Umkehrabbildung f−1 : D → D anwenden und wir erhalten

|f(z)|=|z| ∀z∈D.

Daraus folgt nach Satz 3.68, dass es eine Konstante c ∈ C gibt, so dass

|c| = 1 undf(z) = cz ist f¨ur alle z ∈ D. Da c = f0(z) > 0 ist, kann diese Konstante nur c= 1 sein. Damit ist die Eindeutigkeit vonf bewiesen.

Wir beweisen die Existenz einer biholomorphen Abbildung f : Ω→D, die die Normalisierungsbedingung (5.1) erf¨ullt. Dazu nehmen wir an, dass Ω ⊂ C eine zusammenh¨angende einfach zusammenh¨angende offene Menge ist, z0 ∈Ω und Ω6=Cist. Sei F ⊂ C(Ω) die Menge

F :=

f : Ω→C

f ist holomorph und injektiv,

|f(z)| ≤1 f¨ur alle z∈Ω, f(z0) = 0, f0(z0)>0

. (5.5) Wir zeigen in f¨unf Schritten, dassF eine biholomorphe Abbildungf : Ω→D enth¨alt.

Schritt 1. F 6=∅.

W¨ahle ein Elementa∈C\ {0}. Dann ist die Funktion Ω→C:z7→z−a

holomorph und hat keine Nullstellen. Da Ω einfach zusammenh¨angend ist, folgt aus Satz 4.17, dass es eine holomorphe Abbildung h : Ω→ C gibt so dass

h(z)2 =z−a ∀z∈Ω.

Differenzieren wir diese Identit¨at so ergibt sich 2h(z)h0(z) = 1 ∀z∈Ω.

Hieraus folgt, dassh folgende Bedingungen erf¨ullt

h(z)6= 0, h0(z)6= 0, h(z)6=±h(w) ∀z, w ∈Ω mitz6=w. (5.6) Ausserdem ist die Bildmenge h(Ω) offen, nach Satz 2.26. Also gibt es eine Zahlρ >0 so dass

Bρ(h(z0))⊂h(Ω), Bρ(−h(z0))∩h(Ω) =∅.

Hier folgt die zweite Gleichung aus der ersten unter Verwendung von (5.6).

Da 0∈/ h(Ω) ist, ebenfalls nach (5.6), erhalten wir die Ungleichungen

|h(z0)| ≥ρ, |h(z) +h(z0)| ≥ρ ∀z∈Ω. (5.7) Diese Funktion ist wohldefiniert, dah(z) +h(z0) stets ungleich Null ist. Sie ist holomorph nach Satz 2.15 und sie ist injektiv, dah injektiv ist und jede M¨obiustransformation injektiv ist. Ausserdem ist offensichtlich

g(z0) = 0, g0(z0) = ρ

Hier folgt die letzte Ungleichung aus (5.7). Damit ist Schritt 1 bewiesen.

5.3. BEWEIS DES RIEMANNSCHEN ABBILDUNGSSATZES 157 Schritt 2. Sei

b:= sup

f∈F

f0(z0).

Dann ist 0< b <∞.

Da F 6= ∅ ist, nach Schritt 1, gilt offensichtlich b > 0. Zum Beweis der Endlichkeit von b w¨ahlen wir r > 0 so dass Br(z0) ⊂ Ω. Dann folgt aus Cauchy’s Ungleichung in Satz 3.38, dass

f0(z0)

≤ 1 r sup

Br(z0)

|f| ≤ 1 r

f¨ur alle f ∈ F. Also ist b≤1/r. Damit ist Schritt 2 bewiesen.

Schritt 3. Es gibt eine Abbildung f ∈ F mit f0(z0) =b.

Nach Definition von b existiert eine Folge fn∈ F so dass b= lim

n→∞fn0(z0)

Nach Satz 5.15 ist die Menge F eine normale Familie. Also existiert eine Teilfolge (fnk)k∈

N, die auf jeder kompakten Teilmenge von Ω gleichm¨assig konvergiert. Wir bezeichnen den Grenzwert mit

f(z) := lim

k→∞fnk(z), z∈Ω.

Nach Satz 3.41 ist f ist holomorph und die Folge der Ableitungen fn0k kon-vergiert auf jeder kompakten Teilmenge von Ω gleichm¨assig gegenf0. Insbe-sondere gilt

f(z0) = lim

k→∞fnk(z0) = 0, f0(z0) = lim

k→∞fn0k(z0) =b, und

|f(z)|= lim

k→∞|fnk(z)| ≤1 ∀z∈Ω.

Es bleibt zu zeigen, dassf injektiv ist. Dazu w¨ahlen wir einen Punktz1 ∈Ω und betrachten die Funktionen

g(z) :=f(z)−f(z1), gn(z) :=fn(z)−fn(z1)

auf der zusammenh¨angenden offenen Menge Ω\{z1}. Da jede der Funktionen fn injektiv ist, hat gn keine Nullstellen in Ω\ {z1}. Ausserdem konvergiert die Teilfolge gnk gleichm¨assig auf jeder kompakten Teilmenge von Ω\ {z1} gegen g, und g ist nichtkonstant, da g0(z0) = b 6= 0 ist. Also hat g nach

dem Satz 5.17 von Hurwitz keine Nullstelle in Ω\ {z1}. Da heisst aber f(z) 6=f(z1) f¨ur alle z ∈ Ω\ {z1}. Da z1 ∈ Ω beliebig gew¨ahlt war, haben wir gezeigt, dassf injektiv und damitf ∈ F ist.

Schritt 4.Die Abbildung f aus Schritt 3 erf¨ullt f0(z)6= 0 f¨ur allez∈Ω.

Das folgt sofort aus dem Biholomorphiesatz (Korollar 3.63) und der Tatsa-che, dassf injektiv ist.

Schritt 5.Die Abbildung f aus Schritt 3 erf¨ullt f(Ω) =D.

Zun¨achst folgt aus dem Maximumprinzip (Satz 3.67) dass f(Ω) ⊂ D ist.

Wir nehmen an, dass es ein Elementw0 ∈Dgibt, so dassf(z)6=w0 ist f¨ur allez∈Ω. Da Ω einfach zusammenh¨angend ist, gibt es nach Satz 4.17 eine holomorphe FunktionF : Ω→Cso dass

F(z)2= f(z)−w0

1−w¯0f(z) ∀z∈Ω. (5.9) Diese Funktion ist holomorph, injektiv und erf¨ullt die Bedingung|F(z)|<1 f¨ur alle z∈Ω (siehe ¨Ubung 1.16). Wir definieren nunG: Ω→Cdurch

G(z) := |F0(z0)|

F0(z0)

F(z)−F(z0)

1−F(z0)F(z), z∈Ω. (5.10) Dann ist G wiederum holmorph und injektiv, nimmt Werte in D an, und erf¨ullt unsere Normalisierungsbedingungen

G(z0) = 0, G0(z0) = |F0(z0)|

1− |F(z0)|2 >0. (5.11) Also ist G ∈ F. Wir zeigen, dass G0(z0) > b ist. Dazu differenzieren wir zun¨achst die Gleichung (5.9) und erhalten

2F(z)F0(z) = f0(z)(1− |w0|2) (1−w¯0f(z))2 .

Mit z = z0 und f0(z0) = b folgt daraus 2F(z0)F0(z0) = b(1− |w0|2). Da

|F(z0)|2 =|w0|ist, gibt das F0(z0)

=b1− |w0|2 2p

|w0| und damit, nach (5.11),

G0(z0) = |F0(z0)|

1− |F(z0)|2 =b 1− |w0|2 2p

|w0|(1− |w0|) =b1 +|w0| 2p

|w0| > b.

Das steht im Widerspruch zur Definition vonb, und damit ist der Riemann-sche Abbildungssatz bewiesen.

5.3. BEWEIS DES RIEMANNSCHEN ABBILDUNGSSATZES 159 Bemerkung 5.18. Zun¨achst mag es ein bisschen nach Gl¨ucksache aussehen, dass am Schluss des Beweises die Ungleichung G0(z0) > b steht, die zu dem gew¨unschten Widerspruch f¨uhrt. Jedoch ergeben die Gleichungen (5.9) und (5.10) zusammen einen Ausdruck der Form

f =φ◦G

vwobeiφ:D→Deine holomorphe Abbildung mitφ(0) = 0 ist. Da φeinen quadratischen Term (aus der invertierten Gleichung (5.9)) enth¨alt, istφ kei-ne M¨obiustransformation. Daher folgt aus dem Schwarzschen Lemma 3.68, dass φdie strikte Ungleichung|φ0(0)|<1 erf¨ullt, und daraus ergibt sich die gew¨unschte Absch¨atzung

b= f0(z0)

= φ0(0)

G0(z0) <

G0(z0) .

Korollar 5.19 (Einfach zusammenh¨angende Mengen). Sei Ω ⊂ C eine zusammenh¨angende offene Menge. Dann sind folgende Aussagen ¨ aqui-valent.

(i) Das Komplement C\Ω ist zusammenh¨angend.

(ii) F¨ur jeden Zyklusγ ∈Z(Ω)und jeden Punkt z∈C\Ωgilt w(γ, z) = 0.

(iii) Jede glatte geschlossene Kurve in Ωist zusammenziehbar.

Beweis. Die ¨Aquivalenz von (i) und (ii) wurde in Satz 4.11 gezeigt.

Wir beweisen “(iii) =⇒ (ii)”. Jeder Zyklus γ ∈Z(Ω) ist zu einer end-lichen Summe eγ st¨uckweise glatter geschlossener Kurven ¨aquivalent und hat damit dieselben Windungszahlen wie eγ (Bemerkung 4.5). Durch repa-rametrisieren k¨oennen wir nun diese st¨uckweise glatten Kurven in glatte geschlossene Kurven verwandeln (Bemerkung 3.26). Nach (iii) sind diese glatten geschlossenen Kurven zusammenziehbar und, da die Windungszahl eine Homotopie-Invariante ist (Bemerkung 3.27), folgt daraus (ii).

Wir beweisen “(i) =⇒(iii)”. F¨ur Ω =Coder Ω =∅so ist (iii) offensicht-lich erf¨ullt. Andernfalls folgt aus (i) nach dem Riemannschen Abbildungs-satz 5.1, dass es einen (holomorphen) Diffeomorphismus f : Ω → D gibt mit f(z0) = 0. Ist nun γ : [0,1] → Ω eine glatte geschlossene Kurve mit γ(0) =γ(1) =z0, so liefert die Formel

γλ(t) :=f−1(λf(γ(t))), 0≤λ, t≤1, eine glatte Homotopie mit

γ0(t) =z0, γ1(t) =γ(t), γλ(0) =γλ(1) =z0 f¨ur alle t undλ. Damit ist das Korollar bewiesen.

Mit Hilfe des Riemannschen Abbildungssatzes haben wir in Korollar 5.19 gezeigt, dass der hier verwendete Begriff einer einfach zusammenh¨angenden Menge zu dem in der Topologie ¨ublichen Begriff ¨aquivalent ist.