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Nach der ausgiebigen Auseinandersetzung mit der Erklärung unserer drei Phänomene wollen wir, wie in der Einleitung schon erwähnt, auf Barack Obama's Wirken in Bezug auf die soziale Schiefage in den USA eingehen, denn Obama wurde ja als großer Hofnungsträger der „kleinen“ Frau gesehen. Sein Wahlsieg wurde als große Wende proklamiert und eine neue „Great Society“ wurde heraufbeschworen (vgl. Klinkner/Schaller 2008). Verfolgt man heute die politischen Kommentare, so stellt man fest, dass die überschwänglichen Begeisterungsstürme vergessen sind. Aus folgendem Grund wollen wir Obama's Wirken begutachten, um zu sehen, ob sein Vorhaben zur Wende nur heiße Luft war, oder ob sein Wirken verkannt wird. Dabei wollen wir auf seine erste Amtszeit eingehen, da diese durch deren Ende schon bestens durchleuchtet werden konnte.

4.1. Die Antrittsrede im Jahr 2009

Bevor wir auf das Wirken Obama's eingehen, wollen wir uns zuvor mit seiner Antrittsrede aus dem Jahr 2009 beschäftigten, um zu sehen, welcher politischen Agenda er sich verschrieb, und ob er sich der sozialen Schiefage in den USA bewusst ist sowie auch ofen anspricht. Hierbei kann festgestellt werden, dass sich Obama sehr wohl der auseinanderdrifteten Gesellschaft bewusst ist, wenn er sagt:

„The time has come to reafrm our enduring spirit; to choose our better history;

to carry forward that precious gift, that noble idea, passed on from generation to generation: the God-given promise that all are equal, all are free, and all deserve a chance to pursue their full measure of happiness.“

(Obama 2009: online)

Für ihn ist klar, dass die USA keineswegs mehr die Nation ist, in welcher große Aufstiege vonstattengehen und vielmehr die Mitgift über das zukünftige Leben entscheidet. Weiter geht er mit den KritikerInnen des Staatsapparates hart ins Gericht und stellt unmissverständlich klar, dass nicht die Frage gestellt werden sollte, ob der Staat zu groß oder zu klein ist, sondern wie efektiv er bei der Hilfe

von Familien und der Generierung von Arbeitsplätzen ist, um den Menschen ein sorgenfreies Leben zu ermöglichen (vgl. Obama 2009: online).Er spricht auch die ökonomische Ungleichheit an, indem er Folgendes preisgibt:

„The nation cannot prosper long when it favors only the prosperous. The success of our economy has always depended not just on the size of our gross domestic product, but on the reach of our prosperity; [...]“ (Obama 2009: online)

Er fordert in dieser Aussage genau die ökonomische Entwicklung ein, die in der Zeit der Trente Glorieuses ihr Dasein hatte. Obama's Rede geht sehr wohl auch auf die Außenpolitik sowie Umwelt ein, doch ist das hier nicht von Belang. Den Schluss, den wir aus seiner Rede ziehen können, ist, dass sich Barack Obama der sozialen Ungleichheit in den USA sehr wohl bewusst ist und ihm der Wille zur Veränderung keineswegs abgesprochen werden kann.

4.2. Die unsichtbaren Taten

Barack Obama ist sich also der Situation in den USA bewusst und ist für viele Menschen die personifzierte Veränderung zum Besseren. Doch warum ist sein Glanz verblasst? Blieben etwa die angekündigten Taten aus? Doch das sieht die Politikwissenschaftlerin Suzanne Mettler anders. Sie gibt zu verstehen, dass Obama sehr wohl vielfältige Reformen für die Mittelsicht sowie untere Einkommensschichten einleitete, doch die Bevölkerung ist sich der Politik und der wohlfahrtsstaatlichen Leistungen des Staates nicht bewusst. Sie spricht dabei von einem „Submerged State“, also einem Staat, der quasi untergetaucht ist. Doch vielmehr müsste die Bevölkerung durch wohlfahrtsstaatliche Leistungen wieder an den Staat gebunden werden. Wenn die Leute die Taten nicht wahrnehmen, so ist auch die zugrunde liegende Politik zum Scheitern verurteilt (vgl. Mettler 2010).

Dem Großteil der Bevölkerung fehlt einfach das Wissen darüber, welche Reformen und Sozialleistungen ihnen zugutekommen. Dabei sei auf den „Stimulus Bill“ verwiesen, dessen Ziel die Stabilisierung der Wirtschaft war. Darin beinhaltet war auch eine Einkommenssteuersenkung von 95% aller arbeitenden AmerikanerInnen, um die Kaufkraft zu stärken. Doch ein Jahr darauf wurde in Umfragen festgestellt, dass sich nur 12% der befragten AmerikanerInnen der

Steuersenkung bewusst waren. 53% der Befragten glaubten sie sei gleich geblieben und 24% der Befragten glaubten sogar sie sei gestiegen (vgl. Mettler 2011: online).

Der Staat mit seinen Aufgaben und Leistungen scheint vor allem für die Menschen, die seinen Leistungen am meisten bedürfen, in der Versenkung zu sein. Jedoch braucht einen das auch nicht verwunden, wenn man sich die fahrlässige Kritik der Neokonservativen am Staat ansieht sowie die Zurückdrängung der Gewerkschaft, die für die ArbeiterInnenschaft immer ein politischer Vermittler und Übersetzer war.

Bei Obama's Großvorhaben – die Gesundheitsreform – die der großen Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung eine Krankenversicherung ermöglicht, wurde ein paar Wochen nach der Einführung im Jahr 2010 das Verhältnis zur Gesundheitsreform von 55% der Bevölkerung als „confused“ bezeichnet (vgl. Mettler 2011: online). Zur Gesundheitsreform von Obama gibt es eine charakteristische Anekdote, die einer Zeitungsreportage von Jason Cherkis entsprungen ist, und genau die Meinung von Mettler widerspiegelt. Cherkis gibt die Geschichte eines Mannes mittleren Alters wieder, der am Jahrmarkt in Kentucky zu einem Regierungsstand geht, deren MitarbeiterInnen die Vorzüge von „Kynect“ vorstellten, eine von ObamaCare initiierte Onlineapplikation, die die BürgerInnen durch das Dickicht des Gesundheitssystems führen soll. Und der Mann mittleren Alters sagt zu einem der RegierungsarbeiterInnen, dass dieses „Kynect“ hofentlich ObamaCare „besiege“

(vgl. Cherkis 2013: online). Diese Situation steht sinnbildlich für viele AmerikanerInnen, die sich den Leistungen überhaupt nicht bewusst sind.

Auch Paul Krugman gibt zu verstehen, dass diese Geschichte ein riesengroßes Problem der DemokratInnen darstellt, da die Bevölkerung keine Ahnung hat, wem sie überhaupt zu danken hätte. Dies führt er unter anderem auf die energische Arbeit der RepublikanerInnen zurück, die durch Desinformation die DemokratInnen ausbremsen (vgl. Geier 2013: online).

Mettler zeigt in ihren Arbeiten auf, dass viele LeistungsempfängerInnen behaupten, sie wären noch nie mit einem Regierungsprogramm in Berührung gekommen, wobei Konservative im höheren Ausmaß die Leistungen negieren (vgl.

Geier 2013: online; Mettler 2010: 809). Dies gibt die von uns genannte Polarisierung mit dem einhergehenden Rechtsruck der RepublikanerInnen wieder, die in ihrer marktwirtschaftlichen Propaganda den Staat immer mehr beschneiden wollen.

Das sich die Konservativen gegen die Regierungsprogramme stemmen, ist für die Politikwissenschaftlerin Geiger noch nicht das so große Problem. Richtig problematisch wird es erst, wenn die konservativen Fehlinformationen beim Mainstream Geltung erlangen. Das ist aber das Ziel der Konservativen – die Verunglimpfung von ObamaCare als totalitäres Monster - obwohl die BürgerInnen von den Leistungen proftieren (vgl. Geier 2013: online).

Es ist schwer nachzuvollziehen, wie jahrelange ProfteurInnen von Leistungen des Staates sich dem nicht bewusst sein können. Doch Mettler gibt ganz klar zu verstehen, dass der Staat zu etwas Unscheinbaren geworden ist. Lässt man das ideologische Geplänkel beider Parteien einmal außer Acht, so gibt es Leistungen des Staates, die vom Großteil der Bevölkerung als solche wahrgenommen werden und wiederum die, die kaum als solche realisiert werden. Dies ergibt sich aus der notwendigen Interaktion mit MitarbeiterInnen von Behörden, die die erstgenannten Leistungen bedürfen. Dabei sprechen wir zum Beispiel von Lebensmittelmarken (vgl. Mettler 2011(b): online).

Ein anderer wichtiger Punkt betrift die „Social Security“, die von Roosevelt eingeführte staatliche Pensionsversicherung. Hierbei fand Mettler heraus, dass 56%

der befragten ProfteurInnen von „Social Security“ sagten, sie würden davon proftieren, da auch monatlich ein Check von der Regierung kommt. Aber 44% der ProfteurInnen sagten, sie würden nicht in den Genuss eines Regierungsprogramms kommen. Das liegt für Mettler daran, dass die Beiträge zur „Social Security“ direkt von den Löhnen abgezogen werden und das nicht realisiert wird. Noch viel undurchsichtiger für die Bevölkerung sind Erleichterungen, die das Steuersystem betrefen, wie zum Beispiel die verringerte Einkommenssteuer für Menschen, die einen Kredit für ihr Eigenheim abgelten (vgl. Mettler 2011 (b): online). Dies zeigt sehr deutlich, dass Reformen noch so gut sein können aber nicht honoriert werden, sondern vielmehr der Staat gegeißelt wird, wenn der Bevölkerung nicht unweigerlich klar gemacht wird, dass sie es mit einer staatlichen Leistung zu tun haben.

Somit zeigt sich, dass die Akzeptanz bei der Bevölkerung für die Leistungen des Staates umso höher ist, desto mehr sie es mit sichtbaren Leistungen zu tun haben.

Doch seine Unsichtbarkeit lässt seine Bedeutung bei der Bevölkerung schwinden und stärkt damit den Glauben an den Markt sowie die Konservativen in ihrer Propaganda (vgl. Mettler 2011 (b): online).

Für Mettler ist das Wirken von Obama keineswegs ein Misserfolg, sie führt die Schmälerung seiner Leistung auf die zuvor genannten Gründe des „Submerged State“ zurück. Die Gesundheitsreform ist dabei das prominenteste Beispiel. Weitere verkannte Errungenschaften von Obama können aus Mettler (2010) entnommen werden. Das Wirken seiner Person kann jedoch nur von der Bevölkerung wahrgenommen werden, wenn der Staat von den BürgerInnen wieder als elementare Instanz verstanden wird. Dazu braucht es aber für Mettler unweigerlich eine politische Neuorientierung. Dabei spricht sie von einer konsequenten politischen Aufklärung, die den BürgerInnen klar macht, welche Leistungen der Staat erbringt. Nur so können Reformen von Erfolg sein, mit der fortwährenden Aufklärung der BürgerInnen. Weiter spricht sie davon, dass bestehende Leistungen, die für die Bevölkerung nur schwer sichtbar sind, umgestaltet werden müssen, dass Menschen auch hier eine direkte Verbindung mit dem Staat assoziieren können (vgl. Mettler 2010: 819-820).

Denn eine Gefahr für die Demokratie in den USA ist keineswegs ein zu großer Staat, sondern seine Zurückdrängung ins Abseits. Wenn auch die BürgerInnen, die bisher glaubten, dass sie keine staatliche Hilfe in Anspruch nehmen, die Leistungen die ihnen zugute kommen, vernehmen, so würde vielleicht auch die polarisierte Stimmung entkräftet und wieder ein Weg des Miteinanders möglich (vgl. Mettler 2011 (b): online).

Die Arbeiten von Mettler decken sich akkurat mit der These vom Wandel der Demokratie, die der Autor als „defekt“ bezeichnet. Die Verkennung der staatlichen Leistungen und der untergetauchte Staat ist doch nur symptomatisch für eine konservative Bewegung, die die Republikanische Partei mit Marktpropaganda durchdrang und so den wirtschaftlichen Eliten zu immenser Macht verhalf sowie gleichzeitig die Gewerkschaften zu Grabe trug. Die fortwährende Indoktrinierung mit den Ideen der MarktfundamentalistInnen seit den 1980er Jahren ohne eine starke Gegenbewegung lässt den Staat zur Unbedeutsamkeit verkommen. In den USA wurde durch diesen politischen Wandel der Staat als etwas Gefährliches und Totalitäres hochstilisiert, dessen durch Aufklärung entgegengewirkt werden muss, wie es auch Mettler zu verstehen gibt, will man in den USA eine Umkehr einleiten.