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AUSWAHLKRITERIEN INHALTSFORMEN

Im Dokument Lernort Museum (Seite 91-96)

Museumspädagogische Angebotsgestaltung auf der Makroebene: der Praxisdiskurs

AUSWAHLKRITERIEN INHALTSFORMEN

authentisches Objekt und authentische Zeugnisse oder Dinge oder Gegenstände durchge-hend synonym verwendet.260

Wie bereits erwähnt, wird bei Weschenfelder und Zacharias im Kapitel „Museum und die Präsentation seiner Objekte: Didaktik für wen und mit welchem Interesse?“261 das Objekt hinsichtlich seiner Potenziale thematisiert. Die Autoren sehen diese in der Anschaulich-keit, Authentizität, dem Informationsgehalt/der Inhaltlichkeit und Offenheit. Die An-schaulichkeit liege den beiden Autoren zufolge in der Sichtbarkeit von Materialität, Pro-portion, Farbe, Gestalt und Behandlung, die über die Objekte selbst Auskunft gäben. Da-mit könnte eine „objektivierende Einordnung in eigene Kenntnisse und Vorerfahrung“262 ermöglicht und zugleich Bedeutungen und Bedeutungszuschreibung erfasst werden, so-fern es zum „häufigen Umgang“263 mit den Dingen komme. Hier konstatieren die Autoren jedoch ein nicht aufzulösendes Dilemma zwischen den musealen Grundprinzipien Be-wahren und Vermitteln, da die Präsentation der Objekte auf ein „Vorzeigen“264 reduziert werde und ein „Darreichen“265 unmöglich mache. Das Potenzial der Authentizität eines Objektes bedeutet für die beiden Museumspädagogen, „daß es Zeugnis ablegt über sich selbst und über zeitlich und örtlich entfernte Vorgänge.“266 Damit ließen sich, so die Au-toren, „authentische Situationen rekonstruieren“267. Sie hätten folglich Dokumentwert.

Dies bedeute gleichzeitig, dass sie Informationen in sich tragen (Potenzial des Informati-onsgehalts bzw. der Inhaltlichkeit), die erschlossen werden müssen. Dass Objekte Offen-heit als Potenzial aufweisen, meint, dass Besuchende mit ihren Interessen an sie heran-treten können. Diese sollten durch die Ausstellungsdidaktik nicht eingeschränkt werden.

In der Diskussion der Potenziale lassen sich Haltungen zur Rolle von Objekten im Ver-mittlungsprozess ablesen. Zum einen machen Weschenfelder und Zacharias sie zu Ob-jekten der Betrachtung, wenn es um die Anschaulichkeit und die Offenheit geht.

260 Bei Rudnicki im Handbuch von Czech et al. werden beispielsweise die Begriffe „Objekt“ und „Expo-nat“ abwechselnd verwendet. Weschenfelder und Zacharias schreiben meist „Objekt“ bzw. „museales Objekt“, gelegentlich „Dinge“ oder „Gegenstände“. Nettke verwendet im Handbuch von Comman-deur et al. durchweg den „Objekt“-begriff, bisweilen auch „Exponat“. Die Handreichung

„schule@museum“ schreibt die Begriffe „Museumsobjekt“, „echtes Objekt“, „Objekt“, „originales Objekt“, „Originalobjekt“, „authentisches Objekt“, „historisches Objekt“, „Zeugnis“ und „authenti-sches Zeugnis“. Die Handreichung „Qualitätskriterien“ nutzt die Begriffe „originales Zeugnis“, „ma-terielles Zeugnis“, „Zeugnis der Vergangenheit“, „Museumsobjekt“, „Sammlungsobjekt“, „Objekt“

und „originales Objekt“. Die Handreichung „Best practice“ nutzt durchweg den Begriff „Objekt“ (im Französischen „objet“).

261 WESCHENFELDER/ZACHARIAS 1981, S. 72–81.

262 Ebd., S. 74.

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Hinsichtlich der Authentizität sind sie ebenfalls Objekte, wenn sie im Fokus stehen; zum anderen hingegen werden sie gleichzeitig zu Medien gemacht, wenn sie dafür verwendet werden, Informationen über Prozesse, Personen oder Ereignisse zu gewinnen. Wenn der Informationsgehalt im Zentrum steht, haben sie folglich die Rolle des Mediums, da das Objekt nur vermittelnde Funktion hat.

In einem Artikel des Handbuchs von Czech et al. schreibt Rudnicki268 aus Perspektive der Praxis, was unter museumspädagogischem Handeln zu verstehen ist. Hierzu stellt sie die drei wesentlichen Faktoren Exponat, Besucher und Vermittler269 vor, die an einer muse-umspädagogischen Kommunikation beteiligt seien. In einer Grafik270 werden diese in ei-nem didaktischen Dreieck angeordnet. Hinsichtlich des Exponats verweist Rudnicki da-rauf, dass es „Basis für jedes museumspädagogische Handeln“271 sei, das zur Kernfrage eines Themas leiten solle. Das Objekt habe im Vermittlungsprozess zudem exemplari-schen Charakter, d.h. es stehe für einen bestimmten Inhalt oder ein Thema.272 Sie ordnet damit das Exponat einem Thema oder Inhalt unter und macht es damit zum Medium.

Darüber hinaus spricht sie davon, dass das Ziel der Museumspädagogik die Befähigung der Besuchenden sei, selbstständig in Dialog mit dem Exponat zu treten.273 Hier geht sie zwar darauf ein, wie mit Objekten gearbeitet werden kann, legt jedoch in ihren Ausfüh-rungen nicht dar, wie dieser Dialog aussehen kann.

Nettke274 bezeichnet das Objekt als „Ausgangspunkt, um Fragen aufzuwerfen und Lern-inhalte über die Exponatstrukturen sowie den Vergleich von Objekten zu erschließen.“275 Anhand der Objekte könnten auch ihre Bedeutung(en) thematisiert werden. Zugleich nennt er die Prinzipien der Exemplarität und Anschaulichkeit, die dazu dienten, „Inhalte […] und Botschaften“276 zu übermitteln. Hier werden Objekte als Objekte behandelt, wenn es um die Offenlegung ihrer Strukturen und Bedeutungen geht; sobald jedoch ihre Exemplarität und Anschaulichkeit im Vordergrund steht, wird ihnen die mediale Rolle der Vermittlung eines anderen Inhalts zugeschrieben.

268 RUDNICKI 2014.

269 Im Text von Rudnicki nicht gegendert.

270 Vgl. RUDNICKI 2014, S. 67.

271 Ebd., S. 65.

272 Vgl. ebd.

273 Vgl. ebd., S. 68.

274 NETTKE 2016b.

275 Ebd., S. 32.

276 Ebd., S. 33.

Einige Autor*innen machen zudem Vorschläge zum Umgang mit Objekten speziell bei Angeboten für Schulklassen. Bei Grundschüler*innen sei es beispielsweise nach Brigitta Wehner277 wichtig, die Zahl der eingesetzten Objekte sinnvoll zu begrenzen, um die Schü-ler*innen nicht zu überfordern. Jedes eingesetzte Objekt stehe zudem exemplarisch für einen Inhalt oder eine Bedeutung, was wiederum den medialen Charakter von Objekten hervorhebt.

Ludwig Ziesche278 sieht in den Objekten für die Arbeit mit Schüler*innen die Potenziale der Anschaulichkeit und der Exemplarität. Die vornehmliche Leistung des Museums liege in der Ermöglichung der Betrachtung der Dinge. Deshalb solle zuerst der Gegen-stand „sprechen“279, dann die Schüler*innen und zuletzt der*die Pädagog*in. Dem zu-grunde liegt die Idee, „einem Eindruck auch einen Ausdruck folgen zu lassen“280, in die-sem Fall den des Kindes/Jugendlichen. Gemäß der Exemplarität stehe das Exponat stell-vertretend für ähnliche Gegenstände und Sachverhalte. Dafür sollten die Museumspäda-gog*innen sich bewusst sein, „welche Erfahrungen und Erkenntnisse er [*sie, A.d.V.]

einer bestimmten Auswahl an Exponaten abgewinnen will.“281 Auch hier wird der mediale Charakter von Objekten vorgestellt.

Dass Objekte von wesentlicher Bedeutung sind, wird in der Handreichung „schule@mu-seum“ deutlich. Hier beschreiben die Autor*innen Objekte und ihre Faszination als her-ausragende Merkmale (Potenziale) des Museums: „Im Zentrum jedes Museums steht im-mer das Werk, das originale Objekt, das es für die nächsten Generationen zu bewahren gilt und das in der Ausstellung präsentiert wird. Dieses Objekt soll den Museumsbesucher faszinieren.“282 Demzufolge bestehe die Lernlogik des Museums aus der „Dominanz der authentischen, sinnlichen Erfahrung“283, womit eines der Potenziale von Objekten ange-sprochen ist. Auf die Frage, wie mit Objekten umgegangen werden könne, geht der Text nur einmal ein. Dort heißt es lediglich, dass Fragen an Objekte gestellt werden können284, was jedoch nicht weiter ausgeführt wird.

277 Vgl. WEHNER 2014, S. 125f.

278 ZIESCHE 2014.

279 Ebd., S. 133.

280 Ebd.

281 Ebd., S. 135.

282 DENGEL U. A.2011, S. 14.

283 Ebd., S. 16.

284 Vgl. ebd., S. 45.

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Auch die Handreichung „Qualitätskriterien für Museen“285 erwähnt, dass die Begegnung mit Originalen Ausgangspunkt für Bildungsprozesse sei. Was jedoch genau unter der Be-gegnung zu verstehen ist, lässt der Text offen.

Die Handreichung „Best practice“286 enthält kein Kapitel sowie auch keinen Absatz über Objekte. Vielmehr stehen hier die Inhalte im Vordergrund, für deren Vermittlung die Ob-jekte eingesetzt werden. So wird beispielsweise vorgeschlagen, dass ObOb-jekte als Stütze für die Erzählung einer Geschichte verwendet werden können: „Une histoire continue racontée en s’appuyant sur des objets.“287 Damit werden Objekte tendenziell als Medien betrachtet.

Neben der begrifflichen Unschärfe werden in den Handbüchern und Handreichungen im Wesentlichen drei Aspekte zu ‚Objekten’ deutlich: erstens deren ‚Potenziale’ für die mu-seale Vermittlung, zweitens ihre ‚Rolle(n) im Vermittlungsprozess’ und drittens der ‚Um-gang mit ihnen’. Als ‚Potenziale’ werden vor allem ‚Authentizität’, ‚Exemplarität’, ‚Of-fenheit’, ‚Sinnlichkeit’, ‚Anschaulichkeit’, ‚Faszination’ und ‚Inhaltlichkeit’ genannt.

Damit lassen sich zumeist auch Auffassungen über die ‚Rollen’ von Objekten in der Ver-mittlung offenlegen: Erstens die ‚Rolle als Objekt’ selbst, wenn es in seiner Individualität im Zentrum steht; zweitens die ‚Rolle als Medium’, wenn es für einen Inhalt oder eine Botschaft steht; und drittens als ‚Exempel’, wenn es für eine bestimmte Objektgattung präsentiert wird. Die letzte Form der Rollenzuschreibung stellt eine Zwischenform dar:

Zwar werden sie als Objekte behandelt, ihr ‚individueller Charakter’ steht jedoch nicht im Vordergrund. Der ‚Umgang mit Objekten’ in museumspädagogischen Angeboten er-scheint noch sehr wenig ausdifferenziert. Zwar fallen Stichworte wie „begegnen“, „be-trachten“ und „befragen“, es wird jedoch nicht herausgestellt, was damit genau gemeint und wie bzw. mit welchem Ziel dies konkret umsetzbar ist.

285 KUNZ-OTT 2008, S. 8.

286 O'NEILLE/DUFRESNE-TASSÉ 2011, S. 12.

287 Ebd.

Abbildung 7: Subkategorie ‚Objekte’, qualitative Inhaltsanalyse

8.2.5 Ziele

In zwei von drei Handbüchern wird explizit über ‚Ziele’ geschrieben. In den anderen Handbüchern und einer Handreichung filterte ich diese aus den einzelnen Artikeln oder Textteilen heraus.

In Abgrenzung zur Schule befürworten Weschenfelder und Zacharias288 erstens einen of-fenen Umgang mit Lernzielen. Damit meinen sie, dass Lernziele nicht vordefiniert wer-den, sondern sich im Prozess zwischen Pädagog*innen und Kindern und Jugendlichen manifestieren. Es komme dann nicht zur Artikulation der Ziele, sondern die Ziele zeigten sich im Handeln der Kinder und Jugendlichen. Zweitens verhalte es sich so, dass „das Verhältnis von museumspädagogischen Intentionen, Inhalten und Methoden […] kein hierarchisches, sondern […] als interdependentes Repertoire für Lern- und Aneignungs-interessen in konkreten Situationen […] [ist]“289. Intentionen seien damit immer als

288 Vgl. WESCHENFELDER/ZACHARIAS 1981, S. 174–188.

289 Ebd., S. 178.

OBJEKTE

Exponat; Objekt; museales Objekt; Originalobjekt; Museumsobjekt; originales Ob-jekt; authentisches ObOb-jekt; echtes ObOb-jekt; historisches ObOb-jekt; SammlungsobOb-jekt;

Original; Zeugnis; authentisches Zeugnis; originales Zeugnis; materielles Zeugnis;

Zeugnis der Vergangenheit; Dinge; Gegenstände

Anschaulichkeit; Authentizität; Inhaltlichkeit/Informationsgehalt; Exemplarität; Fas-zination; Sinnlichkeit; Offenheit

Objekt; Medium; Exempel

in Dialog treten; betrachten; befragen UMGANG

ROLLEN

Im Dokument Lernort Museum (Seite 91-96)