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Aus derselben Feder? Der „literarische Balašević“

Im Dokument "Phantomgrenzen" in Zeiten des Umbruchs (Seite 140-147)

Während Balašević als Chansonnier sich recht schnell einer großen Publikumsbeliebtheit erfreute, war sein Ruf als Dichter lange umstritten. So erfuhr im Gegensatz zum beliebten gleichnamigen Lied die Poesiesammlung Računajte na nas (1980)639 heftige Kritik aus den Reihen der Literaturkritiker,

Thema (öffentliche Beliebtheit und guter Ruf des Sohnes bei den Frauen) gewissermaßen als Fortsetzung des Liedes Sin jedinac (Einziger Sohn) betrachten.

636 Balašević (2004).

637 Ebd.

638 Ebd.

639 Balašević, Đorđe (1980): Računajte na nas. Novi Sad: Neven.

obgleich es auch Stimmen gab, die diese abwiesen.640 Ob ihn eine solche Rezeption an weiteren Ge-dichtbänden hinderte, lässt sich mit Sicherheit nicht sagen, tatsächlich aber verzichtete er jahrelang darauf, seine Lieder in Buchform zu veröffentlichen.

Zu Beginn der 1990er Jahre wurde Balaševićs Musik aufgrund seiner Regimekritik von staatlichen Fernseh- und Radiosendern verbannt. Dadurch sah sich Balašević gezwungen, sich stärker dem Schreiben von Texten zu widmen. So wurde 1991 auch Balaševićs erster Roman Tri posleratna druga (Drei Nachkriegsfreunde)641 veröffentlicht. Mit dem Buch löste Balašević gewissermaßen das Ver-sprechen ein, das er bereits mit dem Album Tri posleratna druga (1989)642 gegeben hatte, lautete doch dessen Untertitel Muzika iz istoimenog romana (Musik aus dem gleichnamigen Roman).

Der Roman, dessen Handlung weitaus mehr als einzelne Lieder autobiografische Elemente bein-haltet, erzählte die Geschichte eines erfolgreichen Pop- / Rock-Sängers, der sich aus verschiedenen Gründen, vor allem aber aus persönlicher Enttäuschung von der „Branche“ aus dem „Geschäft“ zu-rückzieht und eine Anstellung als Tankwart annimmt. In der Einsamkeit der Tankstelle, die sich an einer Landstraße außerhalb der Stadt (Novi Sad) befindet, verbringt er seine Tage, indem er an seine frühe Jugend zurückdenkt, darunter an zwei seiner besten Freunde. Die drei Jungs entstammten zwar derselben, scheinbar unzertrennlichen Clique von Jugendlichen, gingen nach ihrer Schulzeit aber zunehmend getrennte Wege. Die Hauptfigur, gleichzeitig der Ich-Erzähler im Roman – eine Konstante in Balaševićs literarischem Werk – begann eine Musikerkarriere und führte somit als Ein-ziger das unbesorgte Leben eines Jugendlichen fort, das gewissermaßen symbolisch für den jugosla-wischen Alltag und den Anschein des Wohlstandes zu stehen scheint. Die anderen beiden Freunde markieren ebenfalls die „typischen“ und zugleich gegensätzlichen Lebenswege „jener Generation“

von Jugoslawen. Der eine, aus einer weniger wohlhabenden Familie stammend, bestritt früh den Weg der Parteikarriere und wurde zum Kader eines in sich zusammenbrechenden Systems. Der an-dere Freund, Sohn einer angesehenen Ärztefamilie, trat in die Fußstapfen seiner Eltern, wurde selbst Arzt und ließ sich in Westeuropa nieder, wo er das ihm vermeintlich gebührende Ansehen und einen entsprechenden Lebensstandard zu verwirklichen hoffte.

Die von zahlreichen Nebenhandlungen, gleichzeitig den Erinnerungen der Hauptfigur durchzo-gene Haupthandlung des Romans, die Balašević im Novi Sad Ende der 1980er Jahre verortete, erfährt durch die Einführung der Figur einer jungen Journalistin die entscheidende Wendung. Auf der Su-che nach einer „Story“ gerät die junge Frau an den aus der Öffentlichkeit verschwundenen populären Sänger und fordert ihm ein Interview ab. Aus den zu diesem Zweck vereinbarten Treffen entwickelt sich nach und nach eine Liebesgeschichte, die zur Veränderung des Sängers führt. Gleichsam „ver-jüngt“ begibt er sich in die neue leidenschaftliche Beziehung und beendet schließlich seine „Früh-rente“ als Musiker. Die aus Balaševićs Liedern bekannte beflügelnde Kraft der Liebe fand auch in seinem ersten Roman eine zentrale Stellung und bildete neben der Freundschaft das zentrale litera-rische Motiv des Werkes.

Wesentlich prägender als der geradezu trivial anmutende Aufbau des Romans war die präzise Art, in der Balašević seine Figuren, deren Milieu, Beziehungen und allgemein den Novisader Alltag Ende der 1980er Jahre beschrieb. Noch stärker ausgeprägt als in seinen Liedern war zudem Balaševićs per-sönliche Abfindung bzw. Abrechnung mit der politischen Situation in Jugoslawien in diesem Zeit-raum. So erklärte er den Eskapismus seiner Hauptfigur indirekt auch mit den 1988 aktuellen Mas-senprotesten gegen das Regime der Autonomen Provinz Vojvodina. Der Pessimismus und die

gleich-640 Pražić, Milan (1980): Balašević nije trik. Povodom teksta Jovana Zivlaka „Beznadežna napetost“ objavljenog u 148. broju

„Književne reči“. In: Dnevnik 39, 28.08.1980 (12150), S. 6.

641 Balašević, Đorđe (1991b): Tri posleratna druga. 1. Aufl. Sremska Mitrovica: Sirmium art.

642 Balašević (1989).

zeitig passive und geradezu besserwisserisch arrogante Haltung des Sängers lassen sich durchaus als stellvertretend für viele Novisader interpretieren:

„Die Menschenmasse war größtenteils auseinander gegangen, und, vom Regen nass gewordene Fah-nen und abmontierte Transparente tragend, gingen langsam auch die letzten zurück gebliebeFah-nen Revolutionäre...

Wir geben Jugoslawien nicht her!

Ich hatte nicht gesehen, wer dieses Schild trug, denn er trug es auf dem Kopf als Schutz vor dem Regen, aber ich wusste, dass es jemand aus meiner verführten und dann verlassenen Generation war.

Das war unser Passwort.

Nun...

Die Älteren hatten auch andere Fotografien auf den ersten Seiten der Lehrbücher gesehen, die Jün-geren werden bestimmt ganz neue sehen, und unsere paar Generationen waren vom ersten Lesebuch bis zum Abschlussball zu einem einzigen Bild und rund zehn Variationen der gleichen Parole verur-teilt.

Wir geben Jugoslawien nicht her!

Ehrlicherweise prügelt man sich auch nicht gerade darum, es wegzunehmen. Das ist wie mit einem alten ‚Moskwitsch‘...

Keiner braucht ihn ganz, aber alle brauchen (Ersatz-)Teile...

Einige möchten nur ein bisschen Meer. Andere hätten gern irgendeinen kleinen Hügel. Die Inseln sind längst vergriffen, so dass sich gezwungenermaßen Halblösungen anbieten...

Halbinsel? Geht klar, auch das wird reichen...

Jeder hat sich irgendetwas reserviert, aber so ist das mit den Nachbarn. Sie sind immer bereit, für gutes Land vors Gericht zu ziehen. Sie fragen aber wenigstens...

Die Ethnischen Säuberer dagegen, nehmen was sie nur kriegen können. Viel bekommen sie nicht, aber es sind viele und sie meckern nicht. Sie stehen früher auf, wie damals in Oklahoma, und schnappen sich das Land bis zum Sonnenuntergang. Dann schlagen sie ihre Pfähle in die Erde, und dann wars das, das gehört ihnen...

So wurde der Wilde Westen erobert. Auch dem Wilden Osten wird es nicht besser ergehen.

Eh, meine Indianer...

Zieht euch eure prunkvollen Trachten an, steckt euch die Federn an und erzählt beim Feuer eure Legenden über die großen Schlachten der Vergangenheit.

Little Big Horn, Colubara River, Kosovo Field...

Erzählt, was ihr für Helden damals wart. Das ist eine gute Möglichkeit, sich die Zeit der langen und uninteressanten Tage des Aussterbens zu vertreiben.

Wir geben Jugoslawien nicht her...

Gib es nicht her, mein verregneter und verarschter Bruder, gib es nicht her, solange einige Rech-nungen noch offen sind.

Jemand muss dich für jedes Mal auszahlen, wenn du bei ‚Hej Sloveni‘643 aufgestanden bist, und muss dir für all jene Tage Tagegeld auszahlen, an denen du als Knabe im Chor frieren musstest, in-dem du gewartet hattest, um irgendwelchen hohen Tieren, die in großen schwarzen Limousinen vorbei düsten, mit einer Papierfahne zuzuwedeln.

Lass sie nicht so leicht davon kommen...

Rechne all die schleimigen Gedichte ab, die du auswendig lernen musstest, alle Panzer und alle Flugzeuge, die du zeichnen musstest.

Sollen sie doch zum Teufel gehen, die Einen wie die Anderen, aber hol dir zuerst deinen Lohn da-für, dass du auch den Albanern und Slowenen zugejubelt hast, allen Boxern und verrückten Ski-springern, über die du dich gefreut und wegen derer du getrauert hast, im Glauben, dass es die Dei-nigen sind...

643 Titel und Beginn des ersten Verses der jugoslawischen Hymne.

Wenn sie imstande waren, Schall und Rauch zu verkaufen, müssten sie dann auch imstande sein, gebrauchte Träume abzukaufen, obwohl ich mir keinen Preis vorstellen kann, der die Kosten der Er-kenntnis decken würde, dass wir von klein an ins Leere geträumt hatten...“644

Trotz der allgemeinen Kritik der politischen Entwicklung in Jugoslawien, die all diejenigen umfasste, die Jugoslawien zerstören wollten, zeigte Balašević recht eindeutig, wer aus seiner Sicht die Haupt-verantwortung für die entstandene politische Krise trug:

„Letztes Jahr tauchte an der stumpfen politischen Spitze ein Mann mit einem Buskontrolleur-blauen Anzug auf, mit einer Frisur, die nur noch die schwedische Nationalmannschaft bei der Weltmeister-schaft 1958 trug, und mit einem wütenden Blick, einer, der, das muss ich einräumen, nach Ent-schlossenheit aussah, obwohl Freud da wahrscheinlich auch andere Elemente entdecken würde.

- Schau dir ihn nur an, bitte. Der weiß, was er will...

Der Chef [der Tankstelle], ein typischer Vertreter der breiten Volksmassen, verspürte schon seit dem Abschied vom Größten Model Unserer Völker645, das unwiderstehliche Bedürfnis nach einem nächs-ten Führer und Idol, und das Erscheinen einer neuen Figur in der alnächs-ten Handlung befriedigte gewis-sermaßen den Untertanentrieb meines Vorgesetzten.

In diesen Tagen hatten die Zeitungen verstärkt Poster des neuen Leaders veröffentlicht, die LKW-Fahrer, Busfahrer und Taxifahrer hängten diese Bilder sofort auf ihre Frontscheiben auf, so dass auch der fleißige Golub stolz ein großes Porträt im Schaufenster unserer Tankstelle aufstellte.

- Hast du gehört, wie er spricht? Alles auswendig. Das ist es, was wir seit langem brauchen. Eine ei-serne Hand...

Wie lange noch dieses Eisen? Jetzt müssten sie schon zu moderneren Technologien übergehen. Vom Eisen hatten wir nicht allzu viel Nutzen. Wir hatten schon Helden mit eisernen Details: Eiserner Wille. Eiserner Blick. Eisenrohre. Eisenstangen...

- Ach Chef, wen interessiert denn die Politik? Mit Politik beschäftigen sich diejenigen, die nicht mehr vögeln können, und immer noch nicht gelernt haben, Schach zu spielen...

Bobas Definition war hervorragend, den Reserveartilleristen Golub revoltierte sie jedoch.

- Du Irrer. Du bist noch jung. Du hast kein Gespür für den Augenblick, in dem wir leben...

Ja, das war die Zeit großer Veränderungen zum Gleichen. Die Zeit historischer Meetings. Es gab kei-nen Tag ohne Meeting. Arbeitstag, versteht sich...

Meeting der Wahrheit. Meeting der Unterstützung. Meeting der Solidarität. Meeting der Flucht vom Arbeitsplatz...

- Guten Abend, liebe Zuschauer. Hundert Tausend in Kragujevac. Zweihundert Tausend in Niš. Eine Million in Belgrad...“646

Die beabsichtigte Ähnlichkeit des im Roman beschriebenen Spitzenpolitikers mit Slobodan Mi-lošević markierte gleichzeitig auch den Beginn Balaševićs starker regimekritischer Haltung, die sich im Laufe der 1990er Jahre verschärfte und den genannten Boykott seiner Musik durch staatlich kon-trollierte Medien zur Folge hatte. Außer dass er Milošević kritisierte, prangerte Balašević bereits hier auch die Hörigkeit und Autoritätsgläubigkeit der Menschen an, die er somit für den Zerfall Jugosla-wiens mit verantwortlich machte. Diesen Vorwurf wiederholte er einige Jahre später vor allem in seinen Liedern Krivi smo mi und The last march auf dem Album Jedan od onih života.647

Obwohl Balašević selbst mit dem Buch nicht besonders zufrieden zu sein schien – seine schrift-stellerischen „Mängel“ erklärte er mit dem Umstand, dass dies sein erster Roman war648 – erfuhr der

644 Balašević, Đorđe (2010b): Tri posleratna druga. 6. Aufl. Novi Sad: Đorđe Balašević, S. 62 f.

645 Gemeint ist der 1980 verstorbene jugoslawische Präsident Josip Broz Tito.

646 Balašević (2010b), S. 177 f.

647 Vgl. Balašević (1993).

648 Milinčić, Ljubinka (1992): Dolazili su u vampirsko vreme. In: Borba 72, 21.11.1992 (321).

Roman eine breite Rezeption und insgesamt sechs Auflagen.649 Als gutes, „erfrischendes“ und emp-fehlenswertes Buch wurde der Roman grundsätzlich auch von Literaturkritikern bewertet. Im Hin-blick auf einzelne Aspekte wie Struktur, Handlung, Figuren und Ausdruck gab es jedoch auch unter-schiedliche Auffassungen. Vor allem fiel die im Werk vielfach eingesetzte „Jugendsprache“ auf, die zwar der durch den Roman ausgedrückten „Rebellion der Jugend gegen das System“ entspräche,650 stellenweise aber „klischeehaft wirkte“.651 Auch in Bezug auf die Frage der „künstlerischen Reichwei-te“ gingen die Meinungen auseinander – auf der einen Seite wurde der Roman als bestenfalls leichte, unterhaltsame Literatur eingeschätzt, deren Handlung sogar mit „amerikanischen Westerns“ ver-gleichbar wäre,652 und auf der anderen Seite wurde behauptet, der Roman wäre aufgrund eines viel breiteren Publikums ein Zeichen dafür, dass der „literarische Balašević“ den Chansonnier Balašević weit übertreffen und überdauern würde.653 Wie wir heute wissen, war dies nicht der Fall. Dass Ba-laševićs erster Roman grundsätzlich erfolgreich war, könnte allerdings erklären, warum der „literari-sche“ zumindest parallel zum „musikalischen“ Balašević fortbesteht. Gleichzeitig bleibt festzuhal-ten, dass keine der Interpretationen seiner Romane – weder die frühe Literaturkritik noch die späte-ren Arbeiten über Balaševićs Werke – sie vor dem Hintergrund ihres politischen Gehalts bzw. ihrer Gesellschaftskritik beachtete. Dabei schien Balašević keine Gelegenheit und keine Mittel auszulas-sen, um seine Sicht der politischen Lage und vor allem der alltäglichen Probleme zu verkünden.

So begann er 1992, der Aufforderung der Belgrader Zeitschrift TV Revija folgend, in einer eigenen Kolumne Essays zu veröffentlichen, in denen er Anekdoten aus seinem persönlichen Alltag mit Kommentaren zu aktuellen politischen Ereignissen verband. Nach einigen Jahren, in denen er sich wieder der Musik widmete,654 publizierte Balašević 1997 die Essays als Sammlung im Eigenverlag unter dem Titel I život ide dalje. (Sve dalje odavde): klimav alibi za međuvreme razuma (Und das Le-ben geht weiter. (Immer weiter weg von hier): ein wackliges Alibi für die Zwischenzeit der Ver-nunft).655

Im selben Jahr (1997) beendete Balašević auch die Arbeit an seinem zweiten Roman Jedan od onih života. 63.644 reči i jedna psovka (Eines jener Leben. 63 644 Wörter und ein Schimpfwort).656 Das Buch, in dem er wie im Fall seines ersten Romans die Thematik eines (gleichnamigen) Musikalbums aufgriff, erschien dabei in drei Auflagen im Laufe desselben Jahres.657 Auch bei diesem Werk handel-te es sich zudem um eine autobiografisch inspirierhandel-te Geschichhandel-te, deren Handlung sich zu Beginn der Kriege in Kroatien abspielte. Die Hauptfigur, der fußballbegeisterte Privatunternehmer Petar Niko-lčin, genannt Petraš oder Batula, wird wiederholt von der Militärpolizei aufgesucht, die junge Män-ner für den Krieg zu mobilisieren versuchte. Doch wie Balašević selbst, mit dessen Mobilisierung das Regime wohl einerseits beabsichtigte, ihn als regimekritischen Prominenten zu „beseitigen“, und

649Bis auf die ersten beiden Auflagen (1991 und 1992) erschien das Buch in Balaševićs Eigenverlag (1996, 1997, 2000 und zuletzt 2010).

650 Popov, Živko (1992): Neki novi klinci – roman o probuđenoj generaciji. Đorđe Balašević: „Tri posleratna druga“, Sirmium Art, Sremska Mitrovica, 1991. In: Sunčani sat 1 (1), S. 141–144.

651 Lazović, Zoran (1992): Đorđe Balašević: Tri posleratna druga, Sirmium art, 1991, 580 din. In: Kult. Časopis za kulturu i umetničko stvaralaštvo 2 (2), S. 22.

652 Ebd.

653 Popov (1992), S. 144.

654 In dieser Zeit entstanden zwei seiner Alben: Balašević, Đorđe (1993): Jedan od onih života. Đorđe Balašević. Audiokas-sette. Beograd: UFA Media und Balašević, Đorđe (1996): Naposletku. Đorđe Balašević. AudiokasAudiokas-sette. Beograd:

UFA Media; ZMEX.

655 Balašević, Đorđe (1997a): I život ide dalje. (Sve dalje odavde): klimav alibi za međuvreme razuma. Novi Sad: Đorđe Ba-lašević.

656 Balašević, Đorđe (1997b): Jedan od onih života. 63.644 reči i jedna psovka. 1. Aufl. Novi Sad: Prometej.

657Eine weitere Auflage erfolgte erneut im Eigenverlag 2010: Balašević, Đorđe (2010a): Jedan od onih života. (63.644 reči i jedna psovka). Novi Sad: Đorđe Balašević; Daniel print.

andererseits hoffte, die „heldenhafte Tat“ Balaševićs könnte sich günstig auf die Moral der Kämpfen-den auswirken,658 schafft es auch die Hauptfigur des Romans, der Militärpolizei zu entkommen.

Auch in diesem Roman behielt Balašević die Liebe als zentrales Motiv, eingeflochten in mehrere Parallelhandlungen, die allesamt oftmals komplexe Familien- und Freundschaftsbeziehungen zweier Generationen in Novi Sad schilderten. Allerdings lässt sich hier eine weitaus engere Verknüpfung zwischen der erzählten Liebesgeschichte und den im Vergleich zum ersten Roman viel stärker tonten Beschreibungen des politischen und sozialen Kontextes der Handlung und der Figuren be-obachten. Die dadurch ausgedrückte Kritik des Autors bewegte sich indes zwischen seinem zum Zeitpunkt der Veröffentlichung längst bekannten Antikriegsengagement auf der einen und auf der anderen Seite einer politischen Haltung, die viele Ähnlichkeiten mit dem politischen Autonomiedis-kurs jener Zeit aufweist. Die in diesem Roman artikulierten Positionen werden im Abschnitt über den „engagierten Balašević“ ausführlicher behandelt. Hier sei lediglich anzumerken, dass auch die-ser Roman in Form von zahlreichen Metaphern und Vergleichen ein Bild der Vojvodina zeichnet, das zumindest in den Novisader autonomistischen politischen Kreisen auf Zustimmung hätte stoßen müssen.659

Die durch den Sturz des Regimes von Slobodan Milošević Ende 2000 kurzfristig entstandene

„Aufbruchsstimmung“ in Serbien ebbte spätestens nach dem Mord an Serbiens Premierminister Zoran Đinđić ab, was womöglich auch Balašević dazu verleitete, sich erneut der öffentlichen Kritik von der bewährten „Kanzel“ einer Tageszeitung zu widmen. So erhielt er 2003 eine eigene Kolumne in der auflagestarken Belgrader Tageszeitung Blic, in der er von Anfang August bis Ende Oktober wöchentlich Artikel veröffentlichte, die in der Schärfe der Kritik seine bisherigen Schriften (aber auch Lieder) weit übertrafen. Ohne die übliche subtile Ironie und den Witz äußerte Balašević vor allem seinen Unmut über die Politik der neuen demokratischen Opposition.660

Eine der wenigen Ausnahmen war ein Artikel Balaševićs in eigener Sache, in dem er mit dem be-kannten Schauspieler und Regisseur Ljubiša Samardžić abrechnete.661 Der Streit, der zwischen den beiden Prominenten öffentlich ausgetragen wurde, brach um die Frage nach dem Film über Vasa Ladački aus, einer der bekanntesten Figuren aus Balaševićs Liedern. Balaševićs Aussagen zufolge

658 Dazu siehe: Štrbac (1991), S. 46; Milinčić (1992).

659 Auch allgemein erfuhr der Roman eher positive Kritik. Vgl. Pavlov, Milutin Z. (1998): Gorki urnebes balkanskog vašara.

Đorđe Balašević: Jedan od onih života (63.644 reči i jedna psovka – roman) Prometej, Novi Sad 1997. In: Naša borba 3, 12.02.1998 (734). Online verfügbar unter http://www.yurope.com/nasa-borba/arhiva/Feb98/1202/1202_25.HTM, zuletzt geprüft am 24.05.2012.

660Balašević, Đorđe (2003): Od ‚sablje‘ i ‚skalpela‘ dođosmo do ‚grickalice za nokte‘. In: Blic 8, 12.08.2003 (2334). Online verfügbar unter http://www.blic.rs/stara_arhiva/zabava/45997/Od-sablje-i-skalpela-dodjosmo-do-grickalice-za-nokte, zuletzt geprüft am 25.05.2012; Balašević, Đorđe (2003): U ovoj zemlji se, brale, laže kao nikad. In: Blic 8, 19.08.2003 (2348). Online verfügbar unter http://www.blic.rs/stara_arhiva/zabava/46490/U-ovoj-zemlji-se-brale-laze-kao-nikad, zuletzt geprüft am 25.05.2012; Balašević, Đorđe (2003): Nemamo političara koji ume i druge da slaže tako lepo kao nas. In:

Blic 8, 02.09.2003 (2355). Online verfügbar unter http://www.blic.rs/stara_arhiva/zabava/46742/Nemamo-politicara-koji-ume-i-druge-da-slaze-tako-lepo-kao-nas, zuletzt geprüft am 25.05.2012; Balašević, Đorđe (2003): Sloba me je odvikao od televizije, a ovi će i od novina. In: Blic 8, 23.09.2003 (2376). Online verfügbar unter http://www.blic.rs/stara_arhiva/zabava/47558/Sloba-me-je-odvikao-od-televizije-a-ovi-ce-i-od-novina, zuletzt geprüft am 25.05.2012; Balašević, Đorđe (2003): Potpredsednik je najniža titula kojom se ovajdio neki od kumova. In: Blic 8, 30.09.2003 (2383). Online verfügbar unter http://www.blic.rs/stara_arhiva/zabava/47894/Potpredsednik-je-najniza-titula-kojom-se-ovajdio-neki-od-kumova, zuletzt geprüft am 25.05.2012; Balašević, Đorđe (2003): Ponekad mi se čini da sam tako mator da bih se morao kandidovati. In: Blic 8, 07.10.2003 (2390). Online verfügbar unter http://www.blic.rs/stara_arhiva/zabava/48308/Ponekad-mi-se-cini-da-sam-tako-mator-da-bih-se-morao-kandidovati, zuletzt geprüft am 25.05.2012; Balašević, Đorđe (2003): Vas ćemo skinuti i na plejbek. In: Blic 8, 21.10.2003 (2404). Online verfügbar unter http://www.blic.rs/stara_arhiva/zabava/49092/Vas-cemo-skinuti-i-na-plejbek, zuletzt geprüft am 25.05.2012.

661Balašević, Đorđe (2003): Samardžiću, ne kradi mi crep sa svinjca pa ti neću zapišavati tarabu. In: Blic 8, 09.09.2003 (2362). Online verfügbar unter

661Balašević, Đorđe (2003): Samardžiću, ne kradi mi crep sa svinjca pa ti neću zapišavati tarabu. In: Blic 8, 09.09.2003 (2362). Online verfügbar unter

Im Dokument "Phantomgrenzen" in Zeiten des Umbruchs (Seite 140-147)