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Die politischen Konflikte des Jahres 1988, die „Joghurt-Revolution“ mit den anschließenden Umwäl-zungen innerhalb der Parteistrukturen in der Vojvodina und selbst die „Differenzierungsmaßnah-men“ – d.h. Massenentlassungen zahlreicher „Autonomisten“ in der Vojvodina – wurden von den Entwicklungen vor allem im politischen Leben Jugoslawiens sehr bald überschattet: der faktischen Auflösung des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens nach dem 14. Außerordentlichen Kongress im Januar 1990, der angekündigten Verabschiedung einer neuen Verfassung der Republik Serbien sowie den anstehenden ersten Mehrparteienwahlen.

Das „Pluralismusfieber“ des Jahres 1990 machte sich auch in der vojvodinischen politischen Landschaft bemerkbar. Neben neuen Orts- bzw. Provinzverbänden verschiedener Parteien, die ihren Sitz in Belgrad hatten, ihre politische Tätigkeit vordergründig auf Serbien ausrichteten und recht bald – mit wenigen Ausnahmen – in verschiedenen Ausprägungen und Intensität serbischen Natio-nalismus propagierten und diesen zur dominanten politischen Idee erhoben, entstanden 1990 in der Vojvodina auch erste politische Initiativen, die sich in ihren Aktivitäten und Zielen primär auf die Provinz und ihre Probleme beschränkten, was nur einen der Gründe für ihre insgesamt marginale politische Rolle in der Parteienlandschaft Serbiens dieser Zeit darstellte. Die Interessen und politi-schen Forderungen dieser regionalen pro-vojvodinipoliti-schen Initiativen, die im Laufe der 1990er Jahre zum Autonomiediskurs zusammenflossen, wurden erstens in Form von Parteigründungen und

par-(1992): Srbi su bili bespomoćni. Dr Milica Grković, profesor univerziteta u Novom Sadu. In: Nezavisni Index 1, 10.07.1992 (4), S. 11; Jovanović, Gordana; Tabaković, Aneta (1992): Ko se ulice laća… Jubileji: 9. jul, dan kada je počelo „događanje naroda“ (četiri godine posle). In: Nezavisni Index 1, 10.07.1992 (4), S. 10–11; Krunić, Boško (1992): Kad najgori aga umre…

Boško Krunić, penzioner, tadašnji predsednik Predsedništva CK SKJ. In: Nezavisni Index 1, 10.07.1992 (4), S. 11; Šolević, Miroslav (1992): Uludo smo se borili. Miroslav Šolević, revolucionar. In: Nezavisni Index 1, 10.07.1992 (4), S. 10.

325 Biro, Mikloš (1992): Karakter: Postoje li još uvek Lale? Vojvodina: kad se jogurt prelije. In: Nezavisni Index 1, 29.08.1992 (8), S. 5; Bogdanović, Duško (1992): Novinarstvo: Ravno do dna. Vojvodina: kad se jogurt prelije. In: Nezavisni Index 1, 29.08.1992 (8), S. 5; Burić, Đorđe (1992): Ekonomija: Posledice ukidanja autonomije. Vojvodina: kad se jogurt prelije. In:

Nezavisni Index 1, 29.08.1992 (8), S. 4–5; Dimitrijević, Nenad (1992): Ustavnopravni status: šta vlast neće da shvati. Voj-vodina: kad se jogurt prelije. In: Nezavisni Index 1, 29.08.1992 (8), S. 4; Veselinov, Dragan (1992): Agroekonomija: Hleb i Vojvodina. Vojvodina: kad se jogurt prelije. In: Nezavisni Index 1, 29.08.1992 (8), S. 4. Siehe auch: Radovanov, K. (1993):

Kerber „Kiš-Miška“ na talasu jogurta. Zapis iz tamnog vilajeta. In: Nezavisni 2, 29.01.1993 (17), S. 18–19; Simendić, Nevena (1993): Porazni učinak blesave revolucije. „Autonomaš“: dr Dragan Veselinov. In: Nezavisni 2, 07.05.1993 (24), S. 12–14.

326 Ramač (1993): Uvek protiv centralizma.

teipolitischen Aktivitäten, zweitens als mehr oder weniger lose Zusammenschlüsse von Intellektuel-len und schließlich im Zusammenhang mit den so genannten „unabhängigen“ Medien von Journalis-ten artikuliert. Den AktivitäJournalis-ten dieser drei oftmals miteinander eng verwobenen Akteursgruppen folgend, soll der Autonomiediskurs in der Vojvodina vor allem vor dem Hintergrund der (Re-)Konstruktion von Phantomgrenzen beleuchtet werden.

Die schwierig(st)e Opposition? Autonomistische Parteien in der Vojvodina

Auch wenn die Gründung neuer politischer Parteien vorwiegend im Laufe des Jahres 1990 erfolgte, kam es auch in der Vojvodina bereits im Laufe des Jahres 1989 zu ersten Formierungsversuchen ein-zelner Vereine, die ihre Interessen – von konkreten politischen Zielen war in dieser frühen Phase noch kaum die Rede – erstmalig außerhalb der etablierten „gesellschaftlich-politischen Organisati-onen“ (vor allem im Rahmen des Sozialistischen Bundes) artikulierten. In der Regel handelte es sich dabei um relativ kleine Gruppen von Intellektuellen, die aber umso höhere Ansprüche auf eine neue gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Ordnung stellten, große Ambitionen pflegten und den Eindruck zu erwecken suchten, die besten Lösungen für viele, wenn nicht sogar sämtliche Prob-leme der Gesellschaft anbieten zu können. Die vorgeschlagenen Lösungen oder politischen Ansätze schienen indes genauso diffus wie die politische Ausrichtung oder Zielgruppen dieser Initiativen.

Auf sich aufmerksam machten durch öffentliche Stellungnahmen, Podiumsdiskussionen oder Inter-views in lokalen Zeitungen etwa der von Ruža Deneš angeführte Bund der Bauern der Vojvodina (Savez seljaka Vojvodine),327 der serbisch-nationalistische Demokratische Kreis (Demokratski krug), dem prominente lokale Intellektuelle wie Miroslav Egerić angehörten,328 oder aber der von der Schriftstellergesellschaft der Vojvodina gegründete Ausschuss für Redefreiheit (Odbor za slobodu govora), dessen führende Figur der bekannte Novisader Anwalt und Verfechter der Autonomie der Vojvodina Slobodan Beljanskiwar.329 Ebenfalls in dieser Zeit wurde in der Vojvodina der Ortsverband der Vereinigung für eine jugoslawische demokratische Initiative (Udruženje za jugoslovensku demo-kratsku inicijativu – UJDI)330 gegründet.331 Im Gegensatz zu diesen frühen „proto-politischen“ Verei-nen, deren bedeutendste Rolle wohl die Beteiligung am Pluralisierungsprozess selbst war, und die als Initiativen bereits früh verschwanden bzw. sich bestenfalls anderen Organisationen anschlossen oder in einzelnen Parteien aufgingen, kam es zu Beginn des Jahres 1990 zu Gründungen von Partei-en,332 die sich im Laufe der 1990er Jahre zwar fortgehend entwickelten, durch Spaltungen oder Zu-sammenschlüsse sogar ihren Namen änderten, jedoch bis in die Gegenwart als politisch relevante Akteure fortbestehen.

327 Nikolin, Ljubiša (1989): Tanani demokratski profit. U novim vojvođanskim političkim prilikama građaninu još ne cveta samo cveće. In: Stav 3, 24.11.1989 (44), S. 30–32, hier S. 31.

328 Ebd., S. 32.

329 Ebd.

330 Zur Geschichte des Vereins und seiner Bemühungen um eine Demokratisierung und friedliche Umgestaltung des ge-samten jugoslawischen Staates siehe z.B.: Horvat, Branko (2003): The Association for Yugoslav Democratic Initiative. In:

Dejan Djokić (Hg.): Yugoslavism. Histories of a Failed Idea, 1918-1992. London: Hurst, S. 298–303; sowie Stojaković, Krunoslav (2009): Prešućena povijest. UJDI i antiratna opozicija u Jugoslaviji. In: Đorđe Tomić und Petar Atanacković (Hg.): Društvo u pokretu. Novi društveni pokreti u Jugoslaviji od 1968. do danas. Novi Sad: Cenzura, S. 169–182.

331 Nikolin (1989): Tanani demokratski profit, S. 32.

332 Formell wurde die Registrierung politischer Parteien in der (noch) Sozialistischen Republik Serbien erst im Juli 1990 möglich, als das Gesetz über politische Organisationen verabschiedet wurde. Siehe: (19.07.1990): Zakon o političkim or-ganizacijama. In: Službeni glasnik Socijalističke Republike Srbije (37). Nur wenige Tage zuvor wurde auch auf der jugo-slawischen Bundesebene ein entsprechendes Gesetz verabschiedet. Siehe: (17.07.1990): Zakon o udruživanju građana u udruženja, društvene organizacije i političke organizacije koji se osnivaju na teritoriju Socijalističke Federativne Republi-ke Jugoslavije. In: Službeni list SFRJ (42). Interessanterweise erfolgte dies erst Monate nach den ersten Mehrparteienwah-len in Slowenien und Kroatien. Die bei diesen WahMehrparteienwah-len angetretenen Parteien waren nach entsprechenden Republikge-setzen registriert.

In diese Konstituierungsphase der Parteienlandschaft in der Vojvodina fiel die Verabschiedung der neuen Verfassung der Republik Serbien, in der die früheren beiden autonomen Provinzen Vojvodina und Kosovo zwar Erwähnung fanden, deren legislative und exekutive Kompetenzen – die Provinzjudikative wurde dabei komplett aufgehoben – auf ein Mindestmaß reduziert wurden.333 Für einige der neuen politischen Akteure in der Vojvodina bedeutete dies ein „Aufoktroyieren der Ein-heit Serbiens“. Die Verfassung selbst betrachteten sie als gegen die Vojvodina und gegen die Demo-kratie gerichtet, was zu entsprechenden öffentlichen Gegenreaktionen führte.334 Manche erkannten in der neuen Verfassung die Fortsetzung der „antibürokratischen Revolution“, gegen welche sie sich etwa an die jugoslawische Bundesversammlung wandten,335 von der aber bereits zu diesem Zeit-punkt, Ende 1990, wohl kaum eine Reaktion zu erwarten war. Trotz solcher Bemühungen wurde die neue Verfassung Serbiens am 18. Juni 1991 vom Parlament der Autonomen Provinz Vojvodina bestä-tigt, indem die alte Verfassung der Sozialistischen Autonomen Provinz Vojvodina durch das neu ver-abschiedete Statut der AP Vojvodina ersetzt wurde.336

Dabei blieb das Parlament der AP Vojvodina, abgesehen von den Gemeindeversammlungen in Serbien, die einzige Institution der alten jugoslawischen föderalen Ordnung, die bis Mitte 1992 von Mehrparteienwahlen „verschont“ blieb. Im Gegensatz zu den in allen jugoslawischen Republiken 1990 abgehaltenen Republikparlamentswahlen wurde die Demokratisierung der Autonomen Pro-vinzen „vertagt“. In der Vojvodina wurden die Provinzparlamentswahlen zwar für den 10. November 1991 angekündigt, infolge des vom letzten Präsidium der SFRJ am 28. Oktober 1991 ausgerufenen Ausnahmezustandes dann aber verschoben. Erst nachdem der alte jugoslawische Staat zu existieren aufhörte, fanden am 31. Mai und am 14. Juni 1992 die ersten Mehrparteienwahlen für das Parlament der AP Vojvodina statt. Formell wurde die Provinz somit auch Jahre nach der Auflösung des jugosla-wischen Sozialismus von den noch im Herbst 1989 gewählten 254 Delegierten des alten sozialisti-schen Parlamentes der AP Vojvodina repräsentiert, die ihre Sitze im gesellschaftlich-politisozialisti-schen Rat, dem Rat der assoziierten Arbeit sowie dem Rat der Gemeinden behielten. Ihre letzte Aufgabe, abge-sehen von der Bestätigung des neuen Statuts, war die Verabschiedung einer Reihe von Beschlüssen vor den Wahlen, etwa jenes über die Konstituierung einer Provinzwahlkommission samt ihrer Lei-tung und Mitglieder, was allerdings erst am 24. September 1991 erfolgte.337 Diese wohl nur als absurd zu bezeichnende institutionelle „Schieflage“ stellte für das Funktionieren des politischen Systems in Serbien jedoch kein Hindernis dar. Vielmehr wird daraus ersichtlich, welch geringe Bedeutung die Institutionen der Autonomen Provinzen im erfolgreich „vereinten“ Serbien seit Beginn der 1990er Jahre besaßen.

Die „neue Einheit Serbiens“ zeigte Wirkung auch im Hinblick auf die nationalen Minderheiten in der Vojvodina. Dass die Warnungen der 1988 gestürzten „Autonomisten“, die serbisch-nationalistische Euphorie der „antibürokratischen Revolution“ könnte die Beziehungen zwischen den verschiedenen Völkern in der Vojvodina belasten, schon damals nicht unbegründet waren,

zeig-333 Ustav Republike Srbije (1990). Beograd: Službeni glasnik Republike Srbije.

334 Zahlreiche politische und kulturelle Organisationen aus der Vojvodina unterzeichneten beispielsweise eine gemeinsame öffentliche Erklärung gegen die neue Verfassung Serbiens: die Liga der Sozialdemokraten der Vojvodina/Jugoslawiens, die Allnationale Demokratische Front der Vojvodina, der Initiativausschuss des Demokratischen Forums der Vojvodina, die Matica slovačka, die Matica rusinska, der Demokratische Bund der Kroaten der Vojvodina, die Demokratische Ge-meinschaft der vojvodinischen Rumänen und die Demokratische GeGe-meinschaft der vojvodinischen Ungarn. Siehe: Liga socijaldemokrata Vojvodine (Januar 1991): Saopštenje opozicionih političkih stranaka i organizacija Vojvodine povodom donošenja Ustava Republike Srbije. Liga socijaldemokrata Vojvodine (Parteiarchiv, Novi Sad).

335Liga socijaldemokrata Vojvodine (08.11.1990): Otvoreno pismo Demokratskog bloka Vojvodine Skupštini SFRJ. Liga socijaldemokrata Vojvodine (Parteiarchiv, Novi Sad).

336 Skupština AP Vojvodine (1991): Statut Autonomne Pokrajine Vojvodine. In: Službeni list APV (17/91).

337Vgl. Kolundžija, Denis (2012a): Višestranačka skupština AP Vojvodine. 1992-2012. Novi Sad: Skupština Autonomne Pokrajine Vojvodine, S. 7 ff. Siehe auch: Kolundžija, Denis (2012b): Mobilizacija „odbranila“ delegatski sistem. Kako je u Vojvodinu tek pre 20 godina stiglo višestranačje? In: Dnevnik 70, 03.06.2012 (23457), S. 6.

te auch der Umstand, dass zu den ersten Parteien, die in der Provinz gegründet wurden, gerade jene der nationalen Minderheiten gehörten. Zu ihren politischen Ansprüchen gehörten insbesondere die Stärkung von Minderheitenrechten, darunter die Bewahrung der jeweiligen Kultur und Sprache bzw.

des Rechtes auf Bildung und Medien in eigener Sprache sowie der Ausbau verschiedener Formen von lokaler Selbstverwaltung bis hin zu Forderungen nach unterschiedlichen Formen von Autono-mie.

Mit dem Anspruch der Interessenvertretung der größten ethnischen Minderheit in der Vojvodina entstand Anfang 1990 zunächst der Initiativausschuss für die Konstituierung der Demokratischen Gemeinschaft der vojvodinischen Ungarn (Inicijativni odbor za konstituisanje Demokratske zajed-nice vojvođanskih Mađara – DZVM).338 Kurz darauf wurde die vom Parteichef Andraš Agošton ange-führte DZVM auch offiziell registriert.339 Parallel dazu entstanden auch der Bund der Ruthenen und Ukrainer (Savez Rusina i Ukrajinaca)340 sowie der kurz nach den Ortsverbänden der Demokrati-schen Partei (Demokratska stranka) und der Radikalen Volkspartei (Narodna radikalna stranka) am 15. Juli 1990 in der nordvojvodinischen Stadt Subotica gegründete Demokratische Bund der vojvodi-nischen Kroaten (Savez vojvođanskih Hrvata),341 dessen Registrierung wie im Fall der DZVM von einem Initiativausschuss vorbereitet wurde.342 Das Interesse an Parteigründungen und politischen Pluralismus bekundeten auch andere nationale Minderheiten in der Vojvodina wie z.B. die Roma343 oder die Bunjevacen,344 auch wenn ihr politischer Einfluss selbst auf lokaler Ebene im Laufe der 1990er Jahre kaum nennenswert war.

Inmitten dieser Vielzahl von Parteien organisierten sich auch die ersten regionalen pro-vojvodinischen bzw. autonomistischen Initiativen und bildeten gleich mehrere Parteien. Dies mag umso verwunderlicher erscheinen, als nach der „Joghurt-Revolution“ die Autonomie zu einer „Stilfi-gur“345 herabgestuft und die Bezeichnung „Autonomist“ im politischen Jargon der Provinz regelrecht zum Schimpfwort wurde und zum Zeitpunkt der „Lösung“ von „nationalen Fragen“ wohl die schlimmste Diskreditierung garantierte.346 Durch die steigende Zahl neuer politischer Akteure blieb es den Kommunisten immer weniger vorbehalten, dieses schwere „Urteil“ zu fällen. Auch die neuen sich als „bürgerlich“ empfindenden Parteien und Intellektuellen schürten die Angst vor der Rück-kehr der alten Autonomisten und verwiesen gleichzeitig darauf, diese seien schließlich ebenfalls

„Kommunisten“.347 Besonders stark wurden die Warnungen vor dem vojvodinischen Autonomismus im Vorfeld der Verabschiedung der neuen Verfassung Serbiens im Sommer 1990, auch wenn sie die großen Konfliktlinien zwischen dem kommunistischen Regime und den neuen Parteien nur unwe-sentlich beeinflussten. Die Mehrheit der sich zu diesem Zeitpunkt formierenden Parteilandschaft vertrat indessen mehr oder weniger resolute anti-kommunistische und nationalistische Ansichten.

Selbst die im Laufe der 1990er als moderat auftretenden Intellektuellen und Politiker wie Zoran Đinđić (Demokratische Partei) schlossen sich der Kritik an den Kommunisten an und vertraten ihre

338 [Redakcija magazina Stav] (1990): Zašto o Mađarima. Mađari u Vojvodini. In: Stav 4, 09.02.1990 (49), S. 31.

339 [Demokratska zajednica vojvođanskih Mađara] (1990): Programski ciljevi Demokratske zajednice vojvođanskih Mađara.

In: Stav 4, 09.02.1990 (49), S. 34–35; Boroš, M.; Čolević, R. (1990): Za promenu modela. Andraš Agošton: predsednik Ini-cijativnog odbora Demokratske zajednice vojvođanskih Mađara. In: Stav 4, 09.02.1990 (49), S. 36.

340 Konstantinović, Stevan (1990): Mirođija u narodnom kazanu. Organizovanje manjina. In: Stav 4, 09.03.1990 (51), S. 36–

37.

341 Roćenović, Mitar (1990): Ljepa naša Vojvodino. Organizovanje naroda. In: Stav 4, 27.07.1990 (59-60), S. 26–27; Roćeno-vić, Mitar (1990): Bela Tonković – predsednik DSH u Vovodini. In: Stav 4, 27.07.1990 (59-60), S. 27.

342 Roćenović, Mitar (1990): Zid šutnje. Subotičke stranačke nedoumice. In: Stav 4, 08.06.1990 (57), S. 26.

343 Konstantinović, Stevan (1990): Gukanje romskog čeda. Manjine. In: Stav 4, 22.06.1990 (58), S. 26–27.

344 Ignja, Petar (1991): Nismo Hrvati. Bunjevačka stranka. In: NIN 41, 15.03.1991 (2098), S. 30.

345 [Redakcija magazina Stav] (1990): Politička i stilska figura. Vojvođanska autonomija. In: Stav 4, 21.09.1990 (62), S. 12–14.

346 Nikolin, Ljubiša (1990): Autonomaši post portas. Belim svetom sa etiketom. In: Stav 4, 23.03.1990 (52), S. 27.

347 Grubač, Stefan (1990): Rehabilitacija vojvođanskog mozga. In: NIN, 13.05.1990, S. 25.

eigene und damit vermeintlich „richtige“ Version des serbischen Nationalismus.348 Die Ablehnung der alten politischen Ordnung schloss dabei oftmals auch die Ablehnung Jugoslawiens ein. Die Kri-tik an der neuen Verfassung umfasste dabei höchst unterschiedliche Positionen, die von einer Be-mängelung sowohl des Gesetzgebungsverfahrens als auch der somit besiegelten zentralistischen Ausrichtung Serbiens349 bis hin zu anti-autonomistischen Stimmen antikommunistischer Nationa-listen reichten.350 Dadurch wurde der Eindruck vermittelt, dass bis auf die sich im Reformprozess des BdKS herausgebildete Sozialistische Partei Serbiens von Slobodan Milošević kaum eine politi-sche Kraft in Serbien die neue Verfassung gut fand. Dennoch wurde sie schließlich von den größten Parteien akzeptiert und blieb sogar bis 2006 in Kraft.351

Eine Gruppe von politischen Akteuren, die sich diesen Entwicklungen ebenfalls widersetzte, wa-ren die autonomistischen Parteien in der Vojvodina. Dieser neue politische Block bestand dabei so-wohl aus Parteien und Vereinen früherer Mitglieder der abgesetzten Parteispitze des Bundes der Kommunisten der Vojvodina als auch zunehmend aus neuen Organisationen, die sich mit den alten

„Autonomisten“ nicht direkt identifizierten, sich von ihnen aber auch nicht distanzierten. Dies mag auch dem Umstand geschuldet gewesen sein, dass es, jenseits von Parteiprogrammen und Zielen, weitaus stärkere persönliche und sogar familiäre Beziehungen zwischen den einzelnen Protagonis-ten der sich neu herausbildenden „AutonomisProtagonis-tenszene“ gab. Aufgrund dieser Beziehungen ist es oftmals schwierig einzuschätzen, an welchen Stellen und in welchem Ausmaß sich parteipolitische und persönliche Interessen, Gemeinsamkeiten, aber auch Konflikte zwischen den einzelnen „alten“

und „neuen“ Autonomisten überschnitten – etwa zwischen Živan Berisavljević, dem Anführer der Allnationalen föderalistischen Front der Vojvodina (Svenacionalni federalistički front Vojvodine)352 und seinem damaligen Schwiegersohn Nenad Čanak, Parteichef zunächst des Sozialdemokratischen Bundes der Vojvodina (Socijaldemokratski savez Vojvodine)353 und ab 1990 der bis heute bedeutends-ten autonomistischen Partei, der Liga der Sozialdemokrabedeutends-ten der Vojvodina (Liga socijaldemokrata Vojvodine). Gleichzeitig ist bei allen Unterschieden zwischen den einzelnen Akteuren im Hinblick auf den vojvodinischen Autonomismus von einem recht einheitlichen Segment der serbischen Par-teienlandschaft in dieser Zeit auszugehen.

Die Mitte Juli 1990 gegründete Liga der Sozialdemokraten der Vojvodina / Jugoslawiens354 gehörte zu den ersten autonomistischen Parteien355 und prägte auch langfristig maßgeblich den

Autono-348Đinđić, Zoran (1990): Odsustvo identiteta i defetizam. Nacionalni program srpskih komunista. In: Stav 4, 27.07.1990 (59-60), S. 14–15.

349 Štavljanin, Dragan (1990): Srbija kao demokratska federacija. Novi ustav: dr Radoslav Stojanović. In: Stav 4, 08.06.1990 (57), S. 21–23.

350 Konstantinović, Stevan (1990): Reciprocitet nije standard. Aršin za manjine: dr Kosta Čavoški. In: Stav 4, 07.09.1990 (61), S. 18–19.

351 Zur These, dass diese Verfassung aus juristischer Sicht den ersten (rechtlichen) Schritt bei der Zerstörung des jugoslawi-schen Staates darstellte, indem Serbien etwa als „souveräner Staat“ definiert wurde, siehe: Popović, Srđa (2010): One gor-ke suze posle. Beograd: Peščanik.

352 [Redakcija magazina Stav] (1990): Mutno u neizvesnom. Vojvodina uoči izbora. In: Stav 4, 07.09.1990 (61), S. 14–20, hier S. 15 f.

353 Ebd., S. 16. Zu den „Enthüllungen“ einzelner Aspekte der Biografie von Nenad Čanak siehe auch: Jovanović, Gordana (1992): Skica za portret: Nenad Čanak. In: Nezavisni Index 1, 15.09.1992 (9), S. 5.

354[Liga Socijaldemokrata Vojvodine / Jugoslavije] (14.07.1990): Uvodni referat na Osnivačkoj skupštini Lige socijaldemo-krata Vojvodine / Jugoslavije. Liga socijaldemosocijaldemo-krata Vojvodine (Parteiarchiv, Novi Sad), Kut. Osnivački akt i sve izmene ovog akta 1990; Skupština Lige Socijaldemokrata Vojvodine / Jugoslavije (14.07.1990): Izjava Skupštine LSV/J. Liga soci-jaldemokrata Vojvodine (Parteiarchiv, Novi Sad), Kut. Osnivački akt i sve izmene ovog akta 1990.

355 Zu den schon früh gegründeten Parteien, die ebenfalls als regionale pro-vojvodinische Partei auftrat, gehörte die von Dragan Veselinov angeführte Nationale Bauernpartei (Narodna seljačka stranka). Sie gab vor, sich in erster Reihe für die Interessen aller Bauern einzusetzen, fokussierte jedoch insbesondere die Landwirtschaft in der Vojvodina und beteiligte sich bis Ende der 1990er Jahre an allen pro-vojvodinischen Koalitionen. Vgl. [Redakcija magazina Stav] (1990): Mutno u neizvesnom, S. 16.

miediskurs in der Vojvodina. Bereits vor der offiziellen Registrierung im Oktober 1990356 fiel die Par-tei durch ihre äußerst kritischen Positionen im Hinblick auf die politische Entwicklung in Jugosla-wien öffentlich auf. Die klare antinationalistische und Anti-Kriegs-Position, die die Liga von Anfang an vertrat, und die politische Grundwerte der Partei blieben, entstand als Reaktion gegen die zu-nehmende Dominanz nationalistischer Töne auch in der Novisader Öffentlichkeit zu Beginn der 1990er Jahre. Gleichzeitig aber versuchte die Partei diesen Antinationalismus als „festen Bestandteil“

der „vojvodinischen Art“ aus der Geschichte der Provinz regelrecht abzuleiten. In seiner vorab vorbe-reiteten Rede vor der Gründungsversammlung des Novisader Stadtverbandes der Partei beschrieb Aleksandar Kravić, bis heute führendes Mitglied der Partei, die politische Arbeit der Liga als Not-wendigkeit, die sowohl den aktuellen politischen Entwicklungen als auch der Geschichte geschuldet sei:

„Unsere Hauptidee ist, dass die Einwohner der Vojvodina inmitten des allgemeinen Betrugs nationa-listischer Parteien und Organisationen, die in den letzten anderthalb Jahren in Jugoslawien entstan-den sind, zu entstan-den ersten gehören sollten, die eine Vorstellung über politisches Organisieren ohne das nationale Vorzeichen öffentlich machen, indem sie auf dem Bürger als Mittelpunkt des politischen und des gesamtgesellschaftlichen Systems bestehen. In der Vojvodina ist das vollkommen logisch, denn auf diesem Gebiet gab es seit immer genug Platz für alle Völker und jeden, der mit guten Ab-sichten herkam. Wenn heute die nationalen Parteien mit allen Mitteln die eigenen Völker zum ‚Ver-sammeln‘ aufrufen, haben es die Vojvodiner mit Sicherheit am schwersten, denn die nächsten Nach-barn, Verwandten und Freunde sollen sich nun unter unterschiedliche Flaggen stellen und auf frem-des Kommando gegeneinander losmarschieren. Und dabei sollten wir miteinander, nicht gegenei-nander leben. Wie oft nur wurde in dieser Gegend die Wahrheit, dass jedes nationale Konzept zum Blutvergießen und Unglück führt, blutig bewiesen? Deshalb ist es eine Grundvoraussetzung für den Erhalt der Vojvodiner, mit gemeinsamen Engagement aller Einwohner der Vojvodina für sich das zu erkämpfen, was sie auch verdienen: Frieden, gegenseitiges Verständnis und die gutgemeinte Über-windung aller bestehenden Gegensätze. Jahrhundertelang haben sie das auch geschafft. Eine solche Vojvodina ist die Heimat für einen Ungarn wie für einen Serben, Slowaken, Ruthenen, Rumänen so-wie für jeden Menschen, der hier geboren ist, oder hierher kam, um sie zu bereichern und voranzu-bringen. In die Vojvodina kamen die Menschen und meistens blieben sie auch, weil sie sich hier wohl fühlten und von diesen Feldern sowohl die eigene Familie als auch sich ernähren konnten, und für die anderen blieb auch etwas übrig. Und gerade diese Anderen nutzten oftmals die traditionelle vojvodinische Gutmütigkeit und nicht selten missbrauchten sie sie sogar. Die Vojvodina wurde im-mer in instabilen Zeiten für irgendeine Art von ‚Abrechnung‘ benutzt, und heute sind wir sogar Zeu-gen, dass ihre Identität in jedweder Form grob negiert wird.“ 357

Dass diese Argumentation in gleicher oder ähnlicher Form immer wieder eingesetzt wurde, belegen neben den an die Öffentlichkeit und die Wählerschaft gerichteten Programmen auch die parteiin-ternen Dokumente. So formulierte der Parteichef Nenad Čanak im Vorfeld der ersten Mehrpartei-enwahlen in Serbien schon Ende 1990 viele jener Gedanken, die nicht nur Teil des Programms der

Dass diese Argumentation in gleicher oder ähnlicher Form immer wieder eingesetzt wurde, belegen neben den an die Öffentlichkeit und die Wählerschaft gerichteten Programmen auch die parteiin-ternen Dokumente. So formulierte der Parteichef Nenad Čanak im Vorfeld der ersten Mehrpartei-enwahlen in Serbien schon Ende 1990 viele jener Gedanken, die nicht nur Teil des Programms der