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Aus der Rechtsprechung

Im Dokument MONAT VON (Seite 186-189)

des Eidgenössischen Versicherungsgerichtes im Jahre 1963 zur Invalidenversicherung

Die IV ist ein vielschichtiger Zweig der Sozialversicherung, der auch im Jahre 1963 das Eidgenössische Versicherungsgericht (EVG) als höchste richterliche Instanz stark beschäftigte. Wie für die früheren Jahre (siehe ZAK 1962, S. 195 und 241; 1963, S. 203) sollen hier auch für das abgelaufene Jahr die wichtigsten Entscheide näher betrachtet und auf ihre Auswirkungen für die Praxis untersucht werden. Die nachstehen-den Ausführungen vermitteln indessen keinen systematischen Überblick über das außerordentliche weite Gebiet der Rechtsprechung in der IV, sondern wollen den Leser vor allem auf die wichtigsten Neuerungen hinweisen. Die Betrachtung gliedert sich in je einen Abschnitt über die Eingliederungsmaßnahmen, die Geldleistungen und das Verfahren.

I. Die Eingliederungsmaßnahmen

Nach wie vor ist besonders auf dem Gebiet der medizinischen Eingliede-rungsmaßnahmen die Anspruchsberechtigung auf Leistungen der IV stark umstritten und führte zu einer größeren Zahl von Urteilen des EVG. Während bei den beruflichen Eingliederungsmaßnahmen nur we-nige Rechtsfälle zu entscheiden waren, hatte sich das Gericht mit der Gewährung von Hilfsmitteln verschiedentlich zu beschäftigen, und zwar hauptsächlich mit Fragen der Motorisierung von Invaliden zur Überwin-dung des Arbeitsweges. Dabei wurde die bereits im Jahre 1962 begonnene Gerichtspraxis bestätigt und teilweise weiter ausgebaut.

1. Medizinische Maßnahmen

Im Berichtsjahr mußten zahlreiche Begehren um medizinische Maßnah-men zu Lasten der IV wegen der strikten Beschränkung der Leistungen auf medizinische Vorkehren zur dauerhaften Eingliederung ins Erwerbs-leben vom EVG abgewiesen werden. So entfiel wieder in vielen Fällen die Leistungspflicht der IV, weil Behandlungen des Leidens an sich vor-lagen, oder in Fällen, bei denen die medizinischen Vorkehren als vor-wiegend zur Leidensbehandlung gehörend beurteilt wurden.

Erwähnenswert sind u. a. folgende Leiden, deren Behandlung nicht zu Lasten der IV übernommen wurden: Tropische Geschwüre mit

Knochenabstoßung, die Fettsucht, die Platzangst (Agoraphobie) infolge eines Geburtsgebrechens gemäß Artikel 2, Ziffer 98, GgV wegen anhal-tender Behandlungsdauer, die selbstzerstörerische Süchtigkeit nach Schlaftabletten, die Bürgersche Krankheit samt operativer Beseitigung von Durchblutungsstörungen durch Einsetzen künstlicher Arterien oder Amputation, Frakturen der Extremitäten einschließlich Nach-Korrek-turen von schlechten Verheilungen, Reponierungen und Nagelungen, andere Erkrankungen der Gliedmaßen wie Dupuytren-Kontrakturen und Sudeck-Syndrome (Dystrophie mit Bewegungseinschränkung, Atrophie und Gelenkversteifung). Aber auch dort, wo keine eigentliche Leidens-behandlung vorlag, wurden Leistungen der IV verweigert, weil die medi-zinischen Vorkehren dauernd zu wiederholen waren, wobei unberück-sichtigt bleiben mußte, ob diese stete Wiederholung der Erhaltung der Erwerbsfähigkeit diente.

Wurden zeitlich beschränkte oder einmalige medizinische Eingliede-rungsmaßnahmen für Versicherte begehrt, die sich dem AHV-Renten-alter näherten, so stellte die Rechtsprechung nicht darauf ab, wie lange der Ansprecher selbst noch erwerbstätig sein könnte, sondern es wurde ohne Rücksicht auf den subjektiven Erfolg der medizinischen Maßnah-men auf ein theoretisches Ende der Erwerbstätigkeit (sogenanntes Ende der «Aktivitätsperiode») abgestellt, nämlich auf den Zeitpunkt des An-spruchsbeginnes auf eine Altersrente.

Im Berichtsjahr ergingen annähernd 10 Urteile des EVG wegen Coxarthrose. Darunter befanden sich mehrere Urteile, in denen Ver-sicherten im Alter von 64, 62 bzw. 60 Jahren die Kostenübernahme der Operation wegen fortgeschrittenen Alters abgelehnt wurde.

Die Streitfrage der Kostenübernahme medizinischer Maßnahmen stellte sich aber noch bei weiteren Hüftleiden, so unter anderem bei der Epiphysenlösung (Ablösung der langen Röhrenknochen in der Wachs-tumszone während der Wachstumsperiode). Gestützt auf ein Gutachten von Prof. Dr. med. Baumann, Langenthal, folgte das Gericht einer Ein-teilung dieses evolutiven Leidens in drei Stadien (vgl. ZAK 1963, S. 445) und ließ nur die operative Korrektur einer eingetretenen Deformität (Stadium progrediens) samt Vor- und Nachbehandlung als medizinische Eingliederungsmaßnahme zu Lasten der IV zu (ZAK 1963, S. 444). Diese Praxis wurde in zwei weiteren Urteilen bestätigt, wobei in einem Fall ausnahmsweise die Kosten des operativen Eingriffes vor dem dritten Stadium übernommen wurden, weil die rasche Entwicklung des Leidens an der Schwelle des Berufsbildungsalters des Versicherten den in kürze-ster Zeit bevorstehenden Defektzustand vermuten ließ.

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Bei der idiopathischen Skoliose (Verkrümmung der Wirbelsäule), wo gemäß einem weiteren Gutachten von Prof. Baumann auch drei Phasen zu unterscheiden sind (Evolutive Früh- und Spätphase sowie Stabilität nach Eintritt der Skelettreife) sprach das Gericht einer unmittelbar vor dem Berufsbildungsalter stehenden Tochter die Kostenübernahme der Operation zu, mit der Einschränkung, daß dies nur in allerschwersten Fällen in Frage komme, während die in den meisten Fällen ausreichen-den konservativen Vorkehren nicht zu Lasten der IV gehen (ZAK 1963, S.324 und 442).

Bei der Diskushernie bezeichnete das Gericht die konservative Be-handlung, die Laminektomie (Entfernung des hinteren Teiles eines Wirbelbogens) und die Spanoperation (Einsetzung eines Spans zur Sta-bilisierung der Festigkeit der Wirbelsäule und Beseitigung der schmerz-haften Beweglichkeit) als Heilbehandlung und lehnte daher deren Über-nahme durch die IV ab (ZAK 1963, S. 322 und 450).

Von besonderem Interesse in der Reihe dieser Urteile war ein Fall von Scheuermannscher Krankheit und Spondylolisthesis. Hier erklärte das EVG, die Kostenübernahme für die Behandlung des ersten Leidens sei abzulehnen, außer es «hätte auf die als Geburtsgebrechen anerkannte Spondylolisthesis kausal eingewirkt». Werde die Operation als Einglie-derungsmaßnahme anerkannt, so frage es sich, ob die allfälligen kon-servativen Vorkehren wegen der Scheuermannschen Krankheit während der operativen Behandlung nicht «attraktionsweise» zum Komplex der Eingliederungsmaßnahmen gezählt werden müßten (ZAK 1963, S. 455).

Auf Grund des dem EVG i. Sa. H. T. (ZAK 1963, S. 447) erstatteten Gutachtens von Prof. Baumann ist die Spondylolisthesis als «nicht an-geborenes Leiden» bezeichnet worden; sie sei «noch nie bei einem Neu-geborenen festgestellt» worden. Das Gericht verwies jedoch auf die bundesrätliche Geburtsgebrechenliste, in der das Leiden als gebrechen figuriert, trat aber hier auf die Frage eines etwaigen Geburts-gebrechens nicht ein, weil der Versicherte bereits 39 Jahre alt und das Gebrechen zur Zeit der Minderjährigkeit nicht behandlungsbedürftig war. Die Spanversteifung zur Verhinderung der degenerativen Weiter-entwicklung des Leidens und die anschließende Behandlung im Gipsbett waren von der IV nicht zu übernehmen, weil diese Vorkehren nicht als Eingliederungsmaßnahmen anerkannt wurden.

Auch über Fälle von Poliomyelitis hatte das EVG im Berichtsjahr wieder zu urteilen. Folgende grundsätzliche Urteile verdienen besondere Beachtung: Eine 1931 geborene Krankenschwester erkrankte 1955 an Polio. Trotz schweren Restlähmungen wurde sie wieder berufstätig; mit

Oberschenkelapparat, Knieriegel, Beckengurt, elastischem Tibialiszug,

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