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Im Dokument Jahrbuch Standort Meschede: 2016 (Seite 55-101)

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Elektrotechnik

Der elektrische Surfer

Neoprenanzug an, Sonne im Gesicht und ab aufs Elektro-Surfboard – so macht Elektrotechnik-Student Thomas Mückenhoff Werbung für seinen Studiengang. Mückenhoff hat als Campusbotschafter der Fachhochschule Südwestfalen in der Marketing-Kampagne »Strom-aufwärts« mitgearbeitet. Zusammen mit Kommilitonen von anderen Standorten der Hochschule wollte er Studieninteressierte für ein Stu-dium der Elektrotechnik gewinnen und stellte sich für Dreharbeiten zu einem Kampagnen-Video auf dem Hengsteysee zur Verfügung.

Für den Snowboarder Mückenhoff war der Ritt mit einem elektrisch angetriebenen Surfboard eine nasskalte Premiere. Aber warum steigt ein angehender Elektrotechnik-Ingenieur aufs Surfboard? »Mein Surf-board-Einsatz steht in unserem Video stellvertretend für die Bedeu-tung der Elektrotechnik in der Elektromobilität«, erklärt Mückenhoff.

Als E-Techniker ist er sich sicher, dass künftig nicht nur elektrisch ge-surft oder Fahrrad gefahren wird: »Ich glaube, dass in ein paar Jahren E-Autos für uns eine Selbstverständlichkeit sein werden.« Und nicht nur daran arbeiten Ingenieure der Elektrotechnik mit. Mückenhoff und seine Co-Campusbotschafter zeigten im Kampagnen-Video auch die Vielseitigkeit der Elektrotechnik: von Automatisierungstechnik über Informations- und Kommunikationstechnik, Lichttechnik, Mecha-tronik bis zur Medizintechnik – überall spielt die Elektrotechnik eine wichtige Rolle.

Eigentlich studierte Mückenhoff zum Zeitpunkt der Dreharbeiten die Vertiefungsrichtung Informations- und Medientechnik. Im Fach

»Anwendungsprogrammierung« hatte er gerade in einer sogenannten

»Gaming-Engine« virtuelle Roboter programmiert – ein eher trocke-nes Vergnügen. Am Studium an der Fachhochschule hebt er vor allem

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hervor. »Etwas Besonderes ist es, selbst etwas zu gestalten und eigene Vorstellungen umzusetzen und damit etwas erreichen zu können«, so Mückenhoff. Das sieht er auch für sein künftiges Berufsleben so: »Ich hätte richtig Bock darauf, medizinische Implantate herzustellen, um gezielt mit Impulsen zum Beispiel einen bewegungseingeschränkten Arm zu steuern und damit Bewegungsabläufe wieder möglich zu ma-chen«. Das klingt aber nicht nach Sonne im Gesicht, nach Neoprenan-zug und Surfen? »Nein, aber auch nicht nach trockener Elektrotech-nik«, meint Mückenhoff, »oder?«

Hintergrund:

Die Kampagne »Stromaufwärts« der Fachhochschule Südwestfalen soll insbesondere Schüler der weiter-führenden Schulen auf ein Studium der Elektrotechnik aufmerksam machen und über Inhalte und Erfolgs-aussichten informieren. Das Motto der Kampagne lautet: »Elektrotechnik ist alles. Außer Mainstream.«

Studenten als Campus-Botschafter gehen auf In-teressierte mit »Stromaufwärts« zu und knöpfen sich Vorurteile vor: »Sie haben gehört, ein Elektrotechnik-Studium ist nicht nur zu schwierig, sondern dabei auch noch langweilig? Man hat Ihnen erzählt, E-Technik sei von gestern und deswegen ziemlich perspektivlos?

Wir sagen: Nö, stimmt nicht!«

Die Campus-Botschafter sind hierzu auf der Web-seite, in Videos, aber auch auf Studieninfo-Messen

und Infotagen aufgetreten. Zudem haben sie Schulen in der Region besucht.

Die Kampagne wird von Unternehmen aus Südwestfalen unter-stützt. Auf der Kampagnen-Webseite informieren Vertreter von

Der »elektrische Surfer«

Thomas Mückenhoff mit Neo-prenanzug und E-Surfboard

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Busch-Jaeger, Hella und Infineon über Berufsbilder und -aussichten in der Elektrotechnik.

Alle Informationen und das Vi-deo zur Kampagne gibt es unter:

www.fh-swf.de/stromaufwaerts

Podiumsdiskussion zur Gigabit-Strategie der Landesregierung Die Landesregierung NRW stellte im August 2016 im Rahmen des 4. NGA-Forums der NRW-Bank ihre neue Gigabit-Strategie vor. Neu an dieser Strategie ist die klare Formulierung eines Infrastrukturzieles.

Damit weicht man in NRW erstmals von den bisherigen Datenraten-zielen unter dem Paradigma der Technologieneutralität ab. Prof. Dr.

Stephan Breide, Leiter des BBCC NRW, leitete dazu eine Podiumsdis-kussion mit Minister Duin, Herrn Isermann von der Deutschen Tele-kom, Herrn Japs von Unitymedia, Herrn Albers vom Bundesverband Breitbandkommunikation e. V. und Herrn Untrieser vom Verband kommunaler Unternehmen e. V. Diskutiert wurde insbesondere, wel-che Beweggründe die Politik zu diesem Schritt veranlassten und wie sich die Telekommunikationsunternehmen und Stadtwerke hierzu positionieren.

Glasfaser für alle

Prof. Dr. Stephan Breide sieht die aktuellen Ausbauvorhaben für Breitband in Südwestfalen kritisch. Er plädiert für einen Breitbandaus-bau in Südwestfalen nach dem Prinzip des »Fiber to the building« mit frei wählbaren Diensten.

Schnappschuss aus dem Kampagnen-video: Thomas Mückenhoff surft auf einem elektrisch angetrieben Surfboard

»Stromaufwärts«

59 Herr Professor Breide, was heißt eigentlich »Fiber to the building«?

Beim »Fiber to the building« gibt es ein überregionales Glasfaser-netz mit sogenannten »POPs« in Kommunen. POP steht für »Point of Presence«. Von diesen werden Glasfaserverbindungen zu allen Teilnehmern gezogen, also direkt zu Haushalten oder Unternehmen.

Das wird in anderen Regionen oder Ländern wie zum Beispiel Holland schon so gemacht.

Und in Südwestfalen nicht?

Nein, hier legt man aktuell Glasfaserkabel zu den Kabelverzweigern an den Straßenecken des jetzigen Telefonnetzes. Dann führen Kupfer-zweidrahtleitungen zu den Teilnehmern. Das ist Technologie des letz-ten Jahrhunderts.

Was wäre denn der Vorteil der Glasfaserverlegung direkt zu den Teilnehmern?

Zunächst gäbe es deutliche Einsparungen bei der Energieversor-gung. Darüber hinaus wären die Dienste vom Nachfrager frei wählbar und nicht vom Betreiber abhängig. In einem reinen Glasfasernetz sind zudem alle Dienste abzubilden, die wir uns heute vorstellen können.

Und nicht zuletzt hätten wir eine hervorragende Plattform für Ener-giemanagement, zum Beispiel für sogenannte »Smart Grids«.

Gäbe es auch Nachteile?

Ja, vor allem wäre der Glasfaserausbau auf kurze Sicht deutlich auf-wändiger und teurer, insbesondere durch den erforderlichen Tiefbau.

Langfristig wäre dieses System aber sinnvoller.

Warum wird es dann nicht umgesetzt?

Das Hauptproblem ist das Preisniveau und die in Deutschland übli-chen »Flatrates«. In Deutschland haben wir im europäisübli-chen Vergleich die niedrigsten Kosten für die Breitbandnutzung. Daraus können die heutigen Netzbetreiber oder neue Anbieter kaum die erforderlichen Investitionen tätigen. In Ländern wie Schweden wird deshalb eine

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Anschlussgebühr erhoben, um die Kosten für die Infrastruktur zu tra-gen. Alle Anbieter haben dann mit ihren Diensten freien Zugang zum Glasfasernetz, das nennt man »Open Access«. Für die Inanspruchnah-me gibt es dann eine verbrauchsabhängige Nutzungsgebühr.

Und warum funktioniert das bei uns nicht?

In Deutschland liegt die Netzinfrastruktur in den Händen von Kon-zernen wie Telekom oder Unitymedia. Über Fördermittel versuchen wir zurzeit, den Breitbandausbau voran zu treiben. Damit zementiert man aber die Ausbaustrategie der großen Netzbetreiber in den beste-henden Netzen. Mit staatlicher Hilfe wird letztlich eine suboptimale privatwirtschaftliche Dienstleistung unterstützt.

Hintergrund:

Über Glasfaserleitungen werden Daten als optische Signale über-tragen. Dies ermöglicht hohe Übertragungsgeschwindigkeiten und

macht Datenübertragungen wenig störanfällig. In Kupferzweidrahtkabeln werden Daten hingegen durch elektri-sche Impulse übermittelt.

Glasfasernetze gelten als echte Da-tenautobahn. Auf Glasfaserleitungen werden aktuell bis zu 1000 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) im Download und Upload angeboten. Theoretisch sind die Grenzen derzeit nicht erreicht.

Zum Vergleich: Der klassische digitale Teilnehmeranschluss (Digital Subscriber Line, kurz DSL) bringt es auf bis zu 16 Mbit/s im Download. Als Varian-te VDSL oder Vectoring sind es bis zu 100 Mbit/s. AlVarian-ternativ sVarian-teht das Kabel-TV-Internet mit bis zu 200 Mbit/s Datenübertragungsrate im Downstream zur Verfügung

Prof. Dr. Stephan Breide setzt auf Glasfaser (rechts im Bild) bis ans Gebäude statt auf den bisher üblichen »Kabelbaum« aus Kupferzwei-drahtleitungen (links)

61 Materialcharakterisierung mit Radartechnik

Elektrotechnik-Student Chris Hoffmann hält etwas in der Hand, was ziemlich genau aussieht wie ein blaues Ei auf einem schwarzen Sockel.

Der erste Eindruck täuscht: es handelt sich nicht um eine Osterdeko-ration, sondern um ein hochauflösendes Radargerät. Genauer gesagt um ein frequenzmoduliertes Dauerstrichradar, mit dem Hoffmann Materialproben analysiert.

Der Bachelorstudent arbeitet im Labor für Hochfrequenztechnik gerade an seiner Abschlussarbeit. Er untersucht, wie nicht leitende Materialien auf elektromagnetische Wellen reagieren – also zum Bei-spiel Holz, Kunststoff oder Glas. Über Laufzeitmessungen bestimmt er die sogenannte Permitivität der Materialien, die Durchlässigkeit von Materialien für elektrische Felder. »Elektromagnetische Wellen breiten sich in Luft schneller aus als in festen Materialien, die Verlangsamung wird von der Permitivität beeinflusst«, erklärt Hoffmann. Soll heißen:

Wer die Permitivität eines Werkstoffs bei bestimmten Frequenzen elektromagnetischer Wellen kennt, kann mit einem Radargerät den Werkstoff erkennen.

Und wofür braucht man das? »Zum Beispiel kann man in der Quali-tätskontrolle von Tiefkühl-Pizzen Verunreinigungen im Teig mit dem Radar ausleuchten«, so Hoffmann.

»Denn wer isst schon gerne Kunst-stoffstückchen.« Oder man kann simu-lieren, wie die Kunststoff-Hülle eines Handys die Leistung der Antenne be-einflusst. Oder, oder, oder – das Spek-trum der möglichen Anwendungen ist groß. Deshalb entwickelt der Student in seiner Arbeit die Ansteuerung und den Entwurf eines Messplatzes. Hier-zu misst er mit einem einfachen Ver-suchsaufbau verschiedene Werkstoffe,

Chris Hoffmann forscht mit dem »blauen Ei« – einem Mini-Radargerät auf Basis eines Silizium-/Germanium-Chips

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hat Software, Signalverarbeitung und Auswertungsalgorithmen ent-wickelt. »Ich mache gerne etwas mit Radartechnik«, sagt Hoffmann, der im Abitur mit Mathematik-Leistungskurs und Physik den Grund-stein für seinen elektrotechnischen Werdegang legte. »Sie ist mittler-weile in vielen Bereichen unseres Lebens integriert und es gibt so viele Möglichkeiten, wo man sie noch einsetzen kann.«

Energieversorgung intelligent steuern über Mobilfunknetze Im Februar 2015 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ein Eckpunktepapier für ein »Verordnungspaket Intelligente Netze« vorgelegt. Damit werden die rechtlichen Grundlagen für den Aufbau einer intelligenten Mess- und Steuerungsinfrastruktur in den Stromnetzen auf der Niederspannungsebene gelegt.

Prof. Dr. Christian Lüders und sein Forschungsteam beschäftigen sich mit intelligenten Stromnetzen (Smart Grids) und der neuen Gene-ration des Mobilfunks (5G).

»Die Energiewende wird nur möglich durch ein intelligentes Strom-netz, in dem die Stromzähler der Verbraucher mit den Erzeugungsan-lagen und Speichern kommunizieren«, erläutert Lüders.

Die erneuerbare Energie aus Sonne und Wind ist nicht immer gleich-bleibend auf Abruf vorhanden. So wird in windreichen Stunden viel Energie erzeugt und in windarmen Stunden wenig. Wenn sich aber Verbraucher darauf einstellen können, so benötigt es keine Aus-gleichsmaßnahmen. Intelligente Stromzähler (Smart Meter) bei den Verbrauchern sollen in Zukunft mit den Energieerzeugern kommu-nizieren und in eine Mess- und Steuerungsinfrastruktur eingebunden sein.

»Wenn ich meine Waschmaschine belade und einschalte, so kann ich festlegen, dass diese nicht sofort startet, sondern erst dann, wenn die

63 Energie bereitsteht«, so Lüders. »Dann ist der Strompreis entsprechend

günstig. Möchte ich sofort waschen, geht dies auch, aber ich muss einen höheren Strompreis zahlen.«

Damit dieses System funktioniert, ist eine bidirektionale kommuni-kative Anbindung der Stromzähler nötig. Dies wird möglich über das LTE-Mobilfunknetz oder eigens dafür zu errichtende Funknetze in speziellen Frequenzbändern.

Dabei beschäftigen sich Lüders und sein Team mit Verbesserungs-möglichkeiten der Funkversorgung, ausgehend vom derzeitigen Netzausbau, dem Stand der Technik und den regulatorischen Rand-bedingungen. Angestrebt wird dabei unter anderem eine deutlich ver-besserte Funkversorgung auch an kritischen Orten durch erweiterte Wiederholmechanismen für die Datenpakete.

So wurde mithilfe von Monte-Carlo-Simulationen und üblichen Ausbreitungsmodellen gezeigt, dass die Kommunikation zu ausrei-chend vielen Stromzählern in einem Gebiet gewährleistet ist, trotz schlechten Handyempfangs in Kellergeschossen.

Untersuchungsergebnisse wurden auf der ITG-Fachtagung Mobilkom-munikation in Osnabrück präsentiert sowie mit verschiedenen Energienetz-betreibern diskutiert.

LTE-Mobilfunksysteme in speziellen Frequenzbändern stellen eine realisti-sche Möglichkeit zur kommunikativen Anbindung von Smart Metern dar, so das Fazit von Prof. Lüders.

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Ausbreitung von Infrarot-Licht in Räumen

Mit Infrarot-Übertragung in Räumen kommt jeder in Berührung, der eine TV-Fernbedienung in der Hand hat. Weit verbreitet sind auch Kopfhörer mit Infrarot-Übertragung.

Die Übertragung deutlich höherer Datenraten ist möglich, z. B. für WLAN-Verbindungen. Auch ist nicht unbedingt immer eine direkte Sichtverbindung zwischen Sender und Empfänger notwendig.

Infra-rot-Übertragung kann im Prinzip sehr gut funktionieren, wenn die direkte Komponente abgeschattet ist und nur ein diffuses Signal über die Reflexionen an Wänden und Einrichtungsgegen-ständen empfangen wird.

Um die Qualität einer derartigen optischen Verbindung vorherzusa-gen, muss man aber die Ausbreitung des Infrarot-Lichts genau beschreiben können. Gerade für die diffuse Verbindung spielt dabei bei hohen Da-tenraten nicht nur die optische Empfangsleistung eine Rolle, sondern auch der Frequenzgang, der durch das Echomuster der Reflexionen verursacht wird.

Von Prof. Dr. Henrik Schulze wurde ein neuartiger Ansatz entwickelt, um den optischen Übertragungskanal für einen vorgegebenen Raum numerisch zu berechnen. Dieser Ansatz beinhaltet nicht nur Reflexi-onen bis zu einer bestimmten endlichen Ordnung, sondern berechnet die unendliche Summe der Beiträge aller Ordnungen, die zu der Über-tragungsfunktion beitragen.

Im Juni 2016 ist hierzu seine Veröffentlichung in der wichtigen in-ternationalen Fachzeitschrift »IEEE Transactions on Communications«

erschienen. Ebenfalls im Juni 2016 hat er seine Ergebnisse an der Prof. Dr. Henrik Schulze

65 Technischen Hochschule Nürnberg im Rahmen eines eingeladenen

Vortrags vorstellen können.

Platinenherstellung mit Rapid Prototyping

Das Labor für elektrische Messtechnik bezog größere Räumlich-keiten in der Lindenstraße. Das Besondere: Eine Rapid-Prototyping-Anlage zur Platinenfertigung ist mit einem eigens dafür entworfenen Raum-im-Raum-Konzept im Labor integriert. »Durch die Zusam-menlegung der Platinenfertigung und der elektrischen Messtechnik besteht nun sowohl für Studierende als

auch für externe Kooperationspartner die Möglichkeit, Prototypen vor Ort in-nerhalb kürzester Zeit zu fertigen und im Anschluss direkt zu vermessen«, schwärmt Prof. Dr. Bianca Will. Dazu stehen im Labor neben einem Arbeits-platz zur mechanischen Nachbear-beitung verschiedene Messgeräte von analogen Modellen zur Strom- und Spannungsmessung bis hin zu digita-len Sampling-Oszilloskopen zur Ver-fügung. Mit einem neu angeschafften,

rechnergestützten Audio-Analysator können verschiedenste Messun-gen von Audio-Signalen direkt vom PC gesteuert und so sehr einfach mit anderen Programmen verknüpft werden.

Im September 2016 fand bereits ein Seminar zum Thema »Rapid Prototyping zur Platinenherstellung« statt, in dem Studierenden, In-dustriepartnern und Teilnehmern anderer Hochschulen von Prof. Dr.

Bianca Will und Mitarbeitern der Firma LPKF die Rapid Prototyping Systeme vorgestellt wurden.

Das neue Labor für elektrische Messtechnik und die Rapid-Prototyping-Anlage

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»Um die Ecke denken« lernen im Projektlabor

Auf dem Tisch im Labor Umformtechnik liegt ein Bauteil aus Metall und Kunststoff, etwa einen Zentimeter groß. Vier Maschinenbaustu-denten haben das Spezialgehäuse für einen Elektronikbaustein im so-genannten »Projektlabor« umgesetzt. Prof. Dr. Matthias Hermes ließ sie in diesem Fach Lehrinhalte des gesamten Studiums zusammen-führen und auf eine Fertigungsaufgabe anwenden.

»Das was man in den anderen Fä-chern im Studium lernt, mussten wir hier konkret einsetzen«, erzählt Stu-dent Christian Schmitte, »da sieht man schnell, was geht und was nicht geht«.

Und genau das ist das Ziel des Projekt-labors am Mescheder Campus. »Die offensichtliche Lösung ist nicht immer die beste, beispielweise weil sie nicht zu fertigen ist«, so Hermes. Ingenieure müssen nach seiner Ansicht »um die Ecke denken«. Oft müsse man mit ei-ner Konstruktion noch einmal zurück aus der Fertigung und etwas anderes ausprobieren. Bewertet wird im Projektlabor deshalb nicht das ent-wickelte Werkstück, sondern wie der jeweilige Student den Weg der Entwicklung gegangen ist und sein Konzept umgesetzt hat.

Forschungsmäßig arbeitet der Lippstädter Hermes in seinem Labor üblicherweise am gesamten Spektrum der Blechumformtechnik. Hier werden auch schon einmal meterlange Profile zu komplexen For-men gebogen, aber auch kleinere Bauteile mit innovativen Verfahren

Maschinenbau

Prof. Dr. Matthias Hermes (l.) schickt die Teil-nehmer des Projektlabors auch schon mal zum

»Basteln« in die Werkstatt – hier sind es Chris-tian Schmitte, Lukas Schulte, Benedikt Vollmer und Jürgen Weimann

67 umgeformt. Die von Christian

Schmit-te und seinen Kommilitonen Lukas Schulte, Benedikt Vollmer und Jürgen Weimann entwickelten Prototypen sind filigrane Bauteile. »Die Werk-stücke erschienen zunächst als Low Tech, sind aber im Detail sehr knifflig und anspruchsvoll«, erklärt Hermes.

Zur Anfertigung mussten die Stu-denten das gesamte Spektrum der Produktentwicklung und Fertigungs-technik durchlaufen. Dazu gehört der

Umgang mit einem fertigungsorientierten CAD-Zeichenprogramm ebenso wie die Festlegung der Biegefolge für Bleche, die Auslegung und das Darstellen der Fertigungsschritte, das Laserschneiden oder das Gewindeformen.

Das interdisziplinäre und problembasierte Lernen ist insofern der Kern des didaktischen Konzepts im Projektlabor. Zum Unterricht ge-hören aber auch Themen wie Innovationsmanagement, Ideenfindung oder Gestaltung von Produktentwicklungsprozessen. »Und das Ganze nicht nur virtuell, sondern sehr praxisorientiert«, meint Hermes. Der Dozent mimt gleichzeitig den Auftraggeber und einen Berater, wo-hingegen die Studierenden als Ingenieurteam an den Lösungen zu-sammenarbeiten. Am Schluss werden die Ergebnisse präsentiert und das nicht nur als buntes Bild, sondern praktisch umgesetzt.

So klein, dass man es auf dem Gruppenfoto nicht sieht: das filigrane Bauteil aus dem Labor für Umformtechnik

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Bewegte Bauteile simultan berechnet – Tobias Vonstein promo-viert zum Thema »Elastische Mehrkörpersimulation«

Mehrkörpersysteme – so bezeichnet man im Maschinenbau zum Beispiel Fahrwerke oder Werkzeugmaschinen. Mehrere Körper oder auch Bauteile sind über Gelenke verbunden und in Bewegung.

Will man die Verformungen und Belastungen in einem solchen Sys-tem untersuchen, kann man einen gut ausgestatteten Computer schon mal eine Woche rechnen lassen. »Zu rechenintensiv«, meint Tobias Vonstein. Ändern will er das mit einer Forschungsarbeit zur Methode der »Elastischen Mehrkörpersimulation«.

Bislang setzt man zwei Verfahren zur Berechnung der Bauteile in Mehrkörpersystemen ein. Mit der »Finite Elemente-Methode« kön-nen einzelne Bauteile elastisch simuliert werden. Berechnet wird dann zum Beispiel die Druckbelastung in einem Fräskopf oder einer Fahrzeugachse. In Mehrkörpersimulationen simuliert man hingegen starre Körper ohne Verformung. Also zum Beispiel, wie sich die

Bau-teile einer 5-Achs-Fräsmaschine oder eines Fahrwerks zueinander in Bewe-gung verhalten. »Bauteile an sich wer-den heute aus Effizienzgrünwer-den aber immer leichter und schlanker kon-struiert, die Verformungen einzelner Körper werden immer größer«, erklärt Vonstein. Er arbeitet deshalb an einer Methode, elastische Verformungen auch in Mehrkörpersimulationen zu berücksichtigen.

Elastische Mehrkörpersimulationen finden konkret im Produktentwick-lungsprozess von Werkzeugmaschinen Anwendung, beispielsweise bei Präzisionsfräsmaschinen. »Bisher hat man die Ergebnisse der bei-den sequentiellen Analysen immer im Nachhinein zusammengefügt«, Anwendungsbeispiel: Triebsatzwelle einer

dieselhydraulischen Lokomotive im Mehr-körpersimulations-Verbund mit Rädern und Bremsscheiben

69 meint der Diplom-Ingenieur. »Die Herausforderung ist es, sie in einer

ganzheitlichen Simulationsumgebung zusammenzubringen«. Die ma-thematische Schwierigkeit liegt dabei darin, die Mehrkörpersimulation mit der Methode der Finiten Elemente zu kombinieren.

Vonstein promoviert mit dem Thema an der Technischen Universität Dresden, sein Doktorvater ist Prof. Dr. Michael Beitelschmidt. Die Doktorarbeit baut auf seiner Diplomarbeit auf, die er im Fern-studium ebenfalls in Dresden geschrie-ben hat und die mit dem Förderpreis des Vereins Deutscher Ingenieure im Bezirk Dresden prämiert wurde. In Mesche-de hat er vorher sein Bachelorstudium im Maschinenbau absolviert. Seit 2009 arbeitet er hier als wissenschaftlicher Mitarbeiter von Prof. Dr. Uwe Riedel im

Labor für Technische Mechanik und Simulation. Numerische Simula-tionen hat er hier kennengelernt und setzt sie täglich in seiner Arbeit ein. »Mich reizt der konstruktive Maschinenbau«, sagt Vonstein. Auch oder vielleicht gerade dann, wenn er rechenintensiv ist.

Hintergrund:

Die Forschungsarbeit ist Teil des kooperativen Projekts »Aufbau eines Schwerpunkts für Technologietransfer auf dem Gebiet der elastischen Mehrkörpersimulation« mit dem Institut für Festkörpermechanik der

Die Forschungsarbeit ist Teil des kooperativen Projekts »Aufbau eines Schwerpunkts für Technologietransfer auf dem Gebiet der elastischen Mehrkörpersimulation« mit dem Institut für Festkörpermechanik der

Im Dokument Jahrbuch Standort Meschede: 2016 (Seite 55-101)