managementModell als Ordnungsrahmen für die Gesamtheit der qualitätsbezogenen Aufgaben im Unternehmen vorgestellt
3.1 Unternehmerisches Qualitätsverständnis
3.1.2 Aufgabenbereiche des QualitätsmanagementsQualitätsmanagements
Mit der Veränderung vom klassischen zum unternehme
rischen Verständnis von Qualität wird diese zu einem zen
tralen dynamischen Wert, der alle Bereiche eines Unter
nehmens durchdringt und den es stetig zu verbessern gilt.
Einhergehend mit dieser Entwicklung verändern sich auch die Ziel und Entwicklungsrichtungen des Qualitäts
managements. Im Fokus steht die Herausforderung, die Aufgaben des Qualitätsmanagements umfassend in ein Unternehmen zu integrieren. Nach dem modernen Ver
ständnis von Qualitätsmanagement lassen sich nicht mehr isoliert einzelne Tätigkeiten und Bereiche zuordnen.
Vielmehr ist der Durchdringungsgrad auf alle relevanten Teile und Aktivitäten eines Unternehmens ausgelegt.
Umsetzung des unternehmerischen Qualitätsverständnisses
Für die Übertragung des unternehmerischen Qualitäts
verständnisses auf die Praxis wird ein Ansatz benötigt, der die Adaption der drei Elemente Marktforderungen, Unternehmensausrichtung und Unternehmensfähigkeiten ermöglicht und die zur Leistungserbringung notwendigen Strukturen und Prozesse berücksichtigt. Dieser Sachver
halt wird dem Qualitätsmanagement im Sinne eines Füh
rungskonzepts zugeschrieben. Demnach koordiniert das Qualitätsmanagement alle notwendigen und aufeinander abgestimmten Aktivitäten, um ein Unternehmen im Hin
blick auf die Qualität zu gestalten, zu kontrollieren und zu lenken. Die damit verbundenen Aufgaben liegen im origi
nären Verantwortungsbereich der Unternehmensführung und sind prinzipiell nicht delegierbar (Seghezzi et al.
2007). Für die Unternehmensführung ergeben sich fol
gende Aufgaben (Müller 2014):
■ Planung und Entscheidung (umfasst u. a. Qualitätspoli
tik, Qualitätsstrategie und Qualitätsziele)
■ Aufbau des Qualitätsmanagementsystems (umfasst u. a.
Regelungen, Verfahren, Prozesse, Ressourcenbereitstel
lung, Rollen und Verantwortlichkeiten, Einbindung in Organisationsstruktur)
■ Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen (umfasst u. a. Motivation und Kommunikation)
■ Controlling (umfasst u. a. kennzahlenbasierte Leistungs
überwachung und steuerung, Audits, Kundenmanage
ment)
■ Kontinuierliche Verbesserung und Innovation (umfasst u. a. Strukturen und Ziele zur Verbesserung, Mitarbei
tendentrainings, Lieferantenertüchtigung)
Im Sinne eines umfassenden Qualitätsmanagements er
folgt die Erfüllung dieser Führungsaufgaben über alle Stu
fen im Unternehmen hinweg. Die operative Umsetzung des unternehmerischen Qualitätsverständnisses und der damit verknüpften Aufgabenbereiche ist nur möglich, wenn Qualität und Qualitätsmanagement als zentrale Auf
gaben aller am Wertschöpfungsprozess Beteiligten ver
standen werden.
Aufgabenbereiche und Rollen im Qualitätsmanagement
In der operativen Umsetzung des Qualitätsmanagements lassen sich vier Aufgabenbereiche identifizieren, die zu
gleich dessen zentrale Funktionen darstellen (Müller 2014, Schneider et al. 2008):
■ Die Qualitätsplanung legt die Produktmerkmale und Anforderungen an das Produkt und die Herstellpro
zesse fest. Diese Festlegung basiert auf den Kunden
anforderungen und berücksichtigt die von der Unter
nehmensführung festgelegte Qualitätspolitik und die zugehörigen Qualitätsziele. Ferner umfasst die Quali
tätsplanung die Bereitstellung notwendiger Ressour
cen wie Personal, Methoden, Maschinen und Geldmit
tel.
UNTERNEHMERISCHE QUALITÄT
Unternehmensfähigkeiten Unternehmensausrichtung
IST-Zustand Unternehmens-leistungen SOLL-Zustand
Marktforderungen
Bild 3.2
Das unternehmerische Qualitätsverständnis
45
I
3.2 Organisationsstrukturen
■ Die Qualitätslenkung umfasst alle vorbeugenden, über
wachenden und korrigierenden Tätigkeiten bei der Leis
tungsrealisierung. Ziel ist es, die in der Qualitätspla
nung festgelegten Anforderungen zu erfüllen. Zu den korrigierenden, reaktiven Tätigkeiten zählen beispiels
weise die Fehlerbehebung und Beseitigung von Fehler
ursachen.
■ Die Aufgaben in der Qualitätssicherung sind darauf aus
gerichtet, den Nachweis zu führen, dass die vorgegebe
nen Qualitätsziele erreicht werden. Die Erbringung die
ses Nachweises wird als vertrauensbildende Maßnahme gegenüber dem Kunden verstanden und erfolgt im Rah
men der Qualitätsprüfung und QMDarlegung.
■ Die Qualitätsverbesserung dient der kontinuierlichen Verbesserung des Leistungsangebots und der betrieb
lichen Prozesse in regelmäßigen und fortlaufenden Zyk
len.
Die zu den vorangehend beschriebenen Aufgabenberei
chen zugehörigen operativen Tätigkeiten können den un
terschiedlichen Rollen der Qualitätsorganisation zugeord
net werden. Die dort tätigen Mitarbeitenden unterstützen die Unternehmensführung beim Betreiben des Qualitäts
managements mit ihrer Expertise und Kreativität:
■ Der „Kopf“ der Qualitätsorganisation ist in der Regel ein/e Qualitätsbeauftragte(r) oder Qualitätsmanager(in).
Diese Rolle kann mit der eines Controllers verglichen werden, der an der Seite der qualitätsverantwortlichen Führungskraft dafür sorgt, dass innerhalb der Aufga
benbereiche des QM die gesetzten Ziele eingehalten werden. Der Qualitätsbeauftragte ist die zentrale An
laufstelle für interne und externe Kunden zur Klärung von Qualitätsproblemen (Gembrys/Herrmann 2008).
■ Qualitätsstellen (auch QStellen, QWesen, QSicherung, QManagement o. Ä.) befassen sich mit den qualitäts
bezogenen Gesamtbelangen von Unternehmen. Nach (Feigenbaum 1983) werden Qualitätsstellen drei Tätig
keitsbereiche zugeordnet: Absicherung von Qualitätsri
siken, Unterstützung anderer Stellen und Analyse von Qualitätsproblemen. Qualitätsstellen werden meist von Qualitätsleitern geführt und sind dem Qualitätsbeauf
tragten unterstellt (Seghezzi et al. 2007).
■ Produzierende Unternehmen setzen zudem Qualitäts-ingenieure im Produktionsbetrieb und in Entwicklungs
projekten ein (Gembrys/Herrmann 2008). Diese über
nehmen technisch geprägte Aufgaben der Qualitätspla
nung bzw. verbesserung (z. B. Definition von kritischen Produkt und Prozessqualitätsmerkmalen oder Entwick
lung von Prüfverfahren).
Das Betreiben des Qualitätsmanagements erfordert, dass die zur Qualitätsorganisation zugehörigen Mitarbeiten
den als unterstützende Ressourcen direkt an die Unter
nehmensleitung angebunden sind. Die konkreten Ausge
staltungsalternativen der Qualitätsorganisation hängen jedoch stark von der grundsätzlichen Strukturgestaltung eines Unternehmens ab.
3.2 Organisationsstrukturen
Unter einer formalen Organisationsstruktur wird ein Sys
tem von gesetzten und akzeptierten Regeln zur Steuerung von Leistung und Verhalten der Organisationsmitglieder verstanden. Die formale Struktur basiert darauf, dass Per
sonen explizite Berechtigungen erhalten und damit die Ar
beits und Aufgabenverteilung festgelegt wird. Hierzu ge
hören u. a. die Definition von Stellen, die Zuweisung von Aufgaben und Kompetenzen und die Vorgabe von Verfah
rensrichtlinien. Generelle Regeln sind insbesondere dann geeignet, wenn das zu Organisierende wiederholend ist.
Formale Organisationsstrukturen werden häufig durch ein Organigramm visualisiert, das die wichtigsten generalisier
ten Erwartungen zusammenfasst (Schreyögg/Geiger 2016).
Neben dem formellen und offiziellen Regelsystem gibt es in Organisationen eine Vielzahl weiterer Regeln, die sich aus den persönlichen Zielen und dem beobachtbaren Handeln der Organisationsmitglieder ableiten lassen und als informelle Organisation gelten. Während informelle Regelsysteme zunächst als störend und dysfunktional ein
geordnet wurden, werden sie inzwischen als mögliches Korrektiv für Schwächen der formalen Organisation, wie beispielsweise erhöhte Inflexibilität, verstanden (Schrey
ögg/Geiger 2016).
Die Einordnung qualitätsrelevanter Aufgaben in die Un
ternehmensorganisation zählt zu den grundlegenden Gestaltungsaufgaben des Qualitätsmanagements. Dies er fordert eine Betrachtung grundlegender organisatori
scher Strukturen und deren Ausgestaltungsmöglichkei
ten. Hier zu wird im Folgenden zunächst eine kurze Zusammenfassung der theoretischen Grundlagen zur Ge
staltung von Organisationsstrukturen gegeben. Anschlie
ßend erfolgt eine Beschreibung der Grundformen organi
satorischer Gestaltung und möglicher Abwandlungen.
3.2.1 Organisationstheorien
Organisationstheoretische Ansätze erklären das Entste
hen, das Bestehen und die Funktionsweise von Organi
sationen. Es existiert eine Vielzahl von Organisations
theorien, die aus verschiedenen Perspektiven heraus das Erkenntnisobjekt „Organisation“ betrachten. Diese lassen
46
I
3 Qualitätsgerechte Organisationsstrukturen
sich nach der Zeit ihrer Entstehung in klassische, neoklas
sische und moderne Ansätze einteilen (Schreyögg/Geiger 2016).
Der Begriff Organisation ist dabei nicht einheitlich belegt.
Ohne im Folgenden auf die zugrunde liegenden Ansätze und Theorien detailliert einzugehen, ist für die praktische Organisationsgestaltung die grundlegende Unterschei
dung in Verteilungs und Arbeitsbeziehungen zentral (Bild 3.3). Diese Unterscheidung spiegelt sich in der auf
bau und ablauforganisatorischen Gestaltung wider, wobei die strikte Trennung von Aufbau im Sinne von Organisa
tion und Ablauf im Sinne von Aufgaben im neueren An
satz der Prozessorganisation nicht mehr gegeben ist ( Frese et al. 2019).
Bei der Aufbauorganisation stehen Teilaufgaben und Kom
petenzen der Aufgabenträger und die zwischen ihnen bestehenden Beziehungen im Vordergrund. Im Gegensatz dazu stehen bei der Ablauforganisation die sachlichen, in Raum und Zeit stattfindenden Leistungsprozesse im Vor
dergrund, die sich bei und zwischen den Aufgabenträgern vollziehen. Der Begriff des Organisierens ist prozess
bezogen und umfasst das Herstellen von Regelungen.
Diese durch formale Regelungen geschaffene Ordnung entspricht einer Organisationsstruktur und ist ein Instru
ment zur Steuerung des Verhaltens der Organisationsmit
glieder in Hinblick auf die Organisationsziele.
3.2.2 Organisationsgestaltung
Der Ausgangspunkt für die Organisationsgestaltung ist eine organisatorische Differenzierung mit dem Bestreben, alle Aufgaben, die zur Erreichung der Ziele einer Organi
sation nötig sind, bestmöglich zu teilen und zuzuordnen.
Die grundsätzliche organisatorische Differenzierung er
folgt entweder nach dem Prinzip der Verrichtung bzw.
Handlung oder nach Objekten wie den Produkten und Märkten. Für eine wirkungsvolle Organisationsgestaltung ist nach dieser Differenzierung eine Arbeitsvereinigung über den Einsatz von Koordinations und Integrationsins
trumenten wichtig (Schreyögg/Geiger 2016).
Organisatorische Differenzierung
Ein Großteil der deutschen Unternehmen, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU), differenzieren nach Verrichtung und sind demnach funktional organi
siert. Typische Funktionsbereiche sind u. a. Forschung und Entwicklung, Einkauf, Produktion und Marketing.
Die funktionale Organisationsform eignet sich insbe
sondere für Einproduktunternehmen, Unternehmen mit homogenem Produktions und Absatzprogramm wie die Automobilindustrie und Unternehmen mit langsamer technischer Weiterentwicklung der Produkte (Frese et al.
2019, Mintzberg 2013, Weuster 2010). In den meisten Fäl
len werden die beiden Differenzierungsprinzipien jedoch gemischt. Die zweite Hierarchieebene bestimmt dabei die Grundausrichtung bzw. Suprastruktur des gesamten Systems und ist daher besonders wichtig für die Organi
sationsgestaltung (Frese et al. 2019, Schreyögg/Geiger 2016).
Eine Objektorientierung auf zweitoberster Hierarchie
ebene wird auch divisionale Organisation, Spartenorgani
sation oder Geschäftsbereichsorganisation genannt (Schrey
ögg/Geiger 2016). Bei dieser Organisationsform entstehen Entscheidungseinheiten, die alle für ein Produkt bzw. für
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©WZL/Fraunhofer IPT
Bild 3.3
• Bürokratie-Ansatz
• Administrativer Ansatz
• Arbeitswissen-schaftlicher Ansatz
KLASSISCHE ANSÄTZE NEO-KLASSISCHE ANSÄTZE
• Human-Relations-Ansatz
• Anreiz-Beitrags-Theorie
MODERNE ANSÄTZE
• Human-Ressourcen-Ansatz
• Strukturalistischer Ansatz
• Organisatorische Entscheidungsforschung
• Mikroökonomische Organisationsanalyse
• Symbolischer Ansatz/
Postmoderne Theorie
• Systemtheoretischer Ansatz
Aufbauorganisation
Ablauforganisation
Bild 3.3 Übersicht organisationstheoretischer Ansätze in Anlehnung an (Schreyögg/Geiger 2016)
47
I
3.2 Organisationsstrukturen
eine Produktgruppe notwendigen Kompetenzen vereinen und damit als Koordinationsvorteile eine hohe Prozess
effizienz aufweisen. Die Vorteile einer Spartenorganisa
tion sind ausgeprägter, je diversifizierter ein Unterneh
men ist (Schreyögg/Geiger 2016). Allerdings wird in der Praxis auch das Differenzierungsprinzip nach Objekt selten ausschließlich angewandt (Frese et al. 2019). Statt
dessen bleiben einige Unternehmensbereiche wie das Personalwesen und Controlling zentralisiert (Eversheim 1996, Weuster 2010).
Zentralbereiche sind dadurch gekennzeichnet, dass ver
glichen mit der eindimensionalen Grundform der Orga
nisation (Verrichtungs vs. Objektorientierung) eine ange
passte Zuweisung von Aufgaben vorliegt. Folgende sechs Typen von Zentralbereichen lassen sich mit zunehmen
dem Einfluss durch die Divisionen bzw. Geschäftsbereiche unterscheiden (Frese et al. 2019):
■ Kernbereichsmodell: Die Teilfunktion ist aus den opera
tiven Geschäftsbereichen vollständig ausgegliedert und in einer gesonderten Einheit verankert.
■ Richtlinienmodell: Aufgaben der betrachteten Teilfunk
tion sind teils in einem Zentralbereich und teils in den Geschäftsbereichen angesiedelt. Der Zentralbereich ist für die Aufgaben betreffenden Grundsatzentscheidun
gen entscheidungsbefugt und den Geschäftsbereichen weisungsbefugt.
■ Matrixmodell: Aufgaben der betrachteten Teilfunktion sind sowohl in einem Zentralbereich als auch in den Ge
schäftsbereichen verankert, und sie sind nur gemein
sam entscheidungsberechtigt.
■ Servicemodell: Geschäftsbereiche entscheiden über die Art der funktionsbezogenen Maßnahmen und erteilen Aufträge an den Zentralbereich. Der Servicebereich ent
scheidet über das „Wie“ der Auftragserfüllung.
■ Stabsmodell: Aufgaben der betrachteten Teilfunktion sind teils in einem Zentralbereich und teils in den Ge
schäftsbereichen angesiedelt. Der Zentralbereich be
reitet Entscheidungsvorlagen vor und unterstützt damit die Geschäftsbereiche, die ausschließlich entscheidungs
berechtigt sind.
■ Autarkiemodell: Geschäftsbereiche nehmen die Aufga
ben der betrachteten Teilfunktion vollständig wahr.
Bild 3.4 zeigt exemplarisch und schematisch die grund
legenden organisatorischen Differenzierungsprinzipien in Form von Organigrammen bis zur zweitobersten Hier
archieebene sowie Zentralbereiche und das Matrixmodell als mögliche Abwandlungen dieser Prinzipien der Primär
organisation. Die abgebildeten Instrumente zur Koordina
tion und Integration verteilter Aufgaben sind im Folgen
den beschrieben.
Koordinations- und Integrationsinstrumente Mit zunehmender Strukturdifferenzierung wird eine Inte
gration der Teile schwierig, sodass verschiedene Instru
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©WZL/Fraunhofer IPT
EINLINIENSYSTEM MEHRLINIENSYSTEM
FUNKTIONALORGANISATION SPARTENORGANISATION PRIMÄRORGANISATION
INTEGRATIONSINSTRUMENT HIERARCHIE
ABWANDLUNGEN DER PRIMÄRORGANISATION (Zentralbereich und Matrixmodell)
PROJEKTBEZOGENE SEKUNDÄRORGANISATION
(Stabs-Projektorganisation)
Bild 3.4 Grundlegende organisatorische Differenzierungsprinzipien der Primärorganisation; Abwandlungen und Hierarchie als klassisches Integrations und Koordinationsinstrument
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I
3 Qualitätsgerechte Organisationsstrukturen
mente zur gezielten Zusammenführung der Organisa
tionseinheiten eingesetzt werden. Bei dem Instrument der Hierarchie wird zwischen dem Ein und dem Mehrlinien
system unterschieden. Während Mitarbeitende im Ein
liniensystem, entsprechend des Fayol’schen Grundsatzes zum Prinzip der Einheitlichkeit der Auftragserteilung, genau eine direkt vorgesetzte und weisungsbefugte Per
son haben, berichten Mitarbeitende im Mehrliniensystem an mehrere Führungskräfte. Bei Funktionalorganisatio
nen handelt es sich überwiegend um Einliniensysteme (Eversheim 1996, Weuster 2010). Weitere Koordinations
bzw. Integrationsinstrumente umfassen die Abstimmung durch Programme und Pläne in Form von verbindlich fest
gelegten Verfahrensrichtlinien sowie organisatorische Selbst abstimmungsverfahren zum Zwecke der horizon
talen Direktabstimmung. Neuere Ansätze basieren auf einer überlappenden Gruppenstruktur auf vertikaler Ebe
ne (jede Arbeitsgruppe ist mit der hierarchisch nächst
höheren Arbeitsebene verbunden), horizontaler Ebene (Querschnittsgruppen nach geografischen oder produkt
mäßigen Gesichtspunkten) und lateraler (Querschnitts
gruppen ohne Beschränkung auf eine Hierarchieebene), die eine Verknüpfung der einzelnen Teams hin zu einer Netzwerkorganisation fördert (Schreyögg/Geiger 2016).
Anstatt die Probleme hoher Strukturdifferenzierung über Integrationsinstrumente zu reduzieren, stellt der Diffe
renzierungsabbau eine Alternativlösung dar. Die Prozess
organisation zielt auf eine Reduktion der Schnittstellen und somit Differenzierung ab. Durch die Möglichkeiten moderner Informationstechnologien in Bezug auf den In
formationsaustausch ist die Umsetzung einer Prozessor
ganisation zunehmend praktikabel. Dennoch scheint sich die Eignung einer solchen ReIntegration auf ganz be
stimmte Aufgabentypen und felder zu beschränken wie beispielsweise auf Routineprozesse in der Administration (Auftragsbearbeitung, Sachbearbeitung in Banken und Versicherungen etc.). Für die meisten Unternehmen wer
den demnach weiterhin Ansätze und Lösungen zur Bewäl
tigung der Integrationsprobleme benötigt (Schreyögg/
Geiger 2016).
Die Grenzen der klassischen Organisationsformen u. a. in Bezug auf häufiger auftretende Technologie und Markt
änderungen sowie eine zunehmende Prozessorientierung, die eine stärkere bereichsübergreifende Zusammenar
beit erfordert, haben zu Organisationskonzepten für das Projektmanagement geführt. Die abteilungsbezogene Grundstruktur bzw. „Primärorganisation“ lässt sich mit einer projektbezogenen „Sekundärstruktur“ um hierar
chieergänzende und hierarchieübergreifende Strukturen überlagern. Ein Projekt lässt sich anhand seiner charakte
ristischen Merkmale Neuartigkeit, Zielorientierung, Kom
plexität, Dynamik und Interdisziplinarität beschreiben.
Projekte dienen in vielen Organisationen zur Erfüllung
von Forderungen, denen nicht innerhalb des üblichen be
trieblichen Ablaufs nachgegangen werden kann. In (Frese et al. 2019) werden vier Typen der Projektorganisation unterschieden:
■ Organisation ohne strukturelle Projektausrichtung: Die Koordination der Projektaktivitäten fällt in den Aufga
benbereich bestehender Stellen ohne Anpassung der bestehenden Organisationsstruktur.
■ Stabs-Projektorganisation: Bestimmte Projektaufgaben wie die Informationssammlung und Entscheidungsvor
bereitung werden von Stäben wahrgenommen, aber es besteht keine Weisungsbefugnis gegenüber den am Pro
jekt beteiligten Stellen.
■ Matrix-Projektorganisation: Kompetenzen sind zwischen der Erfüllung permanenter Aufgaben („Produktaufga
ben“) und dem projektbezogenen Leitungssystem auf
geteilt. Es liegt eine Überschneidung von Entscheidungs
kompetenzen in Bezug auf den Ressourceneinsatz vor.
■ Reine Projektorganisation: Projektbezogene Aufgaben sind aus den Geschäftsbereichen ausgegliedert und die Beteiligten aus den verschiedenen Bereichen einem selbstständigen Projektteilbereich zugeordnet. Der Pro
jektleitende ist diesen uneingeschränkt weisungsbe
fugt.
Insgesamt herrscht inzwischen sowohl in der Wissen
schaft als auch in der Praxis die Einsicht, dass das tradi
tio nelle und auf Stabilität ausgelegte Konzept der Organi
sationsgestaltung im Widerspruch bzw. Spannungsver
hältnis zum permanenten Wandel steht (Frese et al. 2019).
Laut Frese gilt es, „ein theoretisch fundiertes Konzept zu entwickeln, das Aufschluss darüber gibt, welche Eigen-schaften von Organisationsstrukturen im Zeitpunkt ti die Pro blemlösungs- und Handlungsfähigkeit einer Unterneh-mung im Zeitpunkt ti+n sichern und verbessern“ (S. 494).
Aktuelle Ansätze in der Praxis beruhen auf der Integra
tion agiler Methoden, die einen kurzzyklischeren Pla
nungshorizont und damit eine höhere Reaktionsfähigkeit ermöglichen.