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Aufgabe: Wintersportliche Bewegungsbeziehungen aufbauen

Im Dokument Schulsport im Winter (Seite 141-145)

3.6 Das Miteinander im Wintersport

3.6.3 Aufgabe: Wintersportliche Bewegungsbeziehungen aufbauen

Ob sie beim gemeinsamen Sporttreiben im Winter ihre sozialen Fähigkeiten im Sinne einer Sozialerziehung erweitern, ist für Kinder und Jugendliche selbst von untergeordnetem Interesse. Ihnen geht es darum, mit anderen zusammen etwas zu erleben, gemeinsam Freude an wintersportlichen Tätigkeiten zu haben und beim gemeinsamen Sich-Bewegen soziale Beziehungen zu knüpfen und zu vertie-fen. Von besonderer Bedeutung sind daher für sie das Gelingen des Miteinanders und das Gefühl, in ihre Bewegungsgemeinschaft als geschätzte Mitglieder einge-bunden zu sein. FUNKE-WIENEKE (1997c) zeigt einen Weg auf, wie soziales Lernen an den Bedürfnissen der Schüler anknüpfen kann und wie der eigentliche Sinn gemeinsamen Sporttreibens, nämlich die Herstellung eines zwischenleibli-chen Wir-Gefühls, zur Aufgabe einer bewegungsspezifiszwischenleibli-chen Sozialerziehung gemacht werden kann.

Bei schulischen Wintersportveranstaltungen sollen die Heranwachsenden lernen, auch sozial anspruchsvolle Bewegungsaufgaben so miteinander zu bewältigen, dass möglichst alle Beteiligten das gemeinsame Handeln als gelungen empfinden und sich durch die Erfahrung der Zwischenleiblichkeit in die Bewegungsgemein-schaft eingebunden fühlen. Dazu gilt es in der Auseinandersetzung mit winter-sportlichen Bewegungsaufgaben Bewegungsbeziehungen zu realisieren und an der Optimierung der Verständigung in und über Bewegungsaktionen zu arbeiten.

Im Mittelpunkt steht dabei die (nonverbale) Verständigung in Aktion. Das Ge-spräch als tragendes Element des sozialen Lernens im Sinne der interaktionisti-schen Rollentheorie ist als bewegungsbegleitende Maßnahme auch für die „Kulti-vierung des Sozialleibs“ von Bedeutung. Es dient zum einen „der Verständigung in der und über die Aktion und führt zur Formulierung und Reformulierung der sach-lichen Aufgaben und Regeln für das gemeinsame Sich-Bewegen“ (FUNKE-WIENEKE 1997c, 39). Bei Problemen in Bewegungsbeziehungen sollen in der Besprechung Möglichkeiten des Umarrangierens von Aufgabe und Situation ge-funden werden, die ein für alle befriedigendes, gemeinsames Sich-Bewegen wie-der ermöglichen (vgl. ebd., 37). Zum anwie-deren bieten Gespräche die Gelegenheit, persönliche Gefühle im Zusammenhang mit der gemeinsamen Bewegungsaktion spontan zu äußern oder zu thematisieren, Unmut und Missverständnisse zu klä-ren und gemeinsam „Handlungsperspektiven für einen Umgang mit diesen Emoti-onen in den sachlich gestifteten Beziehungen“ (ebd., 39) zu entwickeln.

Anregen-de Ausgangspunkte für solche Gespräche können etwa SchilAnregen-derungen Anregen-des Erleb-ten und zeichnerische, fotographische oder filmische Dokumentationen sein (vgl.

MOSS-KUTHE 2002), welche die Eindrücke bei der gemeinsamen Aktivität „fest-halten“.

Für die Bewegungsaufgaben, die diese Bewegungsbeziehungen stiften sollen, entwickelte FUNKE-WIENEKE (1997c) eine didaktische Struktur, die hier für win-tersportliche Aktivitäten übernommen wird. Seine Kategorien, die er nach zuneh-mendem sozialen Anspruch ordnet, richten sich nach der Art des Kontakts (direkt bzw. indirekt), nach dem Beziehungsmuster (kooperativ vs. konkurrierend) und nach der Wirkungsrichtung (gleichgerichtet bzw. ursächlich auf den anderen be-zogen). Dabei unterstellt er „aus Erfahrung, dass kooperative, indirekte Kontakte verlangende und in gleiche Wirkungsrichtung gehende Beziehungen leichter fallen als solche, in denen Konkurrenz aufgebaut wird, die direkten Kontakt verlangen und ursächlich auf den anderen wirken“ (35). Neben den im Folgenden genannten Bewegungsaufgaben gibt es eine Vielzahl von winterlichen Bewegungsspielen mit komplexeren sozialen Anforderungen, die sowohl kooperative als auch konkurrie-rende Elemente beinhalten. Beispiele hierfür sind Eishockey, Skilanglaufhockey (mit Skistock und umgedrehtem Frisbee), Fußball auf einem Ski, Jägerballspiele mit mehreren Fängern und Geländespiele wie „Irrlicht“ (BALZ 2001, 103), „Schnit-zeljagd“, „Schatzsucher“, „Verschollene suchen“ und „Diebe fangen“ (alle DÖBLER 1998, 395ff.).

Bewegungsaufgaben

1. indirekte, gleichgerichtete Kooperationen:

- Synchronskifahren und Formationsfahren (vgl. DEUTSCHER VERBAND FÜR DAS SKI-LEHRWESEN 1993, 142-150), auch als „Gespannfahren“ (Verbindung durch eine Slalomstan-ge; vgl. KUCHLER 1991, 64f.), Synchronspringen, synchron Snowboarden, Eislaufen und Ski-langlaufen

- Staffeln, „Sechstagerennen“

- Kooperative Spiele wie „Ballonzertreten“ mit Ski, „Brücke bauen“ mit Schlitten, „Osterhase“

(gemeinsam möglichst viele Bälle in den Korb legen) - Biathlon-Teamwettbewerb, Mannschaftsorientierungslauf - Schüler als Mentoren

2. indirekte, ursächlich auf den anderen bezogene Kooperationen:

- Schattenlauf, Schattenfahren

- Formations- und Synchronfahren spiegelbildlich

- Zielwürfe und Zielschüsse auf vom Partner kooperativ bewegte Zielobjekte

- Kooperative Spiele wie „Lockruf“ („blinden“ Partner durch Zuruf führen), „Walzerduett“ (KUCH-LER 1991, 132f.) auf Ski (über Skistöcke verbunden), Schlittenschlange, „Troika“

(BALZ/MÜLLER 1999, 21) und „Pferdegespann“ (Mitschüler auf Ski, Schlitten, Schlittschuhen, auf einem Stuhl sitzend etc. ziehen)107

3. indirekte Konkurrenzen:

- Zeitgleiche Wettbewerbe: Um die Wette auf Ziele werfen, Eiskegeln, Gleiten, Slalomfahren (Parallelslalom), Bremsen (Paar-Wett-Bremsen)

- „Kampfspiele“ ohne Körperkontakt wie Tauziehen, „Kreiskampf“ („Ringender Kreis“) am Seil oder mit Stöcken, „Kapern“ („Tücherjagen“), geregelte Schneeballschlachten, Jägerballspiele, Eishockey 1:1, „Leuchtjäger“ (DAMM 2001, 14)

4. direkte, gleichgerichtete Kooperationen:

- Paarlauf mit Handhaltung, Kurvenfahren mit Partnerhilfe (Handhaltung), Formationslaufen mit Handhaltung (z. B. jeder zweite fährt auf einem Bein)

- Doppelsitzerrodeln, Gruppenski (immer mehr Schüler auf immer weniger Ski), Kettenwettren-nen; „Dreibeinstaffel“

5. direkte, ursächlich auf den anderen bezogene Kooperationen:

- Eistanz

- Kooperative Spiele wie „Blinde Schlange“ mit sehendem Vordermann (BALZ/MÜLLER 1999, 21), „Wackelschlange“ (DÖBLER 1998, 107), „Förderband“ und „Luftballon-Rallye“ (ein Ballon muss von einem Paar transportiert werden, ohne ihn mit den Händen zu berühren)

6. direkte Konkurrenzen:

- Raufspiele wie „Ringender Kreis“ mit Handhaltung, „Fähnchen erobern“ (MÜLLER 1999, 60;

2001, 110), „Schneetiger“ und „Fähnchen auf die Burg“ (GROTH/LAGING 1999, 30)

- Fangspiele wie „Hirschjagd“ (GROTH/LAGING 1999; 30), „Fang den Häscher“ (DÖBLER 1998, 149) und „Jäger und Hasen“ (MÜLLER 1999, 61; 2001, 110).

Im Hinblick auf den „Zwang“ zur Identitätsdarstellung in einigen wintersportlichen Aktivitätssystemen mag die Betonung des Miteinanders als Korrektiv fungieren, das dem ichbezogenen Kampf ums Prestige die soziale Eingebundenheit in der sich wintersportlich bewegenden Gruppe gegenüberstellt. Unterstützend und er-gänzend kann ein methodisches Vorgehen bei der Vermittlung von Wintersportar-ten wirken, das nicht auf den Erwerb von Bewegungstechniken abzielt, mit denen sich normative Erwartungen verbinden, sondern auf die Weiterentwicklung der individuellen Fähigkeit, wintersportliche Bewegungssituationen eigenständig zu bewältigen. Im Besonderen gilt es das subjektive Empfinden als Maßstab für die

107 Konkrete Aufgaben speziell für das Eislaufen finden sich bei HINTERMEIER/OEHL (1999) und BAYERISCHER EISSPORT-VERBAND (1995).

Bewertung der eigenen Bewegungshandlungen zu entwickeln (vgl. auch 3.5.3).

Vielversprechende methodische Ansätze und zahlreiche konkrete Bewegungsauf-gaben finden sich beispielsweise im aktuellen Skilehrplan (vgl. DEUTSCHER VERBAND SKILEHRWESEN 2001). Es bleibt zu hoffen, dass diese Ansätze tat-sächlich bald die Praxis des Skiunterrichts im Schulsport wie im Skischulwesen bestimmen und die Welt des Skilaufens und Snowboardens nachhaltig verändern.

Bislang war auf den Pisten davon noch wenig zu sehen.

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