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4 Anforderungsanalyse

4.2 Anforderungserhebung

4.2.2 Analyse des Auftragsbezugs

Fahrzeuge kommt es zur Diskrepanz des Anliefertermins der hierfür benötigten Teile gegenüber dem Fertigungstermin. Dies führt schließlich dazu, dass Fehlteile nachfolgend eine weitere Verwirbelung auslösen.

Betrachtung der Supplier

Wie bereits in der Betrachtung des Inputs deutlich wurde, tragen mehrere Ebenen zum Entstehen der Fertigungsbedarfe bei. Angefangen vom Kunden über die Programmplanung hin zu den Fahrzeugwerken und schließlich zur Fertigung selbst werden das Fertigungsprogramm und der ausschlaggebende Bedarf geformt. Bei der Betrachtung der Supplier wird insbesondere ein weiterer Einfluss auf den Abruf deutlich. In Tabelle 6 steht das Wort „Fahrzeugwerke“ im Plural. Deutlich wird hierdurch, dass die vom Lieferanten zu produzierende und bereitzustellende Teilemenge mehrere Abnehmer haben kann. Insbesondere die Plattform- und Baukastenstrategie der Fahrzeughersteller, bei der versucht wird, möglichst viele Gleichteile über die Fahrzeugmodelle hinweg zu nutzen (vgl.

Muffato 1999, S. 147; Volkswagen 2012), führt dazu, dass ein Teil mehrere Fahrzeugwerke als Abnehmer haben kann (siehe auch Fallstudie, Kapitel 7). Dieser Netzwerkeffekt wirkt sich erschwerend auf die Stabilität der Bedarfsmengen pro Teilenummer aus. Die Verwirbelung in einem Fahrzeugwerk kann dafür sorgen, dass die Summe des Teilebedarfs trotz der Stabilität der übrigen Fahrzeugwerke nicht verbindlich ist. Die Anforderung an die Stabilität des Bedarfs einer Teilenummer weitet sich demnach auf die Summe des Bedarfs aller Fahrzeugwerke aus, welche beim selben Lieferanten abrufen.

Betrachtung der Customer

Kunde des Auftragsbezugs ist in erster Linie das Fahrzeugwerk, dessen Teilebedarf ab Lieferant mit der Lieferung verbunden wird. Da das Konzept jedoch auch dem Lieferanten, dem Vor- und Hauptlaufspediteur und dem Umschlagspunktbetreiber Informationen zur Verfügung stellt, sind auch dies Kunden. Denn das Konzept entfaltet seine Durchgängigkeit über die gesamte Inbound-Logistikkette.

Betrachtung des Outputs

Der Output des Auftragsbezugs wird in Form des Transportlabels für alle Prozessteilnehmer ersichtlich.32 Das Paletten- bzw. Masterlabel fasst die übergreifenden Informationen zusammen, wobei die Palette als eine Sendung (oder Teil einer solchen) den gesamten Prozess durchläuft. Die Behälterlabel spezifizieren den konkreten Inhalt. Behälterlabel werden bei Toyota auch als externe Kanban-Label bezeichnet.

Durch das Behälterlabel wird die Teilenummer und menge eindeutig einem Bedarfsort und -zeitpunkt zugeordnet. Die Bedarfsmenge des Pull-Abrufs wird hierdurch mit einer physischen Menge im Warenstrom kombiniert. Der Ort des Teilebedarfs braucht hierbei nicht immer der Verbauort sein, da die Feinsteuerung im Fahrzeugwerk oftmals mit Kanban-Karten erfolgt (3.2.7). So kann der werksinterne Bestimmungsort bspw. auch ein Fertigungssupermarkt sein, in dem die Teile nach Fahrzeugsequenz sortiert und entsprechend dem Fertigungsfortschritt von der Fertigungslinie abgerufen werden (vgl. Volkswagen 2016, S. 2). Durch die Anknüpfung an den Pull-Abruf wird deutlich, dass der Auftragsbezug zwingend die Umsetzung des Pull-Abrufs voraussetzt.

Abbildung 12: Masterlabel Toyotas (eigene Darstellung)

Das Masterlabel ergänzt Informationen zur Lieferkette. Dies sind die LKW-Routen (Vor- und Hauptlauf), die damit verbundene Zwischenankunftszeit und Entladezeit sowie die Route und

32 Zusammenschlüsse verschiedener Automobilhersteller aus Europa (Odette), Japan (JAMA/JAPIA) und Nordamerika (AIAG) haben einen gemeinsamen Standard für das Transportlabel, das Global-Transport-Label (GTL), entwickelt. Dies kann unter Umständen für einen Lean-Logistics-Prozess genutzt werden. Jedoch zielt das Masterlabel von Toyota noch stärker auf die Unterstützung des Lean-Inbound-Prozesses ab (siehe Abbildung 12).

Bereitstellfläche im Crossdock (vgl. Ludwig 2013, S. 24). Neben der Abladestelle und dem Eintrefftermin im Fahrzeugwerk kann das Label auch die innerbetriebliche Route zum Bedarfsort enthalten (vgl. Volkswagen 2016, S. 2). Als Beispiel für ein derartiges Label ist in der Abbildung 12 das Masterlabel von Toyota aufbereitet. Die Wiedergabe der Zwischenankunftszeiten und Routen kann nur geschehen, wenn auch das Konzept der festen Routen und Fahrplantaktung umgesetzt wird, sodass dies bereits die zweite Konzeptabhängigkeit ist, die als Anforderung identifiziert werden kann.

Um die Zeiten festschreiben zu können und somit eine verbindliche Übereinstimmung der Sendung zum Transport zu erzielen, nimmt der Fahrzeughersteller oder eine für ihn arbeitende zentrale Instanz die Transportbeauftragung der Spediteure vor. Der Auftragsbezug greift somit stark in den Prozess ein und bestimmt die Abläufe und Zuordnung. Um einen Transportauftrag generieren zu können, wird ebenso auf dem verbindlichen Pull-Abruf aufgebaut, da hier die genauen Informationen vorliegen, was wann transportiert werden muss. Durch die so vorbestimmten Abläufe und genaue Zuordnungen jeder Lieferung werden eine stark erhöhte Transparenz, aber auch eine Einschränkung des Prozesses erreicht.

Die Einschränkung der Handlungsfreiheit äußert sich darin, dass bspw. der Lieferant nicht mehr den Versand gemäß seiner eigenen Optimierungsstrategie auslösen kann. So könnte ein Lieferant für den Fall, dass seine eigene Produktion bereits abgeschlossen ist, die Teile für die nächste Schicht oder auch den nächsten Tag avisieren und abholen lassen. Da der Auftragsbezug den einzelnen Teileumfängen jedoch gemäß dem Pull-Prinzip eine Abholzeit, die Zwischenzeiten und eine Ankunftszeit zuweist, ist kein Verschieben der Teilelieferung mehr möglich. Das Gleiche gilt für die Spediteure und Umschlagspunktbetreiber, welche die LKW-Auslastung nicht nach eigenem Ermessen optimieren können. Vielmehr läuft der Prozess strikt entsprechend der Rückwärtsterminierung, sodass keine Lager und Bestände durch „zu frühe“ Teilelieferungen entstehen.

Die durch die Zuordnung und Label entstandene Transparenz ermöglicht einen weiteren Output. So lässt sich die Einhaltung der Planung bei jedem informatorisch festgehaltenen Zwischenschritt überprüfen. Daher wird das Konzept in 3.2.2 auch als Qualitätsbaustein bezeichnet. Karlin (2004, S.

33) beschreibt den Ablauf für den Fall eines Crossdocks im amerikanischen Inbound-Netzwerk von Toyota. So dient die Bereitstellfläche, die durch die Beschilderung in

Abbildung 13 ausgewiesen wird, zwischen 23:50 und 13:55 dem Sammeln des Materials für die Hauptlauf-Route 3010. Sollte jedoch Material während dieser Zeit ankommen, welches auf Grund seines auftragsbezogenen Labels der späteren Route 3090 zugeordnet werden kann, wird der Fehler sofort bemerkt. So kann der festgeschriebene Eskalationsprozess zur Problemlösung aktiviert werden.

Ähnlich wie im vorherigen Beispiel führt Ludwig (2013, S. 24) das Beispiel einer LWK-Entladung in einem Crossdock Toyotas an, bei dem zu wenig Material angeliefert wird. So werden die Paletten bei dem beschriebenen Crossdock während der Entladung mit elektronischen Handgeräten gescannt,

die automatisch einen Fehler anzeigen, wenn die Ladung nicht dem vom Fahrzeughersteller generierten Transportauftrag bzw. Avis entspricht.

Abbildung 13: Beschilderung einer Bereitstellfläche für Hauptläufe (Karlin 2004, S. 34) Betrachtung des Prozesses

Um den Auftragsbezug herzustellen, bekommt der Lieferant vom Fahrzeughersteller die Daten für die Label und Sendungsbegleitpapiere zur Verfügung gestellt. Er muss dann nur noch die Behälterlabel und den dazugehörigen Sendungsbeleg ausdrucken und an den entsprechenden Behältern anbringen. Der Zeitpunkt, ab dem die notwendige Stabilität hierfür besteht, lässt sich als der „verbindliche Zeitpunkt“ definieren. Zu diesem Zeitpunkt stehen alle notwendigen Informationen zur Verfügung, ändern sich nicht mehr und das Label mit den vollständigen Angaben kann gedruckt werden (vgl. VDA 2016c, S. 41). Ideal wäre, wenn die verbindliche Periode für die gesamte Zeit der Produktion des Lieferanten besteht. In diesem Fall könnte bedarfssynchron gefertigt werden.

Ab dem Zeitpunkt des Anbringens der Label und der anschließend erfolgenden Abholung, initiiert durch den Transportauftrag, besteht der Auftragsbezug in der gesamten Inbound-Prozesskette. Alle Prozesse können sich fortan an die genauen Vorgaben halten. Durch die exakte Vorbestimmung der Abläufe werden jedoch hohe Standards an die Arbeitsqualität der Prozessteilnehmer gelegt. Die genaue Einhaltung wird äußerst wichtig, da Abweichungen auf Grund der genauen Vorgaben nur durch Sonderprozesse ausgeglichen werden können. So schreibt Liker (2004, S. 199), dass Toyota unbedingt die Erfüllung der gesetzten Standards von allen Prozessteilnehmern erwartet. Durch den Auftragsbezug steigt damit die Anforderung an die Arbeitsgenauigkeit in der Inbound-Logistik.

Betrachtung des Inputs

Der Input des Auftragsbezugs sind die warenbegleitenden Belege (Sendungsbeleg, Palettenlabel, Behälterlabel), welche an die Lieferanten versandt werden, sowie die Transportaufträge an die übrigen Prozessteilnehmer (Vor- und Hauptlauf, Crossdock), deren Daten denen der Sendungsbelege entsprechen. Die Daten hierfür können nur vom Fahrzeughersteller oder einem zentralen Netzwerkbetreiber generiert werden, da anders als beim konventionellen Prozessablauf in der Automobilindustrie nicht nur ein Teileabruf erfolgt, sondern detaillierte Vorgaben zum Prozess

(Routen, Zeiten etc.) gemacht werden. 33 So übernimmt im Falle Toyotas der Fahrzeughersteller selbst diese Aufgabe (vgl. Ludwig 2013, S. 20).

Die für den Prozessinput erforderlichen Daten stammen aus der gleichen Basis wie der verbindliche Pull-Abruf und werden durch Rückwärtsterminierung (Line-Back) generiert. Hierfür ist es wichtig, die genauen Durchlaufzeiten des Materials zu kennen: Vom Werksdurchlauf über den Wareneingang, den Hauptlauf, das Crossdock, den Vorlauf bis hin zu der Zeit, die der Lieferant nach Eingang des verbindlichen Pull-Abrufs bis zur Warenbereitstellung braucht (Abbildung 5). Basierend auf der so stattfindenden Rückwärtsterminierung werden die Routen zugeordnet. Um die Terminierung so zu gestalten, dass der Prozess real auf diese Weise ablaufen kann, müssen weitere Restriktionen, bspw.

die Laderaumverfügbarkeiten, berücksichtigt werden. Um das Konzept umzusetzen, muss sich ein Fahrzeughersteller somit weitreichende Kompetenzen aneignen oder diese zukaufen.

Betrachtung der Supplier

Supplier des Auftragsbezugs ist der Automobilhersteller. Die Fahrzeugwerke stellen die Daten zur Generierung des Auftragsbezugs durch die Label und den Transportauftrag zur Verfügung.