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Alters- und Hinterlassenenversicherung Beiträge

Urteil des EVG vom 17. April 1967 i. Sa. C. V. und Firma X.

Art. 9, Abs. 1, AHVG. Ein Handelsagent, der für mehrere Firmen tätig ist und auf seine Kosten einen Betrieb mit eigenen Geschäfts-räumlichkeiten und neun Angestellten führt, trägt ein Unternehmer-risiko und übt daher eine selbständige Erwerbstätigkeit aus.

Der Handelsagent C. V., der als Selbständigerwerbender mit einer Ausgleichs-kasse abrechnet und für mehrere Firmen, darunter auch für die Firma X, tätig ist, wurde von der Ausgleichskasse, der diese Firma angeschlossen ist, als Unselbständigerwerbender betrachtet. Das EVG nahm auf Berufung des Handelsagenten und der Firma X hin zur Streitfrage in folgender Weise Stellung:

1. Nach Art. 5, Abs. 2, AHVG und der Rechtsprechung gilt als unselb-ständiger-werbend, wer «auf bestimmte oder unbestimmte Zeit» für einen Arbeitgeber tätig und von diesem in wirtschaftlicher bzw. arbeitsorganisato-rischer Hinsicht abhängig ist. Dagegen ist als selbständigerwerbend zu be-trachten, wer - ohne maßgebend fremden Weisungen unterworfen zu sein - nach Art eines freien Unternehmers ein eigenes Geschäft führt oder als gleichberechtigter Partner an einem solchen beteiligt ist (Art. 9, Abs. 1, AHVG und die entsprechende Praxis). Das Fehlen des Unternehmerrisikos ist dabei in der Regel von wesentlicher Bedeutung. Im übrigen beurteilt sich nicht nach zivilrechtlichen Gesichtspunkten, ob im Einzelfall selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Die zivilrechtlichen Verhältnisse mögen unter Umständen gewisse Anhaltspunkte für die AHV-rechtliche Qualifikation eines Arbeitsverhältnisses geben; entscheidend sind sie jedoch nicht. Das Gericht verweist auf EVGE 1950, S. 41 (ZAK 1950, S. 158) und EVGE 1952, S. 174, Erwägung 2 (ZAK 1952, S. 395).

In ständiger Rechtsprechung hat das EVG festgestellt, daß es für die Beurteilung, ob ein Handelsvertreter selbständig- oder unselbständigerwerbend sei, nicht darauf ankommt, ob er dem Bundesgesetz über das Anstellungs-verhältnis der Handelsreisenden unterstellt oder ob sein ArbeitsAnstellungs-verhältnis durch einen Agenturvertrag im obligationenrechtlichen Sinn geregelt sei.

Es hat erkannt, daß die Vertreter im allgemeinen weitgehend frei sind, wie sie ihre Zeit einteilen und ihre Arbeit gestalten wollen, aber selten wirtschaft-liche Risiken wie ein Unternehmer zu tragen haben. Das Gericht ist zum Schluß gelangt, daß Handelsvertreter mit Rücksicht auf die Art ihrer Tätig-keit und die Arbeitsbedingungen nur in seltenen Ausnahmefällen AHV-rechtlich als Selbständigerwerbende betrachtet werden können (EVGE 1953, S. 202, ZAK 1953, S. 414; EVGE 1955, S. 22, ZAK 1955, S. 163; EVGE 1959, S. 28, ZAK 1959, S. 326).

Das EVG hat insbesondere hinsichtlich der Handelsagenten erklärt, daß diese AHV-rechtlich in der Regel zu den Unselbständigerwerbenden gehören, vor allem deshalb, weil sich ihre ökonomischen Risiken meistens in der Ab-hängigkeit ihres Entgeltes vom persönlichen Arbeitserfolg erschöpfen; diese sind nur dann als Risiken eines Selbständigerwerbenden zu bewerten, wenn beträchtliche Investitionen oder Angestelltenlöhne zu tragen sind. Das Ge-richt hat sich aber stets gegen die von der Berufungsklägerin erneut ver-tretene Auffassung gewandt, bei Vorliegen eines Agenturverhältnisses sei immer auf selbständige Erwerbstätigkeit zu erkennen (EVGE 1952, S. 175, ZAK 1952, S. 395; EVGE 1963, S. 183, ZAK 1964, S. 30).

An dieser Praxis ist festzuhalten. Ob das Arbeitsentgelt eines Agenten (oder eines gewöhnlichen Handelsreisenden) Einkommen aus selbständiger oder unselbständiger Erwerbstätigkeit im Sinn des AHVG darstelle, ist in jedem einzelnen Fall nach der Gesamtheit der gegebenen Umstände zu be-urteilen. Obschon aufgrund der Erfahrungen im allgemeinen bei einem Han-delsvertreter vermutet wird, er sei unselbständigerwerbend, so gibt es doch Umstände, die in Sonderfällen auf selbständige Erwerbstätigkeit schließen lassen (vgl. beispielsweise EVGE 1951, S. 178).

2. Der Vertrag vom 3. November 1957, welcher unbestrittenermaßen die Grundlage der Tätigkeit von C. V. für die Berufungsklägerin bildet, enthält

- wie die Vorinstanz zutreffend festgestellt hat - verschiedene Bestimmun-gen, die für unselbständige Erwerbstätigkeit sprechen. So verpflichtet bei-spielsweise Ziffer 5 des Vertrages den Berufungskläger zu persönlicher Aquisitions- und Reisetätigkeit; er hat der Arbeit für die Berufungsklägerin den größten Teil seiner Zeit zu widmen. Vorbehältlich der in Ziffer 7 aus-drücklich statuierten Ausnahme verbietet ihm Ziffer 6 strikte, mit Werk-zeugmaschinen zu handeln, die jene Marken und Typen konkurrenzieren, deren Verkauf ihm durch die Berufungsklägerin anvertraut ist. Durch Zif-fer 8 wird ihm ein bestimmt umschriebenes, relativ kleines Reisegebiet zu-gewiesen. Die Provisionen gelangen monatlich zur Auszahlung (Ziffer 11)

und werden nur auf den Listenpreisen gewährt (Ziffer 12). Das Kreditrisiko trägt gemäß Ziffer 14 die Firma X, welche der Berufungskläger in gewissen näher umschriebenen Fällen vor Abschluß eines Geschäftes überdies zu kon-sultieren hat. Die Berufungsklägerin ist berechtigt, die Priorität in der Be-handlung bestimmter Geschäfte festzulegen und mit den vom Berufungs-kläger betreuten Kunden direkt zu verkehren (Ziffer 17). Das Recht zur Gewährung von Rabatten ist in Ziffer 16 genau geregelt. Schließlich stellt die Firma X in ihrem Namen Rechnung, wie sich aus dem Briefwechsel der Rekurskommission mit C. V. vom 31. Dezember 1964/4. Februar 1965 ergibt.

Andrerseits enthalten die Akten verschiedene Anhaltspunkte, welche den Berufungskläger als Selbständigerwerbenden erscheinen lassen. So zeigen die von der Steuerverwaltung des Kantons vorgelegten Belege, daß er in den letzten Jahren weit über die in Ziffer 7 des Vertrages vorgesehene Ausnahme hinaus für andere Firmen tätig gewesen ist und keineswegs überwiegend für die Berufungsklägerin gearbeitet hat, was diese übrigens selber berufungs-weise anerkennt: Von acht Firmen bezog der Berufungskläger Provisionen von 317 230 Franken im Jahre 1963 und von 262 499 Franken im Jahre 1964, wovon nur 50 123 Franken (1963) bzw. 71 811 Franken (1964) von der Fir-ma X ausbezahlt worden sind. Sodann erwuchsen dem Berufungskläger aus

seiner gesamten Geschäftstätigkeit Spesen von insgesamt 190 623 Franken im Jahre 1963 und von 195 720 Franken im Jahre 1964 (inkl. Angestellten-löhne von 59594 Franken bzw. 70 777 Franken und Vertreterspesen). Alle diese Umstände sprechen für selbständige Erwerbstätigkeit. Selbst wenn der Berufungskläger das Risiko der einzelnen Geschäftsabschlüsse durchwegs nicht selber tragen sollte, so erwächst ihm aus der Vielfalt der Vertreter- beziehungen und der Ausdehnung des eigenen Geschäftsbetriebes er ver- fügt u. a. über neun eigene Angestellte - doch auch ein persönliches Unter-nehmerrisiko. Darauf weisen überdies die glaubwürdigen Angaben in der Berufung der Firma X, wonach er auf eigene Rechnung ausländische Messen für Werkzeugmaschinen besucht, zur Kundenwerbung und Marktinformation die USA bereist und einem Kunden einen bedeutenden Spesenanteil für eine Maschinenbesichtigung in den Vereinigten Staaten ausbezahlt hat.

Die geschilderten Gegebenheiten erlauben - entgegen der Auffassung der Ausgleichskasse und der Rekurskommission - die Annahme, daß hier einer jener seltenen Ausnahmefälle vorliegt, in denen es sich rechtfertigt, den Handelsagenten als selbständigerwerbend zu betrachten. Die Berufungs-klägerin hat deshalb auf den Provisionen, die sie dem Berufungskläger aus-richtet, keine paritätischen Beiträge nach Art. 13 und 14 AHVG zu ent-richten.

Verfahren

Urteil des EVG vom 13. Juni 1967 i. Sa. E. P.

Art. 55, Abs. 1 und 2, OB. Die ubung, öffentliche Büros an gewis-sen Tagen ganz- oder halbtägig zu schließen, genügt nicht, um ihnen den Charakter von staatlich anerkannten Feiertagen zu geben.

(Erwägung 1)

Mit Verfügung vom 2. Dezember 1966 erhob die AI-IV-Ausgleichskasse vom Versicherten für die Jahre 1964 und 1965 paritätische Sozialversicherungs-beiträge von 509,20 Franken inkl. Verwaltungs- und Veranlagungskosten.

Gleichentags erließ sie eine Bußenverfügung im Sinn von Art. 91 AHVG in der Höhe von 30 Franken.

Die vom Versicherten gegen diese Verfügungen erhobene Beschwerde wies die AHV-Rekurskommission am 20. März 1967 ab.

Berufungsweise beantragt der Versicherte, die Beitrags- und die Bußen-verfügung seien aufzuheben. Aus gesundheitlichen Gründen könne er zur Zeit auf den Beschwerdeentscheid nicht weiter eingehen, weshalb er um zwei bis vier Wochen Fristerstreckung ersuche. Er bemerkte ferner: «Nach-dem der Entscheid der AHV-Rekurskommission am 1. oder 3. April 1967 von der Post in meinen Besitz gekommen ist, und am Montag 1. Mai 1967 meine Post geschlossen war, als ich nachmittags den Charg aufgeben wollte, ist der Rekurs rechtzeitig eingereicht.»

Die Berufung hat das EVG aus folgenden Gründen abgewiesen:

1. Nach Art. 86, Abs. 1, AHVG kann gegen Entscheide der kantonalen Rekursbehörden innert 30 Tagen seit der schriftlichen Eröffnung beim EVG

Berufung erhoben werden. Diese Frist kann der Richter nicht erstrecken.

Läuft sie unbenützt ab, so erwächst der Beschwerdeentscheid in Rechtskraft.

Er darf alsdann vom Berufungsrichter nicht mehr überprüft werden.

Bei der Berechnung der Frist wird der Tag, an dem sie zu laufen beginnt, nicht mitgezählt. Ist der letzte Tag der Frist ein Sonntag oder ein staatlich anerkannter Feiertag, so endigt sie am nächstfolgenden Werktag (Art. 55, Abs. 1 und 2, OB). Als staatlich anerkannt gilt ein Feiertag nicht nur, wenn er auf Gesetz beruht, sondern schon dann, wenn Vorschriften verwaltungs-rechtlicher oder polizeilicher Natur ihn zum offiziellen Feiertag erklären.

Doch genügt die tibung, die staatlichen Büros an gewissen Tagen ganz- oder halbtägig zu schließen, nicht, um ihnen den Charakter von Feiertagen zu geben. Sie haben diesen Charakter nur kraft ausdrücklicher Bestimmung.

Im Kanton Zürich gilt der 1. Mai nicht als Feiertag.

2. Gemäß postamtlicher Bescheinigung ist der angefochtene Entscheid der kantonalen Rekurskommission dem Berufungskläger am 31. März 1967 zugestellt worden. Die 30tägige Berufungsfrist begann daher am 1. April 1967 zu laufen und endigte mit Rücksicht darauf, daß der letzte Tag der Frist (30. April 1967) ein Sonntag war, am folgenden - nicht als staatlicher Feiertag anerkannten - Montag, den 1. Mai 1967. Der Versicherte übergab seine Berufung erst am 2. Mai 1967 der Post, wie aus dem Poststempel auf dem Zustellcouvert ersichtlich ist. Demzufolge hat er die 30tägige Berufungs-frist versäumt.

Eine Wiederherstellung der Frist käme nur in Betracht, wenn der Ver-sicherte glaubhaft machen würde, daß er durch unverschuldete Hindernisse abgehalten worden sei, die Berufung fristgerecht einzureichen (Art. 58 OB).

Er hat aber nichts vorgebracht, was zur Wiedereinsetzung genügen würde.

Wenn er auch herzleidend - aber doch nicht bettlägerig - ist, wie sich aus den Akten ergibt, und sein Quartierpostbüro am Nachmittag des 1. Mai 1967 vollständig geschlossen war, so hätte er doch die Möglichkeit gehabt, sich nötigenfalls mit einem Verkehrsmittel zu einer städtischen Poststelle mit offenem Schalter für dringliche Sendungen zu begeben oder eine Drittperson mit dem Versand der Berufung zu beauftragen.

Der Beschwerdeentscheid ist somit in Rechtskraft erwachsen und daher der Überprüfungsbefugnis des Berufungsrichters entzogen. Auf die Berufung kann deshalb nicht eingetreten werden. Damit erübrigt sich die Prüfung des klägerischen Begehrens um Erstreckung der Frist zur näheren Begründung des Rechtsmittels.

Invalidenversicherung Eingliederung

Urteil des EVG vom 25. April 1967 i. Sa. E. B.

Art. 10, Abs. 1 und Art. 12, Abs. 1, IVG. Eine voraussichtlich dauern-de und wesentliche Verbesserung dauern-der Erwerbsfähigkeit liegt vor, wenn sie, verglichen mit der nach dem IVG maßgebenden Aktivitäts-periode, bedeutend ist und sich ferner in entsprechendem Ausmaß während dieser Periode auswirkt.

Die am 1. September 1907 geborene Versicherte leidet seit vielen Jahren an primärchronischer Polyarthritis. Wegen ihrer Krankheit mußte sie vor ca.

zwei Jahren die Mitarbeit im Geschäft des Ehemannes aufgeben. Nachdem sie sich Mitte März 1966 bei der IV angemeldet und um Gewährung medizi-nischer Maßnahmen ersucht hatte, klärte die TV-Kommission den medizini-schen Tatbestand ab. Der Orthopäde Dr. X teilte am 12. April 1966 u. a. mit:

«Keine konservative Maßnahme ist imstande, eine fortschreitende De-struktion der Fingergelenke und den Verfall der Handfunktion zu verhin-dern. Nur die Synovektomie der Fingergrundgelenke mit gleichzeitiger Re-position der luxierten Strecksehnen und Sehnenverpflanzungen zur Vermei-dung eines Rückfalles wird imstande sein, die Fingerfehistellung zu korri-gieren, eine Progredienz der Destruktion zu verhüten und die Funktion auf die Dauer zu verbessern. Für diesen Eingriff müßte die Patientin ca. zwei bis drei Wochen hospitalisiert sein und nachher ambulant weiterbehandelt werden (Heilgymnastik und Beschäftigungstherapie voraussichtlich wäh-rend ca. drei bis vier Monaten).» Die TV-Kommission gelangte zur Über-zeugung, die beanspruchten Vorkehren hätten nicht den Charakter einer Eingliederungsmaßnahme, da «im Grunde immer wieder gegen das nämliche Leiden vorgegangen» werden müsse. Diesen Beschluß eröffnete die Aus-gleichskasse mit Verfügung vom 13. Mai 1966.

Gegen diesen Entscheid wurde Beschwerde erhoben und beantragt, «es sei die wegen der Polyarthritis zur Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit notwendig gewordene Operation der Finger als Eingliederungsmaßnahme von der Versicherung zu übernehmen». In der Begründung wurde im wesentlichen vorgebracht: Die Versicherte habe sich vom 20. April bis Ende Mai 1966 in einer Klinik aufgehalten. Ihre linke Hand sei dort mit gutem Erfolg ope-riert worden. Sobald diese Hand wiederhergestellt sei, werde auch die weniger schwer betroffene rechte Hand operiert werden. Aldann sei die Versicherte wieder imstande, ihren Haushalt zu führen. Wie aus dem beigelegten Bericht von Dr. X hervorgehe, seien bei Polyarthritis zwei Arten von Eingriffen zu unterscheiden: die Synovektomien, die das Fortschreiten der Gelenkzerstö-rung verhinderten, und die rekonstruktiven Operationen, durch welche be-einträchtigte Funktionen wiederhergestellt würden. Beide Arten seien Re-habilitationsmaßnahmen, die den Verlauf der Krankheit an sich nicht be-einflußten. Dr. X stelle ferner fest, «daß hier eine Parallelität zwischen Polyarthritis und Poliomyelitis vorliege, indem in beiden Fällen die medizi-nischen Maßnahmen ausschließlich der Eingliederung dienen».

Die kantonale Rekurskommission hieß die Beschwerde am 3. Januar 1967 gut und verpflichtete die IV zur Übernahme der «Kosten der in einer Klinik durchgeführten Fingergelenkoperation links (Rep osition der luxierten Streck-sehnen und Sehnenverpflanzungen bei gleichzeitiger Synovektomie der Finger-grundgelenke) inkl. Vor- und Nachbehandlung». In den Motiven wird im

Gegensatz zur Praxis des EVG die Ansicht vertreten, daß die an verschie-denen Gelenken notwendigen Arthrodesen als medizinische Eingliederungs-maßnahmen gelten können, vorausgesetzt, daß bei jeder einzelnen medizini-schen Maßnahme die Voraussetzung des Gesetzes (dauernde und wesent-liche Verbesserung der Erwerbsfähigkeit) erfüllt ist, was nach den Gegeben-heiten des Einzelfalles abgeklärt werden muß.

Das BSV hat wegen der Notwendigkeit der rechtsgleichen Behandlung der Versicherten Berufung eingelegt. Es beantragt die Wiederherstellung der Verfügung vom 13. Mai 1966. In der Begründung wird die bisherige Recht-sprechung erläutert und darauf hingewiesen, daß die Betrachtungsweise der Rekurskommission für eine objektive Beurteilung der Einzelfälle nicht ge-eignet ist, sondern zu gewillkürten Lösungen führt; denn das medizinische Gesamtbild der primärchronischen Polyarthritis schließt objektiv im Einzel-fall die Schlußfolgerung, eine nicht übersehbare Dauerbehandlung stehe außer Frage, überhaupt aus.

Das EVG hieß die eingereichte Berufung aus folgenden Erwägungen gut:

1. Vgl. Erwägungen des EVG auf S. 479 dieser Nummer.

2a. Durch die angefochtene Verfügung vom 13. Mai 1966 wies die IV-Kommission das Begehren um Übernahme der Kosten für medizinische Maß-nahmen ab. In der Beschwerdeschrift wurde mitgeteilt, im Frühjahr 1966 sei die linke Hand der Versicherten operiert worden; der Eingriff an der rechten Hand werde folgen.

Die Vorinstanz beschränkte ihren Entscheid auf die linke Hand. Sie sprach der Berufungsbeklagten die entsprechende Operation nebst der Vor-und Nachbehandlung zu.

Unter diesen Umständen ist einzig zu prüfen, ob die IV den Eingriff an der linken Hand übernehmen müsse.

Die Versicherte leidet an primärchronischer Polyarthritis. Diese Krank-heit ist labiles pathologisches Geschehen. Nach den Akten muß angenommen werden, das Grundleiden habe auch im Zeitpunkt fortbestanden, als die an-gefochtene Verfügung erlassen wurde. Demzufolge ist es begrifflich ausge-schlossen, die Operation an der linken Hand als Eingliederungsmaßnahme zu bewerten.

Der Entscheid der Vorinstanz steht noch aus einem anderen Grunde mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Bei älteren Versicherten ist zu beachten, daß die erwerblich günstigen Auswirkungen im Sinne von Art. 12, Abs. 1, IVG auch hinsichtlich der Dauer wesentlich sein müssen (EVGE 1966, S. 212, Buchst. e). Unter welchen Um-ständen das zutrifft, kann nicht abstrakt ein für allemal festgelegt werden.

Doch verlangt die rechtsgleiche Behandlung aller Versicherten eine objektive Grundlage für die Abgrenzung der dauernden von den nicht dauernden Aus-wirkungen. Diese Basis findet sich in Art. 10, Abs. 1, IVG. Darnach geht die 1V-rechtlich maßgebende Aktivitätsperiode mit der Entstehung des Anspruchs auf eine AHV-Altersrente zu Ende. Für Frauen endet diese Aktivitätsperiode mit der Zurücklegung des 62. oder des 60. Altersjahres, letzteres dann, wenn die Ehefrau am Anspruch auf eine Ehepaar-Altersrente beteiligt ist (EVGE 1963, S. 11, ZAK 1963, S. 375 und EVGE 1966, S. 37, Erwägung 2, Buchst. b, ZAK 1966, S. 440). Nach der Praxis ist eine voraussichtlich günstige Be-einflussung der Erwerbsfähigkeit hinsichtlich der Dauer bloß dann als wesent-lich anzusehen, wenn sie, vergwesent-lichen mit der nach dem IVG maßgebenden Aktivitätsperiode, bedeutend ist und sich ferner in entsprechendem Ausmaß während dieser Periode auswirkt.

Wie die Ausgleichskasse bestätigt hat, bezieht der am 23. Februar 1900 geborene Ehemann der Versicherten eine einfache Altersrente. Da die Ver-sicherte am 11. September 1907 geboren wurde, kann das Ehepaar ab Oktober 1967 eine Ehepaar-Altersrente beanspruchen. Laut der Beschwerdeschrift ist der Eingriff an der linken Hand im Frühjahr 1966 durchgeführt worden. Die Versicherte wird ihren Haushalt aber erst wieder führen können, wenn auch die rechte Hand operiert sein wird. Das war Mitte Juni 1966 noch nicht der Fall.

Es bedarf keiner näheren Ausführungen, daß unter solchen Umständen im maßgebenden Zeitpunkt nicht von einer voraussichtlich dauernden und wesentlichen Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Versicherten gespro-chen werden konnte.

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Urteil des EVG vom 25. April 1961 i. Sa. G. S.

Art. 12 IVG. «Behandlung des Leidens an sich,> ist rechtlich insbe-sondere jede medizinische Vorkehr (sei sie kausal oder symptoma-tisch, auf das Grundleiden oder auf dessen Folgeerscheinungen ge-richtet), solange «labiles pathologisches Geschehen» vorhanden ist.

Primärchronische Polyarthritis (fortschreitende rheumatisch-entzündliche Gelenkerkrankung) stellt labiles pathologisches Ge-schehen dar (Bestätigung der Praxis). Bei dieser fortschreitenden Krankheit sind eingetretene Defektzustände nur Teilerscheinungen eines umfassenderen krankhaften Prozesses. Einer Cup-Arthro-plastik (Einsetzen eines künstlichen Gelenkkopfes am Hüftgelenk) kommt daher kein Eingliederungscharakter zu.

Die Versicherte leidet seit vielen Jahren an primärchronischer Polyarthritis, die fast alle Gelenke befallen hat. Wegen zunehmender Behinderung mußte sie ihre Tätigkeit als Damenschneiderin einschränken. Die IV gewährte ihr vom 1. Mai 1960 an eine halbe Rente. Im Herbst 1965 war die Versicherte gezwungen, den Beruf aufzugeben. In der Folge trat sie eine Teilarbeits-stelle an. In einem Schreiben vom 9. März 1966 teilte die Verwaltungsdirek-tion einer Klinik der 1V-Kommission mit, die Versicherte sei am 7. März in die Klinik eingetreten, um sich operieren zu lassen. Laut Bericht des Or-thopäden Dr. X vom 23. März 1966 war es notwendig, die «schmerzhafte Ankylose des rechten Hüftgelenks» durch eine «Smith-Petersen-Cup-Plastik»

operativ anzugehen. Die 1V-Kommission gelangte zur tberzeugung, die me-dizinischen Vorkehren dienten vorwiegend der Behandlung des Leidens an sich, und beschloß, keine medizinischen Maßnahmen zu gewähren. Diesen Beschluß eröffnete die Ausgleichskasse mit Verfügung vom 6. Mai 1966.

Gegen diesen Entscheid wurde Beschwerde erhoben und beantragt, «es sei die in der Klinik von Dr. X durchgeführte Operation (Cup-Arthroplastik) samt Vor- und Nachbehandlung als medizinische Eingliederungsmaßnahme von der Versicherung zu übernehmen». Zur Begründung wurde ausgeführt, die Operation sei erfolgreich verlaufen. Dr. X habe ein künstliches Gelenk angelegt, weil die Behandlung des zerstörten Gelenkes ausgeschlossen ge-

wesen sei. Nach Beendigung der Rekonvaleszenz werde die Versicherte ihre Arbeit wieder aufnehmen können. Ohne Eingriff wäre sie arbeitsunfähig ge-blieben und hätte ab Januar 1966 Anrecht auf eine ganze Invalidenrente gehabt. Am 3. Januar 1967 hieß die kantonale Rekurskommission die Be-schwerde gut und verpflichtete die IV zur t)bernahme der «Kosten der durch-geführten Hüftgelenkoperation rechts (Cup-Arthroplastik) inkl. Vor- und Nachbehandlung». In den Motiven wurde namentlich erklärt, «daß die an verschiedenen Gelenken notwendigen Arthrodesen als medizinische Einglie-gerungsmaßnahmen gelten können, vorausgesetzt, daß bei jeder einzelnen

wesen sei. Nach Beendigung der Rekonvaleszenz werde die Versicherte ihre Arbeit wieder aufnehmen können. Ohne Eingriff wäre sie arbeitsunfähig ge-blieben und hätte ab Januar 1966 Anrecht auf eine ganze Invalidenrente gehabt. Am 3. Januar 1967 hieß die kantonale Rekurskommission die Be-schwerde gut und verpflichtete die IV zur t)bernahme der «Kosten der durch-geführten Hüftgelenkoperation rechts (Cup-Arthroplastik) inkl. Vor- und Nachbehandlung». In den Motiven wurde namentlich erklärt, «daß die an verschiedenen Gelenken notwendigen Arthrodesen als medizinische Einglie-gerungsmaßnahmen gelten können, vorausgesetzt, daß bei jeder einzelnen