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Aktuelle Entwicklungen und normativer Rahmen des E-Governments in Nordrhein-Westfalen

Nachdem sich die Einführung der elektronischen Kommunikation und Vorgangsbearbeitung in der öffentlichen Verwaltung langsamer und weniger strukturiert vollzog, als man es vor 20 Jah-ren erwartet hatte, und das papierlose Büro,33 das unter anderem im Zusammenhang mit dem Informationsverbund Berlin-Bonn (IVBB) Ende der 1990er Jahre in der Bundesverwaltung pro-pagiert wurde, weitgehend ausblieb, haben der Bund und eine Reihe von Bundesländern in den vergangenen vier Jahren mit verschiedenen Gesetzesinitiativen das Thema digitale Verwaltung forciert. Bereits 2009 hatte Schleswig-Holstein ein auf E-Government-Basisdienste und deren Einführung in die Verwaltungsprozesse ausgerichtetes E-Government-Gesetz verabschiedet. Der Bund folgte 2013 mit dem Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung.34 Weitere E-Go-vernment-Gesetze wurden 2014 in Sachsen, 2015 in Baden-Württemberg und Bayern und 2016 in Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Nordrhein-Westfalen beschlossen.

31 Verband deutscher Archivarinnen und Archivare. Das Berufsbild von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Archiven. In: Archivar 62 (2009) S. 449–451. – Die Arbeit an der Definition des Berufsbildes und die Veröffentlichung auf dem Regensburger Archivtag im Jahr 2009 war auch der Förderung des seinerzeitigen Vorsitzenden des Verbands deutscher Archivarinnen und Archivare, Robert Kretzschmar, zu verdanken.

32 Udo Schäfer: Amtliche Aktenkunde der Neuzeit – Records Management des 21. Jahrhunderts. Zur Schnittmenge zweier Disziplinen. In: Quellenarbeit und Schriftgutverwaltung – Historische Hilfswissen-schaften im Kontext archivischer Aufgaben. Beiträge zum 12. Archivwissenschaftlichen Kolloquium der Archivschule Marburg. Hg. von Karsten Uhde (Veröffentlichungen der Archivschule Marburg 48). Mar-burg 2009. S. 89–128, hier S. 104. – Robert Kretzschmar: Werkzeug, Forschungsfeld, Lehrfach? Zur Be-deutung der Historischen Hilfswissenschaften für die Archive. In: Ebenda, S. 151–176, bes. S. 159 ff. und 173 ff., betont wiederum die große Schnittmenge einer auch auf elektronische Überlieferung zu beziehen-den Aktenkunde sowohl mit der Archivwissenschaft als auch mit beziehen-den Historischen Hilfswissenschaften.

33 Noch in Erster Bericht und Fortschreibung des Aktionsprogramms zur weiteren Steigerung von Effek-tivität und Wirtschaftlichkeit der Bundesverwaltung, Deutscher Bundestag: Drucksache 13/9980 vom 19.02.1998, http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/13/099/1309980.pdf, wird im Zusammenhang mit Maß-nahmen eines Qualitätsmanagements im Bundesverwaltungsamt die Idee des papierlosen Büros propagiert (S. 23). Die Kritik an der mangelhaften Realisierung wurde bereits früh in der Presse artikuliert; vgl. etwa Kerstin Friemel: Angst vor der Cyberakte. In: Focus Magazin 37 (1999) http://www.focus.de/politik/

deutschland/berlin-angst-vor-der-cyberakte_aid_180030.html (beide Links aufgerufen am 14.08.2017).

34 Eine knappe Skizze dazu bieten Harald Stockert und Christoph Popp: Behördenberatung und Anbietung.

In: Archivrecht für die Praxis. Ein Handbuch. Hg. von Irmgard Christa Becker und Clemens Rehm (Ber-liner Bibliothek zum Urheberrecht 10). München 2017. S. 43–57, hier S. 47 ff.

Im Folgenden wird sich der Beitrag auf die Entwicklung in Nordrhein-Westfalen konzentrieren.

Das am 16. Juli 2016 in Kraft getretene E-Government-Gesetz35 soll grundlegende Voraussetzungen für einfache, bürgerfreundliche und effiziente elektronische Verwaltungsdienste in NRW schaffen.

Bei den Vorbereitungen zum E-Government-Gesetz hatte das Landesarchiv Nordrhein-West-falen zweimal Gelegenheit, über das eigene Ministerium Stellung zu nehmen, nämlich im Juni 2014 zu einem Eckpunktepapier zum geplanten Gesetz und im September desselben Jahres zum Referenten-Entwurf des E-Government-Gesetzes. In beiden Fällen hat das Landesarchiv die Chance genutzt36 und dabei das Ziel verfolgt, die Zuständigkeitssphären getrennt zu halten und insbesondere eine Regelung von archivrechtlichen Fragen in anderen Gesetzen zu vermeiden.

Konkret war die Position des Landesarchivs, dass alle Fragen der Archivierung elektronischer Unterlagen im Archivgesetz NRW hinreichend geregelt sind und auch in Zukunft ausschließ-lich dort behandelt werden sollten, um Normenkollisionen zu vermeiden. Da das Archivgesetz NRW als lex specialis einige grundlegende Regelungen mit Auswirkungen auf die elektronische Schriftgutverwaltung in den Behörden, Gerichten und sonstigen öffentlichen Stellen des Landes enthält, sollten aber explizite Verweise wenigstens auf § 3 Abs. 4 (Mitwirkung bei der Festlegung von landesweit gültigen Austauschformaten), Abs. 5 (Beteiligung des Archivs bei Systemeinfüh-rungen) sowie § 4 (Anbietung und Übernahme) im E-Government-Gesetz erfolgen. Außerdem hat das Landesarchiv empfohlen, die Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Aktenführung als Anforderung explizit in das E-Government-Gesetz aufzunehmen und die Landesregierung zu ermächtigen, untergesetzliche Regelungen durch Rechtsverordnungen für die Aktenführung – z. B. Grundsätze, Bearbeiten von Geschäftsvorfällen, Aufbewahrung, Aussonderung – zu treffen.

Diese Anliegen des Landesarchivs sind im E-Government-Gesetz letztlich zufriedenstellend berücksichtigt worden. Anstelle von Einzelverweisen auf Regelungen des Archivgesetzes trifft

§ 11, der die Aufbewahrung und Archivierung regelt, in Abs. 2 die schlichte Feststellung: „Die Vorschriften des Archivgesetzes Nordrhein-Westfalen vom 16. März 2010 (GV. NRW. S. 188), das zuletzt durch Gesetz vom 16. September 2014 (GV. NRW. S. 603) geändert worden ist, bleiben unberührt.“ Die öffentlichen Archive in Nordrhein-Westfalen sind damit in ihren archivrecht-lichen Kompetenzen und archivfacharchivrecht-lichen Ansprüchen auch mittels der auf die Schriftgutver-waltung gerichteten Gesetzgebung gestärkt worden. § 9 Abs. 2 bestimmt, „dass die Grundsätze ordnungsgemäßer Aktenführung eingehalten werden“. Auch die Empfehlung zur Möglichkeit untergesetzlicher Regelungen zur Aktenführung ist in § 23 Abs. 2 des Gesetzes aufgenommen,

35 Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung in Nordrhein-Westfalen (E-Government-Gesetz Nordrhein-Westfalen – EGovG NRW), GV NRW 2016. S. 551 ff.

36 Auf das Records Management öffentlicher Stellen Einfluss zu nehmen, an dem Erlass von Rechts- und Verwaltungsvorschriften, an der Entwicklung und Weiterentwicklung von Normen und Standards sowie an der Einführung elektronischer Systeme mitzuwirken, Empfehlungen herauszugeben, Fortbildungs-veranstaltungen für Fach- und Führungskräfte durchzuführen und die Stellen zu beraten, hat Schäfer, Amtliche Aktenkunde der Neuzeit, wie Anm. 32, S. 104 f., explizit als Aufgabe von öffentlichen Archiven hervorgehoben.

wird in der Gesetzesbegründung explizit aufgegriffen37 und in einer Entschließung der damaligen Regierungsparteien unterstrichen.38

Wichtige Regelungen des Gesetzes sehen folgende Maßnahmen vor:

- Ab dem 1. Januar 2018 sollen die Behörden Bürgern, Unternehmen, Verbänden usw. einen sicheren elektronischen Zugang zur Verwaltung eröffnen (z. B. über De-Mail),

- die Kommunikation mit Externen, sofern diese sich elektronisch an die Behörde gewendet haben, soll ebenfalls elektronisch erfolgen,

- die Annahme von elektronischen Nachweisen in elektronischen Verwaltungsverfahren soll ab 1. Januar 2018 möglich sein,

- umfassende Informationsangebote der Behörden im Netz über ihre Aufgaben und Verwal-tungsleistungen, Geschäftszeiten und Möglichkeiten der telefonischen und elektronischen Erreichbarkeit sollen verfügbar sein,

- für die Landesbehörden besteht die Verpflichtung zur elektronischen Aktenführung ab dem 1. Januar 2022; in diesem Zusammenhang werden auch Möglichkeiten zum ersetzenden Scan-nen geboten,

- ab 1. Januar 2031 ist die elektronische Vorgangsbearbeitung für Landesbehörden verpflich-tend, jedoch soll die schriftliche Kommunikation zwischen Behörden ab sofort, der Akten-austausch zwischen Behörden ab 1. Januar 2022 elektronisch erfolgen, und

- die Einführung elektronischer Bezahlmöglichkeiten – ePayment – soll ab 1. Januar 2019 er-möglicht werden.

37 Vgl. die Begründung Gesetzentwurf der Landesregierung „Gesetz zur Förderung der elektronischen Ver-waltung in Nordrhein-Westfalen“. In: Landtags-Drucksache NRW 16/10379. S. 58 f.

38 Aus archivischer Sicht ist die Feststellung unter Ziff. 6 des Entschließungsantrags insgesamt bemerkens-wert: „Die E-Akte ist im Umgang nicht anders als die Papierakte. Es gelten die Grundsätze der Vollstän-digkeit der Akte ebenso wie die Grundsätze der ordnungsgemäßen Aktenführung. So sind die Behörden verpflichtet, die Vertraulichkeit, Vollständigkeit, Nachvollziehbarkeit, Lesbarkeit, Integrität, Authentizi-tät und Verfügbarkeit der in der elektronischen Akte gespeicherten Daten zu gewährleisten. Der Landtag begrüßt die in der Gesetzesbegründung zu § 9 auf S. 58 f. des Regierungsentwurfs (Drs. Nr. 16/10379) zum Ausdruck kommende Absicht der Landesregierung, die Regelung in § 9 Abs. 2 untergesetzlich weiter zu konkretisieren und für möglichst viele Verwaltungseinrichtungen des Landes verbindlich festzuschreiben.

Dies stellt einen wichtigen Schritt zur Sicherstellung der Rechtskonformität des behördlichen Verwaltungs-handelns im elektronischen Umfeld dar, dient der Vereinheitlichung und Erleichterung von behörden-übergreifenden Geschäftsprozessen und führt zur Vereinfachung von Systemeinführungen.“ Außerdem wird die Bedeutung eines Change-Managements und der Schaffung von Aus- und Weiterbildungsange-boten zum Thema E-Government hervorgehoben. Vgl. den Entschließungsantrag zum Gesetzentwurf der Landesregierung für ein „Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung in Nordrhein-West-falen (E-Governement-Gesetz Nordrhein-WestNordrhein-West-falen – EgovG NRW)“, Landtags-Drucksache 16/12373.

https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD16-12373.pdf, (aufgerufen am 14.08.2017).

Es ist offensichtlich, dass die bereits seit einigen Jahren geleistete Archivierung von elektro-nisch entstandenen Unterlagen durch diese gesetzlichen Vorgaben in kurzer Zeit erheblich an Dynamik und Umfang zunehmen wird. Auf der Website des Innenministeriums zum E-Gover-nment-Gesetz heißt es: „Der mit dem EGovG NRW geschaffene rechtliche Rahmen ist eine aus-gezeichnete Basis für die Digitalisierung der Verwaltung und muss nun unter Einbeziehung aller Beteiligten, wie z. B. der Ressorts, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung und der Personalvertretungen inhaltlich ausgefüllt werden. Neben inhaltlichen Themen – von der techni-schen Infrastruktur bis zu Prozessoptimierung – stehen begleitende Maßnahmen im Rahmen des Akzeptanzmanagements im Vordergrund“.39

Aufgaben des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen