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Abbau von Verzeichnungsrückständen

Die schrittweise Abarbeitung vorhandener Erschließungsrückstände gehört seit Jahren zu den übergeordneten Zielen in den Jahresplanungen des Landesarchivs. Als Messgröße dient hierfür der Umfang des pro Jahr erschlossenen und über Online-Findmittel bereitgestellten Archivguts, jeweils im Verhältnis zum Umfang der neu übernommenen Unterlagen. In den vergangenen elf Jahren seit Gründung des Landesarchivs ist das angestrebte Ziel erreicht worden: In den Archiv- abteilungen wurde jeweils deutlich mehr Archivgut erschlossen als neu übernommen.

Die Voraussetzungen hierfür waren eigentlich ungünstig. Zwischen 2005 und 2010 musste das Landesarchiv empfindliche Personaleinsparungen hinnehmen und hatte zugleich die Übernahme

3 Allgemein zur jüngeren Diskussion archivischer Erschließung vgl. die Dokumentation zum 17. Branden-burgischen Archivtag 2014 in: Brandenburgische Archive 32 (2015) S. 3–41; Franz-Josef Ziwes: Archive als Leuchttürme. Die Erschließung mit Normdaten als Aufgabe und Chance. In: Archive ohne Grenzen.

Erschließung und Zugang im europäischen und internationalen Kontext. 83. Deutscher Archivtag 2013 in Saarbrücken. Redaktion Monika Storm (Tagungsdokumentationen zum Deutschen Archivtag 18). Fulda 2014. S. 79–88; Benutzerfreundlich – rationell – standardisiert. Aktuelle Anforderungen an archivische Erschließung und Findmittel. Beiträge zum 11. Archivwissenschaftlichen Kolloquium der Archivschule Marburg. Hg. von Frank M. Bischoff (Veröffentlichungen der Archivschule Marburg 46). Marburg 2007.

4 Vgl. Robert Kretzschmar: Archive als digitale Informationsinfrastrukturen. Stand und Perspektiven. In:

Archivar 66 (2013) S. 146–153.

neuer Aufgabenfelder zu bewerkstelligen.5 Im Arbeitsfeld der Erschließung hat sich der Um-fang der verfügbaren Vollzeitäquivalente des Stammpersonals dementsprechend reduziert. Dass gleichwohl Fortschritte beim Abbau der Erschließungsrückstände zu verzeichnen sind, ist auf ein Bündel verschiedener Maßnahmen zurückzuführen.

Bezüglich der Erschließung bislang unzureichend oder überhaupt nicht verzeichneter Be-stände konnte auf bewährte und bereits über längere Zeit umgesetzte Strategien und Standards zurückgegriffen werden. Dazu gehört insbesondere eine flache, auf die wesentlichen Nutzungs-szenarien bezogene Verzeichnung.6 Die Hauptlast der Erschließungsarbeit ließ sich hierdurch vom Stammpersonal auf die Schultern angelernter, unständiger Mitarbeiter verlagern.7 Sie werden durch das Landesarchiv in großer Zahl beschäftigt und tragen mit großem Erfolg insbesondere zur angemessenen Grunderschließung von Massenschriftgut des 20. Jahrhunderts bei.

Parallel zur Forcierung der Grunderschließung über unständiges angelerntes Personal hat das Landesarchiv die Digitalisierung vorhandener analoger Findmittel vorangetrieben und sich inten-siv an dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Programm zur Re-trokonversion analoger Findmittel beteiligt. Seit Auflegung der Förderlinie im Jahr 2007 sind in den Archivabteilungen des Landesarchivs im Rahmen von Retrokonversionsprojekten bis Herbst 2016 800 Bestände mit einem Gesamtumfang von 858 880 Verzeichnungseinheiten bearbeitet und anschließend online gestellt worden.8 In einigen Abteilungen ist die Bearbeitung der letzten re-trokonvertierbaren Findmittel bereits absehbar. Bei der Projektplanung ist daher immer öfter zu entscheiden, welche der verbliebenen analogen Erschließungsdaten unter archivfachlichen

Krite-5 Dies wurde nur zum Teil über die Bereitstellung zusätzlichen Personals ausgeglichen. Vgl. Robert Kretz-schmar: Die Auswirkungen der Verwaltungsreform auf die staatliche Archivverwaltung Baden-Württem-berg. In: Archivlandschaft Hessen-Thüringen – Probleme und Perspektiven. 2. Hessisch-Thüringischer Archivtag in Eisenach. Hg. vom VdA-Landesverband Hessen und dem Thüringer Archivarsverband. Wei-mar 2008. S. 23–30; Robert KretzschWei-mar: Auf einer Stufe zukunftsfähig? Die staatliche Archivverwaltung Baden-Württemberg in der Verwaltungsreform. In: Der Archivar 59 (2006) S. 6–12; Wilfried Schöntag:

Verwaltungsreform führt zur Neustrukturierung der Archivverwaltung in Baden-Württemberg. Die Lan-desarchivdirektion und die Staatsarchive werden zu einer Fachbehörde für das staatliche Archivwesen in Baden-Württemberg vereinigt. In: Archivnachrichten 27 (2003) S. 1.

6 Als Beispiel sei hier auf das Verfahren zur Erschließung der umfangreichen Spruchkammerüberlieferung verwiesen. Hierbei werden der Name, Geburtsdatum sowie Wohn- und Geburtsort als zentrale Erschlie-ßungselemente erfasst. Auf die Angabe von Parteifunktionen, Belastungseinstufungen oder anderen Infor-mationen wird verzichtet.

7 Über Führungs- und Managementaufgaben (von der Anleitung und Betreuung unständiger Mitarbeiter, die Planung und Steuerung der Workflows bis hin zur Qualitätssicherung der Arbeitsergebnisse) lässt sich so der Output der für Erschließung zuständigen Facharchivare gegenüber der eigenen Arbeitskraft vervielfachen. Neben einer niedrigen Erschließungstiefe ist allerdings die Schwerpunktsetzung auf hierfür geeignete Beständegruppen in Kauf zu nehmen. Es werden also nicht unbedingt die dringlichsten, sondern eher die einfachsten Bestände erschlossen.

8 Zur Retrokonversion im Landesarchiv vgl. zuletzt Regina Keyler: Vom Blatt ins Netz. Retrokonversion von Findmitteln mithilfe der Deutschen Forschungsgemeinschaft. In: Archivnachrichten 46 (2013) S. 35.

rien noch für eine Retrokonversion geeignet sind und für welche Bestände trotz aller Vorarbeiten eine vollständige oder teilweise Neuverzeichnung erforderlich ist.

In Bezug auf die Durchführung anspruchsvollerer Erschließungsprojekte hat das Landesar-chiv stark von Drittmittelförderprogrammen profitiert. An erster Stelle stehen hierbei Projekte, die im Rahmen der Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg gefördert wurden. In den letzten Jahren sind aus Mitteln der Stiftung über 90, teils umfangreiche Bestände erschlossen und die dabei entstandenen Findmittel online gestellt worden. Von der DFG geförderte Projekte – al-len voran die ihrem erfolgreichen Abschluss entgegengehende Erschließung der Überlieferung des Reichskammergerichts9 – oder ein zuletzt im Generallandesarchiv Karlsruhe mit Mitteln der VolkswagenStiftung durchgeführtes Projekt sind an dieser Stelle ebenfalls zu nennen. Um den Drittmitteleinsatz unter Berücksichtigung der in den einzelnen Archivabteilungen vorhandenen Kapazitäten zur Projektbetreuung zu optimieren, bemüht sich das Landesarchiv, stets in allen Abteilungen aneinander anschließende drittmittelgeförderte Erschließungs- und Retrokonversi-onsprojekte durchzuführen.

9 Mit der Einschränkung, dass am Ende des Langzeitprojekts ein gedrucktes Findmittel stehen wird.

56.719,32

70.128,76 13.556,03

14.683,72 42.380,48

36.023,52 14.632,45

12.286,87

8.722,95 6.929,65

7.679,36 7.643,23

0 20.000 40.000 60.000 80.000 100.000 120.000 140.000 160.000

Oktober 2012 Oktober 2016

Findmittel Internet Findmittel Intranet Findmittel ms Findmittel hs gut lesbar Findmittel hs schlecht lesbar nicht erschlossen

Abb 1: Entwicklung des Erschließungsstands im Landesarchiv (lfd. m). Vorlage: Landesarchiv Baden-Württemberg, Andreas Neuburger.

Welche Ergebnisse die forcierten Bemühungen zur Reduzierung der Verzeichnungsrückstän-de erbracht haben, stellen die beiVerzeichnungsrückstän-den Diagramme dar.10 Diagramm 1 bildet die auf Ebene des Lan-desarchivs eingetretenen Veränderungen in laufenden Metern (lfd. m) ab. Prozentual hat sich der Anteil der Online-Findmittel zwischen Oktober 2012 und Oktober 2016 von 48,9 Prozent auf nunmehr 56,3 Prozent erhöht. Dies entspricht einer Erschließungsleistung von gut 14,5 lfd. km.11

Im betrachteten Zeitraum hat sich der Gesamtumfang des im Landesarchiv verwahrten Archiv- guts um etwas mehr als vier lfd. km erhöht, sodass insgesamt gut zehn lfd. km mehr erschlos-sen als neu übernommen wurden. Wie es die Ausrichtung der skizzierten Erschließungsschwer-punkte erwarten lässt, geht der Rückgang in erster Linie auf die digitale Bereitstellung bislang maschinenschriftlicher beziehungsweise gut lesbarer handschriftlicher Findmittel zurück. Kaum verändert hat sich dagegen der Anteil der unerschlossenen Bestände, die weiterhin circa 5 Prozent des gesamten Archivguts ausmachen.

Die konkrete Verteilung auf die sechs Archivabteilungen in Freiburg (StAF), Karlsru-he (GLAK), Ludwigsburg (StAL) mit der Außenstelle HoKarlsru-henloKarlsru-he-Zentralarchiv Neuenstein (HZAN), Sigmaringen (StAS), Stuttgart (HStAS) und Wertheim (StAWt) geht aus Diagramm 2

10 Beiden Diagrammen und allen im Text genannten Angaben liegen Zahlen des Online-Findmittelsystems zugrunde. Aufgrund abweichender Erhebungstermine kommt es zu Abweichungen gegenüber den Jah-resberichten des Landesarchivs (https://www.landesarchiv-bw.de/web/46744, aufgerufen am 29.12.2016).

11 Errechnet aus der Summe neu erschlossener und retrokonvertierter Bestände.

0 5.000 10.000 15.000 20.000 25.000 30.000 35.000 40.000

nicht erschlossen Findmittel hs schlecht lesbar Findmittel hs gut lesbar Findmittel ms Findmittel Intranet Findmittel Internet

Abb. 2: Entwicklung des Erschließungsstands in den Archivabteilungen des Landesarchivs (lfd. m). Vorlage: Landesarchiv Baden-Württemberg, Andreas Neuburger.

hervor. Bei der Online-Erschließungsquote zeigen sich noch deutliche (unter anderem historisch bedingte) Unterschiede. Freiburg und Karlsruhe erreichen derzeit einen Anteil um 40 Prozent, Ludwigsburg und Sigmaringen verfügen über eine Quote um 65 Prozent, das HStAS kommt auf gut 70 Prozent. An der Spitze liegen die bezogen auf den Gesamtumfang des Archivguts kleinen Archive in Neuenstein und Wertheim mit Online-Erschließungsquoten von über 80 Prozent.

Besonders große Fortschritte zeigen sich in den letzten Jahren im GLAK, wo Findmittel für 4 918 laufende Meter Archivgut online gestellt werden konnten. Es folgen das HStAS (4 202 lfd. m), die bezüglich der Personalausstattung kleineren Staatsarchive in Freiburg (1 906 lfd. m) und Sigma-ringen (1 643 lfd. m), das StAL (1 144 lfd. m)12 sowie das StAWt (723 lfd. m).