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Archiv "Regelung in den Niederlanden" (09.11.2001)

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de nach Erhalt der Behandlung rückwir- kend seine Zustimmung geben. Zu er- wähnen ist auch die spanische Recht- sprechung, wonach die (zum Beispiel re- ligiös motivierte) Ablehnung einer vital indizierten Gabe von Blutprodukten nicht vom Selbstbestimmungsrecht des Patienten umfasst ist.

Probleme der Objektivität

Eine Rechtsordnung, die das Wohl der Menschen in dieser Weise von sich aus festlegt und nicht darauf vertraut, dass je- der Mensch selbst weiß, was für ihn gut ist, steht natürlich vor der Frage, nach welchen Kriteriendenn das Wohl zu be- stimmen ist. Auch hier gibt es große Un- terschiede: Während eher selten das Le- ben als das wirklich absoluthöchste Gut angesehen wird, das keinerleiAbwägung (auch nicht mit gegenläufigen Interessen des Patienten selbst) zugänglich ist, wird in den meisten Ländern das Recht des Patienten auf Leidensminderung dem Lebensrecht entgegengesetzt. Konkret führt dies dazu, dass die so genannte indi- rekte Sterbehilfe als zulässig erachtet wird, also jene (ja durchaus aktive!) Ster- behilfe, deren primäres Ziel aber nicht in der Tötung, sondern in der Schmerz- behandlung oder in sonstigen palliativ- medizinischen Maßnahmen besteht, während der dadurch gegebenenfalls verursachte frühere Tod lediglich als un- vermeidbare Folge in Kauf genommen wird. Heftig umstritten ist wiederum in vielen Ländern, ob neben der „fühlba- ren“ Leidensminderung auch andere Umstände dem Lebensrecht gegen- übergestellt werden können – das Schlagwort vom „menschenwürdigen Sterben“ kennzeichnet die Problematik sehr deutlich, weil in die Menschenwürde je nach Standpunkt sehr viel hinein- interpretiert werden kann. Gerade von daher ist es auch von erheblicher Be- deutung, inwieweit die konkretisieren- de Ausfüllung der Begriffe „Wohl“, „In- teresse“ oder „Menschenwürde“ maß- geblich der Ärzteschaft überantwortet wird (wie es besonders ausgeprägt etwa in Dänemark der Fall zu sein scheint).

So schwierig und problematisch es letztlich ist, das objektive Wohl der Men- schen allseits verbindlich vonseiten der Rechtsordnung (oder vonseiten der Me-

dizin) festzulegen, so kontrovers sind aber auch umgekehrt die Auffassungen darüber, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die Rechtsord- nung das Selbstbestimmungsrecht der Menschen anerkennen und achten soll.

Diese Frage betrifft schon das Grund- problem, wer von der Rechtsordnung überhaupt als entscheidungsfähig akzep- tiert wird, wem also in diesem Sinne das Selbstbestimmungsrecht zuerkannt wird.

Diese Frage wird unter dem Stichwort

„Einwilligungsfähigkeit“ diskutiert, be- trifft aber gleichermaßen die Frage, un- ter welchen Voraussetzungen ein Veto der betroffenen Person gegen eine Be-

handlung zu befolgen ist. Auch in dieser Grundfrage gelten international ganz un- einheitliche Kriterien:

Nach dem neuen niederländischen Recht kann schon ein Patient ab dem 16.

Lebensjahr den rechtlich erheblichen Wunsch sogar nach aktiver Sterbehilfe äußern, wobei der Arzt dem Wunsch (ab- gesehen von weiteren Voraussetzungen) dann nachkommen kann, wenn die Sor- geberechtigten – wie es sehr vage heißt –

„in den Prozess der Beschlussfassung einbezogen worden sind“. In anderen Ländern dagegen werden jedenfalls be- stimmte Lebensentscheidungen explizit an die Volljährigkeitsgrenze von 18 Jah- ren geknüpft. Dies gilt etwa für die auf zukünftigeBehandlungssituationen aus- gerichtete Patientenverfügung, die in mehreren Ländern (etwa in Dänemark) erst ab dem 18. Lebensjahr wirksam er- richtet werden kann. Nach türkischem Recht kann sogar grundsätzlichund all- gemein nur ein Volljähriger allein (ohne Mitwirkung des/der Sorgeberechtigten) eine wirksame Einwilligung in eine medi- zinische Behandlung erteilen. Im Übri- gen stellen die meisten Rechtsordnungen für die Einwilligungsfähigkeit auf die in- dividuelleReife, Urteilskraft, Einsichts- oder Selbstbestimmungsfähigkeit ab.

Das allerdings führt in der Praxis zu großen Unsicherheiten, weil die genann- ten Fähigkeiten mehr oder weniger stark ausgeprägt vorhanden sein können, die Frage der Einwilligungsfähigkeit aber nur mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden kann. Die Rechtsordnungen le- gen aber überwiegend nicht von sich aus fest, welcheskonkrete Maß an Reife und Urteilskraft et cetera erforderlich sein soll, um dem Betroffenen schon (so im Falle der Minderjährigkeit) oder noch (so im Falle der Volljährigkeit) das Selbstbestimmungsrecht zuzuerkennen.

Hinzu kommt, dass Art und Bedeutung der jeweiligen Behandlung einer genera- lisierenden Beurteilung entgegenstehen sollen. Da eine Rechtsordnung aber ge- rade in einer derart fundamentalen Fra- ge klare Kriterien entwickeln müsste, zu- dem eine Rechtsfragezu beantworten ist und schon deshalb die Verantwortung nicht völlig und ohne eigene Vorgaben des Rechts an die Medizin überantwortet werden darf, besteht insoweit im interna- tionalen Vergleich wohl noch ein erhebli- cher Klärungsbedarf.

T H E M E N D E R Z E I T

A

A2940 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 45½½½½9. November 2001

Regelung in den Niederlanden

Nach dem niederländischen „Gesetz zur Über- prüfung der Lebensbeendigung auf Verlangen und der Hilfe bei der Selbsttötung“ (dessen In- Kraft-Treten für den Sommer/Herbst 2001 vor- gesehen ist) bleibt zwar die Beendigung des Lebens auf Verlangen bzw. die Beihilfe zur Selbsttötung grundsätzlich weiterhin strafbar;

jedoch werden die entsprechenden Straftatbe- stände (Art. 293 und 294 StGB) durch Ausnah- meregelungen ergänzt. Voraussetzungen der Straffreiheit sind:

die Beendigung des Lebens muss von ei- nem Arzt vorgenommen werden,

der Arzt muss überzeugt sein, dass das Verlangen des Patienten freiwillig und wohl überlegt ist,

der Arzt muss überzeugt sein, dass das Lei- den des Patienten aussichtslos und sein Leiden unerträglich ist,

der Arzt muss den Patienten über seinen Zustand und dessen Aussichten aufgeklärt haben,

der Arzt muss mit dem Patienten über- zeugt sein, dass es keine angemessene an- dere Lösung gibt,

der Arzt muss mindestens einen weiteren, unabhängigen Kollegen konsultiert haben, der den Patienten gesehen und sein schrift- liches Urteil über die in den vorstehenden Punkten bezeichneten Sorgfaltskriterien abgegeben hat,

die Lebensbeendigung muss medizinisch sorgfältig ausgeführt worden sein,

der Arzt muss den kommunalen Leichenbe- schauer informiert haben.

Von regionalen Kommissionen (deren Vorsit- zender ein Jurist ist und denen ferner minde- stens ein Arzt und ein Spezialist in ethischen Fragen angehört) wird überprüft, ob der Arzt die vorgenannten Kriterien eingehalten hat;

sofern dies nicht der Fall ist, ist die Staatsan- waltschaft zu informieren.

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