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Archiv "Interdisziplinäres Forum Bundesärztekammer: „Das Leben ist das höchste Gut“" (25.01.2008)

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A136 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 425. Januar 2008

D

er Mainzer Kardinal Karl Lehmann warnt vor einem rein ökonomisch orientierten Ge- sundheitssystem. Es dürfe nicht so weit kommen, dass eine Behandlung auf das medizinisch Notwendige ein- geschränkt werde, forderte der Vor- sitzende der Deutschen Bischofskon- ferenz anlässlich des 32. Interdiszi- plinären Forums der Bundesärzte- kammer in Berlin. Er fürchte einen Wettbewerb, in dem sich diejenigen durchsetzten, die den Menschen nicht ganzheitlich sähen, sondern als

„Fall“ mit bestimmten „Defekten“

einordneten.

Sparmaßnahmen – wie Budgetbe- grenzungen, kürzere Verweildauer und Personalabbau im Krankenhaus – dürften ein humanes Maß nicht un- terschreiten. „Denn der Einzelne ist mehr als die Summe seiner medizi- nischen Daten und Befunde“, so Lehmann. Die bewusste menschli- che Begegnung und Zeit für ein Ge- spräch mit dem Patienten dürften nicht zu kurz kommen. „Es ist für mich nicht einsichtig, wie man dieses Marktsegment im Krankenhaus aus- bauen möchte, in der sogenannten sozialen Marktwirtschaft aber eine rigorose Planung und Begrenzung von Leistungen vorschreibt, die im Grunde jeden echten Wettbewerb ruinieren und eher einer verordneten Planwirtschaft ähnlich sind.“

Natürlich gebe es Zielkonflikte, an deren Auswirkungen in Deutschland niemand vorbeikomme – wie die de- mografische Entwicklung und eine hohe Arbeitslosenquote mit erhebli- chen Folgen für die Sozialversiche- rungssysteme. Dies stehe in Gegen- satz zum medizinischen Fortschritt.

„Es ist sehr schwierig, dieses ambiva-

lente System zu reformieren. Viele Reformen der letzten Jahre haben meines Erachtens diese Zielkonflikte nicht aufgelöst, sondern manchmal sogar gebündelt oder neue geschaf- fen. Ich denke an die Begrenzung des Budgets, die Trennung von Behand- lungsformen, die Verlagerung von Verantwortungsbereichen und an vie- le Einzelvorschriften.“

Lehmann kritisierte die täglichen Auseinandersetzungen und ständig wechselnden Strategien in der Ge- sundheitspolitik. „Sie nehmen uns ein Stück weit den Atem, um inno- vative Wege zu finden, die vorhan- denen Mängel beseitigen und auf eine überzeugende Weise den Nöten der Kranken kreativ begegnen. Des- halb begrüße ich es, wenn es gerade in der Zusammenarbeit mit den Krankenkassen möglich ist, Experi- mente gezielter Art durchzuführen, wie zum Beispiel die integrierte Versorgung älterer Menschen durch mehrere Institutionen.“

Lehmann würdigte das hohe En- gagement der Beschäftigten im Ge- sundheitswesen, aber er richtete auch

mahnende Worte an sie: „In der Situa- tion der Ohnmacht eines anderen be- kommt man leicht die Oberhand. Es stellt sich fast von selbst eine Art von Verfügungsmacht über andere ein.“

Darum müssten alle bestrebt sein, kranke Menschen in ihrer Würde an- zunehmen und sie an Entscheidungen zu beteiligen, soweit dies möglich ist.

Es sei ein elementares Gebot der Hu- manität, Kranke nicht auszugrenzen.

„Die Hospizbewegung versucht einen solchen Umgang mit dem Kranken bis in den Sterbeprozess hinein“, so Lehmann.

Arzt-Patienten-Verhältnis

„Begleitung“ beinhalte aber auch eine gewisse Distanz, welche die In- tegrität und Personalität des Kranken wahre und die Betreuenden vor zu strapaziöser Identifikation schütze.

„Ein gewisser professioneller Ab- stand kann auch für den Kranken durchaus wohltuend sein“, sagte Leh- mann. Bei zu großer Distanz aber gehe leicht jede Sensibilität verloren.

Hier müsse die Rolle des Rechts im Arzt-Patienten-Verhältnis neu be- dacht werden.

Der Mainzer Kardinal kritisierte zudem die Absolutsetzung von „Ge- sundheit“ in der heutigen Gesell- schaft. „Die Gesundheit gilt unter säkularen Bedingungen als ,höchs- tes Gut‘. In unserer irdischen Be- trachtung aber geht das Leben – wie in der Verfassung umschrieben – noch über die Gesundheit hinaus.

Sonst würden wir Leben, das be- schädigt ist und über die ,Norma- lität‘ hinaus begrenzt ist – wie bei Alten, Kranken und Behinderten – nicht hoch genug schätzen.“ n Dr. med. Vera Zylka-Menhorn

INTERDISZIPLINÄRES FORUM BUNDESÄRZTEKAMMER

„Das Leben ist das höchste Gut“

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, mahnt die ganzheitliche Betrachtung des kranken Menschens an und warnt vor einer Ökonomisierung des Gesundheitssystems.

Foto:ddp

RÜCKZUG

Als Kardinal Lehmann bei der Bun- desärztekammer seinen vielbeach- teten Vortrag hielt – es war der erste nach einer schweren Erkrankung – ahnte niemand im Auditorium, dass er nur wenige Tage später seinen Rücktritt als Vorsitzender der Deut- schen Bischofskonferenz für den 18. Februar ankündigen würde. Als Bischof von Mainz will Lehmann der katholischen Kirche jedoch noch einige Jahre dienen.

P O L I T I K

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