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Archiv "Gesundheit ist nicht das höchste Gut: Widersprüche" (06.07.2001)

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Keine stichhaltigen Argumente

Der Verfasser argumentiert gegen die Embryonenforschung nach bewährtem Muster. Er begründet die Menschen- würde mit der Gottebenbildlichkeit des Menschen und behauptet, dass ohne re- ligiöse Voraussetzungen das christlich geprägte Verständnis dieser Menschen- würde schwierig zu begründen sei, um dann nahezu übergangslos die „empiri- stische“ Position zu kritisieren, die nicht mehr den ganzen Menschen zum Subjekt der ethischen Betrachtung ma- che, sondern nur noch Teile des Großhirns. Ohne weiteres sieht er in dieser philosophischen Position einen schlüpfrigen Abhang, der über die Dis- kussion des „minderwertigen“ zum „le- bensunwürdigen“ Leben führe.

Leider enthält der ganze Artikel kaum einen Gedanken, den man als stichhaltiges Argument bezeichnen könnte. Denn wenn man das Verbot, frühe Embryonen zu „verbrauchen“, mit der Notwendigkeit der Befolgung eines göttlichen Willens begründet, so sind an diese Regelung mehrere Voraussetzun- gen geknüpft: Es müsste zum Beispiel ein Gott existieren, wovon viele Menschen nicht überzeugt sind, und dieser Gott müsste die Tötung von Embryonen ver- boten haben. Dass darüber hinaus noch zu fragen wäre, inwiefern wir Menschen diese Gebote zu befolgen hätten, soll hier nicht weiter diskutiert werden.

Aber selbst wenn diese Vorausset- zungen erfüllt wären, müsste noch die Frage beantwortet werden, wieso die-

ser göttliche Wille für Embryonen gül- tig wäre, nicht aber zum Beispiel für passive Sterbehilfe, Notwehr, Tötungen im Verteidigungskrieg oder sogar die Todesstrafe, die von der katholischen Kirche bekanntlich gebilligt wird.

Darüber hinaus ist bei konsequenter Befolgung des Menschenwürdeprin- zips, wie es Eibach vertritt, völlig un- klar, wieso nicht massivster Widerstand gegen millionenfache Tötungen von unschuldigen Embryonen im frühen Stadium (durch Gebrauch von Intra- uterinpessaren) vonseiten der offiziel- len Kirchenvertreter erfolgt. Immerhin handelt es sich bei der Nichtbeachtung des Tötungsverbotes der Bibel um eine Todsünde, die nach zumindest katholi- scher Lehre den ewigen Tod in der Höl- le bedeutet, wenn „sie nicht durch Reue und göttliche Vergebung wieder gutge- macht wird“ (Katechismus der katholi- schen Kirche 1993, 1860). Bei konse- quenter Sichtweise wäre dann sogar der Einsatz des verstorbenen Apostelnach- folgers Dyba, der außer verbaler Kritik an der Abtreibung noch die Kirchen- glocken zu unpassenden Zeiten betätig- te, als zu gemäßigt zu qualifizieren.

Hier bleibt also für Professor Dr. theol.

U. Eibach noch einiges zu tun.

Die von ihm konstruierte Verbin- dung „empiristische Philosophie“ und

„lebensunwertes Leben“ dagegen be- darf eigentlich kaum eines Kommen- tars. Wer keine besseren Argumente hat, greift zum nächst verfügbaren: dem Dammbruchargument. Es ist deshalb bei Menschen, die gewohnt sind, wenig Zeit mit Nachdenken zu verbringen, so erfolgreich, weil es prinzipiell unwider- legbar ist : Es ist nämlich keine ethische Entscheidung vorstellbar, die nicht zu- mindest theoretisch den Gefahren des Dammbruchs ausgesetzt wäre.

Dr. med. Martin Klein,

Hermann Hesse Weg 2, 97276 Margetshöchheim

Zustimmung

Ich kann den Ausführungen von Herrn Eibach nur vollstens zustimmen. Das starke Forschungsinteresse und das me- thodisch Interessante und Machbare dürfen unsere Gesellschaft nicht dazu verleiten, in ihren ethischen Grundsät- zen unscharf zu werden. Je laxer wir mit

der Definition des Lebens umgehen, de- sto stärker machen wir uns selbst zum

„Schöpfer“ von Leben und Tod. Dies wä- re ein fataler Irrtum. Auch kann es uns zum Bumerang im Alter werden, wenn uns das Recht auf Leben einmal verneint wird, zum Beispiel weil unsere „seelisch- geistigen“ Qualitäten nachlassen.

Dr. med. Mathias Brinschwitz, Georg-Voigt-Straße 21, 35039 Marburg

Widersprüche

Ohne die grundsätzlichen Feststellun- gen Eibachs zur Unantastbarkeit der Menschenwürde infrage stellen zu wol- len, sehe ich doch in zwei Punkten sei- ner Ausführungen Widersprüche:

✁ Eibach äußert, Voraussetzung für

„individuelles Leben“ sei, dass „ein zu einer Ganzheit integriertes, also orga- nismisches Lebensgeschehen feststell- bar sein (muss), das in Interaktion mit seiner Umwelt (beispielsweise Eileiter, Gebärmutter) zu einer eigenständigen Lebensdynamik fähig ist (Stoffwechsel, Wachstum)“.

Nun liegt es aber auf der Hand, dass das nach der Befruchtung entstehende Zellkonglomerat ohne Nidation nicht lebensfähig ist. Wird die Nidation durch natürliche oder künstliche Umstände verhindert, geht der Zellverband zu- grunde.

✁ Eibach wendet sich gegen den Standpunkt der Abhängigkeit einer Teilhabe an der Menschenwürde von der Entwicklung bestimmter Bereiche des Großhirns.

Es besteht aber spätestens seit der Verabschiedung des Transplantations- gesetzes vom 5. November 1997 ein all- gemeiner Konsens, dass mit dem Hirn- tod der Individualtod des Menschen eingetreten ist und danach Teile des menschlichen Organismus für medizini- sche Zwecke verwendet werden dürfen.

Wenn man also der Linie Eibachs konsequent folgen wollte, verstieße so- wohl der Gebrauch der Spirale zur Empfängnisverhütung als auch die Or- ganentnahme zu Transplantations- zwecken beim hirntoten Organismus gegen die Menschenwürde.

Meines Erachtens muss ein ethisches Prinzip unabhängig von seinen Wurzeln in sich schlüssig sein, um den Anspruch T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 27½½½½6. Juli 2001 AA1807

zu dem Beitrag

Embryonenforschung in Europa

Gesundheit ist nicht das höchste Gut

von

Prof. Dr. theol. Ulrich Eibach in Heft 14/2001

DISKUSSION

(2)

allgemeiner Verbindlichkeit erheben und als Vorgabe für den Gesetzgeber dienen zu können.

Prof. Dr. med. habil. H. W. Opderbecke, Kesslerplatz 10, 90489 Nürnberg

Präventivmedizinische Aufgabe

In seinem Beitrag fordert Eibach, dass Gesundheit beziehungsweise ihre Wie- derherstellung nicht durch Verletzung der Menschenwürde erkauft werden dürfe. Damit wird auf ein immer auffäl- liger werdendes Grundproblem in der Medizin hingewiesen, dass nämlich Ge- sundheit und Menschenwürde, anstatt sich zu ergänzen, in ein gegensätzliches, beinahe sich ausschließendes Ver- hältnis zueinander geraten könnten.

Während die medizinischen, die Men- schenwürde verletzenden Übergriffe im Nationalsozialismus sowohl ethisch als auch rechtlich klar bewertet werden konnten, ist die Frage nach der Verlet- zung der Menschenwürde heute offen- sichtlich nicht eindeutig zu beantwor- ten, wenn es um das Forschen an Emb- ryonen, aber auch um menschliches Klonen oder um Babys nach Maß usw.

geht. Ein solches Auseinanderdriften von Gesundheit und Menschenwürde bedeutet aber, die Gesellschaft einer Zerreißprobe auszusetzen. Abgesehen von dem verfassungsrechtlichen Gebot zur Menschenwürde (Art. 1. Abs. 1 des Grundgesetzes) wäre die Gesundheit nur noch ein zweifelhaftes Gut, wenn sie zu dem Verständnis von Menschen- würde in einem Widerspruch stünde.

Der Medizin sollte es vielmehr darum gehen, die gemeinsame Schnittfläche von Gesundheit und Menschenwürde zu fassen und diese für das medizinische Handeln und Forschen zu erschließen.

Die wirklich strittige Frage ist aber, wie Eibach hervorhebt, welche Auffas- sung von Menschenwürde denn nun bei den anstehenden Entscheidungen in der medizinischen Forschung und The- rapie gelten soll: die religiös-transzen- dentale oder die positivistisch-empiri- sche. Es mag aus medizinisch-naturwis- senschaftlicher Sicht schwer fallen, an- stelle von empirisch begründbaren theologische Argumente zu überneh- men. Nach Spaemann ist es aber die re-

ligiös-metaphysische Dimension der Würde, die dem menschlichen Leben die herausgehobene Wertigkeit ver- leiht. „Es ist ein auch heute noch nicht ganz ausgestorbener Irrtum, man kön- ne die religiöse Betrachtung der Wirk- lichkeit fallenlassen, ohne dass einem etliches andere mit abhanden kommt, auf das man weniger leicht verzichten möchte“, schreibt er in seinem „Über den Begriff der Menschenwürde“ beti- telten Aufsatz (Spaemann, 1987).

Ganz unabhängig von den ethisch- philosophischen oder theologischen Aussagen zur Frage, ob Embryonen Menschenwürde zusteht, müssen auf je- den Fall die hier relevanten medizinisch- epidemiologischen Zusammenhänge, wenn es doch um Gesundheit geht, be- achtet werden. Wie zahlreiche sozial- medizinisch-epidemiologische Untersu- chungen ausweisen, steht das Schutzziel Gesundheit mit anderen Werteberei- chen in einem engen Bedeutungs- und Funktionszusammenhang. Natürlich sind es Menschenwürde – im Gegensatz zum Menschenhass –, aber auch Selbst- wertgefühl, Bedeutsamkeit und Sinn- haftigkeit, die soziale und biologische Lebenszusammenhänge durchdringen und Gesundheit des einzelnen und der Allgemeinheit fördern (Antonovsky, 1997). Diese Qualitäten, nur weil sie na- turwissenschaftlich unzugänglich sind oder weil auch Gelehrte über ihre Be- deutung streiten mögen, nun dem Men- schen dort vorzuenthalten oder auszure- den, wo er sie nicht gerade expressis ver- bis beansprucht und erkämpft, führt vor allem zur Schwächung gesundheitsför- dernder Systemzusammenhänge.

Durch Zuweisung von Menschenwür- de und von Achtung vor Mensch und Natur (dazu zählen Embryonen) ist uns – Art.1. Abs.1 GG außer Acht lassend – eine Möglichkeit und Chance gegeben, eine bestimmte soziale Wirklichkeit zu erzeugen und dadurch Wohlbefinden und gesundheitsfördernde Lebensbe- dingungen zu schaffen. Diese Möglich- keit zu nutzen, ist eine präventivmedizi- nische Aufgabe, sie ungenutzt zu lassen, bedeutet ein Weniger an Gesundheit.

Literatur beim Verfasser

Prof. Dr. med. Hartmut Dunkelberg, Abteilung Allgemeine Hygiene und Umweltmedizin der Universität Göttingen,

Windausweg 2, 37073 Göttingen

T H E M E N D E R Z E I T

A

A1808 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 27½½½½6. Juli 2001

PID

„Ein Verfahren zur Selektion“

Bei der Präimplantationsdiagnostik (PID) handelt es sich nach Auffassung der Organisation „Ärzte für das Le- ben“ (ÄfdL) ausschließlich um ein Se- lektionsverfahren. Die Organisation lehnt deshalb in einer Stellungnahme den „Diskussionsentwurf zu einer Richtlinie zur Präimplantationsdiagno- stik“ des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer ab. Sie be- fürchtet, dass durch die Einführung der PID gesellschaftliche Vorurteile gegen Behinderte verstärkt werden und dass sich die Tendenz verhärtet, „im behin- derten Mitmenschen allein den ,Bela- stungsfaktor‘ zu sehen, statt ihn als prinzipiell Gleichberechtigten zu ach- ten“. Die Äfdl befürchtet, dass das Le- bensrecht behinderter Menschen infra- ge gestellt werden könnte. Die Verfah- ren der In-vitro-Fertilisation seien des- halb auf Fälle der Sterilitätsbehandlung zu beschränken. Ein ursprünglich ärzt- liches Behandlungsverfahren dürfe nicht zu Selektionszwecken miss- braucht und zu eugenischen Hand- lungsspielräumen erweitert werden.

Wenn erblich schwer belastete Paare einen dringenden Kinderwunsch äu- ßerten, empfiehlt die Organisation die Adoption als eine humane Alternative.

Ein Recht auf ein gesundes Kind gibt es nach Auffassung der Ärzte für das Leben nicht. Jeder ungeborene und ge- borene Mensch habe ein persönliches Recht auf Leben. Zwar fordere auch der Diskussionsentwurf strenge Be- stimmungen, doch diese könnten schnell überholt werden, befürchten die Ärzte für das Leben. Sie lehnen auch die verbrauchende Embryonenfor- schung ab. Die Verfahren der künst- lichen Befruchtung müssten vor einer solchen Möglichkeit rechtlich über das Embryonenschutzgesetz abgesi- chert bleiben. Die ÄfdL fordert, den Gesetzestext so zu formulieren, dass Missdeutungen nicht mehr möglich sind.

Der gesamte Text der Stellungnahme kann abgerufen werden unter www.- aerzte-fuer-das-leben.de Kli

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