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Archiv "Hypertoniemanagement: Trotz Fortschritt bestehen Defizite" (18.03.2011)

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A 578 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 11

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18. März 2011

HYPERTONIEMANAGEMENT

Trotz Fortschritt bestehen Defizite

Nach wie vor werden bei der Mehrzahl der Patienten die Behandlungsziele nicht erreicht. Die nichtinvasive Messung der Pulswellengeschwindigkeit ermöglicht es, die Gefäßvulnerabilität individuell abzuschätzen.

D

ie kardiovaskuläre Mortalität steht in enger Beziehung zu strukturellen und funktionellen Ver- änderungen des arteriellen Gefäß- systems. Der prädiktive Wert von Gefäßsteifigkeitsparametern für atherosklerotische Erkrankungen ist belegt. Daher richten die Hyper- tensiologen ihr Augenmerk zuneh- mend auf das „Early Vascular Aging“ (EVA) der Gefäße, also auf die vorzeitige Versteifung und Alte- rung der Leitungsbahnen als Früh- symptom einer Arteriosklerose.

Messen lässt sich EVA mittels der Pulswellengeschwindigkeit, was mit entsprechenden Messsystemen (PW- Doppler-Methode) einfach auch im Praxisalltag zu realisieren ist. In der Aorta beträgt sie aufgrund der Elas- tizität dieses Blutgefäßes 4 bis 6 m/s.

In der Peripherie, also den Extremi- täten, steigt sie aufgrund der relativ starren Gefäßwände und der kleine- ren Lumina bei gleichzeitiger Zu- nahme der Wanddicke auf Werte zwischen 8 und 12 m/s.

„Mit der Pulswellengeschwin- digkeit steht ein nichtinvasiv be- stimmbarer Parameter zur erweiter- ten kardiovaskulären Risikostrati - fizierung und Abschätzung der in - dividuellen Gefäßvulnerabilität zur Verfügung“, sagt Prof. Dr. med.

Hans-Georg Predel von der Deut- schen Sporthochschule Köln, der in diesem Jahr gemeinsam mit Prof.

Dr. med. Thomas Mengden (Bad Nauheim) die Jahrestagung der Deutschen Hochdruckliga e.V. – Deutsche Gesellschaft für Hyperto- nie und Prävention leiten wird.

Wenngleich die Definition und Evaluierung der Standardwerte noch

aussteht, erlaubt die Messung durch- aus schon eine individuelle Risiko- abschätzung und ebnet damit auch bei der Hypertonie den Weg in die personalisierte Medizin. Denkbar ist, dass sich die Behandlungskon- zepte eines Tages direkt an der Genetik des Patienten ausrichten werden. „Das aber ist leider noch Zukunftsmusik“, bedauert Predel.

In der Praxis gehe es deshalb darum, bei jedem Hochdruckpatien- ten anhand der verfügbaren Score- Systeme, die auch Lebensstilmerkma- le einbeziehen, das kardiovaskuläre Globalrisiko zu erheben. Anhand der ermittelten Informationen, die auch das jeweilige Profil der körperlichen Belastbarkeit des Patienten abbil- den, müsse dann mit diesem Patien- ten gemeinsam ein auf die persönli- che Situation zugeschnittener Thera- pieplan festgelegt werden.

Es fehlen strukturierte Schulungsprogramme

Das gelte zum Beispiel auch für Tipps zur Lebensführung, was Pre- del am Beispiel der körperlichen Bewegung deutlich macht: „Mit der allgemeinen Aufforderung, mehr Sport zu treiben, ist es nicht getan“, moniert er. „Es fordert ja auch kein Fußballtrainer seine Spieler auf, raus auf den Platz gehen und die Champions League zu gewinnen.“

Denn ohne ein entsprechendes Konzept gehe das natürlich nicht.

Die Patienten müssten ähnlich wie die Fußballspieler genau dar - über informiert werden, wie die Empfehlungen umzusetzen seien, und das unter Berücksichtigung der Ausgangssituation und der indivi-

duellen Möglichkeiten. „Wir brau- chen bei der Hypertoniebehandlung strukturierte Schulungsprogramme, wie sie beim Diabetes und beim Asthma schon seit vielen Jahren Standard sind“, erklärt Predel.

Auch die medikamentöse Be- handlung muss und kann sich nach seinen Worten besser als je zuvor an der Risikosituation des Patienten ausrichten, da sich bei der Pharma- kotherapie in den vergangenen Jah- ren erhebliche Fortschritte vollzogen haben. Es wurden neue hochwirk - same Substanzen entwickelt, und es gibt zunehmend fixe Wirkstoffkom- binationen, so dass im Bedarfsfall schon initial eine hocheffektive Blutdrucksenkung bis in den Ziel - bereich hinein möglich sein sollte.

Dennoch gibt es Predel zufolge nach wie vor erhebliche Defizite bei der Hochdruckbehandlung. „Die Rate der Patienten, die als Hyperto- niker diagnostiziert und behandelt werden, ist in den vergangenen Jah- ren gestiegen, der Kontrollgrad der Versorgungsqua-

lität: Der Versuch der britischen Regierung, die Versorgung der Hyper toniker durch finanzielle Anreize für die Hausärzte zu verbessern, ist gescheitert (BMJ 2011; 342: d108).

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18. März 2011 A 579 Hypertonie ist aber weiterhin viel

zu niedrig“, kritisiert der Mediziner.

Je nach Literaturquelle erreichen nur 15 bis 30 Prozent der Hyperto- niker durch die antihypertensive Therapie tatsächlich die in den Leit- linien vorgegebenen Werte von we- niger als 140/90 mmHg.

Aktuelle Zielwertdiskussion ist eher kontraproduktiv

Als einer der wesentlichen Gründe hierfür wird immer wieder die man- gelnde Compliance der Patienten angeführt. Das aber ist nach Predel nur ein Aspekt: „Wir dürfen das Problem nicht allein den Patienten anlasten, denn auch bei den Ärzten ist die Sensibilität im Hinblick auf das Gefährdungspotenzial erhöhter Blutdruckwerte noch nicht ausrei- chend ausgeprägt.“

Dazu habe nicht zuletzt die vor allem beim Diabetes mellitus ent- fachte Zielwertdiskussion beigetra- gen. Nachdem Studien im vergan- genen Jahr gezeigt hätten, dass eine

aggressive Blutdrucksenkung beim Diabetes die Gesamtsterblichkeit nicht nachhaltig senke, seien die Blutdruckzielwerte wieder auf den Prüfstand gekommen.

„Das aber ist letztlich nicht rat- sam, weil es von den eigentlichen Problemen in der Hypertoniebe- handlung ablenkt“, meint Predel.

Vielmehr müsse es darum gehen, tatsächlich eine effektive Blut- drucksenkung bei Hypertonikern zu erwirken. Der jüngst formulierte Zielkorridor von 130 bis 140 und 80 bis 85 mmHg für Diabetiker, der so auch für Patienten mit metaboli- schem Syndrom zu fordern sei, sei zwar vernünftig, weil die Evidenz für eine aggressivere Blutdrucksen- kung fehle, er löse jedoch nicht das Problem des niedrigen Kontroll- grads bei der Hypertonie.

„Dabei stellt der Bluthochdruck eine Krankheit mit explosivem Po- tenzial dar. Immerhin weisen circa 50 Prozent der über 50-Jährigen ei- nen zu hohen Blutdruck auf mit ent- sprechender Gefährdung für Herz- infarkt und Schlaganfall“, betont Predel. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung könn- te dies schon in wenigen Jahren zu einem weiteren massiven Anstieg der Rate kardiovaskulärer Ereig - nisse führen und zu entsprechenden wirtschaftlichen Belastungen infol- ge der dadurch bedingten Krank- heitskosten.

Mehr Versorgungsforschung gefordert

Deutschland steht mit diesen Pro- blemen aber nicht alleine da. Denn dass sich die Hypertonie zu einer globalen Herausforderung für die Gesundheitssysteme entwickelt, wur - de im September bei der Jahres - tagung der Internationalen Hyper- toniegesellschaft in Vancouver, Ka- nada, betont. Weltweit dürfte die Zahl der Hypertoniker in den kom- menden Jahren weiter steigen, wobei derzeit völlig offen ist, wie dem begegnet werden soll und kann.

Denn nicht nur die Frage der Zielwerte ist derzeit offen, es wird auch trefflich darüber diskutiert, wie denn künftig der Blutdruck am besten zu ermitteln sei und was die Grundlage für die Zielwertbestim-

mung sein sollte. So erlaubt der punktuell in der Praxis gemessene Blutdruckwert selbst bei einer mehr - fachen Bestimmung nur bedingt Aussagen über die Blutdruckregu- lation und die Blutdruckvariabilität des individuellen Patienten. Auch die Werte der Selbstmessung sind zwangsläufig mit Unsicherheiten behaftet. Ist damit eine 24-Stunden- Messung als Basis der Therapie zu fordern? Fragen, die beim Hoch- druckmanagement derzeit offen zu sein scheinen.

Klar sei vor diesem Hintergrund eines, sagt Predel, „wir brauchen bei der Hypertoniebehandlung un- bedingt mehr Versorgungsforschung und generell eine bessere Versor- gungsqualität“. Und noch eine For- derung leitet der Hypertensiologe aus der derzeitigen Situation ab:

„Wichtig wäre speziell vor dem Hintergrund der Zielwertdiskussion und neuer therapeutischer Optionen eine neue Aufklärungsoffensive – und das nicht nur in der Öffentlich- keit, sondern auch im Rahmen von Weiter- und Fortbildungsangeboten für die Ärzte, die Hypertoniker in ihrer Praxis einstellen.“

Um die Normwerte zu erreichen, sollen nach den Leitlinien die Zahl der verschiedenen Antihypertonika und ihre Dosierungen stufenweise erhöht werden. Die kürzlich veröf- fentlichte ACCELERATE*-Studie könnte diese Empfehlung ins Wan- ken bringen (Dtsch Arztebl 2011;

108[7]: A 328). Ihre Ergebnisse sprechen bereits initial für eine anti- hypertensive Kombinationstherapie.

Zudem können Patienten, die nach- träglich von der Mono- auf die Kombinationstherapie umschwen- ken, ihre Behandlungsergebnisse verbessern, allerdings nicht in dem Ausmaß wie jene, die sofort mit der Kombinationstherapie begonnen hatten. Die stärkere Blutdrucksen- kung wurde nicht mit mehr Studien- abbrüchen aufgrund von Nebenwir- kungen erkauft. Bislang wird die Kombinationstherapie als Erstlinien- option nach den europäischen Leit - linien von 2009 nur für kardiovasku- läre Hochrisikopatienten, die einer raschen Blutdrucknormalisierung be - dürfen, als sinnvoll erachtet. ■ Christine Vetter

*ACCELERATE = Aliski- ren and the calcium channel blocker amlo- dipine combination as an initial treatment strategy for hyperten- sion control

Foto: mauritius images

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