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Archiv "Sei schlau, sei fit!" (06.03.1985)

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DEUTSCHES ARZTEBLATT

DER KOMMENTAR

S

ei schlau — sei fit. Der schlaue Hund macht Herrchen fit", lautete der wiederholte Slo- gan in den Gemeindenachrichten des landschaftlich reizvoll gelege- nen Ortes Bergen, dessen Anblick Otto von Bismarck Grund genug war, als Reisender der Bahnstrek- ke München—Salzburg den Zug per Notbremse anzuhalten. Hier im Voralpenland sollten der schlaue „Hund Vicky" und sein

„Herrchen" im Modell Bergen ei- ne bundesdeutsche Herz-Kreis- lauf-Präventionsstudie begleiten, die mit Millionen vom Staat ge- sponsert wurde.

Nicht in Völklingen, Oberhausen oder Wolfsburg, sondern hier und in den Nachbargemeinden lehrte

„Hund Vicky" die Bürger „Sei schlau — sei fit!" Damit dieser Ak- tion auch rechte Bedeutung bei- gemessen wurde, veranstaltete man ein „Gesundheitsfest" mit heimatlichen Tänzen, spektakulä- ren Sprüngen auf dem Trampolin, Straßenmaler und Hunderten von Brieftauben, die aus ihren Käfigen zum blauen Himmel aufstiegen und damit Leichtigkeit und Bewe- gung symbolisieren sollten.

Aber die im Modell Bergen Explo- rierten wurden teils zum Narren gehalten. Groß wurden „freiwilli- ge Untersuchungen durch Fach- leute" angekündigt. Um der Frei- willigkeit nachzuhelfen, wurden mehr als 350 Bürger vom Bundes- gesundheitsamt ausgewählt!

Dies läßt aber für die Zukunft eine Gemeinnützigkeit und Kostener- sparnis befürchten, die fast schon totalitär anmutet. Bezeichnender- weise meldete sich auch eine Frau in dem Bus, der zu diesem Zweck eigens umgebaut wurde und in dem die Untersuchungen stattfanden, telefonisch mit „Bun- desgesundheitsamt". Offenbar wollte man damit Ehrfurcht vor dem hohen Amt erreichen, dem man schließlich auch Folge zu lei- sten hatte. Bei der Praktizierung eines solchen humanistisch ver- brämten Zwanges, der eigentlich u. a. auch eine Mißachtung der

Sei schlau, sei fit!

freien Arztwahl bedeutet, weiß man nicht, was die Risikofahn- dung alles mit sich bringen wird.

Derartige Befürchtungen eskalie- ren noch, wenn man dazu den

„Katalog der Interventionsmaß- nahmen" kennt. Dieser erwähnt im Rahmen der „Forschung zur Gesundheitsvorsorge" die Grün- dung eines „Arbeitskreises Ge- sundheit", mit dessen Hilfe der Bürger in den Studiengemein- den unter öffentlich-moralischem Druck gezwungen werden kann,

„gesundheitsrelevante Alltagsbe- dingungen" der Gemeindebe- wohner tatkräftig zu verbessern.

Auch von den angekündigten Fachleuten war nichts zu sehen!

Als Ersatz für diese empfing den so psychologisch berieselten Pro- banden eine junge Ärztin, die nur eine Expertin im Messen des Blut- drucks und der Blutabnahme, viel- leicht auch im Wiegen zu sein schien! Zur weiteren Kommunika- tion diente statt des erwarte- ten ausführlichen ärztlichen Ge- sprächs eine 36seitige Broschüre mit schätzungsweise 1500 Fragen, deren medizinische Bedeutung oft nicht erkennbar war.

Als Kostproben davon: „Wie oft haben Sie im Laufe Ihres Lebens den Wohnort gewechselt? Wie häufig nehmen sie an Veranstal- tungen der Gewerkschaften, poli- tischen Parteien, Kirchen, Eltern- beirat, Bürgerinitiativen, Hobby- clubs und Selbsthilfegruppen teil? Bei welcher Art von Kranken- kasse sind Sie versichert? Wel- chen Schulabschluß hat Ihr Ehe- partner?"

Wollte man andererseits etwa alle heute offerierten „gesunden Le- bensweisen" realisieren, würde neben der Zunahme der bereits in dieser Hinsicht bestehenden Un- sicherheit auch noch unser frei- heitlich markwirtschaftliches Sy- stem in Frage gestellt. Denn

„Spartaner" benötigen keine Wa- renwerbung, die sich modernster psychologischer Erkenntnisse be- dient. Damit bestünde die Gefahr einer Diktatur durch die Hintertür unseres demokratischen Gemein- wesens: ausgerechnet im Ärzte- kittel!

Bei allem Respekt vor ernsthaften Bemühungen, Krankheiten vorzu- beugen und zu lindern, müssen Grenzen der Machbarkeit auch seitens der Wissenschaft und Re- gierung respektiert werden. Kei- nesfalls dürfen mehrere Millionen DM unter Ausschluß der kompe- tenten niedergelassenen Ärzte- schaft sorglos in Projekte inve- stiert werden, die laut eigenem Bekunden die Langfristigkeit der erzielbaren Erfolge noch nicht ab- schließend belegen können.

Bergen ist es sicherlich für Erho- lungsuchende und Wintersportler wert, bekannt zu sein. Nur sollte

„Hund Vicky" leiser bellen! Und wenn auch „Herrchen" fit bleiben möchte, müßte er als Verantwort- licher für die Herz-Kreislauf-Prä- ventionsstudie im Voralpenland wenigstens künftig noch „schlau- er" handeln!

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Heinz-Walter Rölke Sonnleitenweg 15

8221 Bergen 640 (32) Heft 10 vom 6. März 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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