Von Georg Jacob.
Der 50. Vers der Lämija des altarabischen Dichters
Schanfarä lautet in deutscher Übersetzung:
„So wisse, daß ich Standhaftigkeit besitze, indem ich
ihre Rüstung anlege über das, was gleichkommt dem Herzen
eüies sim'' und kluge Entschlossenheit als Sandale."
Die Kommentatoren erklären sim' für eine Kreuzung von
Schakal und Hyäne. Eine solche ist natürlich unmöglich;
während sich der Hund mit dem Wolf kreuzt, ist eine Kreu¬
zung zwischen Wolf und Fuchs bisher nur einmal im Zoolo¬
gischen Garten Hellabrunn gelungen. Übergangsformen er¬
klärt das Volk gerne als Kreuzungen. Vom Nashorn heißt es
2. B. bei Demiri: „Man sagt, es sei eine Kreuzung zwischen
Pferd und Elephant."
Seit Jahrzehnten habe ich in meinen Schanfarä-Studien
(Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie), Heft 1, Mün¬
chen 1914, S. 97/98, Heft 2, München 1915, S. 32/33, be¬
hauptet, daß mit sim' nur der Hyänenhund Lycaon (oder
Canis) pictus gemeint sein könne, aber immer wieder hören
müssen, daß dieser in Arabien nicht vorkomme; sagt doch
Brehm noch in der neuesten Auflage: ,,Die Gattung Lycaon
gehört ausschließhch Afrika an", und Landsberger bemerkt
zweifelnd in seiner Fauna des alten Mesopotamien (Abhand¬
lungen der Philologisch-historischen Klasse der Sächsischen
Akademie der Wissenschaften, 42. Band, Nr. 6), S. 68:
,, Hyänenhund ist ein afrikanisches Tier. Jacob will ihn für
Arabien aus alten Dichterstellen erschließen."
Es war ziemlich allein J. J. Hess, der in verschiedenen
Briefen für meine Identifikation eintrat und sie weiter be-
G. Jacob, Der Lycaon pictus in Arabien nachgewiesen. 251
gründete. In ZDMG., 69. Band (1915), S. 388f., wollte er noch
die Form simr bei Rüppell für Lycaon pictus verteidigen,
kam aber dann davon zurück. Leider ist die von Rüppell
verhörte Form in den Brehm übergegangen. Nunmehr machte
mich Hess zuerst auch auf Goitein, Jemenica, Leipzig 1934,
S. 84/85, aufmerksam. Daselbst heißt es unter Nr. 568:
(i)sma\ lak sim'' ischill badhänak. Hör doch! Der Sim' soll
über dich kommen und dich an den Ohren reißen!
Zu diesem Sprichwort gibt Goitein folgende Erklärung
arabisch und deutsch:
Der Sim' sieht aus wie ein Hund und wird groß wie ein
Esel. Er ist bunt gefleckt und gibt einen knurrenden Laut
von sich. Er wird nicht gejagt, wenn er sich aber auf dem
Felde oder nahe beim Vieh findet, muß man auf ihn schießen.
Wenn ihn der erste Schuß nicht tötet, schwillt er an und wird
gefestigt gegen das Blei, es verletzt ihn dann nicht mehr.
Wenn er auf einen Menschen springt, kann er ihm mit seiner
Vordertatze den Bauch aufreißen. — Seinetwegen kann man
nachts nur in größerer Gesellschaft reisen. Frißt mit Vor¬
liebe Aas.
Man vergleiche dazu Brehm: ,,Mit der Behauptung, daß
die Hyänenhunde auch Menschen angreifen, scheinen die
Nomaden der Bajudasteppe recht zu haben." Es folgen
Belege.
Goitein gibt ferner als Anmerkung: Von G. Jacob (vgl.
Litterae Orientales, Harrassowitz 54, S. 18) (ist der sim') als
lycaon pictus bestimmt; das von den alten Dichtern (siehe
G. Jacob, Altarabisches Beduinenleben, 2. Aufl., S. 18) ge¬
nannte Tier kommt also auch heute noch in Arabien vor.
Im ersten Heft meiner Schanfarä-Studien, S. 98, hatte
ich bereits den Namen des hebräischen Stammes Simeon auf
sim' zurückgeführt und dib'än männliche Hyäne zu dab',
dabu' verglichen. Es ist bezeichnend, daß gerade der süd¬
lichste hebräische Stamm, der nach der Wüste zu wohnte
und sich schließlich in ihr auflöste, sich dieses Wüstentier
bzw. Steppentier zu einer Art Totem erkor. Als entsprechende
Maskulinbildungen teilt mir Hess noch die Namen verschie¬
dener Pferderassen mit, z. B. kuhaila für die Stute, kuhailän
für den Hengst, rische masc. rlschäu, semhe masc. semhän usw.
„Bei den Nedschd-Beduinen ist süd schwarze (Frauen) fem.,
südän schwarze (Männer) masc." Das Wort sim' hat Nöldeke
mit Recht auf sami' hören zurückgeführt, denn die großen
Ohren sind ein auffallendes Merkmal des Hyänenhundes.
Wichtig ist mir, daß der sim' nunmehr gerade in Jemen,
dessen Natur Schanfarä schildert, nachgewiesen ist, während
er sonst in Arabien zum mindesten eine Seltenheit zu sein
scheint. Das ist neben vielen von mir beigebrachten eine
ausschlaggebende Stütze für die Echtheit der Lämija, die aus
unzureichenden einseitig-philologischen Gründen bestritten
wurde.
Die Echtheitsfragen altarabischer Beduinengedichte kön¬
nen meines Erachtens überhaupt nicht rein sprachlich,
sondern nur auf Grund genauer Kenntnis des Geschilderten
gelöst werden. Unkenntnis führte häufig auf Irrwege. So
nahm L. Abel Anstoß an 'Antaras Mu'allaqa 27, weil dort
der männliche Strauß seine Eier besucht, nicht wissend,
daß vielmehr dieser Vers einen Beobachter des in der Wüsten¬
einsamkeit hausenden Vogels verrät; denn gerade der männ¬
liche Strauß bekümmert sich vorwiegend um das Brut¬
geschäft; aber auch Nöldeke's Übersetzung von sa'l, der
Bezeichnung des Straußenhahns in dem genannten Verse,
,,ein Graufarbener" scheitert wohl daran, daß gerade das
Männchen von Struthio camelus nicht grau, sondern schwarz
und weiß befiedert ist. Städtische Nachahmer und Fälscher
von Beduinendichtungen verraten sich z. B., indem sie den
scheuen Wüstenvogel Pterocles mit der Taube verwechseln.
Ob Dichter, welche Pfeile aus dem rotgelben Grewia-Holz
erwähnen, dieses Material mit dem des Bogens verwechseln
oder ob dieses sehr harte, aber auch sehr schwere Holz für
Pfeile überhaupt verwendungsfähig ist, kann nur durch
Schießversuche mit solchen erwiesen werden. Die Resultate
werden von denen der arabischen Grammatiker natürlich
wesentlich abweichen, ebenso wie Goldziher's Hadith-For-
G. Jacob, Der Lycaon pictus in Arabien nachgewiesen. 253
schung die Kartenhäuser der orientahschen Methoden über
den Haufen warf.
Krenkow, der große Kenner altarabischer Dichter, wäre
in seinem Artikel ,,Shanfarä" in der Enzyklopädie des Islam
schwerlich auf dem Standpunkt der arabischen Philologen
stehen geblieben, hätte er den Kommentar zu meiner letzten
Bearbeitung der Lämija, der in ihr vieles gerade für die Fels¬
wüste des nördlichen Jemen, in welcher der Dichter hauste,
Charakteristische nachweist, beachtet. Manches, was Kren¬
kow gegen die Echtheit geltend macht, spricht vielmehr für
sie. So ist es natürlich, daß die Lieder eines in der Einsamkeit
hausenden Verbannten, für den sein Stamm das Interesse
verloren hatte, langsamere Verbreitung fanden als solche, die
auf den Märkten vorgetragen wurden, und daß ein in der
Lämija genanntes Wasserloch den städtischen Nahwis un¬
bekannt war. Vor allem aber galt es immer als unmethodisch
da, wo Verse und Prosaberichte vorliegen, von letzteren
auszugehen, da diese sich meist als spätere Erfindungen er¬
weisen, indem die Sage die Verse des Dichters umspinnt,
sobald die Zeitereignisse in Vergessenheit geraten. Daß
Schanfarä kein Kamel besessen haben und auf seine Füße
angewiesen sein soll, wird durch das Wort mansiml in der
Lämija widerlegt, dessen Beziehung auf die menschliche Fu߬
sohle auch Nöldeke für unmöglich hielt; daß ein Läufer die
schnellen Pterocliduren überholt, wäre eine Übertreibung, die
nicht zum Charakter von Schanfaräs aus scharfer Beobach¬
tung hervorgegangenen Naturschilderungen paßt'). Durch
Mißverständnis der Lämija wurde der Dichter zum Schnell¬
läufer. Geradezu grotesk wirkt aber der Einfall, ausgerechnet
die arabische Dichtung, welche das Leben der jemenischen
1) Auch das Unterhalten des Feuers mit Pfeil und Bogen (Vers 540) hat man fälschlich als Hyperbel aufgefaßt. 'ImädeddJn (ed. Landbbbo,
S. 260) erzählt von der Not, welche das Kreuzfahrerheer Friedrich
Barbarossas auf seinem Zuge durch Kleinasien litt: „Sie zerbrachen ihre Lanzen aus Holzmangel und verbrannten sie" und Pkschbwalski,
Reisen in der Mongolei (Jena 1877) schildert die kalten Nächte,
S. 240: Einmal gerieten wir in eine so mißliche Lage, daß wir die
Sattelböcke zerhacken mußten, nur um Tee zu kochen.
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Felsenwüste am lebendigsten und treuesten kopiert, einem
Stockphilologen wie Chalef al-Ahmar zuschreiben zu wollen,
von dem Abü Nuwäs in Elegien rühmt, daß er niemals ein
hä mit chä, noch läm mit elif verwechselt habe, der in poeti¬
schen Versuchen die Vorzüge seines Pferdes numeriert und
eine Schlange so phantastisch und falsch schildert, daß man
glauben möchte, er habe nie eine solche gesehen.
Richard Simon f.
Von Helmuth von Glasenapp.
Am 17. August 1934 verschied in Beriin nach langem
schwerem Leiden der verdienstvolle Erforscher der Geschichte
der indischen Musik, Prof. Richard Simon. Mit ihm ist ein
Gelehrter dahingegangen, der infolge des zurückgezogenen
Lebens, das er führte, nur wenigen Fachgenossen persönlich
bekannt war, dem aber alle, die ihm nähertraten, wegen
seiner vielseitigen Bildung, seiner Charakterstärke und seiner
Herzensgüte bleibend ein dankbares Andenken bewahren
werden.
Simon wurde am 10. September 1865 in Hamburg ge¬
boren, absolvierte die Gelehrtenschule des Johanneums und
studierte 1884—1888 in Leipzig, Freiburg, Berlin und Halle
klassische, germanische und indische Philologie. 1888 promo¬
vierte er bei Richard Pischel in Halle mit einer Arbeit ,, Bei¬
träge zur Kenntnis der vedischen Schulen" (Kiel 1889). In
London, Oxford und Paris widmete er sich dann ausgedehnten
Handschriften-Studien, als deren erstes Ergebnis er ,,Das
Amaruäataka in seinen Rezensionen dargestellt" (Kiel 1893)
voriegte (Ergänzungen dazu ZDMG. 49 [1895], p. 577 ff.). Mit
dieser Arbeit habilitierte er sich 1892 bei Ernst Kuhn in
München als Privatdozent der indischen Philologie. Hier hat
er, seit 1906 als außerordentlicher Professor, bis zum Aus¬
bruch des Weltkrieges eine vielseitige Lehrtätigkeit ausgeübt,
während er sich seinen Lebensunterhalt als ständiger Referent
der ,, Frankfurter Zeitung" über das Münchener Musikleben
erwarb. Den Krieg machte er vom ersten bis zum letzten
Tage fds Hauptmann der Landwehr mit, erhielt zahlreiche
Auszeichnungen und wurde in Anerkennung seiner hervor¬
ragenden Dienste zum Major befördert. 1920 schied er auf
ZeitsdvUt d. D.U. a. Nene Folge Bd. Xr7 (Bd. 89) IT