A 2702 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 50|
16. Dezember 2011M
it großer Mehrheit verab- schiedete der SPD-Parteitag am 8. Dezember den Leitantrag des Parteivorstands zur Bürgerversiche- rung (dazu DÄ, Heft 43/2011). Da- bei hatten die Sozialdemokraten vor allem eines im Blick: die schnelle Umsetzbarkeit des Konzepts nach der Bundestagswahl 2013, falls die SPD wieder regieren würde.Deshalb musste die Bürgerversi- cherung einige Federn lassen:
Punkte wie die Abschaffung der Privatversicherung, die Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze und eine Einbeziehung aller Einkünfte bei der Berechnung der Kranken- kassenbeiträge sind im neuen Kon- zept nicht mehr enthalten.
Vorgesehen ist weiterhin, dass es nur noch eine Krankenversicherung für alle geben soll: die Bürgerversi- cherung. Finanzieren soll sie sich aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeber- beiträgen sowie einem stetig stei- genden Steuerzuschuss. Dabei sol- len Arbeitgeber und Arbeitnehmer den gleichen Beitrag leisten, dass heißt, sie zahlen die gleiche Summe in den Gesundheitsfonds ein.
Dadurch würden Arbeitnehmer um circa fünf Milliarden Euro ent- lastet, die dann die Arbeitgeber auf- bringen müssten, heißt es. Hier hät- ten vor allem Arbeitgeber zu zah-
len, die hohe Gehälter und Boni ausschütten. Denn der Arbeitgeber- beitrag soll sich an der Gesamtlohn- summe des Unternehmens orientie- ren und nicht durch eine Beitrags- bemessungsgrenze gedeckelt werden.
Ergänzen soll dies ein „dynami- scher Steueranteil“, der aus der Ka- pitalertragsteuer finanziert wird.
Ende der Zweiklassenmedizin Ein Kernstück der Bürgerversiche- rung: Die Behandlung von Privatpa- tienten und gesetzlich Versicherten soll gleich vergütet werden. Der Einheitliche Bewertungsmaßstab und die Gebührenordnung für Ärzte würden durch ein einheitliches Ver- gütungssystem ersetzt. Für die Ärzte hieße das: Wer viele gesetzlich Ver- sicherte behandelt, würde vermut- lich mehr verdienen als bisher, wer viele Privatpatienten hat, we niger.
Das Gesamthonorarvolumen sol- le aber gleich bleiben, erklärte Karl Lauterbach, Gesundheitspolitischer Sprecher der SPD. Die gesetzliche Krankenversicherung würde dies bis zu drei Milliarden Euro mehr kosten, die im Gegenzug von den privaten Krankenversicherern (PKV) eingespart würden.
Auf das eingesparte Geld könnte die PKV dann aber auch angewiesen sein. Sie würde zwar nicht abge-
schafft, aber PKV-Versicherte hätten ein Jahr lang Zeit, in die Bürgerver- sicherung zu wechseln. Die SPD setzt damit auf den Unmut mancher Privatversicherter angesichts be- ständiger Beitragserhöhungen. „Ich kann mir auch vorstellen, dass die privaten Krankenversicherer die Bürgerversicherung anbieten“, er- klärte Andrea Nahles, SPD-General- sekretärin. „Allerdings zu den Be- dingungen, die wir als Gesetzgeber vorgeben.“ Ob sich dies für die PKV lohnen würde, ist jedoch fraglich.
Die SPD setzt darauf, dass ihr Konzept 2.0 vielen gefällt. Die Län- der würden entlastet, wenn ihre Be- amten in die Bürgerversicherung wechselten. Die Krankenkassen er- hielten die Beitragsautonomie zu- rück, und den Ärzten wird mehr Geld für die Behandlung gesetzlich Versicherter versprochen. Arbeit- nehmer würden etwas entlastet und Arbeitgeber nach Ansicht der SPD nicht überfordert. Ein Reformkon- zept, das es vielen recht machen will. Wie es bei den Ärzten an- kommt, zeigt sich auf dem nächsten Deutschen Ärztetag: Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, hat angekün- digt, die Bürgerversicherung dort ausführlich zu diskutieren.
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Dr. rer. nat. Marc Meißner
PARTEITAG DER SOZIALDEMOKRATEN
SPD stimmt für Bürgerversicherung 2.0
Gerecht und solidarisch – unter diesem Motto präsentiert die SPD ihr neues Konzept für eine Bürgerversicherung. Der Name ist gleich geblieben. Aber inhaltlich haben sich die Sozialdemokraten von vielen Forderungen verabschiedet, die einer schnellen Umsetzung im Wege ständen.
Foto: dapd