• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "SPD-Parteitag in Mannheim: „Räte-Demokratie“ für die Gesundheit" (01.12.1995)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "SPD-Parteitag in Mannheim: „Räte-Demokratie“ für die Gesundheit" (01.12.1995)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

POLITIK

E

ine durchgreifende Reform der Systeme der sozialen Sicherung muß aus der Sicht der SPD mit einem „Schwerpunktwechsel zur Vermeidung sozialer Risiken und Schäden" einhergehen. Die sozialen Leistungen müßten im Hinblick auf die Verteilungsgerechtigkeit, die Ziel- genauigkeit und Effizienz verbessert werden, „um Kosten zu sparen, ohne Bedürftige zu benachteiligen". In die Rechnung müßten sämtliche volks- und betriebswirtschaftlichen Kosten, die sozialen Kosten und hier vor allem die Umweltkosten einbezogen wer- den. Umweltbelastungen, Gesund- heitsgefährdungen in der Arbeitswelt und in der Freizeit hätten unmittelba- re Rückwirkungen auf die Gesund- heit/Krankheit. Die SPD sieht des- halb in der Prävention, Gesundheits- aufklärung und Krankheitsfrüher- kennung die Voraussetzungen zur Förderung und Erhaltung der Ge- sundheit. Hier müßten die Anstren- gungen wesentlich verstärkt werden und finanzielle Förderungen einset- zen; dies sei ein wirksamer Weg zur

„strukturellen Senkung der Lohnne- benkosten zugunsten der gesetzlichen Kranken- und Unfallversicherung".

Die SPD will zusätzliche Finan- zierungsquellen für die Kranken-, Ar- beitslosen- und Unfallversicherung auch aus den Einnahmen einer „öko- logischen Steuerreform" erschließen.

Sie empfiehlt zweckgebundene Abga- ben auf „Risikoprodukte" und eine Arbeitsmarktabgabe für Beamte und

AKTUELL

Selbständige. Essentiell müßten die Arbeitgeber an der Finanzierung der Sozialversicherung beteiligt werden.

Die Sozialversicherungsbeiträge müß- ten zunehmend durch eine Wert- schöpfungssteuer durch die Arbeitge- ber finanziert werden, um so auch künftig die Beteiligung der Arbeitge- ber sicherzustellen. Es dürfe keine Umbuchung des Arbeitgeberbeitrags zugunsten der Löhne und Gehälter geben, auch keine Fixierung der Ar- beitgeberbeiträge. Die Versicherten müßten vor erhöhten Selbstbeteili- gungen geschützt werden.

Radikalkur für die Krankenversicherung

Nur selten waren auf dem Mann- heimer Parteitag Stimmen zu verneh- men, die davor warnten, den Sozial- staat und die sozialen Sicherungsein- richtungen zu überfordern. Nament- lich der wirtschaftspolitische Experte im nordrhein-westfälischen Landtag, Verkehrsminister Wolfgang Clement, sprach für eine Dämpfung der Lohn- nebenkosten und einen Abbau von Sozialleistungen (global) von minde- stens 30 Milliarden DM. Dagegen plä- dieren die an die Fraktion und an die neu zu gründende sozialpolitische Kommission überwiesenen Anträge für einen Ausbau des Sozialstaates.

Eine Strukturreform der Kranken- versicherung sei überfällig. Dabei dürften die tragenden Gestaltungs-

elemente wie das Solidaritäts- und Sachleistungsprinzip und eine am Be- darf orientierte vollwertige Versor- gung der Patienten nicht unterminiert werden. Die SPD „verlangt" volle Transparenz zugunsten der Versicher- ten über die abgerechneten und er- brachten Leistungen. Eine Aufteilung des GKV-Leistungskatalogs in Wahl- und Regelleistungen wird abgelehnt.

Eine Umgestaltung der Versor- gungsstrukturen müsse eine „starke Verzahnung des stationären und am- bulanten Bereichs" mit einschließen.

Die Forcierung des ambulanten Ope- rierens auf institutioneller Basis sei ein wichtiger Schritt „in die richtige Richtung". Prävention müsse auch Gesundheitserziehung und Risiko- vermeidung umfassen. Hierzu müssen übergreifende institutionelle Ansätze entwickelt werden, die vom Bildungs- bereich (Kindergärten, Schulen) bis hin zum Versicherungsbereich ausge- dehnt werden sollen. Die SPD favori- siert eine weitgehende Regionalisie- rung des Gesundheitswesens.

Das Credo der SPD-„Gesund- heitsarbeiter" ist die Schaffung regio- naler Gesundheitskonferenzen. Diese sollen von öffentlichen und privaten

„Leistungsanbietern" einschließlich der Wohlfahrtsverbände, der Kran- kenkassen und der Patientenreprä- sentanten, der Selbsthilfegruppen und ähnlichen „Netzwerken" sowie durch Kommunen und staatliche/

kommunale Gesundheitsämter be- setzt werden. Die eigentlichen Träger des Gesundheitswesens, die akademi- schen Heilberufe, sollen unter „priva- te Anbieter" subsumiert werden.

Zentrale Aufgabe dieser rätede- mokratisch konstruierten Gesund- heitskonferenzen soll die Formulie- rung von Versorgungsmindeststan- dards sein. Gesundheitszentren sollen

„nicht quasi automatisch unter ärztli- che Leitung gestellt werden", sondern durch interdisziplinär besetzte Teams geleitet werden. Zentrale Aufgaben der Konferenzen sind nach dem SPD- Konzept: Festlegung von Inhalten, Strukturen, regionalen Budgets für sämtliche Sektoren und die Setzung von Versorgungsprioritäten. Darüber hinaus fallen den Konferenzen zen- trale Koordinierungsaufgaben zu und die Möglichkeit, Sanktionen zu ver- hängen. Dr. Harald Clade

SPD-Parteitag in Mannheim

„Räte-Demokratie"

für die Gesundheit

Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands streitet für eine Reform der Systeme der So- zialversicherung und ihrer Finanzierungsgrundlagen „an Haupt und Gliedern". Soziale Gerechtigkeit und die gerechte Verteilung von Lebenslagen in allen Gesellschaftsbereichen haben für die SPD weiter Priorität. Die beim Mannheimer Parteitag der SPD beschlossene wirtschafts-, beschäftigungs- und finanzpolitische Plattform will die Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit, der Solidarität und das „sozialökologische Leitbild" in der Gesellschafts-, Sozial- und Gesundheitspolitik implementieren. Zugleich erteilt der Parteitag in dem vom neugewählten SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine (52) wesentlich geprägten Grundsatz- papier allen „gegenwärtig dominierenden wirtschaftslibertären Ideologien" eine Absage.

A-3368 (20) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 48, 1. Dezember 1995

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Von einer paritätischen Finanzie- rung der Gesetzlichen Kranken- versicherung könne unter solchen Bedingungen keine Rede mehr sein. Außerdem haben nach An- sicht großer Teile der

Das Arzneimittel sollte nach Ablauf des Verfalldatums nicht mehr angewendet werden.. Darreichungsform und Packungsgröße: Dosier- spray mit 20 ml (N1)

Eigenverantwortung und Subsi- diarität müßten in der Sozialversi- cherung gestärkt, die Konsequenzen aus der ungünstigen demographi- schen Entwicklung gezogen werden, heißt es

Innovation und Gerechtigkeit sind für die Sozial- demokraten keine Gegensätze, son- dern – wenn auch unter Kraft- anstrengungen – austarierbare zu- kunftsträchtige Wesenselemente

Was in Münster an Papieren verabschiedet wurde, deckt sich weitgehend mit DGB-Vorstellungen oder tut dem DGB nicht weh.. Das gilt für jenen Beschluß zur Wirt- schaftspolitik

Da hilft es auch nichts, wenn die entsprechende Position 4.1 der neuen Arzneimittel-Richtlinien im Einzelfall die Zustimmung der zuständigen Krankenkasse für die Behandlung in

Diese Rolle kann Helmut Schmidt spätestens seit Berlin in- nerhalb der eigenen Partei glaub- haft und damit öffentlichkeitswirk- sam spielen.. Das Übergewicht, das aus Anlaß

Schröder wird noch deutlicher: „Auch wir haben oft genug den Eindruck er- weckt, als sei der Sozialstaat eine Für- sorgegarantie, die sich ohne eigene An- strengung nach Art