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Archiv "SPD-Parteitag: Koalition mit dem DGB" (10.01.1980)

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eric uns

einung

NACHRICHTEN

Praxisbezogene Ausbildung

ernsthaft gefährdet

Der Wissenschaftsrat hat erneut warnend auf Gefahren für die Qua- lität des Medizinstudiums hinge- wiesen. Die Regelungen des Kapa- zitätsrechts würden die medizini- schen Fächer jetzt schon in einem Maße belasten, daß eine patien- tennahe praxisbezogene Ausbil- dung ernsthaft in Frage gestellt werde. Die Grenze der Patienten- belastbarkeit sei erreicht, stellt der Wissenschaftsrat in einer Ent- schließung fest.

In den kommenden Jahren werde die Situation außerdem durch die Tatsache zusätzlich erschwert werden, daß durch gerichtlich ver- fügte Zulassungen die Ausbil- dungskapazitäten der klinischen Studienabschnitte bei weitem übersteigende Studentenzahlen zu erwarten seien. EB

Argumente für

die Krankenhaus-Reform

Grundsätzliche und aktuelle Pro- bleme bei der Krankenhausreform standen im Mittelpunkt der ge- sundheitspolitischen Vortragsver- anstaltungen des 10. Deutschen Krankenhaustages 1979 (15. bis 18. Mai in Düsseldorf).

Die mehr als 30 profunden Einzel- referate wurden in einer 204 Druckseiten starken Broschüre zusammengefaßt, die der W. Kohl- hammer-Verlag, Köln, vertreibt.

Die anstehenden Reformprobleme der Krankenhausfinanzierung und Krankenhausplanung sowie der Neuorganisation der Pflegedien- ste werden ausführlich bespro- chen und mit Zahlen und Argu- menten fundiert, die auch über den Tag hinaus noch gültig sind.

Sowohl Politiker, Experten des Verbandswesens als auch Vertre- ter der Hochschulen kommen zu Wort. HC

Neben den auch in der Öffentlich- keit hinreichend diskutierten The- men der Energie- und der Sicher- heitspolitik wirft der letzte Partei- tag der Sozialdemokratischen Par- tei Deutschlands vom 3. bis zum 7.

Dezember 1979 in Berlin einige langfristige Probleme auf, die die Partei nicht ohne weiteres wird lö- sen können.

Nach der Integration der Außer- parlamentarischen Opposition zu Beginn der siebziger Jahre sieht sich die deutsche Sozialdemokra- tie gegenwärtig mit dem Einstieg der Alternativen, insbesondere der Grünen Listen in das parteipoliti- sche Geschehen vor der Heraus- forderung durch eine weitere ge- sinnungsethische Bewegung.

Während sie es damals schwer hatte, unter dem Andrang der aka- demischen Jugend ihre Identität als Partei arbeitender Menschen zu bewahren, mußte sie sich in Berlin entscheiden, welche Be- deutung sie den grünen Randwäh- lern einräumt. Sprach sie sich zu rückhaltlos für die friedliche Nut- zung der Kernenergie aus, stärkte sie indirekt die eigenständige grü- ne Bewegung, von der zur Zeit noch Teile in der Sozialdemokra- tie beheimatet sind. Lehnte sie die Kernenergie jedoch ab, geriete das wirtschaftspolitische Konzept des Bundeskanzlers in Gefahr, das vom Deutschen Gewerkschafts- bund aus Gründen der Arbeits- platzsicherung getragen wird.

Der energiepolitische Kompromiß des Parteitags lag weniger im Be- schluß zur Kernenergie als viel- mehr in dem Verfahren, das zu diesem Beschluß führte: Die lei- denschaftliche und stundenlange Diskussion dieses und anderer kontroverser Themen in den Ar- beitskreisen und ihre Wiederho- lung im Plenum des Parteitages gaben den Kernenergiegegnern ihre innerparteiliche Bedeutung, ohne den Parteivorstand in der Sa-

che um die Entscheidung bangen zu lassen. Die rhetorischen Fähig- keiten des Bundeskanzlers und die Autorität des Deutschen Ge- werkschaftsbundes ließen die De- legierten eindeutig für das ener- giepolitische Konzept der Bundes- regierung Stellung nehmen.

Die in der realen Politik vielfach erfolgreich praktizierte Koordina- tion zwischen Kanzler und DGB bewährte sich auch in Berlin. Die- ser Eindruck wird nicht durch die schwache Stimmenzahl gemin- dert, die Helmut Schmidt bei sei- ner Wiederwahl erzielte. In den Wahlen zum Parteivorstand drück- ten sich vielmehr sehr unter- schiedliche, aber in jedem Fall nachvollziehbare Reaktionen der Delegierten aus. Mit diesem Par- teitag entkleidete sich der Partei- vorsitzende Willy Brandt durch das Niveau seiner Eröffnungsrede des Mythos, den Delegierte von ei- nem ehemals charismatischen Führer erwarten. Helmut Schmidt erhielt zwar absolut mehr, aber re-

lativ weniger Stimmen als der Vor- sitzende; den harten Kern der Atomenergie-Gegner und Pazifi- sten unter den Delegierten ver- mochte er nicht zu integrieren.

Das Ergebnis des neuen stellver- tretenden Vorsitzenden Hans-Jür- gen Wischnewski litt unter den Querelen, die zu seiner Kandidatur geführt hatten. Der Schatzmeister Friedrich Halstenberg schließlich wurde Opfer der mißglückten so- zialdemokratischen Medienpolitik.

Die Stimmenergebnisse der Vor- sitzenden und des Schatzmeisters bedeuteten trotz allem sichere Mehrheiten; ihre Dramatik gewin- nen sie vor dem Hintergrund so- zialdemokratischen Verständnis- ses von Solidarität, das jedem zusätzlichen Zehntelprozentpunkt triumphale Bedeutung beimißt.

Möglicherweise ist es ein Zeichen der Entwicklung zu einer Volks- partei, daß die SPD nunmehr auch

TAGUNGSBERICHT

SPD-Parteitag:

Koalition mit dem DGB

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 2 vom 10. Januar 1980 47

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Drohung mit der Kostendämpfung

SPD-Parteitag

mit innerparteilicher Opposition zu leben lernt, die in Wahlen und Abstimmungen nicht um der äu- ßerlichen Demonstration willen auf die Artikulation ihres abwei- chenden Willens verzichten mag.

Mit den Entscheidungen des Berli- ner SPD-Parteitages wird es den Unionsparteien schwerfallen, ihre Position in der energie- und in der sicherheitspolitischen Diskussion für die Öffentlichkeit wirksam von jener abzuheben, die die Sozialde- mokratie seit Berlin in ihren Be- schlüssen entwickeln kann. Und den Freien Demokraten bleiben nur geringe Möglichkeiten, dem Wähler deutlich zu machen, daß sie den Schutz vor übertriebenen sozialistischen Experimenten dar- stellen. Diese Rolle kann Helmut Schmidt spätestens seit Berlin in- nerhalb der eigenen Partei glaub- haft und damit öffentlichkeitswirk- sam spielen.

Das Übergewicht, das aus Anlaß der aktuellen politischen Diskus- sion der Energie- und der Sicher- heitspolitik auf dem Berliner Par- teitag zugestanden wurde, führte zu einer Vernachlässigung gesell- schaftspolitisch relevanter Anträ- ge, von denen aus Zeitmangel einige hundert ohne Beschlußfas- sung in der Sache an andere Par- teigremien überwiesen wurden.

Insofern stand der Berliner Partei- tag unter der einseitigen Zielset- zung, die Politik der Bundesregie- rung abzusichern und damit ihre Wiederwahl zu ermöglichen. Die innerparteiliche Meinungs- und Willensbildung zu den 950 Anträ- gen an den Parteitag fiel dieser Regie zum Opfer. Hierzu zählt bei- spielsweise der Antrag des Partei- vorstandes zur Wirtschaftspolitik, der nach Jahren systemverändern- der Abstinenz der SPD-Parteifüh- rung wieder das Vokabular und die Zielsetzung des Orientierungs- rahmens '85 zeigte, der 1975 in Mannheim beschlossen wurde und bald vergessen zu sein schien: Der SPD-Leitantrag und der DGB-Ent- wurf für ein neues Grundsatzpro- gramm fordern übereinstimmend den Ausbau volkswirtschaftlicher Planung. Emil Peter Müller

Die Sozialpolitik spielte im Partei- tags-Plenum kaum eine Rolle; sie geriet, ohnehin schon an den Schluß der Themenliste gestellt, am letzten Tag unter Termindruck.

Das Sozialpolitische wurde en bloc an den Vorstand überwiesen, Tendenzen sind allenfalls aus den Voten der Antragskommission' und einigen Beiträgen aus der Ar- beitsgruppe „Soziale Sicherung"

zu entnehmen. Beschlüsse sind frühestens vom SPD-Parteirat, der am 22. Februar tagt, und dem Wahlparteitag im Juni zu er- warten.

Die Arbeitsgruppe diskutierte im wesentlichen über das künftige Konzept der Altersversorgung.

Vermeintlich ist das „nur" ein Pro- blem der Rentenversicherung, tat- sächlich wird die Neuregelung der Altersrenten auch Auswirkungen auf das gesamte Sozialnetz haben, auch — beispielsweise — auf die berufsständischen Versorgungs- werke, allein schon deshalb, weil mit der „Rentenreform '84" das gesamte Rentensystem unter die Lupe genommen wird. Die Partei- tags-Arbeitsgruppe, die anhand ei- nes Papiers der Arbeitsgruppe

„Sozialpolitisches Programm"

(Leitung: Herbert Wehner) disku- tierte, neigte überwiegend zum Modell der Teilhaberente: der überlebende Ehepartner soll 70 Prozent der addierten Rentenan- sprüche beider Ehepartner erhal- ten, mindestens aber (Besitz- stand!) die selbst erworbenen An- sprüche in voller Höhe. Gegner ei- ner solchen Regelung waren im wesentlichen zwei Gruppen: eine ideologisch motivierte und die In- teressenvertretung der berufstäti- gen Frauen in Gestalt der Arbeits- gemeinschaft Sozialdemokrati- scher Frauen. Berufstätige Frau- en, die selbst hohe Rentenansprü- che haben und dazu noch einen Mann, der ebenfalls hohe Ansprü- che erworben hat, profitieren nämlich von dem heute geltenden System, das ihnen ihre vollen An-

sprüche zuerkennt und zusätzlich

— beim Tqd des Mannes — die volle Witwenrente. Bei einer 70-Pro- zent-Regelung hingegen würden sich solche Frauen verschlech- tern. Daher der Widerstand der ASF beim Parteitag.

Der andere Gegner war eine kleine Gruppe um den Bundestagsabge- ordneten Norbert Gansel. Gansel, 1969 und 1970 stellvertretender Jusovorsitzender, heute Politiker mit glaubhaftem sozialpolitischen Engagement, befürwortet eine Sockelrente und einen Ausgleich zwischen hohen und niedrigen Al- terseinkommen mittels Besteue- rung. Er blieb mit dieser Auffas- sung letztlich aber allein, nach- dem der Staatssekretär im Bun- desfinanzministerium, Dr. Rolf Böhme, vorrechnete, was eine Rentenbesteuerung fiskalisch bringt: nichts — eine Rechnung, die Leute wie Gansel nicht sonder- lich aufregen wird, da sie ja Be- steuerung um der Nivellierung wil- len und nicht aus fiskalischen Gründen vertreten.

Wenn schon die Besteuerung nichts bringen kann, dann viel- leicht ein Krankenversicherungs- beitrag der Rentner? Dieser Vor- schlag stieß auf freundliches Ver- ständnis: ein Beitrag in Höhe von 5,5 Prozent (bemessen an der Rente oder am gesamten Alters- einkommen, das wäre noch zu dis- kutieren) schien akzeptabel.

Mehrfach klang in den Diskus- sionsbeiträgen an, daß die Bela- stungsfähigkeit der Beitrags- und Steuerzahler erreicht sei. Bezogen auf die Krankenversicherung be- deutet das — und so war es in An- trägen für den Parteitag auch for- muliert — „eine Weiterentwicklung des Kostendämpfungsrechts". Be- gründung (so im Antrag 906):

„Schwerwiegend sind die Anzei- chen für eine erneute starke Stei- gerung der Gesundheitskosten und die Versuche, die volle Aus- schöpfung des Krankenversiche-

48 Heft 2 vom 10. Januar 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

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