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Archiv "Kommentar: Alfons Stauder – Hier irrt die Ministerin" (25.05.2007)

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A1444 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 21⏐⏐25. Mai 2007

1 1 0 . D E U T S C H E R Ä R Z T E T A G

Man könnte glauben, Ulla Schmidt habe beim 110. Deutschen Ärztetag persönlich demonstrieren wollen, dass es mit der historischen Aufarbeitung der NS-Vergangenheit der Ärzteschaft nicht zum Besten bestellt ist. Bei der Preisverleihung für verdienstvolle For- schungsarbeiten zur Rolle der Ärzte- schaft im Nationalsozialismus unterlief ihr wieder dieser kleine Fehler. Der

„Hartmannbund-Funktionär Stauder“

habe 1954 das Große Verdienstkreuz für seine Verdienste um die Gesund-

erhaltung des deutschen Volkes erhal- ten. Dies hatte Schmidt bereits am 5. November 2006 öffentlich bei einer Gedenkveranstaltung für die vertriebe- nen und ermordeten jüdischen Ärzte Berlins verkündet – für die Ministerin ein deutlicher Beleg dafür, dass viele Mediziner, die nach 1933 Schuld auf sich geladen hatten, nach 1945 unge- brochen ihre Karrieren fortsetzen konnten.

Nun hatte das Redemanuskript vom November den Weg auf das Vortrags- pult in der Halle Münsterland gefunden.

Aber durch Wiederholen wird Falsches nicht wahrer. Alfons Stauder war zum Zeitpunkt der angeblichen Ehrung schon mehr als 16 Jahre tot. Anders als von Ulla Schmidt angedeutet, kann man in Alfons Stauder, seit 1929 in Personalunion Vorsitzender des Deutschen Ärzte- vereinsbundes und des Hartmann- bundes, keinen aktiven Propagan- disten für die Gleichschaltung der ärztlichen Organisationen durch die Nationalsozialisten sehen.

Richtig ist, dass er der Machtüber- nahme keinen aktiven Wider- stand entgegensetzte. Er war aber nach 1933 nicht mehr in Füh- rungsgremien der Ärzteschaft vertreten.

Richtig ist auch, dass Stauder als führender Repräsentant der deutschen Ärzteschaft nach den Märzwahlen 1933 ein Glückwunschtelegramm mit dem Gelöbnis „treuester Pflichterfül- lung als Diener der Volksgesundheit“

an Reichskanzler Adolf Hitler unter- zeichnete. Zwei Tage danach wurden die beiden ärztlichen Spitzenorganisa- tionen der kommissarischen Führung Gerhard Wagners unterstellt. Nach Differenzen mit der neuen NS-Ärzte- führung trat Alfons Stauder am 7. Juni

1933 von seinen Ämtern zurück. Er hielt die „Situation für den Vorstand, der nicht einfach nachträglich Be- schlüssen zustimmen könne, an deren Zustandekommen er nicht mitgewirkt habe, für unerträglich“. So steht es im Protokoll der Vorstandssitzung des Ärz- tevereinsbundes aus dem Jahr 1933.

Unter den herrschenden Umständen sah Stauder aber keine andere Mög- lichkeit, als die Machtübertragung auf Wagner reibungslos abzuwickeln.

August de Bary, ein alter Wegge- fährte Stauders, berichtete 1949, dass Stauder in der Folgezeit Kränkungen

und Ehrverletzungen zu erleiden hatte.

Frühzeitig habe er den psychopathischen Fanatismus Hitlers erkannt und am Be- stand seiner Regierung gezweifelt. Bit- ter enttäuscht worden sei er dadurch, dass er so gut wie keine Kollegen ge- funden habe, die seine Befürchtungen geteilt und sich dem Begeisterungs- rummel widersetzt oder ferngehalten hätten. Alfons Stauder starb am 18. De- zember 1937. Einen Nachruf in der Standes- und Fachpresse habe die NS- Ärzteführung verboten, schreibt de Bary.

Dem ärztlichen Berufsstand kann man sicherlich vorhalten, sich in den Nachkriegsjahrzehnten kaum mit sei- ner schuldhaften Verstrickung in das NS-Unrechtsregime auseinanderge- setzt zu haben. Die aber seit spätes- tens Ende der 80er-Jahre zu verzeich- nende Aufarbeitung dieser Vergangen- heit auch durch die Ärzteschaft selbst sollte von der Gesundheitsministerin zur Kenntnis genommen werden, bevor sie sich öffentlich dazu äußert.

In dem Zusammenhang noch ein Tipp für Ulla Schmidt, sollte sie das Re- demanuskript noch einmal verwenden

wollen. Lohnenswert wäre ein Blick in die „Geschichte der deutschen Ärzteschaft“. Das Buch erschien 1997 zum 100. Deutschen Ärztetag im Auftrag der Bundesärztekam- mer. Dort würde sie auch erfahren, welcher „Hartmannbund-Funk- tionär“ nach 1933 einen verach- tenswerten Opportunismus an den Tag legte und gleichwohl 1954 mit dem Verdienstkreuz ausgezeichnet

wurde. I

KOMMENTAR

Thomas Gerst

ALFONS STAUDER

Hier irrt die Ministerin

Alfons Stauder (1878–1937), seit 1926 Vorsitzender des Deutschen Ärztevereinsbundes und seit 1929 in Personalunion auch des Hartmannbundes

Foto:Archiv

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