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Archiv "2. Ärzteblatt-Wortwechsel: Junge Ärzte wollen planen können" (29.06.2007)

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Deutsches ÄrzteblattJg. 104Heft 2629. Juni 2007 A1879

A

ls Dr. med. Frank Rissel vor sechs Jahren seine Koffer packte und nach Schweden auswan- derte, war Ärztemangel in Deutsch- land noch kein Thema. Im Gegen- teil: Rissel hatte große Schwierig- keiten, eine geeignete Assistenten- stelle in der Chirurgie zu finden, die er für die Weiterbildung zum Allge- meinmediziner dringend brauchte.

Grund genug, Berlin zu verlassen und ins Ausland zu gehen. Bereut hat er diese Entscheidung nie. Denn im südschwedischen Norrköping hat er geregelte Arbeitszeiten und Zeit für sein Privatleben. Überstunden wer- den bezahlt. „Außerdem habe ich gesehen, wie gut die Ausbildung in Schweden ist. Ich hatte eine ganz strukturierte Weiterbildung“, berich- tete Rissel bei der Podiumsdiskussi- on „Deutschland ohne Ärzte?“ Mitte Juni in Berlin, die in der Reihe Ärzteblatt-Wortwechsel stattfand. In Schweden hat jeder Weiterbildungs- assistent einen Mentor. Was ein Arzt an Forschung und Lehre zu leisten hat, ist im Arbeitsvertrag genau fest- gelegt. Eine Rückkehr nach Deutsch- land? Die komme für den Allgemein- arzt überhaupt nicht infrage, wie er auf Nachfrage der Moderatorin, DÄ-

Redakteurin Dr. med. Eva Richter- Kuhlmann, versicherte. In Schwe- den sei er rundum zufrieden.

Wie Rissel haben etwa 12 000 Ärztinnen und Ärzte in den vergange- nen Jahren Deutschland verlassen.

Viele kommen nie zurück. Denn in Skandinavien, Großbritannien und in der Schweiz ist das Realität, was hier- zulande vielfach ein frommer Wunsch bleibt: Leben und Arbeiten ist zumin- dest einigermaßen planbar. „Die meis- ten Ärzte wollen ihre Arbeit machen, davon anständig leben und planen können“, sagte Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, Vorsitzender des Mar- burger Bundes (MB) und Vizepräsi- dent der Bundesärztekammer. Mont- gomery sieht die Arbeitgeber in der Pflicht, endlich bessere Rahmenbe- dingungen für die ärztliche Tätigkeit zu schaffen. Die Krankenhäuser müssten endlich die Mitarbeiter als ihr wichtigstes Gut begreifen.

Mobilität darf keine Einbahnstraße bleiben

Im Prinzip sei nichts dagegen einzu- wenden, wenn deutsche Ärzte im Ausland arbeiteten. Der europäische Arbeitsmarkt biete große Chancen.

Daran bestehe für den MB-Chef kein

Zweifel. Doch er sieht ein großes Problem: „Die Deutschen arbeiten gerne im Ausland, aber die Ärzte aus anderen Ländern nicht bei uns.“ Die Gründe dafür seien vielfältig, beton- te Montgomery: „Wir haben eine Trias von Problemen: Vergütung, Ar- beitszeit und Hierarchien im Kran- kenhaus. Da müssen wir ansetzen.“

Die Mobilität auf dem internatio- nalen Arbeitsmarkt wird für Deutsch- land immer mehr zur Einbahnstraße.

Was also ist zu tun? „Wir können nicht die Attraktivität des Auslands mindern. Wir müssen die Attraktivität des Arztberufs in Deutschland stei- gern“, forderte Maurice Dantes von der Bundesvertretung der Medizin- studierenden in Deutschland. Wäh- rend die große Mehrheit der Medizi- ner im Studium noch hoch motiviert sei, werde der Berufseinstieg für vie- le zum Dämpfer. Unbezahlte Über- stunden, ungeregelte Arbeitszeiten und eine schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Familie spielten dabei eine wichtige Rolle. Ebenso sei die Hier- archie in deutschen Krankenhäusern für die jungen Ärzte abschreckend.

Viele wanderten dann ernüchtert ins Ausland, aber auch in alternative Be-

rufsfelder ab. 1

2. ÄRZTEBLATT-WORTWECHSEL

Junge Ärzte wollen planen können

Immer mehr Ärztinnen und Ärzte wandern ins Ausland ab. Eine strukturierte Weiterbildung und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben könnten das verhindern,

lautet das Fazit des Ärzteblatt-Wortwechsels in Berlin.

Fotos:Georg J.Lopata

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A1880 Deutsches ÄrzteblattJg. 104Heft 2629. Juni 2007

P O L I T I K

Die Fehler, die heute im stationären Bereich gemacht würden, hätten weitreichende Auswirkungen, er- gänzte Montgomery. Denn der Nach- wuchs fehle später in den Praxen.

Diese Entwicklung im niederge- lassenen Bereich ist bereits heute deutlich spürbar. Sowohl bei den Haus- als auch bei den Fachärzten sei eine Überalterung festzustellen. Das berichtete Dr. med. Andreas Köhler, Vorstandsvorsitzender der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung (KBV).

Schon jetzt sei mancherorts die Flächenversorgung schwierig, aber sogar im „Speckgürtel“ um Berlin gebe es freie Kassenarztsitze. Inso- fern biete die Überalterung der Ärz- teschaft dem Nachwuchs große Chancen. „Wer bereit ist, sich an un- attraktiven Standorten niederzulas- sen, dem wird heute ein roter Teppich ausgerollt und der hat auch gute Verdienstmöglichkeiten“, sagte der KBV-Chef.

Ganz neue Möglichkeiten eröff- nen sich Köhler zufolge mit dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VändG). Die Arbeit im niedergelas- senen Bereich werde flexibler und damit attraktiver – gerade auch für junge Mediziner. Ärzte könnten künf- tig beispielsweise gleichzeitig in ei- ner Praxis und im Krankenhaus ar- beiten und einfacher als Angestellte in Praxen tätig sein. Gleichwohl räumte Köhler ein, die Kassenärztli- chen Vereinigungen (KVen) müssten die Beratung von Niederlassungswil- ligen verbessern. „Da haben wir noch Defizite“, erklärte Köhler.

Selbstkritische Töne schlug der KBV-Vorstandsvorsitzende auch be- züglich der ärztlichen Selbstverwal- tung an. Nicht nur bei den Kas- senärzten, sondern auch bei den Mandatsträgern in Kammern und

KVen stelle er eine Überalterung fest. Manche Funktionäre könnten die Schwierigkeiten junger Kollegen gar nicht nachvollziehen. Mehr jun- ge Ärztinnen und Ärzte müssten für eine Mitarbeit in Entscheidungsgre- mien gewonnen werden.

Ohne Ärztinnen geht es nicht

Wer über Ärztemangel redet, muss vor allem die Medizinerinnen im Blick haben. Immerhin sind mittler- weile mehr als die Hälfte der Berufs- anfänger weiblich. Gerade Ärztin- nen fällt die Karriere jedoch nach wie vor nicht einfach so zu. Umso wichtiger sei es, dass Frauen ihre berufliche Laufbahn genau planen, wie Prof. Dr. med. Marion Kiechle- Bahat, Direktorin der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Kli- nikum rechts der Isar der Techni- schen Universität München, erläu- terte. „Wer als Bewerber oder Be- werberin einen festen Plan von sei-

nem Berufsweg hat, ist fast schon engagiert“, sagte die Ordinaria.

Kiechle-Bahat plädierte außerdem dafür, Frauen stärker zu fördern, et- wa mit Mentoring-Programmen.

Obwohl Umfragen zeigen, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Fa- milie nicht nur ein „Frauenthema“ ist, sondern auch für Medizinstudenten und junge Ärzte eine Rolle spielt: Ein Kind ist in der Regel immer noch mit einem Karriereknick für die Frau ver- bunden. „Die meisten Krankenhäuser haben aber nach wie vor keine Kin- derbetreuung“, kritisierte Kiechle- Bahat. Für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie seien darüber hinaus flexible Arbeitszeitmodelle unerlässlich. „Man muss alte Tradi- tionen aufbrechen“, verlangte Dr. med.

Esther Gaertner, Oberärztin in Teil- zeit am Sankt-Gertrauden-Kranken-

haus in Berlin. Muss ein Arzt umso länger im Krankenhaus präsent sein, je mehr Verantwortung er trägt?

Diese Frage beantwortet die Gynäko- login mit einem eindeutigen Nein.

Auch für männliche Kollegen sind ihrer Meinung nach flexible Beschäf- tigungsmodelle eine interessante Op- tion, sie werden immer stärker ge- nutzt. Dass Teilzeitarbeit auch im ambulanten Bereich attraktiv sei, ver- deutlichte Dr. med. Margrit Lock. Sie hat sich mit zwei Kollegen in Berlin niedergelassen. Zu dritt teilten sie sich zwei Kassenarztsitze. Die Or- thopädin arbeitet halbtags. Locks Tipp für junge Ärztinnen und Ärzte, die Familie und Beruf vereinbaren wollen: „Netzwerke bilden – beruf- lich und privat“.

Baustelle Weiterbildung

„Die Krankenhäuser müssen stär- ker auf die Frauen achten. Sie dür- fen nicht 50 Prozent der Bewerber

ignorieren“, sagte auch Arbeits- marktexperte Dr. Wolfgang Martin.

Eine weitere große Baustelle ist aber für ihn die ärztliche Weiterbil- dung. Die Nachfrage nach Fachärzten sei schon jetzt nicht zu decken. Die Krankenhäuser müssten deshalb im eigenen Interesse aktiv werden und in die Weiterbildung investie- ren, um junge Ärzte qualifiziert und strukturiert auszubilden. Die Möglichkeit, den Ärztemangel in Deutschland durch Zuzug, etwa osteuropäischer Mediziner, auszu- gleichen, hält er für begrenzt: „Das ist keine Möglichkeit, dem Ärzte- mangel Herr zu werden.“ Seine Prognose: „Der Nachwuchsmangel wird kein vorübergehendes Pro- blem sein.“ Umso wichtiger ist es also, das schnell etwas passiert. n Dr. med. Birgit Hibbeler

Maurice Dantes Frank Rissel Andreas Köhler Marion Kiechle-Bahat Frank Ulrich Montgomery

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