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Archiv "Wenn einer eine Reise tut ..." (20.03.1992)

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Die gynäkologische Klinik in Bari Foto: Barbara Becher-Schloz

DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

BLICK INS AUSLAN

Wenn einer eine Reise tut • • •

„In Bari bist du schon recht nahe an Afrika!" — diesen Satz, den mir ein wohlmeinender Deutscher mit auf den Weg in das Auslandsseme- ster nach Süditalien gab, lernte ich erstmals zu verstehen, als ich mich mit dem „Policlinico", der dortigen Uniklinik, konfrontiert sah. Die mei- sten Gebäude stammen aus der Zeit Mussolinis und wurden seither an- scheinend nicht mehr renoviert.

Der ärmliche Eindruck, den die Kliniken von außen machten, wurde von innen noch untermauert; die ho- hen, kalten Krankenzimmer, in de- nen der Putz von den Wänden blät- terte, erweckten so mancherorts auf bedrückende Weise Erinnerungen an Lazarette in Nachkriegsfilmen.

Einige wenige Kliniken waren renoviert oder neu erbaut und die Patientenzimmer von acht auf drei bis vier Betten reduziert worden;

doch für solche Maßnahmen fehlte normalerweise das Geld. Das Policli- nico kann als Sinnbild des großen wirtschaftlichen und sozialen Gefäl- les zwischen dem Norden und dem Süden Italiens bezeichnet werden.

Die politischen Winkelzüge, die die Geschicke Süditaliens auf undurch-

schaubare Weise bestimmen, haben eben Investitionen ins Policlinico nicht vorgesehen. Wer es bezahlen kann, geht ohnehin in private Häu- ser. Dort entfallen lange Wartezei- ten auf Behandlung oder die Opera- tion, und der Herr Professor — übri- gens derselbe, der auch im Policlini- co arbeitet — macht sich in seiner Pri- vatklinik unverzüglich ans Werk.

Diese weist dann auch einen durch- weg anderen Standard auf.

Aber zurück zum Policlinico.

Von dessen optisch desolatem Zu- stand wollte ich mich nicht beirren lassen. Die Erfahrungen jedoch lie- ßen ernste Zweifel an den Struktu- ren aufkommen Den zu zementie- renden Gang in den gynäkologischen Operationssaal durchschritt drei Ta- ge lang sämtliches Personal, wäh- rend sich weder dessen Fertigstel- lung anbahnte noch der herumflie- gende Sand und Schmutz je beseitigt wurde. Handdesinfektionsmittel und Handtücher auf der Neonatologie fehlten auf unbestimmte Zeit, ein Arzt ging in Straßenkleidung und -schuhen durch den OP (scheinbar sind Italiens Chefs wirklich ste- ril . . .).

Jegliche Mißstände werden von den dort arbeitenden Ärzten mit hei- terer Gelassenheit hingenommen;

ein Schulterzucken bekräftigt die ei- gene Unfähigkeit, die Dinge zu än- dern. So versucht man dort, die un- ter diesen Umständen bestmögliche Arbeit zu tun — und das gelingt durchaus. Innerhalb des Semesters hatte ich Einblick in sechs verschie- dene Kliniken, da ich jeweils, ähnlich einer Famulatur, vorlesungsbeglei- tend mehrwöchige Blockaufenthalte in der jeweiligen Klinik verbrachte.

Dies war jedoch nicht das übli- che Procedere für alle Studenten, sondern ein Entgegenkommen für die ausländischen Gaststudenten, auf deren Anwesenheit man sichtlich stolz war. Während italienische Stu- denten nur mit Schwierigkeiten in die Kliniken gelangen, gab man sich für die spärliche Zahl ausländischer Studenten sehr viel Mühe.

In jeder Klinik gab es eine

„Keimzelle" hervorragender Ärzte, besonderer Geräte oder neuer High- Tech, und es verstand sich von selbst, daß Gaststudenten dorthin, gewis- sermaßen ins „Schaufenster" der Klinik gebracht wurden. So konnte ich bei beeindruckenden Untersu- chungen und Eingriffen dabei sein, die ich im Rahmen des Studiums in Deutschland sicher nicht gesehen hätte — jedoch immer mit dem bitte- ren Beigeschmack, daß das mir Er- möglichte den eigenen Studenten der Uni nicht erlaubt war. Sie leisten zwar einen mehrmonatigen „tiroci- nio" ab (vergleichbar mit unserem Praktischen Jahr), werden dabei aber oftmals bestenfalls auf Station abgeschoben; häufig wird ihnen das Gefühl vermittelt, daß es nichts aus- machen würde, wenn sie nicht kä- men und sie sich der Anwesenheits- Unterschrift dennoch sicher sein könnten.

Quintessenz eines Semesters in Süditalien: Sowohl fachlich als auch insbesondere persönlich kann man nur profitieren. Die Erfahrungen sind unwiederbringlich und durch nichts zu ersetzen.

Anschrift der Verfasserin:

Barbara Becher-Schloz Erzberger Str. 12

W-6604 Brebach-Fechingen

Erfahrungsbericht über ein Auslandssemester in Bari

Dt. Arztebl. 89, Heft 12, 20. März 1992 (35) A1-997

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