Die Information:
Bericht und Meinung Ärztliche Selbstverwaltung
nur die Wiederwahl sichern sollen.
Es kann nicht mehr flink an Sym- ptomen herumkuriert und von der Hand in den Mund gelebt, es müs- sen vielmehr langfristige Konzep- tionen erarbeitet werden. Das En- gagement der Ärzte und ihrer Selbstverwaltung ist dazu nötig, um den Vorrang der Individualbe- ziehung zwischen Patient und Arzt zu erhalten und auszubauen und eine totale Bürokratisierung mit völliger Entpersönlichung zu ver- meiden.
Innerhalb der Gesellschaft — aber sicher auch bei manchen Ärzten — ist ein neues Rollenverständnis der Ärzte und ihrer Tätigkeit erfor- derlich. Ärztliches Engagement, Engagement der ärztlichen Selbst- verwaltung sollte nicht mehr damit abqualifiziert werden, daß nur vor- dergründige Interessenpolitik be- trieben und Partikularinteressen vertreten würden, vor denen die Gesellschaft geschützt werden müsse. Es gilt, dem Menschen den gerade angesichts von Krankheit und Tod unbedingt nötigen Frei- raum zu erhalten, der nur dann sinnvoll genutzt werden kann, wenn auch der Bezugsperson in dieser Situation — dem Arzt — die- ser Freiraum erhalten bleibt.
Zur Sicherung der individuellen Versorgung aller kranken Men- schen ist in Zukunft ebenso wie für alle Maßnahmen, die Schädigun- gen der Gesundheit vermeiden sollen, ein überindividuelles ge- sellschaftliches Engagement der Ärzte und ihrer Selbstverwaltung unabdingbar. Es muß den Part- nern in -unserem Staat überzeu- gend klargemacht werden, daß sich nicht in allen Konsequenzen durchdachte Aktivitäten in der Ge- sundheitspolitik nur zu Lasten der Menschen auswirken können und daß ein Aktionismus zur Siche- rung der Wiederwahl fehl am Plat- ze ist. Wenn gesagt wurde, Ge- sundheitspolitik sei viel zu ernst, um sie allein den Ärzten zu über- lassen, so trifft mit Sicherheit auch das Gegenteil zu: Sie ist viel zu ernst, um sie ausschließlich den Politikern zu überlassen!
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NACHRICHTEN
Komitee zur Verhütung von Blindheit
Im Rahmen der „International Agency for the Prevention of Blindness" hat sich auch in der Bundesrepublik ein nationales Ko- mitee zur Verhütung von Blindheit gebildet. Das Komitee hat seinen Sitz in Bensheim. In fast allen europäischen Ländern bestehen inzwischen solche Komitees, die auf nationaler und internationaler Ebene alle Bemühungen zur Prä- vention der Erblindung anregen und fördern wollen; außerdem be- mühen sie sich, die Hilfsaktionen für Länder der Dritten Welt aufein- ander abzustimmen. Vorsitzender des Komitees in der Bundesrepu- blik ist Prof. Dr. med. W. Leydhek- ker, Würzburg; ferner gehören dem Komiteevorstand an, der Vor- sitzende des Deutschen Blinden- verbandes e. V., Dr. Horst Geissler, Bonn, der Kasseler Augenarzt Dr.
med. Eberhard Wagner und als Vertreter der Christoffel-Blinden- mission e. V. in Bensheim, W. A.
Stein. bt
Eine teure
Informationskampagne
Für ihre Informationskampagne im Zusammenhang mit dem 21. Ren- tenanpassungsgesetz hat die Bun- desregierung weit über 2,6 Millio- nen DM ausgegeben. Dies erklärte der Parlamentarische Staatssekre- tär im Bundesarbeitsministerium, Buschfort, auf eine mündliche Frage der CDU-Bundestagsabge- ordneten Dr. med. dent. Hanna Neumeister.
Der dickste Brocken war eine Zei- tungsbeilage in der Regionalpres- se mit einer Auflage von 12,7 Mil- lionen Exemplaren, die voraus- sichtlich zwei Millionen DM ko- stete.
Eine Anzeige in der Gewerk- schaftspresse sowie in Zeitschrif- ten aller drei im Bundestag vertre- tenen Parteien mit einer Auflage von 3,7 Millionen kostete die
deutschen Steuerzahler runde 99 000 DM.
Sechs Anzeigen in der Boulevard- Presse waren schon für 430 000 DM zu haben.
Geradezu billig erscheint dagegen der vom Bundesarbeitsministe- rium verbreitete Leitfaden zum Entwurf des 21. Rentenanpas- sungsgesetzes mit einer Auflage von 106 800 Exemplaren für runde 40 000 DM.
Eine Lesezirkel-Beilage in 200 000 Auflage schlug mit 28 000 DM zu Buche.
Staatssekretär Buschfort erklärte, die Bundesregierung sei der Mei- nung, daß diese Aufklärungsak- tion notwendig war. A +S
Mehr Studenten aus Arbeiterfamilien
Nach einer Erhebung des Deut- schen Studentenwerks, Bonn, kommt heute jeder siebte Student aus einer Arbeiterfamilie; 1963 sei es lediglich jeder siebzehnte ge- wesen. Während heute etwa jeder 63. Student einen ungelernten Ar- beiter zum Vater habe, sei es 1963 erst bei jedem 250. der Fall gewe- sen. Gleichzeitig sank der Anteil der Arbeiter an der Erwerbsbevöl- kerung von 48 auf knapp 43 Pro zent. Seit 1963 sei aber, wie der Informationsdienst des Instituts deutscher Wirtschaft berichtet, auch die Zahl der Kinder aus Aka- demikerfamilien an den Hoch- schulen von 34 Prozent auf rund 44 Prozent gestiegen. iwd
Psychiatrie:
Teil- und halbstationäre Versorgung gefordert
Die Bundesregierung befürwortet die Einrichtung spezieller Dienste im ambulanten wie im komple- mentären, rehabilitativen Bereich der psychiatrischen, psychisch-
therapeutisch-psychosomati- schen Versorgung, zu denen auch teil- und halbstationäre Einrich-
2176 Heft 39 vom 28. September 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Gemeinsame Aufgabe: Arbeitsschutz
Um Unfallverhütung und Gesundheitsschutz in den Betrieben bemühen sich (Stand: Anfang 1978)
vor Ort 6000 Ärzte
40 000 Sicherheitsfachkräfte 312 192 Sicherheitsbeauftragte 170 Arbeitsmedizinisdie Zentren (60 weitere geplant oder im Aufbau)
in Forschung und Ausbildung Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Unfallforschung 3 Arbeitsmedizinische Akademien etwa 30 Lehrstühle/Lehraufträge für Arbeitsmedizin
etwa 30 Ausbildungsstätten für Sicherheitskräfte
in der Aufsicht 69 Gevverbeaufsiditsämter 1) mit
70 staatlichen Gewerbeärzten und 2500 Gewerbeaufsidttsbeamten 35 gewerblichen Berufsgenossenl schatten
19 landwirtschaftlichen Berufs- genossenschaften 1) 41 Eigenunfallversicherung.,
verbände tedmischenefsidits- personal zusammen 1421 Personen
iwd . 1978
Deutscher
Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung 9 Stand Ende 1976
Seit Inkrafttreten des sogenannten Arbeitssicherheitsgesetzes (1. Dezember 1974) hat sich die Zahl der ausgebildeten Betriebsärzte von 1500 auf 6000 erhöht, also vervierfacht. Die Zahl der in den Betrieben tätigen Sicherheitsin- genieure und anderer Fachkräfte für Arbeitssicherheit erhöhte sich im glei- chen Zeitraum von 2000 auf 40 000. Dennoch ist der Bedarf noch längst nicht gedeckt, um dem Gesetz vollauf Genüge zu tun iwd/DÄ
Die Information:
Bericht und Meinung
tungen gerechnet werden müßten.
Über Art und Umfang der Lei- stungen und deren Finan- zierung, gibt es nach Auskunft der Bundesregierung gegenwärtig allerdings noch keine klaren Vorstellungen.
Die vom Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit geförderten Modellvorhaben, die vor allem spezielle Dienste außer- halb des Tätigkeitsfeldes von nie- dergelassenen Ärzten und zuge- lassenen Psychotherapeuten be- treffen, sollen dazu beitragen, die damit zusammenhängenden Pro- bleme zu lösen. Die Bundesregie- rung beabsichtigt, über die Ergeb- nisse von Modellvorhaben in der Stellungnahme zur Psychiatrie- Enquete zu berichten. Noch im Herbst dieses Jahres soll diese im Plenum des Deutschen Bundesta- ges diskutiert werden. DÄ
Krankenpflegegesetz:
DKG für
ungeteilte Verantwortung
Kritik am Entwurf des Kranken- pflege- und Hebammengesetzes üben Vorstand und Präsidium der Deutschen Krankenhausgesell- schaft (DKG). Krankenpflege- und Hebammenschulen müssen nach Meinung der Krankenhausgesell- schaft nicht nur „funktional, son- dern zwingend auch räumlich in- tegrierter Bestandteil eines Kran- kenhauses" sein. Demgegenüber will der Gesetzentwurf diese Schu- len von den Krankenhäusern tren- nen und verselbständigen.
Nach Auffassung der DKG müssen fachtheoretischer und fachprakti- scher Unterricht in einer Hand lie- gen und dazu vor allem auch be- sonders befähigte Krankenpflege- personen, Hebammen, Ärzte und sonstige Fachkräfte verantwort- lich eingesetzt werden können.
Kernpunkt der DKG-Forderungen ist, daß durch das Krankenpflege- und Hebammengesetz sowie die dazu noch zu erlassenden Ausbil-
dungs- und Prüfungsordnungen den nichtärztlichen Fachberufen des Gesundheitswesens ein be- sonderer Raum an der Nahtstelle zwischen schulischer und betrieb- licher Ausbildung im Sinne eines eigenständigen dritten Weges zu- gewiesen wird.
Die Krankenhaus-Spitzenorgani- sation setzt sich dafür ein, die Aus- bildung von Krankenpflegeperso- nen und Hebammen abschließend und bundeseinheitlich zu regeln.
In einem Schreiben an die Bun- desregierung und die zuständigen Länderministerien unterstreicht die DKG, daß eine solche Ausbil- dung die Identität von Kranken- haus- und Schulträgerschaft und die damit unteilbare Verantwor- tungsträgerschaft für theoreti- schen und praktischen Unterricht sowie für die praktische Ausbil- dung am Krankenbett „unabding- bar" voraussetzt. DÄ
„Abtreibungs-Mekka"
Niederlande
Die Niederlande sind für abtrei- bungswillige deutsche Frauen of- fenbar immer noch das Abtrei- bungsland Nummer eins. Das
Bundesgesundheitsministerium schätzt, daß allein 1977 etwa 60 000 Frauen aus der Bundesrepublik in den Niederlanden Schwanger- schaftsabbrüche haben durchfüh- ren lassen.
Dies entspricht ungefähr der Zahl der legalen Schwangerschaftsab- brüche im Inland für denselben Zeitraum —, die amtliche Statistik nennt 54 309 —zugleich einer Dun- kelziffer von Schwangerschaftsab- brüchen, die zwar legal von zuge- lassenen Einrichtungen durchge- führt wurden, aber dem Statisti- schen Bundesamt möglicherweise nicht gemeldet worden sind. i>
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 39 vom 28. September 1978 2177