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Archiv "Aufhörversuche und -wille bei älteren Rauchern" (03.07.2009)

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D

ie weiterhin sehr unbefriedigende Situation hin- sichtlich des Tabakkonsums in Deutschland ist unbestritten. Allein in der Bundesrepublik wird die Zahl der hierdurch bedingten Todesfälle auf jährlich 100 000 bis 140 000 geschätzt (1). Die Diskussion um eine ent- schiedenere Bekämpfung dieses bedeutsamen Gesund- heitsproblems ist durch die aktuelle Stellungnahme der Bundesärztekammer (BÄK) zu Empfehlungen des Dro- gen- und Suchtrates an die Drogenbeauftragte der Bun- desregierung vom 5. September 2008 wiederbelebt wor- den. Hierin kritisiert die BÄK die Strategieempfehlun- gen zur Tabakentwöhung als nicht weitreichend genug.

Die Forderung, eine „Tabakabhängigkeit bei Vorliegen der im ICD 10, F17 aufgeführten Kriterien“ als behand- lungswürdige Krankheit anzuerkennen und „entspre- chende vergütungsrechtliche Rahmenbedingungen“ zu schaffen, stieß auf ein reges Medieninteresse. Die Fra- ge, ob Rauchen eher selbstbestimmtes „Lifestyle“- oder aber Suchtphänomen mit Krankheitswert sei, ist einmal mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt (2).

Tatsache ist, dass nur etwa 5 % der Raucherinnen und Raucher, die einen Aufhörversuch ohne weitere Hilfe unternehmen, nach einem Jahr noch Tabak-abstinent le- ben (3). In klinischen Studien zu verschiedenen Phar- makotherapien konnten die Aufhörraten gegenüber ei- ner Placebobehandlung etwa verdoppelt werden (4).

Als Beitrag zur gegenwärtigen öffentlichen Diskussi- on wird im Folgenden die Häufigkeit von Aufhörversu- chen und -willigkeit bei älteren Rauchern beschrieben.

Besondere Beachtung wird dabei dem Rauchen bei be- reits bestehenden kardiovaskulären und anderen rele- vanten chronischen Erkrankungen geschenkt. Diese Krankheiten werden durch den demografischen Wandel weiter zunehmen. Sie sind per se mit einer besonders ne- gativen Prognose beziehungsweise einem bedeutend er- höhten kardiovaskulären Risiko verbunden, das sich durch Rauchen zusätzlich verschlechtert.

Methoden

Die im Folgenden dargestellten Analysen umfassen Da- ten der Basiserhebung der ESTHER-Studie (Epidemiolo- gische Studie zu Chancen der Verhütung, Früherkennung und optimierten Therapie chronischer Erkrankungen in der älteren Bevölkerung). Das auf prospektive Nachun- tersuchungen ausgelegte Studiendesign mitsamt detail- ORIGINALARBEIT

Aufhörversuche und -wille bei älteren Rauchern

Epidemiologische Beiträge zur Diskussion um „Lifestyle“ versus „Sucht“

Lutz Ph. Breitling, Dietrich Rothenbacher, Christa Stegmaier, Elke Raum, Hermann Brenner

ZUSAMMENFASSUNG

Hintergrund: Forderungen der Ärzteschaft nach Änderun- gen der vergütungsrechtlichen Rahmenbedingungen hin- sichtlich der Raucherentwöhnung finden derzeit reges Me- dieninteresse. Dadurch ist auch die Frage, ob Rauchen eher ein selbstbestimmtes „Lifestyle“- oder ein Suchtphä- nomen mit Krankheitswert ist, erneut in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt.

Methoden: In einer bevölkerungsbezogenen Studie im Saarland wurden 10 000 Menschen (50–74 Jahre) zu Ge- sundheitsverhalten und Krankheitsvorgeschichte befragt.

Bezogen auf alle tabakkonsumierenden Teilnehmer wur- den die Häufigkeiten von Aufhörversuchen und -motivation analysiert sowie nach vorbestehenden Krankheiten, deren Risikopotenzial durch Rauchen zusätzlich stark erhöht wird, stratifiziert.

Ergebnisse: Von 1 528 Teilnehmern, die bei Studienbeginn Raucher waren, berichteten 76 % (95-%-Konfidenzinterval [95-%-KI]: 73,7–78,0) von mindestens einem Rauchstopp- versuch in der Vergangenheit. Bei vorbestehenden Risiko- konditionen nahm dieser Anteil weiter zu und erreichte bei Patienten mit bekannter Herz-Kreislauf-Erkrankung 89 % (95-%-KI: 83,1–93,0). Lediglich 11 % der Raucher zeigten sich mit ihrem Rauchverhalten zufrieden. 30 % der Pro- banden gaben an, weniger rauchen zu wollen und 59 % er- klärten, dass sie gerne ganz aufhören würden.

Schlussfolgerung: Die Mehrheit der Raucher in der älteren Generation der deutschen Bevölkerung möchte das Rau- chen aufgeben und hat dies wiederholt erfolglos versucht.

Besonders komorbide Risikopatienten, deren Zahl durch den demografischen Wandel weiter steigen wird, sind mo- tiviert und würden besonders von einer effizienten Rau- cherentwöhnung profitieren. Der geradezu zynischen Dar- stellung des Rauchens als selbstbestimmtem „Lifestyle“

muss aufs Deutlichste entgegengetreten werden.

Dtsch Arztebl Int 2009; 106(27): 451–5 DOI: 10.3238/arztebl.2009.0451 Schlüsselwörter: Rauchen, Nikotinentwöhnung, Epidemiolo- gie, Gesundheitsverhalten, Komorbidität

Abteilung für Klinische Epidemiologie und Alternsforschung, Deutsches Krebs- forschungszentrum Heidelberg, Heidelberg: Dr. med. Breitling, Prof. Dr. med.

Rothenbacher, Dr. med. Raum, Prof. Dr. med. Brenner

Gesundheitsberichterstattung Saarland – Epidemiologisches Krebsregister, Saarbrücken: Stegmaier

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lierter Charakterisierung der Studienpopulation wurde bereits an anderer Stelle ausführlich beschrieben (5). Für diese Studie wurden im Saarland in den Jahren 2000 bis 2002 knapp 10 000 Teilnehmer im Rahmen eines „Ge- sundheits-Checkups“ durch niedergelassene Ärzte rekru- tiert. Die Probanden waren bei Studienbeginn 50 bis 74 Jahre alt. Die hier verwendeten Daten stammen aus stan- dardisierten Fragebögen, die die Teilnehmer bei der Ba- sisuntersuchung ausfüllten. Gewicht und Körpergröße zur Definition von Übergewicht (Body-Mass-Index

> 25–30 kg/m²) und Fettleibigkeit (> 30 kg/m²) wurden als Bestandteil des Check-ups erfasst.

Studienteilnehmer, die aufgrund der Selbstangaben als gegenwärtige Raucher einzustufen waren, wurden hinsichtlich ihrer selbstberichteten Aufhörversuche („Haben Sie jemals versucht, mit dem Rauchen auf- zuhören?“ „Nein. / Ja, einmal. / Ja, mehrmals.“) und ih- rer Aufhör- beziehungsweise Reduktionswilligkeit („Würden Sie gerne mit dem Rauchen aufhören bezie- hungsweise weniger rauchen als bisher?“ „Nein, weder

noch. / Ja, weniger rauchen. / Ja, ganz aufhören.“) kate- gorisiert. Die prozentualen Anteile der jeweiligen Ant- worten wurden zunächst getrennt nach Geschlecht und Alter betrachtet, anschließend bezogen auf solche Teil- nehmer, die das Vorliegen einer bedeutenden Grund- erkrankung berichteten. Die Anteile wurden mit ihren 95-%-Konfidenzintervallen (95-%-KI) beschrieben, stellenweise sind der Übersichtlichkeit halber die Ab- solutzahlen angegeben.

Ergebnisse

Die Basiserhebung der ESTHER-Studie (5) wurde von Juli 2000 bis Dezember 2002 durchgeführt. Von der Studienpopulation, die für die entsprechende Alters- gruppe sowohl der saarländischen als auch der gesamt- deutschen Bevölkerung repräsentativ war, wurden 1 652 Teilnehmer als Raucher eingeordnet (Niemals-Raucher:

4 923; frühere Raucher: 3 130; fehlende Werte: 248).

Die weiteren Ausführungen beziehen sich auf diese 17 % der Gesamtkohorte. Das Geschlechterverhältnis war mit 825 Frauen und 827 Männern ausgewogen, wo- hingegen unter den früheren Rauchern nur 30 % Frauen waren. In die Altersgruppe 50 bis 59, 60 bis 69 und 70 bis 74 Jahre fielen 51 %, 40 % beziehungsweise 9 % der Raucher (Altersmedian [1. bis 3. Quartil]: 59 [54 bis 64]

Jahre). Die Mehrheit rauchte seit dem 21. Lebensjahr oder hatte schon früher damit begonnen (69 %; mediane Rauchdauer [1. bis 3. Quartil] bis zu Studienbeginn: 38 [33 bis 44] Jahre). Die gegenwärtige Rauchintensität war oft sehr hoch (20 bis 29 Zigaretten pro Tag: 39 %;

30 Zigaretten pro Tag: 17 %; Median [1. bis 3. Quar- til]: 20 [10 bis 22] Zigaretten pro Tag). Alters- und ge- schlechtsspezifische Darstellungen des Rauchverhal- tens der ESTHER-Kohorte insgesamt findet man bei Twardella et al. (6, 7).

Von 1 528 (92 %) Rauchern waren Angaben zu bis- herigen Aufhörversuchen verfügbar. Von diesen gaben 1 160 (76 %) an, bereits mindestens einmal einen Auf- hörversuch unternommen zu haben. Diese Zahl schloss 792 (52 %) Personen mit ein, die es bereits mehrfach versucht hatten. Angaben zur Aufhörwilligkeit waren bei 1 505 (91 %) der Raucher vorhanden. 450 dieser Teilnehmer (30 %) wünschten sich, ihren Zigaretten- konsum zu reduzieren, die Mehrheit wollte das Rauchen komplett einstellen (n = 883; 59 %).

In der alters- und geschlechtsstratifizierten Auswer- tung lag der Anteil der Teilnehmer mit mehrfachen Auf- hörversuchen in allen Kategorien zwischen 50 und 55 % (Tabelle 1). In der Altersgruppe der 60 bis 69-Jährigen schien der Anteil von Personen ohne vorherige Aufhör- versuche marginal erhöht. Hinsichtlich des Aufhörwil- lens fiel auf, dass Frauen mit zunehmendem Alter ten- denziell weniger bereit waren, das Rauchen aufzuge- ben: Der Wunsch aufzuhören bestand bei 64 % (95-%- KI: 59,4–68,6) der Teilnehmerinnen unter 60, aber nur bei 47 % (95-%-KI: 34,9–59,0) ab 70 Jahren (Tabelle 2).

Die Grafiken 1 und 2zeigen die Häufigkeiten selbst- berichteter vorheriger Versuche beziehungsweise die Willigkeit mit dem Rauchen aufzuhören bei Studienteil- nehmern mit kardiovaskulären Grunderkrankungen be-

KI, Konfidenzintervall

KI, Konfidenzintervall TABELLE 1

Aufhörversuche bei Weiterrauchern der ESTHER-Kohorte zu Studien- beginn, nach Geschlecht und Alter

Geschlecht Bisherige Aufhörversuche bei Rauchern (Anteil [95-%-KI])

Altersgruppe N keine einer mehrere

Frauen

< 60 Jahre 417 0,23 (0,19–0,28) 0,26 (0,22–0,31) 0,50 (0,46–0,55) 60–69 Jahre 280 0,28 (0,23–0,33) 0,23 (0,18–0,28) 0,50 (0,44–0,55) 70 Jahre 62 0,24 (0,15–0,36) 0,23 (0,14–0,34) 0,53 (0,41–0,65) Männer

< 60 Jahre 384 0,22 (0,18–0,26) 0,23 (0,19–0,27) 0,55 (0,50–0,60) 60–69 Jahre 318 0,26 (0,21–0,31) 0,24 (0,19–0,29) 0,51 (0,45–0,56) 70 Jahre 67 0,19 (0,12–0,30) 0,27 (0,18–0,39) 0,54 (0,42–0,65)

TABELLE 2

Wunsch zur Rauchverhaltensänderung bei Weiterrauchern der ESTHER- Kohorte zu Studienbeginn, nach Geschlecht und Alter

Geschlecht Wunsch zur Änderung des Rauchverhaltens (Anteil [95-%-KI])

Altersgruppe N keiner Reduktion Rauchstopp

Frauen

< 60 Jahre 415 0,10 (0,07–0,13) 0,26 (0,22–0,30) 0,64 (0,59–0,69) 60–69 Jahre 273 0,12 (0,09–0,17) 0,35 (0,29–0,41) 0,53 (0,47–0,59) 70 Jahre 62 0,16 (0,09–0,27) 0,37 (0,26–0,50) 0,47 (0,35–0,59) Männer

< 60 Jahre 374 0,11 (0,09–0,15) 0,24 (0,20–0,29) 0,64 (0,59–0,69) 60–69 Jahre 317 0,11 (0,08–0,15) 0,36 (0,31–0,42) 0,52 (0,47–0,58) 70 Jahre 64 0,13 (0,06–0,23) 0,28 (0,19–0,40) 0,59 (0,47–0,71)

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ziehunsgweise solchen Krankheiten, die das kardiovas- kuläre Risiko beträchtlich steigern. Insbesondere bei bereits manifesten kardiovaskulären (selbst genannter Herzinfarkt oder Durchblutungsstörungen am Herzen, Angina pectoris) und zerebrovaskulären Leiden (Schlag- anfall oder Durchblutungsstörungen im Gehirn), aber auch für Diabetes mellitus nahm der Anteil der Raucher, die einen oder mehrere Aufhörversuche berichteten, deutlich zu. Für kardiovaskuläre Erkrankungen stieg die- ser Anteil auf 89 % (95-%-KI: 83,1–93,0), gegenüber 76 % (95-%-KI: 73,7–78,0) in der Gesamtgruppe. Für die Aufhörwilligkeit bestand kein bedeutender Unter- schied: In allen nach Grunderkrankungen gebildeten Teilstichproben waren lediglich etwa 10 % der Raucher mit ihren Rauchgewohnheiten zufrieden, etwa 30 % hät- ten gerne weniger geraucht, und etwa 60 % hätten sich das Rauchen gerne abgewöhnt (Grafik 2).

Diskussion

Die beschriebenen Ergebnisse belegen, dass die weit überwiegende Mehrheit der älteren Raucher Deutsch- lands den Wunsch zur Rauchentwöhnung verspüren und über zumeist mehrfache gescheiterte Aufhörversuche berichten kann. Unter kardiovaskulären Risikopatienten im weiteren Sinne ist dieser Anteil nochmals erhöht.

Die Häufigkeit von Tabakabhängigkeit und frustranen Aufhörversuchen ist für Deutschland belegt (8, 9). Das Auftreten einer mit dem Rauchen in Verbindung gebrach- ten Erkrankung kann hierbei ein bedeutender – wenn- gleich zeitlich nur sehr begrenzt andauernder – Stimulus dafür sein, die Tabakabhängigkeit zu überwinden (7).

Dennoch verbleibt eine beträchtliche Mehrheit von kar- diovaskulär hochgradig vorbelasteten Personen, die nach gescheiterten Aufhörversuchen und trotz des persönlichen Wunsches, dieses Risikoverhalten aufzugeben, weiterrau- chen. Die Zahl solcher aufhörwilliger Hochrisiko-Patien- ten wird durch den demografischen Wandel, aber auch durch verbesserte Therapieoptionen beispielsweise des akuten Myokardinfarkts (10), weiterhin ansteigen. Eben diese Patienten würden besonders von einer Behandlung ihrer Tabakabhängigkeit profitieren (11, 12). Dass sie trotz ihrer Vorerkrankung nicht in der Lage sind, das Rauchen aufzugeben, lässt jede Behauptung, Rauchen sei vorwie- gend ein Lifestyle-Phänomen, absurd erscheinen. Dem widersprechen im Übrigen auch schnell wachsende Er- kenntnisse zu genetischen Risikofaktoren des Rauchens und der Tabakabhängigkeit (13, 14).

Limitation der Auswertungen sind fehlende Daten zu Instrumenten, die die Tabakabhängigkeit quantifizieren – wie beispielsweise der Fagerström-Test, oder zu den diagnostischen Kriterien nach ICD 10. Allerdings wur- de kürzlich gezeigt, dass die Rauchintensität, die in der vorliegenden Studie vorwiegend hoch war, eine stärkere Assoziation mit der Rauchstopp-Wahrscheinlichkeit aufweist, als dies für kompliziertere Abhängigkeits- maße wie den Fagerström-Test oder die diagnostischen Kriterien gemäß des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-IV) der Fall ist (15). Den- noch sind beispielsweise letztere Kriterien bei der Mehrheit regelmäßig stark rauchender Personen gleich-

Aufhörversuche (dunkelolive = keine, mittelolive = einer, hellolive = mehrere) bei komorbiden Weiterrauchern der ESTHER-Kohorte zu Studienbeginn; Übergewicht = Body Mass Index (BMI) > 25–30 kg/m²; Fettleibigkeit = BMI > 30 kg/m²; in Klammern: n der jeweiligen Teil- stichprobe

GRAFIK 1

Wunsch zur Rauchverhaltensänderung (dunkelolive = keiner, mittelolive = Rauchmengenre- duktion, hellolive = Rauchstopp) bei komorbiden Weiterrauchern der ESTHER-Kohorte zu Stu- dienbeginn; in Klammern: n der jeweiligen Teilstichprobe

GRAFIK 2

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falls erfüllt (16). Ferner ist davon auszugehen, dass der weit überwiegende Teil starker Raucher in populations- bezogenen Studien einen hohen Fagerström-Score auf- weist (17).

Die eigene Studienpopulation wurde allein aus der saarländischen Bevölkerung rekrutiert. Wenngleich die- ses Vorgehen als limitierend für die Generalisierbarkeit der Ergebnisse auf die deutsche Gesamtbevölkerung be- trachtet werden kann, gehen die Autoren davon aus, dass sich die Beziehungen zwischen Rauchverhalten, Tabakabhängigkeit und anderen Erkrankungen in ver- schiedenen Teilen Deutschlands nicht bedeutend unter- scheiden.

Aktuelle Ergebnisse epidemiologischer Studien le- gen nahe, dass bereits einfache strukturelle Maßnahmen erheblich zur Förderung der Raucherentwöhnung in der allgemeinärztlichen Betreuung beitragen könnten. So waren in einer Cluster-randomisierten Studie die „spon- tanen“ Aufhörquoten rauchender Patienten um das Vier- fache steigerbar, wenn man diesen die Kostenerstattung für eine nachgewiesenermaßen wirksame medika- mentöse Unterstützung der Entwöhnung (zum Beispiel durch Nikotinersatzpräparate oder Bupropion) anbieten konnte (17). Diese Maßnahme erwies sich darüber hin- aus als außergewöhnlich kosteneffektiv (18).

So sehr ein entschiedenes Eintreten für eine verstärk- te Primärprävention der Suchtkrankheit Rauchen zu be- grüßen ist, so entschieden muss man gleichzeitig der Wahrnehmung entgegen treten, dass Rauchen – und ins- besondere das fortgesetzte Rauchen im Erwachsenenal- ter – in den meisten Fällen ein selbstbestimmtes Handeln sei. Dies wird insbesondere bei vorbelasteten Risiko- Patienten sehr deutlich. Eine verantwortungsbewusste Gesundheitspolitik steht in der Pflicht, Rahmenbedin- gungen zu schaffen, die abhängigen Rauchern die ge- wünschte Entwöhnung erleichtern. Rauchen vornehm- lich als Lifestyle darzustellen, um sich dieser Pflicht und den damit vermeintlich verbundenen monetären Konse- quenzen zu entziehen, halten die Autoren für zynisch.

Finanzierung

Die ESTHER-Basisuntersuchung wurde durch das Ministerium für Wissen- schaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg gefördert. Die vorliegende Auswertung wurde durch das Schwerpunktprogramm 1226 der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt (Br1704/11-1).

Interessenkonflikt

Prof. Rothenbacher ist hauptberuflich bei der Firma Novartis Pharma AG in Basel angestellt.

Dr. Breitling, Stegmaier, Dr. Raum und Prof. Brenner erklären, dass kein Interes- senkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Manuskriptdaten

eingereicht: 2. 12. 2008, revidierte Fassung angenommen: 17. 2. 2009

LITERATUR

1. Schulze A, Lampert T, Bundes-Gesundheitssurvey: Soziale Unter- schiede im Rauchverhalten und in der Passivrauchbelastung in Deutschland. Berlin: Robert Koch-Institut 2006.

2. Zinkant K: Im Qualm der Interessen. Zeit ONLINE; 16.September 2008.

3. Hughes JR, Keely J, Naud S: Shape of the relapse curve and long- term abstinence among untreated smokers. Addiction

2004; 99: 29–38.

4. Eisenberg MJ, Filion KB, Yavin D et al.: Pharmacotherapies for smo- king cessation: A meta-analysis of randomized controlled trials.

CMAJ 2008; 179: 135–44.

5. Löw M, Stegmaier C, Ziegler H, Rothenbacher D, Brenner H: Epide- miologische Studie zu Chancen der Verhütung, Früherkennung und optimierten Therapie chronischer Erkrankungen in der älteren Bevöl- kerung (ESTHER-Studie). Dtsch Med Wochenschr 2004; 129:

2643–7.

6. Twardella D, Loew M, Rothenbacher D et al.: The impact of body weight on smoking cessation in German adults. Prev Med 2006; 42: 109–13.

7. Twardella D, Loew M, Rothenbacher D et al.: The diagnosis of a smoking-related disease is a prominent trigger for smoking cessation in a retrospective cohort study. J Clin Epidemiol 2006; 59: 82–9.

8. John U, Meyer C, Hapke U, Rumpf HJ, Schumann A: Nicotine depen- dence, quit attempts, and quitting among smokers in a regional po- pulation sample from a country with a high prevalence of tobacco smoking. Prev Med 2004; 38: 350–8.

9. John U, Meyer C, Rumpf HJ, Hapke U: Smoking, nicotine depen- dence and psychiatric comorbidity—a population-based study including smoking cessation after three years. Drug Alcohol Depend 2004; 76: 287–95.

10. Klenk J, Rapp K, Buchele G, Keil U, Weiland SK: Increasing life expectancy in Germany: quantitative contributions from changes in age- and disease-specific mortality. Eur J Public Health 2007; 17:

587–92.

11. Twardella D, Kupper-Nybelen J, Rothenbacher D, et al.: Short-term benefit of smoking cessation in patients with coronary heart disease:

estimates based on self-reported smoking data and serum cotinine measurements. Eur Heart J 2004; 25: 2101–8.

12. Twardella D, Rothenbacher D, Hahmann H, Wusten B, Brenner H:

The underestimated impact of smoking and smoking cessation on the risk of secondary cardiovascular disease events in patients with stable coronary heart disease: prospective cohort study. J Am Coll Cardiol 2006; 47: 887–9.

13. Saccone SF, Hinrichs AL, Saccone NL et al.: Cholinergic nicotinic receptor genes implicated in a nicotine dependence association study targeting 348 candidate genes with 3713 SNPs. Hum Mol Genet 2007; 16: 36–49.

14. Thorgeirsson TE, Geller F, Sulem P, et al.: A variant associated with nicotine dependence, lung cancer and peripheral arterial disease.

Nature 2008; 452: 638–42.

15. Hendricks PS, Prochaska JJ, Humfleet GL, Hall SM: Evaluating the validities of different DSM-IV-based conceptual constructs of tobac- co dependence. Addiction 2008; 103: 1215–23.

Klinische Kernaussagen

Rauchen wird in der öffentlichen Diskussion nach wie vor häufig als selbst- bestimmtes Lifestyle-Phänomen dargestellt.

Unter anderem wird hiermit die Zurückhaltung bei der Kostenübernahme für Maßnahmen zur Förderung und Unterstützung der Raucherentwöhnung be- gründet.

Der weit überwiegende Teil regelmäßiger Raucher berichtet einen oder meh- rere erfolglose Aufhörversuche in der Vergangenheit und äußert den Wunsch, das Rauchverhalten zu ändern.

Dies gilt insbesondere auch für ältere Raucher mit bereits bestehenden schwerwiegenden Erkrankungen wie koronarer Herzkrankheit oder Diabetes mellitus.

Die adäquate Förderung ärztlicher Unterstützung solcher Hochrisikopatienten in ihrem Bestreben, die eindeutig als Suchtkrankheit zu sehende Tabakab- hängigkeit zu überwinden, sollte essenzieller Bestandteil einer verantwor- tungsvollen Gesundheitspolitik sein.

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16. Donny EC, Dierker LC: The absence of DSM-IV nicotine dependence in moderate-to-heavy daily smokers. Drug Alcohol Depend 2007; 89: 93–6.

17. Twardella D, Brenner H: Effects of practitioner education, practitioner payment and reimbursement of patients' drug costs on smoking cessation in primary care: a cluster randomised trial. Tob Control 2007; 16: 15–21.

18. Salize HJ, Merkel S, Reinhard I et al.: Cost-effective primary care- based strategies to improve smoking cessation—more value for money. Arch Intern Med 2009; 169: 230–5.

Anschrift für die Verfasser Dr. med. Lutz Ph. Breitling Abteilung Klinische Epidemiologie und Alternsforschung (DKFZ)

Bergheimer Str. 20 69115 Heidelberg

E-Mail: L.Breitling@dkfz-heidelberg.de

SUMMARY O

Ollddeerr SSmmookkeerrss'' MMoottiivvaattiioonn aanndd AAtttteemmppttss ttoo QQuuiitt SSmmookkiinngg:: EEppiiddeemmiioollooggii-- ccaall IInnssiigghhtt IInnttoo tthhee QQuueessttiioonn ooff LLiiffeessttyyllee VVeerrssuuss AAddddiiccttiioonn

Background: Much media attention currently focuses on demands from the organized medical profession in Germany for an altered legal framework regarding remuneration for smoking-cessation interven- tions. With this development, the question whether smoking is an autonomously chosen lifestyle or, alternatively, an addiction constitu- ting a disease in its own right has once again come to the fore of public debate.

Methods: In a population-based study in the German state of Saarland, 10 000 persons aged 50 to 74 were questioned about their health-rela- ted behavior and medical history. The frequency of attempts to quit smo- king, and of the motivation to do so, was analyzed in relation to the total number of smokers in the survey and was stratified with respect to exis- ting illnesses whose cardiovascular risk potential is exacerbated by smoking.

Results: Among 1528 persons who were smokers at the beginning of the study, 76% (95% confidence interval [CI]: 73.7%–78.0%) reported having tried to quit at least once. Among smokers with existing high-risk conditions, this figure was higher, reaching 89% (CI: 83.1%–93.0%) in smokers with known cardiovascular disease. Only 11% of the smokers were content with their smoking behavior; 30% said they wanted to cut down, and 59% said they wanted to quit smoking entirely.

Conclusions: Most older smokers in Germany would like to quit smoking and have tried to do so repeatedly without success. In particular, high- risk patients with comorbidities, whose number will further increase as the population ages, are highly motivated to quit smoking and would de- rive major benefit from effective assistance with smoking cessation. The description of smoking as an autonomously chosen lifestyle appears cy- nical and deserves to be vigorously rejected.

Dtsch Arztebl Int 2009; 106(27): 451–5 DOI: 10.3238/arztebl.2009.0451 Key words: smoking, nicotine withdrawal, epidemiology, health-related behavior, comorbidity

The English version of this article is available online:

www.aerzteblatt-international.de

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