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ls die Leica im Septem- ber 1996 an die Börse ging, stürmten die Anle- ger die Bankschalter. Es galt, wenigstens ein paar Aktien des renommierten Kamera- herstellers zu ergattern. Gar keine Frage, den Emissions- preis von 47 Mark, in Euro gerechnet also rund 24 Euro, hielten die meisten für ausge- sprochen gewinnträchtig.Warnende Stimmen gab es damals aber durchaus, meine übrigens auch (Deutsches Ärzteblatt, Heft 37 vom 13.
September 1996 mit dem Titel
„Verwackelt“). In meinem Beitrag hatte ich den Börsen- gang der Leica AG ziemlich verrissen. Daß sich die Rea- lität im Verlauf noch schwär- zer als die tristeten Progno- sen entwickelte, habe ich sel- ber so nicht für möglich ge- halten. Im Grunde aber steckte Leica schon im Jahr des Börsengangs mitten im
Schlamassel und war eigent- lich schon pleiteverdächtig.
Dementsprechend schlimm trieb es die Börsennotiz nach unten, erst bei 8,70 Euro stoppte im September letzten Jahres die rasante Talfahrt.
Ein Verlust von rund zwei Dritteln auf den Emissions- preis läßt die begleitenden Emissionsbanken nicht gera- de in strahlendem Licht er- scheinen. Wo ist eigentlich de- ren Sorgfaltspflicht dem Anle- ger gegenüber geblieben?
Auch heute steckt der Ka- merahersteller immer noch tiefrot in Verlustzahlen. Die Gründe für das Debakel sind schnell aufgezählt: Mißma- nagement, völlig verfehlte
Produktpolitik, laxe Kosten- kontrolle und Schulden über Schulden. Im soeben abge- laufenen Geschäftsjahr muß- te Leica bei einem rückläufi- gen Umsatz von 276,5 Millio- nen Mark einen herben Ver- lust von rund 13 Millionen Mark bilanzieren.
Aber es gibt auch hauch- zarte Anzeichen einer Ge- sundung zu vermelden. Und das hat eindeutig damit zu tun, daß ein neuer Kapitän das Leica-Schiff bestiegen hat. Hanns-Peter Cohn, der neue Vorstandschef, will mit eisernem Besen für die Er- tragswende sorgen. Kosten- senkung und Markenauffri- schung heißt Cohns Credo.
Daß der neue Steuermann mit seiner Strategie Erfolg haben kann, ist denkbar. Der Börsenkurs entwickelt sich mit 12 Euro nach oben, hat aber ohne weiteres noch Luft.
Vorausgesetzt, widrige Win- de lassen das Vorhaben nicht kentern. Börsebius
[60] Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 18, 7. Mai 1999
S C H L U S S P U N K T
Post Scriptum
USA im März 1999: Ein Geschwo- renengericht in Oregon verurteilt den Tabakkonzern Philip Morris, den An- gehörigen des verstorbenen Ketten- rauchers Jesse Williams umgerechnet 141 Millionen DM zu zahlen. Deutsch- land im März 1999: Eine Lebensversi- cherung führt eine neuartige private Sonderrente mit höheren Leistungen für Raucher ein.
Als Arzt mußte ich zweimal hin- schauen. Die Logik beider Ereignisse machte mich fassungslos: Dort raucht einer 40 Jahre lang täglich drei Schachteln – dafür gibt es jetzt ei- ne Rekord-Entschädigung, weil vor den gesundheitlichen Schä- den angeblich nicht eindring- lich genug gewarnt wurde.
Hier belohnt eine Versiche- rung mit besseren Leistun- gen, weil Raucher ja früher sterben und weniger Rente verbrauchen – schon ab acht Zigaretten am Tag zählt man zu den Privile- gierten.
Wieso empfehle ich meinen Patien- ten Entwöhnungskurse – von der Aku- punktur bis zum Nikotinpflaster? Rau- cher gehören ja nun – versicherungs- mäßig betrachtet – zu den „guten Risiken“. Wieso steht
auf den Packun- gen nicht der ehrliche Hin-
weis: „Raucher bzw. deren Angehöri- ge bekommen hohe Entschädigungen und zusätzlich mehr Rente“?
Das sind doch günstige Aussichten auch für andere Laster. Jetzt empfehle ich meinen trinkfreudigen Patienten, die Winzergenossenschaften zu ver- klagen. Oder haben Sie schon auf einer Weinflasche den Hinweis gelesen: „Übermäßiger Genuß führt zur Leberzirrhose“? Bei der Assekuranz gibt es sicher schon die Trinkerrente (Werbe- slogan: „Auslese plus“). Von den Metzgern bis zu den Konditoreien wären genügend Verursacher von Ge- sundheitsschäden festzumachen. Alles potentielle Klageopfer! Wer Alters- diabetes hat, bekommt schon jetzt 28 Prozent mehr Versicherungsrente.
Jetzt endlich wird mir auch die Werbebotschaft klar, die ein Zigaret- tenhersteller seit Jahren plakatiert.
Dort lächeln strahlende Raucher beiderlei Geschlechts die Passan- ten an: „Ich rauche gern!“ – Ja, Sie etwa nicht? Bernd Ellermann
Börsebius zur Leica AG
Neuer Besen kehrt gut
Raucher-Bonus
Zeichnung: Ralf Brunner
Leserservice: Börse- bius-Telefonberatung – Wie an jedem 1. Samstag im Monat können Sie auch am 8. Mai 1999 in der Zeit von 9 bis 13 Uhr Börsebius (Rein- hold Rombach) anrufen.
Wenn Sie also rund ums Geld der Schuh drückt, wählen Sie bitte die 02 21/35 15 87. Die Tele- fonberatung ist kosten- los und ein Service des Deutschen Ärzteblattes für seine Leser.