A 952 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 19|
14. Mai 2010 sonstige (gesundheitliche) Belan-ge aufzuklären und ihn so zu thera- piegerechtem Verhalten anzuhal- ten. Da die Beratung Bestandteil der Behandlung ist, zählt ihre Ver- letzung jedoch nicht zu den Auf- klärungs-, sondern den Behand- lungsfehlern. Folge: Im Falle eines Prozesses muss nicht der Arzt, sondern der Patient beweisen, dass er nicht ordnungsgemäß beraten wurde.
Form der Aufklärung. Die Auf- klärung muss stets durch den be- handelnden Arzt, bei arbeitsteili- gen Abläufen durch den jeweiligen Facharzt, einzelfallbezogen in ei- nem Arzt-Patienten-Gespräch, also mündlich durchgeführt werden.
Nur so kann sich der Arzt davon überzeugen, dass der Patient alles Wesentliche verstanden hat. Merk- blätter können das Aufklärungs- gespräch vorbereiten und ergän- zen, es aber nicht ersetzen. Auch die unkommentierte Übergabe von Aufklärungsbögen reicht nicht aus, ebenso wenig ein Formular mit ei- ner allgemein gehaltenen Einver- ständniserklärung. Sprachbarrieren sind durch Hinzuziehung sprach- kundiger Dritter zu überwinden.
Zeitpunkt der Aufklärung. Die Aufklärung hat stets vor der Durch- führung einer ärztlichen Maßnahme
zu erfolgen. Abgesehen von Notfäl- len muss der Zeitpunkt dabei so ge- wählt werden, dass dem Patienten genügend Zeit bleibt, das Für und Wider eines Eingriffs abzuwägen und sich frei zu entscheiden. Bei sta- tionären Behandlungen genügt in der Regel eine Aufklärung am Vor- tag des Eingriffs. Eine Aufklärung am Vorabend reicht nach ständiger Rechtsprechung hingegen nicht aus, um die Entscheidungsfreiheit des Patienten zu gewährleisten; es sei denn, die Aufklärung erfolgt unmit- telbar nach der Aufnahme zur statio- nären Behandlung, und der Patient äußert den Wunsch, bereits am fol- genden Tag operiert zu werden. Bei ambulanten Behandlungen muss differenziert werden. Der medizini- sche Fortschritt erlaubt heute ambu- lante Eingriffe, die weder einfach noch mit geringen Risiken behaftet sind. Bei kleineren ambulanten Ein- griffen kann die Aufklärung daher am Tag des Eingriffs noch rechtzei- tig sein, wenn zwischen Aufklärung und operativer Phase ein gewisser zeitlicher Abstand liegt. Bei größe- ren, risikoreicheren ambulanten Ein- griffen ist eine Aufklärung am Tag des Eingriffs hingegen verspätet.
Praxistipps. Wegen der Beweis- lastverteilung sollten Ärzte einige Punkte beachten, um sich im Fall eines Falles erfolgreich gegen die
Behauptung, den Patient nicht ord- nungsgemäß aufgeklärt zu haben, verteidigen zu können: Das Aufklä- rungsgespräch sollte stets umfas- send dokumentiert werden. In den Behandlungsunterlagen vermerkt werden sollten stets der Tag der Aufklärung, der wesentliche Inhalt des Gespräches und die Einwilli- gung des Patienten. Vorgedruckte Aufklärungsbögen können dabei hilfreich sein, müssen aber stets durch handschriftliche Eintragun- gen individualisiert werden. Ein un- terschriebener Aufklärungsbogen ist vor Gericht kein ausreichender Beweis dafür, dass der Patient ord- nungsgemäß aufgeklärt wurde, son- dern lediglich ein Indiz dafür, dass überhaupt ein Aufklärungsgespräch stattgefunden hat. Sofern es die Ge- gebenheiten im Krankenhaus bezie- hungsweise die Praxisstruktur zu- lassen, sollte die Aufklärung stets im Beisein einer weiteren Person (etwa der Arzthelferin) stattfinden.
Die Rechtsprechung stellt erheb- liche Anforderungen an die ärztli- che Aufklärung. Inwieweit diese im Klinik- oder Praxisalltag überhaupt umsetzbar sind, sei dahingestellt.
Eine umfassende und vollständige Aufklärung des Patienten kann den behandelnden Arzt aber vor überra- schenden und vermeidbaren Scha- densersatzprozessen schützen. ■ RA Dr. Alexander Teubel
Ein Arzt ist verpflichtet, einen Patienten ord- nungsgemäß zu behandeln. Dies hat das Be- zirksberufsgericht für Ärzte in Stuttgart in ei- nem Urteil bekräftigt.
Die beschuldigte Ärztin hatte sich wegen schlechter Erfahrungen entschieden, von Pa- tienten schnellstmöglich die Bezahlung voran- gegangener Behandlungen zu verlangen. Auf- grund ihres ungeordneten Rechnungswesens hatte sie es jedoch bislang unterlassen, weit zurückliegende Behandlungen zeitnah in Rech- nung zu stellen. Um Patienten in Zukunft zum schnellen Zahlen zu bewegen, versandte die Ärztin in drei Fällen dringend formulierte Mah- nungen und bezog sich dabei auf angeblich früher erstellte, bislang nicht bezahlte Rech-
nungen. Bitten einzelner Patienten, die Angele- genheit zu klären, weil man weder die genann- te Rechnung noch eine erste Mahnung erhal- ten habe, scheiterten. Statt einer Antwort ging ein Mahnbescheid des Amtsgerichts zu.
Auch andere Patienten bezweifelten die an- geblichen Mahnungen und wandten sich an die Ärztekammer. Zwar wurden die in Rechnung ge- stellten ärztlichen Behandlungen im berufsge- richtlichen Verfahren inhaltlich nicht überprüft, doch dass sie erst im Zusammenhang mit dem genannten Mahnschreiben erstellt und rückda- tiert wurden, ergab sich aus den Rechnungs- nummern. Die abgerechneten Behandlungen la- gen – unter Berücksichtigung der angeblichen Rechnungsausstellungsdaten – weit zurück.
Mit ihrem ungeordneten Abrechnungswe- sen in der Praxis hat die Ärztin gegen die Pflicht aus § 2 Absatz 2 der Berufsordnung verstoßen, ihren Beruf gewissenhaft und dem ihr entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen. Sie hat sich damit eines unzu- lässigen Verhaltens im Sinne der Berufsord- nung schuldig gemacht. Auf dieses Fehlver- halten ist mit einer empfindlichen Geldbuße zu reagieren.
Das Bezirksberufsgericht für Ärzte hielt ei- ne Geldbuße von 3 000 Euro für angemessen, um der Ärztin das Ausmaß ihres Fehlverhal- tens deutlich vor Augen zu führen. (Bezirks- berufsgericht für Ärzte in Stuttgart, Urteil vom 30. September und 23. Oktober 2009, Az.: BGÄS 9/09 verbunden mit BGÄS 12/09)
RAin Barbara Berner
RECHTSREPORT
Ordnungsgemäße Rechnungstellung durch Arzt