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Archiv "Gefährdet die Rechtsprechung zur Aufklärung des Patienten die Weiterbildung?" (08.04.1983)

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Spektrum der oche Aufsätze • Notizen RECHT FÜR DEN ARZT

Gefährdet die Rechtsprechung zur Aufklärung des Patienten die Weiterbildung?

Mit seiner Entscheidung vom 6.

August 1981 (Az.: 7 U 105/80) hat das Oberlandesgericht Köln einem Patienten, der bei einer Lymph- drüsenexstirpation am Nervus ac- cessorius geschädigt worden war, Schadenersatz wegen mangeln- der Aufklärung und damit wegen fehlender Einwilligung in die Ope- ration zugesprochen.

Dabei kam es nicht einmal ent- scheidend auf die Frage an, ob der Patient über eine mögliche Schä- digung des Nervus accessorius als typisches Risiko eines solchen Eingriffs belehrt worden war. Das Gericht ging deshalb von einer mangelnden Aufklärung des Pa- tienten aus, weil diesem nicht eröffnet wurde, daß er von einem in Weiterbildung befindlichen Arzt operiert wird, der diesen Eingriff zuvor noch nie und eine etwa ver- gleichbare Operation erst ein- oder zweimal selbst ausgeführt hatte.

Das Urteil hat vor allem bei den mit der Weiterbildung befaßten Ärzten bzw. in Weiterbildung befindli- chen Ärzten Unruhe ausgelöst.

Vorab darf hierzu jedoch bemerkt werden, daß die Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist, da Re- vision zum Bundesgerichtshof eingelegt wurde.

Im Ansatzpunkt kann dem Ober- landesgericht durchaus gefolgt werden, wenn es davon ausgeht, daß der Patient stets über Umstän- de aufzuklären ist, die im konkre- ten Fall das ohnehin gegebene ty- pische Operationsrisiko zusätzlich erhöhen. Dem Gericht kann auch darin zugestimmt werden, daß ein zusätzliches Risiko unter Umstän- den in der Person des Operateurs gesehen werden kann, so etwa, wenn dem Operateur jegliche Er- fahrung hinsichtlich eines Ein- griffs fehlt.

Wenn das Gericht allerdings meint, daß der Arzt den Patienten vor der Durchführung einer Ope- ration auch insoweit aufzuklären habe, als seine Fähigkeiten „vom Standard eines durchschnittlich tauglichen Facharztes einer Uni- versitätsklinik abweichen", ist dies für die Praxis wenig hilfreich. Mit dem „durchschnittlich tauglichen Facharzt" ist ebensowenig anzu- fangen wie umgekehrt mit dem

„durchschnittlich vernünftigen Patienten" (ein gleichfalls von der Rechtsprechung im Rahmen der Patientenaufklärung konstruiertes Leitbild).

Es dürfte dem Arzt vom subjekti- ven Tatbestand her wohl auch kaum anzulasten sein, daß er sich selbst bezüglich seiner Fähigkei- ten nicht als nur durchschnittlich tauglich einstuft und dies dem Pa- tienten vor dem Eingriff im Rah- men der Aufklärung mitteilt. Die Aufklärungspflicht kann sich so- mit von vornherein nicht auf die Qualifikation des Arztes allge- mein, sondern nur auf die speziel- le Erfahrung mit einer bestimmten Behandlungsmethode, mit einer bestimmten Operation beziehen.

Diese Erfahrung kann dem in Wei- terbildung befindlichen Arzt an- fänglich fehlen. Die Situation in der Weiterbildung unterscheidet sich aber wesentlich von anderen Situationen, in denen z. B. ein längst weitergebildeter, langjährig tätiger Arzt eine neue Behand- lungsart oder eine neue Opera- tionsmethode erstmalig beim ei- genen Patienten bzw. in alleiniger Verantwortung anwendet. Denn die Weiterbildung erfolgt gemäß § 5 Abs. 1 und Abs. 3 der Weiterbil- dungsordnung unter verantwortli- cher, persönlicher Leitung des zur Weiterbildung ermächtigten Arz- tes. Das erfordert bei einem nicht ganz ungefährlichen Eingriff, den

ein Weiterzubildender etwa zum ersten Male durchführt, auch die Anwesenheit des Weiterbilders und die Überwachung der Opera- tion durch den Weiterbilder.

In dem vom Oberlandesgericht Köln zu entscheidenden Fall fehlte es allerdings an der notwendigen Anleitung und Beaufsichtigung durch den Weiterbilder. Der Assi- stenzarzt führte die Lymphd rüsen- exstirpation zum ersten Mal allein, d. h. ohne Anwesenheit eines er- fahrenen Arztes, durch. Er hatte vor dem Eingriff lediglich den Ver- treter des Oberarztes gefragt, wo eine Injektion zu setzen und wo der Schnitt zu führen ist. Den oberflächlich liegenden Lymph- knoten löste er dann stumpf mit dem Finger aus.

Das Gericht führt dazu aus, daß der Assistenzarzt in der Weiterbil- dung diese Operation nur hätte durchführen dürfen, wenn sicher- gestellt war, daß der weiterbilden- de Arzt sein Vorgehen, insbeson- dere Schnittführung und Schnitt- tiefe, überwacht und gegebenen- falls vor und während der Ausfüh- rung korrigierend eingreifen kann.

Das Gericht fordert keineswegs, daß ein in Weiterbildung befindli- cher Arzt Operationen überhaupt nur in Anwesenheit des Chef- oder Oberarztes ausführen dürfte. Es muß vor einer vom Weiterzubil- denden völlig selbständig durch- geführten Operation aber festste- hen, daß dieser Arzt entsprechen- de Fortschritte in der chir- urgischen Weiterbildung gemacht und seine Zuverlässigkeit bei der- artigen Eingriffen bewiesen hat.

Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben und führt der in einer Operationsmethode unerfahrene Arzt dennoch ohne Anwesenheit und Überwachung durch den Wei- terbilder einen Eingriff selbstän- dig durch, ist der Patient vorher über diese Umstände, d. h. über dieses zusätzliche Risiko, aufzu- klären. Insoweit ist dem Gericht im Interesse einer ordnungsgemäßen Weiterbildung und im Sinne der Abwehr von Risiken für den Pa- tienten beizupflichten.

Ausgabe A DEUTSCHES ARZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 14 vom 8. April 1983 79

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Aufklärung des Patienten

Das Gericht geht aber offenbar da- von aus, daß der Patient stets — also auch bei Überwachung des Eingriffs durch den Weiterbilder—

darüber aufgeklärt werden muß, wenn ein in Weiterbildung befind- licher Arzt einen Eingriff ohne ent- sprechende Erfahrung vornimmt.

Dem kann nicht gefolgt werden.

Hängt der Umfang der Aufklärung von den jeweiligen Eingriffsrisiken ab, bedarf es bei ordnungsgemä- ßer Anleitung und Überwachung des weiterzubildenden Arztes ei- ner diesbezüglichen Aufklärung des Patienten auch dann nicht, wenn der Weiterzubildende die Operation zum ersten Mal bzw.

ohne hinreichende Erfahrung durchführt.

Wollte man unter dem Risikoge- sichtspunkt eine Aufklärung des Patienten darüber auch bei sorg- fältiger Anleitung und Überwa- chung des Eingriffs durch den Weiterbilder fordern, würde dies ja implizieren, daß der Patient, an dem ein Arzt sich weiterbildet, da- durch generell einer zusätzlichen Gefahr ausgesetzt ist. Der Patient würde dann, vorher aufgeklärt über ein (angebliches) zusätzli- ches Risiko, sozusagen entschei- den können, ob er ein Opfer für die Weiterbildung der Ärzteschaft erbringen will. Unter solchen Vor- zeichen wäre eine sinnvolle Wei- terbildung tatsächlich gefährdet.

Das Oberlandesgericht wider- spricht sich insoweit auch selbst in der Begründung. Es tritt der Be- fürchtung, daß nach einer derarti- gen Aufklärung kein Patient mehr bereit sein werde, sich vom Arzt in Weiterbildung operieren zu las- sen, entgegen und meint: „Die Zu- stimmung des Patienten hierzu ist nach der Lebenserfahrung um so eher zu erhalten, je mehr dem Pa- tienten die Gewißheit gegeben wird, der Assistenzarzt werde durch den ausbildenden Facharzt in jeder Phase seines Vorgehens genau beobachtet und angeleitet und der Facharzt werde bei ge- ringsten Komplikationen sofort eingreifen können und gegebe-

nenfalls eingreifen. Ist der Patient sicher, daß der erfahrene Arzt sei- ne schützende Hand über ihn hält, ist er in der Regel schnell bereit, sich dem Assistenzarzt anzuver- trauen."

Wenn diese Voraussetzungen der genauen Anleitung und Beobach- tung und die Möglichkeit des

rechtzeitigen Eingreifens durch den Weiterbilder gegeben sind, ist aber auch ein über das allgemeine Operationsrisiko bzw. die speziel- len Risiken eines bestimmten Ein- griffs hinausgehendes, gesteiger- tes Risiko in der Person des ope- rierenden Arztes für den Patienten nicht ersichtlich. Eine zusätzliche Risikoaufklärung des Patienten darüber, daß ein in Weiterbildung befindlicher Arzt den Eingriff z. B.

zum ersten Mal durchführt, ist da- her nicht erforderlich.

Das OLG scheint hier das Wesen der Weiterbildung zu verkennen.

Zum einen handelt es sich beim Weiterzubildenden immerhin schon um einen Arzt mit abge- schlossener ärztlicher Ausbildung (das OLG war sich darüber unter Umständen nicht ganz im klaren, da es nicht von der Weiterbildung, sondern vom „Arzt in Ausbildung"

bzw. umgekehrt vom „ausbilden- den Facharzt" spricht).

Zum anderen verbleibt aber auch in der Weiterbildung die letzte Ver- antwortung für den Patienten in solchen Fällen, in denen der Wei- terzubildende noch keinerlei Er- fahrung mit einem Eingriff besitzt, beim Weiterbilder, denn dieser ist für die Anleitung und Überwa- chung des Weiterzubildenden ver- antwortlich.

Es bleibt nun abzuwarten, inwie- weit der Bundesgerichtshof im Rahmen der Revision zu dieser Frage Stellung nimmt.

Anschrift des Verfassers:

Dr. Gerhard Till Rechtsanwalt Mühlbaurstraße 16 8000 München 80

KURZBERICHTE

Stiftung Warentest:

Apotheken beachten Verfallsdaten nicht

„Apotheker verkaufen Arzneimit- tel, deren vom Hersteller genannte Haltbarkeit längst überschritten ist", heißt es in einer Untersu- chung der Stiftung Warentest.

Einer Stichprobe in 137 Apothe- ken im Bundesgebiet und West- berlin zufolge seien rund ein Vier- tel der erstandenen Präparate

„überaltert" gewesen. Das Gros der monierten rezeptfreien Fertig- arzneimittel habe die Haltbarkeits- garantie des Herstellers um zwei bis drei Jahre überschritten, dar- unter Vitamin- und Herzmittel, aber auch wirkstofflabile Pankrea- tinpräparate.

Die Stiftung Warentest schlägt vor, sämtliche Fertigarzneimittel mit einem Verfallsdatum zu verse- hen (eine Forderung, die übrigens von der Ärzteschaft schon vor Jah-

ren vorgebracht wurde). Nach dem Arzneimittelgesetz von 1976 ist ein offenes Verfallsdatum nur dann zwingend vorgeschrieben, wenn ein Arzneimittel nicht länger als drei Jahre haltbar ist. Bei den rund 140 000 Präparaten, die noch nach dem alten Gesetz zugelassen wurden, liegt das Anbringen eines Verfallsdatums weitgehend im Er- messen des Herstellers. Die Bun- desvereinigung Deutscher Apo- thekerverbände — ABDA — hat in- zwischen Stellung zu den Vorwür- fen bezogen: Die Auswahl der von der Stiftung Warentest untersuch- ten Präparate sei nicht repräsenta- tiv. Außerdem erwecke der Begriff

„Verfallsdatum" falsche Vorstel- lungen. Im Gegensatz zu Lebens- mitteln sei nur bei den wenigsten Arzneimitteln ein „Verderben" zu befürchten. Bei ihnen trete im Laufe der Jahre nur ein sehr lang- samer Wirkstoffverlust ein, der im allgemeinen keinen Einfluß auf die vom Patienten erwartete Wirkung habe. Dem Vorschlag, ein allge- meines Verfallsdatum einzufüh- 80 Heft 14 vom 8. April 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

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