A 1026 Deutsches Ärzteblatt
|
Jg. 110|
Heft 21|
24. Mai 2013 durch eine Ausstellung und beglei-tende Bildungsarbeit in die Öffent- lichkeit zu tragen. Vorsitzender des Vereins ist Dr. med. Manfred Rich- ter-Reichhelm, von 2000 bis 2004 Erster Vorsitzender der Kassenärzt- lichen Bundesvereinigung (KBV).
Ihm geht es vor allem darum, in
Alt Rehse einen Lern- und Gedenk - ort dauerhaft zu etablieren. Ort der Bildungs- und Erinnerungsarbeit soll der ehemalige Gutshof werden, ursprüngliches Zentrum von Gut und Dorf Alt Rehse. Das stark reno- vierungsbedürftige Gebäude wurde vom Verein EBB Alt Rehse erwor- ben und in die gemeinnützige Guts- haus Alt Rehse gGmbH als Träger- gesellschaft eingebracht.
Beteiligung der Ärzteschaft Angestrebt wird eine Aufnahme in die Gedenkstättenförderung, um den Gutshof in der Gestalt von 1939 renovieren und restaurieren zu können. Die Verhandlungen mit der Landesregierung in Schwerin dar -
über seien sehr weit vorangeschrit- ten, es gebe positive Signale, sagt Richter-Reichhelm. Voraussetzung für eine Förderung mit Bundes- und Landesmitteln sei jedoch, dass sich die Ärzteschaft in einem gewissen Rahmen beteilige und längerfristige finanzielle Verpflichtungen der öf-
fentlichen Hand ausgeschlossen seien. Richter-Reichhelm hofft auf eine entsprechende Patronatserklä- rung seitens der KBV, um diesen Ansprüchen gerecht zu werden.
Die KBV sieht sich in der Verant- wortung und bringt zur Vertreterver- sammlung (KBV-VV) am 27. Mai eine Beschlussvorlage ein; diese sieht einen Eintritt der KBV in die Gutshaus Alt Rehse gGmbH und ei- ne finanzielle Beteiligung im Zeit- raum von 2013 bis 2017 vor. Stimmt die KBV-VV dem Beschluss zu, ist Richter-Reichhelm optimistisch, dass Mittel aus der Gedenkstätten- förderung fließen und bald mit dem Bau begonnen werden kann.
▄
Thomas Gerst
ALT REHSE – EHEMALIGE FÜHRERSCHULE DER DEUTSCHEN ÄRZTESCHAFT
Ein Ort des Lernens und Gedenkens
Das Gutshaus in Alt Rehse soll zu einem Lern- und Gedenkort werden.
Öffentliche Mittel gibt es aber nur, wenn sich auch die Ärzteschaft engagiert. Der KBV-Vertreterversammlung am 27. Mai liegt dazu eine Beschlussvorlage vor.
Bei der Restaurierung soll die neoklassi- zistische Fassade, die das ursprünglich 1862 im neugotischen Stil erbaute Gutshaus 1939 erhielt, wiederhergestellt werden.
Fotos: Gutshaus Alt Rehse gGmbH
E
ine mecklenburgische Seen- landschaft, schilfgedeckte Fach- werkhäuser, Idylle pur – Täterort Alt Rehse. Hier ließ die NS-Ärzte- führung am Tollensesee seit dem Sommer 1934 die Führerschule der Deutschen Ärzteschaft errichten.Das Schlossgebäude wurde aufwen- dig renoviert, mehrere neue Gebäu- de errichtet. Das zum Gutsbesitz gehörende Dorf wurde abgerissen und durch 20 Wohnhäuser an glei- cher Stelle ersetzt. Zur Eröffnung am 1. Juni 1935 reiste der Stellver- treter des Führers, Rudolf Heß, in Begleitung seines Stabsleiters Mar- tin Bormann an. Die Feier wurde über alle Radiosender übertragen.
Die Führerschule war als national- sozialistische Kaderschmiede vor allem für NS-Gesundheitsfunktio- näre und linientreue Jungärzte kon- zipiert. In mehr-
wöchigen Kursen sollten die Teil- nehmer mit zen- tralen Themen der NS-Gesundheits- politik vertraut ge- macht werden.
Alt Rehse steht an der Spitze ei- nes umfassenden Systems der Be- einflussung und Gleichschaltung der Ärzteschaft, die sich weitgehend oh- ne Widerspruch in den Dienst der verbrecherischen Strategien zur Um- setzung der nationalsozialistischen Rassenhygiene stellte. Dies ist der geeignete Ort, um sich mit Fragen nach dem Selbstverständnis der Ärz- teschaft in dieser Zeit, aber auch mit medizinethischen Fragen der Ge- genwart auseinanderzusetzen.
Seit dem Jahr 2001 engagiert sich der Verein „Erinnerungs-, Bildungs- und Begegnungsstätte Alt Rehse e.V.“ (EBB) vor Ort, um die Ge- schichte der „Führerschule“ histo- risch-kritisch aufzuarbeiten und