Bei amerikanischen Farmern ist die Monsanto-Sojabohne ein Ver- kaufsschlager. Nachdem die meisten US-Bauern mit dem Profit zufrieden waren, den ihnen die neue Sorte im letzten Jahr gebracht hat, war das Saatgut 1997 schnell vergriffen. Mon- santo schätzt, daß dieses Jahr etwa vier Millionen Hektar mit der round- up-resistenten Züchtung bepflanzt werden – ein Gebiet von der Größe Nordrhein-Westfalens. Letztes Jahr waren es nicht einmal 500 000 Hektar.
Dieser Zuwachs auf zehn bis 15 Prozent der gesamten amerikani- schen Sojaernte bringt die europäi- sche Lebensmittelindustrie freilich in eine arge Klemme. Auf der einen Sei- te sieht sie sich unverändert der Ab- neigung der Verbraucher ausgesetzt.
Auf der anderen Seite wird es aus den marktbeherrschenden USA praktisch keine gentechnikfreie Soja-Ware mehr geben, sollten die Bohnen wie letztes Jahr mit den herkömmlichen Sorten vermischt werden.
Anwendung von Soja- Lecithin vertuscht
In aller Eile versuchen bereits ei- nige Firmen, Soja-Zutaten in ihren Rezepturen durch Alternativen zu er- setzen. Denn dank der sensiblen Nachweismethoden für die Gentech- nikbohne gibt es kaum Hoffnung, ihre Verwendung vertuschen zu kön- nen. Diese unangenehme Erfahrung hat der Toblerone-Hersteller Kraft- Jacobs-Suchard bereits Ende März machen müssen. Weil einem Labor der Nachweis gelang, daß in der Scho- kolade trotz gegenteiliger Beteuerun- gen Soja-Lecithin aus den Monsanto- Bohnen verwendet worden war, muß- te der Konzern zur Schadensbegren- zung über 200 Tonnen aus dem Han- del zurückrufen.In ihren Bemühungen, zumindest eine sinnvolle Kennzeichnung von
Gentechnik-Lebensmitteln durchzu- setzen (siehe Spektrum/Akut), geht es den Verbraucherverbänden keines- wegs darum, die Produkte mit Warn- hinweisen zu brandmarken. Das wäre schon deshalb sinnlos, weil bereits jetzt Produkte der Gentechnik in vielen Le- bensmitteln enthalten sind. Vor allem zu den von Mikroorganismen herge- stellen Enzymen, die etwa in Brot, Kä- se und Obstsäften zu finden sind, gibt es oft keine Alternative mehr. Wenn man alle Produkte zusammennimmt, in denen Mais, Soja und Enzyme ent- halten sind, dann könnte die Gentech- nik bereits dieses Jahr in der Produkti- on von 80 Prozent der Nahrungsmittel eine Rolle spielen.
Im Gegensatz zu den Verbrau- cher-Vereinigungen fordern Umwelt- schützer wie „Greenpeace“ völligen Verzicht auf den Einsatz der Gen- technik in der Landwirtschaft. Ihre Argumentation stützt sich nicht hauptsächlich auf gesundheitliche Ri- siken; vielmehr konzentriert sich die Umweltgruppe auf die ökologischen Auswirkungen. Immerhin hat sie den Kampf für eine „nachhaltige, che- miefreie Landwirtschaft“ auf ihre Fahnen geschrieben. Für Dieke Bob- bink, Gentechnik-Campaignerin von Greenpeace Hamburg, ist „die Idee, Pflanzen an Herbizide anzupassen, einfach das falsche Signal“. Die bis- lang eingeführten Sorten zeigten, daß der Trend zu chemieabhängigen Monokulturen nur noch verstärkt würde. Hier prallt allerdings Ansicht auf Ansicht. So glaubt Bundesfor- schungsminister Jürgen Rüttgers, ge- rade wegen der Sicherung der land- wirtschaftlichen Erträge, nicht auf die grüne Gentechnik verzichten zu können. „Die Gentechnik bietet kei- ne Wundermittel, aber es verbietet sich, die mit ihr verbundenen Chan- cen grundsätzlich auszuschließen“, ist der Minister überzeugt.
Für Greenpeace stehen indes die Risiken im Vordergrund. Doch die
können im Einzelfall sehr unter- schiedlich ausfallen. Sollte beispiels- weise die in Soja eingebrachte Her- bizidresistenz auf Unkräuter „über- wechseln“, ist das vor allem ein Pro- blem für Monsanto. Denn sobald Un- kräuter die Round-up-Dusche eben- falls überleben, wird kein Landwirt mehr das teure, aber sinnlos geworde- ne Saatgut der Firma kaufen wollen.
Kräfteverschiebung
Fundamentale Bedenken haben Ökologen hingegen bei Pflanzensor- ten, deren „neue“ Gene ihnen selbst oder wilden Verwandten auch außer- halb eines Ackers Vorteile verschaf- fen könnten. So forscht die Saatgut- Industrie an Pflanzensorten, die größere Kälte oder salzigere Böden aushalten. Auch der Schutz gegen Fraßinsekten, den der Novartis-Mais aufweist, könnte einer Wild-Pflanze einen Vorteil verschaffen, der das öko- logische Kräfteverhältnis verschiebt.Doch gerade hinter dem Schutz vor Insektenfraß, den der Industrie- konzern Novartis in das Erbgut seiner Mais-Sorte eingefügt hat, verbirgt sich noch ein weiterer Konflikt. Diese Mais-Sorte bildet ein Protein, das für bestimmte Schädlinge ein tödliches Gift ist. Denselben Eiweißstoff ver- wenden auch Ökobauern auf ihren Feldern. Bei Schädlingsbefall sprühen sie Bakterien, die das insektentöten- de „Bt-Protein“ bilden, zum Schutz auf ihre Maispflanzen. Tatsächlich hat diese Verwendung die Gentechniker von Novartis erst auf die Idee ge- bracht, das Bakterienprotein ihren Mais-Pflanzen einzufügen.
Der Chemiekonzern wisse sehr gut, sagt Dieke Bobbink, „daß die flächendeckende Konfrontation der Insekten mit dem Gentech-Mais schnell zu resistenten Schädlingen führen wird“. Sollten diese Raupen auftreten, dann werden sie aber auch von dem Bt-Spritzmittel der Öko- bauern nicht mehr unter Kontrolle gehalten werden können. Während die Konzerne dann die nächste Pflan- zensorte vermarkten, „haben sie ein Stück umweltverträglichen Pflanzen- schutzes im ökologischen Landbau kaputtgemacht“, sieht Bobbink vor-
aus. Klaus Koch
A-1332 (28) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 20, 16. Mai 1997
P O L I T I K MEDIZINREPORT