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A2372 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 37½½½½14. September 2001
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ie häufigste Gruppe der Gehirntumoren sind die Gliome. Die Prognose der Patienten bestimmt der histopathologische Differen- zierungsgrad des Tumors und der zelluläre Subtyp – also astrozytär oder oligodendro- glial. Auch Lebensalter und Aktivitätsindex des Patienten beeinflussten die Prognose, erinnerte Prof. Martin Stusch- ke (Essen) bei einem Work- shop der Essex Pharma GmbH in München.Nach den Prognosefakto- ren richtet sich die Therapie der Gliome. Sie zeichnen sich durch ein häufig weit infil- trierendes Wachstum und ge- ringe Empfindlichkeit gegen- über den derzeit verfügbaren Zytostatika und der Strah- lentherapie aus. Eine Opera- tion ist nicht bei allen Patien- ten durchführbar. In den ope- rablen Fällen ermöglicht sie eine exakte histopathologi- sche Diagnose und eine Tu- morreduktion.
Moderne Hilfstechniken für den Neurochirurgen
In der OP-Planung und tech- nischen Durchführung des Eingriffs seien deutliche Fort- schritte erzielt worden, sagte Dr. Friedrich Weber (Düssel- dorf). So dient die Neuronavi- gation der präoperativen Pla- nung und Operationssimulati- on. Der intraoperative Ein- satz der Magnetresonanz-To- mographie gibt dem Chirur- gen eine Echtzeitinformation über den Operationssitus. Re- ferenzierter 3-D-Ultraschall, Navigation-integrierter Ul- traschall (NIOUS), NIOUS- geführte Biopsie, Stoffwech- selbildgebung durch Positro- nen-Emissions-Tomographie (PET) und Kernspinspektro- skopie sind weitere moderne Hilfstechniken für den Neu- rochirurgen.
Niedriggradige Gliome (Astrozytome und Oligoden- drogliome WHO Grad I und II) sollten, falls möglich, pri- mär mikrochirurgisch ange- gangen werden. Durch post- operative Strahlentherapie wird zwar eine bessere lokale Tumorkontrolle erreicht, je-
doch kein Überlebensvorteil.
Übereinstimmung bestehe dar- in, dass Patienten mit sympto- matischen oder progredienten niedriggradigen Gliomen ei- ner Strahlentherapie zugeführt werden sollten, so Dr. Anca- Ligia Grosu (München). Grö- ßere Gliome mit diffusem infil- trierendem Wachstum werden oft primär strahlentherapeu- tisch behandelt.
Bei höhergradigen Glio- men (Astrozytome und Oli- godendrogliome Grad III und IV) ist die Mikrochirur- gie der erste Schritt in der Be- handlungsstrategie, wobei so radikal wie möglich vorgegan- gen werden sollte. Die post- operative Strahlentherapie ver- längere die mittlere Überle- benszeit signifikant, so Grosu.
Die Radiochemotherapie hat in der Behandlung mali- gner primärer Gehirntumo- ren einen hohen Stellenwert erlangt. Eingesetzt wurden in erster Linie Nitrosoharnstof- fe und Procarbazin im An- schluss an die Bestrahlung.
Keines dieser Therapiesche- mata konnte jedoch das Schicksal der Patienten we- sentlich beeinflussen. Die mittlere Überlebenszeit be- trug selten mehr als sieben Monate. Dazu kam, dass die Lebensqualität der Patienten infolge der hohen Toxizität der Medikation sehr beein- trächtigt wurde.
Die Situation habe sich mit der Einführung von Temozo- lomid (Temodal®) geändert, betonte Dr. Roger Stupp (Lau- sanne). Diese oral anzuwen- dende Alkylans wird schnell und vollständig resorbiert, passiert schnell die Blut- Hirn-Schranke und tritt nahe- zu zu 30 Prozent in den Liquor über. Temozolomid (TMZ) depletiert das Enzym 0 6-Al- kyltransferase. Dieses Enzym katalysiert die Reparatur der durch alkylierende Substan-
zen induzierten DNS-Brüche.
In-vitro-Studien haben ge- zeigt, dass TMZ eine additi- ve oder synergistische Akti- vität mit der Radiotherapie entfaltet.
In einer Pilotstudie mit 64 Patienten konnten Stupp et al. zeigen, dass die simultane, kontinuierliche tägliche Gabe von TMZ eine Stunde vor der Bestrahlung durchführbar ist.
Schwere Thrombozytopenie und Neuropenie tritt bei we- niger als zehn Prozent der Pa- tienten auf. Eine erste Analy- se der Überlebensrate dieser Patienten mit einer opera- tiven Tumorreduktion in 76 Prozent der Fälle ergab eine mittlere Überlebenszeit von 16 Monaten und eine 18-mo- natige Überlebenszeit von 35 Prozent. Diese ermutigenden Resultate werden nun in ei- ner randomisierten interna- tionalen Studie (EORTC- Studie) überprüft.
Untersuchungen bei Hirnmetastasen
Dr. Michael Schroeder (Duis- burg) berichtete über neue Möglichkeiten der Radioche- motherapie mit TMZ in der Behandlung zerebraler Meta- stasen sowohl von hirneige- nen Tumoren als auch von nichtkleinzelligen Bronchi- alkarzinomen, Weichteilsar- komen und anderen Maligno- men. TMZ wurde in einer Dosierung von 150 mg/m2/ Tag am ersten bis fünften Tag alle vier Wochen gegeben und mit der Strahlentherapie kom- biniert.
Die Patienten mit nicht- kleinzelligem Bronchialkarzi- nom erreichten eine komplet- te Remission, lediglich ein Patient zeigte eine Progressi- on der Hirnmetastasen. Nur einer von den Patienten mit Metastasen eines Melanoms erreichte eine minor response.
Die Patientin mit Metastasen eines kolorektalen Karzinoms erreichte eine partielle Re- mission für neun Monate. Die Patientin mit Hirnmetastasen eines Mammakarzinoms profi- tierte nicht von der Therapie.
Die fünf Patientinnen mit me- tastasiertem Weichteilsarkom erreichten in einem Fall eine komplette, in drei Fällen eine partielle Remission.
Die therapeutischen Vortei- le von TMZ gegenüber her- kömmlichen Zytostatika lie- gen in der oralen Applikation und in der guten Verträglich- keit. Das erlaubt eine ambu- lante Therapie, die für die Pa- tienten mit einer nur noch be- grenzten Lebenserwartung vi- tal wichtig ist. Auch ist die Sub- stanz in der Lage, die progres- sionsfreie Zeit und die Gesamt- überlebenszeit signifikant zu verlängern. Siegfried Hoc
Gehirntumoren
Temozolomid verlängert Überlebenszeit
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Ein neu entwickeltes Polster für die Stabilbandage MalleoLoc sorgt für noch mehr Sicherheit im Sprunggelenk. Mit dem hautver- träglichen Polstermaterial „Enga- ge“ ist es gelungen, die Stabilban- dage rotations- und rutschsicher anzulegen, sodass sie auch bei ho- her Aktivität richtig positioniert bleibt und Druckstellen vermie- den werden. Foto: Bauerfeind Orthopä- die
Zoloft-Lösungskonzentrat – Der selektive Serotonin-Wie- deraufnahmehemmer Sertra- lin (Zoloft®, Pfizer) ist nun auch als Lösungskonzentrat für Patienten mit Schluck- störungen verfügbar. Außer- dem kann die empfohlene Ta- gesdosis von 50 mg leicht bis auf 200 mg/d erhöht werden.
Das zuckerfreie und für Dia- betiker geeignete Konzentrat wird vor der Einnahme mit etwa 120 ml (ein Glas) Flüs- sigkeit verdünnt. EB
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