DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
D
er Deutsche Gewerk- schaftsbund (DBG) hat bereits einen Vorge- schmack dessen öffentlich er- kennen lassen, wie er sich die für die kommende Legislatur- periode von der Bundesregie- rung avisierte Strukturreform im Gesundheitswesen und die Weiterentwicklung in der ge- setzlichen Krankenversiche- rung vorstellt. Ein „mittelfri- stiges Krankenversicherungs- budget" soll her, das „von oben" gesundheitspolitische Prioritäten und strategische Ziele vorgibt.Begründung: Die bisherigen amtlichen Maßnahmen zur Kostendämpfung im Gesund- heitswesen und die Selbstbe- schränkungsmaßnahmen der
„Leistungsanbieter" hätten wenig oder nichts erbracht;
sie hätten im wesentlichen der Konsolidierung des Bun- deshaushalts gedient und da- bei zugleich vor allem die
„einkommensschwachen Tei- le der Bevölkerung in nicht vertretbarem Maße" belastet.
Die bisherige „kurzatmige Kostendämpfungspolitik hat an den verfestigten Struktu- ren und der Unwirtschaftlich- keit des Gesundheitswesens nichts geändert", so lautete das fertige Urteil des stellver- tretenden DGB-Vorsitzenden Gerd Muhr anläßlich der Prä- , sentation einer „Bilanz der
Kostendämpfungspolitik im Gesundheitswesen 1977 bis 1984" in der DGB-Zentrale.
Die „hohen Einkommen und Profite der Leistungsanbieter"
seien dabei geschont worden (so 0-Ton von DGB-Muhr).
Die DGB-„Soforthilfe” zeigt eine auffällige Affinität zu gleichlautenden Forderungen der Ortskrankenkassen und der Sozialdemokraten: So soll das Absolutziel der Beitrags- stabilität durch Komplex-Ge- bühren und durch die Anglei- chung der „hohen Einkom- mensdifferenzen" bei den Ärzten erreicht werden. Bei- tragsneutrale Vertragsverein- barungen im Bereich der am-
DGB gefährdet Autonomie der Krankenkassen
bulanten ärztlichen und zahn- ärztlichen Versorgung müß- ten vom Gesetzgeber und den Selbstverwaltungen zu struk- turellen Maßnahmen genutzt werden. Zugleich sollte eine gleichmäßige regionale Ver- teilung und eine qualifizierte- re allgemeinärztliche Tätig- keit durch Sanktionen und
„Druck von außen" ange- strebt werden.
Gewiß: Die amtliche Kosten- dämpfung war bislang von ei- ner auffälligen Kurzatmigkeit geprägt; finanz- und wirt- schaftspolitisch motivierte Transaktionen bestimmten den Kurs einer dahin lavie- renden Gesundheitspolitik.
Daraus die Forderung abzu- leiten, für die Krankenversi- cherung vollzugsverbindliche Ausgabenbudgets festzule- gen, geht aber ebenso an der Sache vorbei wie der DGB/
ZVS-Wandertag
J
etzt endlich wissen wir's:Deutschlands Schülern soll der Test bei der Be- werbung um einen Medizin- Studienplatz schmackhaft ge- macht werden. Wenn sie Glück haben, wird nämlich ihr Schulgebäude für den Test gebraucht, und dann gibt's ei- nen Wandertag.
In der größten Stadt Deutsch- lands, in Berlin jedenfalls, wa- ren beim letzten Test-Termin nicht weniger als 38 Schulen auf Wanderschaft — pardon, in der Oberstufe der 19 betroffe- nen Gymnasien hieß das
AOK-Wunsch, dieses oben- drein noch durch den Bundes- tag beraten und verabschie- den zu lassen. Eine so gearte- te (politische) Krankenversi- cherungs-Budgetpolitik wäre eine glatte Bankrotterklärung an die soziale Selbstverwal- tung und an die durch ge- meinsame Selbstbeschrän- kungsmaßnahmen längst voll- zogene Sparpolitik.
Würden globale oder sektorale Budgets strikt vorgegeben und sogar parlamentarisch sank- tioniert (etwa durch einen Hammelsprung?), würde mit Sicherheit die Strukturreform eher erschwert als erleichtert.
Jede Budgetierung bedeutet eine Verlagerung der Ent- scheidungsgewalt auf eine zentrale Ebene — mit allen ne- gativen Folgen für das geglie- derte System. Die Autonomie der 1200 Krankenkassen stün- de dann nur noch auf dem Pa- pier. Die auch von den Ge- werkschaften bislang ver- fochtenen Mitberatungs- und
Mitbestimmungsbefugnisse in der sozialen Selbstverwal- tung würden durch eine all- mächtige Herrschaft der Technokraten, Bürokraten und durch die Staatsomnipo- tenz ersetzt werden. HC
„fachgebundene Exkursion"
—, weil die Studienplatzbe- werber in die Schulen einfie- len. Auf diese Weise konnte Berlin seiner gesetzlichen Verpflichtung zur „Test- durchführung" nachkommen, aber es fiel kein Unterricht aus. Raffiniert, was?
Im Bürokraten-Jargon heißt das TMS, Test für die medizi- nischen Studiengänge. Aber den Schülern wird schon noch eine bessere Auflösung dieser Abkürzung einfallen. „Tau- sende Medizin-Studenten"
wünschen sie sich vielleicht, oder eine „Tour mit Stullen- paket". Und was ist mit der ZVS (Zentralstelle für die Vergabe von Studienplät- zen)? Vielleicht „Zentral ver- ordnetes Sightseeing?" gb
Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 16 vom 16. April 1986 (1) 1073