In Zukunft werden Karzino- me molekularbiologisch defi- niert werden und nicht mehr nach Organspezifität. Denn die Therapie wird sich an den biologischen Eigenschaf- ten der Karzinomzellen orien- tieren und gezielt gegen Re- zeptoren, Antigene und wachs- tumsfördernde Faktoren der Krebszellen richten. Diesen Hoffnungen haben Experten bei der Einführung von Her- ceptin®(Hoffmann-La Roche) in Frankfurt Ausdruck gege- ben.
Als humanisierter mono- klonaler Antikörper eröffnet der Wirkstoff Trastuzumab eine neue Ära in der Kar- zinomtherapie, obwohl bis- her allein zur palliativen Be- handlung des metastasierten Mammakarzinoms zugelas- sen. Aufgrund seiner selekti- ven Wirkung auf diejenigen Karzinomzellen, die den Re- zeptor für den Wachstums- faktor HER2 überexprimie- ren und dadurch als beson- ders aggressiv eingestuft wer- den, greift das neue Medi- kament auch bei ruhenden Krebszellen.
Dies wiederum eröffnet theoretisch eine adjuvante Primärtherapie mit der Hoff- nung, Mikrometastasen an- zugehen oder gar eine Meta- stasierung zu verhindern. Da eine Überexpression des Re- zeptors nicht nur bei Brust- krebs nachgewiesen ist, son- dern auch bei verschiedenen anderen Malignomen, wer- den Zulassungsstudien bei nichtkleinzelligem Bronchi- alkarzinom, bei Blasen-, Ova- rial- und Pankreaskarzinomen vorbereitet.
Trastuzumab bindet spezi- fisch an den HER2-Rezeptor auf der Oberfläche der Zel- len, indem zwei Rezeptoren
„besetzt“ und dann internali- siert werden – Wachstumssi- gnale stoßen auf „taube Oh-
ren“. Zusätzlich wird nach Angaben von Prof. Axel Ull- rich (Martinsried) das Im- munsystem aktiviert, die na- türlichen Killerzellen ver- stärkt und darüber eine De- struktion der Krebszellen ge- fördert. Im Gegensatz zur Chemotherapie bewirkt Her- ceptin keine Schädigungen an anderen, sich teilenden Zel- len und geht deshalb nicht mit den bekannten Neben- wirkungen der Chemothera- pie einher.
Prof. Fritz Jänicke (Ham- burg) bezeichnete die Thera- pie mit Trastuzumab als gut verträglich: Bei einem Teil der Patientinnen hat der Kliniker leichte, grippeähnliche Sym- ptome beobachtet. Die einzi- ge schwerwiegende Neben- wirkung ist das Risiko einer Kardiotoxizität, das in den Zu- lassungsstudien insbesondere in Kombination mit Anthra- cyclinen aufgetreten ist. Eine differenzierte kardiale Ab- klärung ist nach Jänicke vor
der Therapie deshalb unver- zichtbar.
Zugelassen ist der Wirk- stoff jetzt zur Therapie des metastasierten, HER2-positi- ven Mammakarzinoms, wo- bei in Kombination mit der üblichen Chemotherapie eine signifikant verlängerte Über- lebenszeit erreicht wird. Für die palliative Behandlung wur- den außerdem mehrere Studi- en zur Primärtherapie gestar- tet, in denen Herceptin ent- weder in Kombination mit Do- xetaxel in unterschiedlichen Regimen oder aber (zur Ab- klärung der kardialen Sicher- heit) anthracyclinhaltiger Che- motherapie eingesetzt wird.
Bei bereits vorbehandelten Patientinnen werde darüber hinaus eine Monotherapie mit Trastuzumab geprüft, weitere Kombinationen zur Erstbe- handlung umfassten die Kom- bination mit Navelbine oder einem oralen Aromatase-In- hibitor, sagte Jänicke.
Für die Zukunft erhofft sich der Experte jedoch einen früheren Einsatz des Anti- körpers, nämlich in der ad- juvanten Primärtherapie des primär nicht metastasierten Brustkrebses – derzeit etwa 55 bis 60 Prozent der Neudia- gnosen. Rund 25 bis 30 Pro- zent dieser Mammakarzino-
me sind HER2-positiv. Doch auf der Oberfläche der dis- seminierten Tumorzellen in den Knochenmarkbiopsaten dieser Patientinnen haben die Hamburger Kliniker in einem Drittel der Fälle den HER2- Rezeptor nachgewiesen, al- so in einem viel höheren Prozentsatz als im Primärtu- mor.
Blockade eines Signalweges Durch die adjuvante Gabe des Antikörpers, so spekulier- te Jänicke, könnte deshalb frühzeitig in den systemischen Prozess eingegriffen und so ei- ner Metastasenbildung entge- gengewirkt werden. Die Ko- sten für diese Behandlung (etwa 1 800 DM pro Woche) werden von den Kassen nicht übernommen.
Ob es gelingt, allein über die Blockade dieses einen Signalweges der Krebszellen eine Progression aufzuhalten, muss sich zeigen – zumal sich die HER2-positiven Fälle nicht mit denjenigen decken, die vermehrt einen anderen „Ag- gressionsmarker“ (Plasmino- genaktivator vom Urokina- setyp und seinen Inhibitor) aufweisen, der ebenfalls mit ei- ner schlechteren Prognose ein- hergeht. Dr. Renate Leinmüller V A R I A
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A2726 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 41½½½½13. Oktober 2000
Mammakarzinom
Erster Antikörper für die Therapie eingeführt
Herzinfarkte und Schlaganfäl- le sind die Haupttodesursache bei Dialyse-Patienten. Bislang fehlt es an Möglichkeiten, Nie- reninsuffiziente vor solchen kardiovaskulären Ereignissen ausreichend zu schützen. In ei- ner großen Studie will nun das Unternehmen Bayer klären, ob der CSE-Hemmer Ceriva- statin möglicherweise eine wir- kungsvolle Prävention erlaubt.
Schon in den ersten zwei Jahren nach Dialysebeginn er- leide im Durchschnitt jeder zweite Patient ein kardiovas- kuläres Ereignis, berichtete Dr. Luis M. Ruilope (Madrid) während des „XIIth Interna-
tional Symposium of Athero- sclerosis“ in Stockholm. Viele unterschiedliche kardiovas- kuläre Risikofaktoren kom- men bei den niereninsuffizien- ten Patienten zusammen: Dia- betes, Hypertonie und Dys- lipidämien sind häufig. Typisch sind hohe Triglyzerid- sowie erhöhte LDL- und VLDL- Cholesterin-Werte. Auch die ApoB- und Lp(a)-Konzentra- tionen sind oft hoch, die HDL- Spiegel dagegen niedrig. Zu- dem scheint das LDL bei die- sen Patienten besonders oxi- dationsanfällig zu sein.
Zurzeit erhalten nur etwa acht Prozent der Dialysepati-
enten eine lipidsenkende Therapie, wie Dr. William Keane (Minneapolis) beton- te. In CHORUS (Cerivasta- tin Heart Outcomes in Renal Disease: Understanding Sur- vival) soll nun getestet wer- den, ob sich durch eine früh- zeitige Cerivastatin-Therapie bei nur mäßig erhöhten Li- pidwerten die kardiovaskulä- re Morbidität und Mortalität dieser Kranken senken lässt.
Seit Januar läuft die Rekru- tierung von über 1 000 Dialy- se-Patienten in 40 nordameri- kanischen Zentren. Die Stu- dienteilnehmer erhalten zwei Jahre lang randomisiert ent- weder 0,4 mg Cerivastatin pro Tag oder Placebo. Im März des Jahres 2002 werden die Ergebnisse der Studie erwar-
tet. Sonja Böhm
Studie klärt Rolle der Statine bei Dialyse-Patienten
Unternehmen