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Welche Rolle spielen Fibrate in der Welt der Statine?

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ARS MEDICI 22 2006 S T U D I E

Patienten mit Dyslipidämie und anderen dem metabolischen Syndrom zugehörigen Störungen können offenbar von der Behand- lung mit Gemfibrozil profitieren. Das zeigen Langzeitergebnisse der Helsinki Heart Study, die in den «Archives of Internal Medicine»

publiziert wurden.

A R C H I V E S O F I N T E R N A L M E D I C I N E

In der «Welt der Statine», wer fragt da eigentlich noch nach den Fibraten? Gibt es sie überhaupt noch? Die Antwort heisst:

Fibrate mögen am Boden sein, erledigt sind sie wohl noch nicht.

Doch der Reihe nach. Angefangen hat die Geschichte vor 30 Jahren, in den Siebzigerjahren, mit dem Clofibrat, gewisser- massen dem Prototyp dieser Substanzklasse. Man wollte in Er- fahrung bringen, ob es gelänge, mit dem Fibrat durch Senkung des Cholesterins günstige, das heisst kardioprotektive Effekte auf das Herz zu erzielen. Doch das Glück war nicht auf der Seite der hoffnungsvoll gestarteten Substanz. In einer der Studien, es war der World Health Organization’s Cooperative Prevention Trial, geschah das Unerwartete. In der Verumgruppe waren mehr Krebserkrankungen aufgetreten, und es starben mehr Patienten als unter Plazebo. Damit war das Schicksal von Clofibrat besiegelt. Die Substanz musste vom Markt genommen werden.

«34 Prozent weniger kardiale Ereignisse»

Doch damit war die Geschichte der Fibrate nicht ein für allemal erledigt. Ende der Achtzigerjahre ging ein neueres Fibrat, das Gemfibrozil, im Rahmen der doppelblind konzipier- ten Helsinki Heart Study (HHS) an den Start. Etwas mehr als 4000 Männer im Alter zwischen 40 und 55 Jahren mit einer Dyslipidämie, aber ohne offenkundige koronare Herzkrankheit, nahmen entweder Gemfibrozil ein oder aber ein Plazebo. Als

die Ergebnisse dieser Präventivstudie fünf Jahre später gelüftet wurden, war man mehr als zufrieden. Unter Gemfibrozil traten 34 Prozent weniger kardiale Ereignisse auf als unter dem Scheinmedikament. Dieses Resultat, das seinerzeit in der Fachpresse begeistert aufgenommen wurde, war gleichwohl bei Licht besehen etwas weniger spektakulär, als es auf den ersten Blick den Anschein hatte. Statt 4,1 pro 100 Patienten erlitten 2,7 pro 100 Patienten unter Gemfibrozil einen Herzinfarkt – und dies nach fünfjähriger Behandlung. Oder, in einer anderen Dar- stellungsweise: 71 Personen mussten über fünf Jahre behandelt werden, damit 1 Infarkt verhindert werden konnte. Die HHS war denn auch eine der ersten Studien, anhand deren Kritiker seinerzeit monierten, der tatsächliche therapeutische Nutzen, mithin die Evidenz, lasse sich durch das des relative Risiko nur schwer fassen. Doch daran sei nur am Rande erinnert.

Denn wie auch immer – der grandios anmutende Therapieer- folg half der Substanz nicht nennenswert auf die Beine. Mit Lo- vastatin war nämlich zu jener Zeit bereits das erste Statin auf dem Markt. Es erwies sich als sehr gut verträglich und senkte zudem das LDL-Cholesterin deutlich. Fortan wurden eine ganze Reihe an Statinstudien auf den Weg gebracht, das Inter- esse an Fibraten schwand zusehends, die Substanzen fristeten ihr Dasein in einer therapeutischen Nische.

Welche Rolle spielen Fibrate in der Welt der Statine?

Helsinki Heart Study: Langzeitdaten legen den Schluss nahe, dass Gemfibrozil bei Patienten mit metabolischem Syndrom wirkt

■■

■ Der Teil der Patienten, der ursprünglich fünf Jahre mit Gemfibrozil behandelt wurde, weist nach 18 Jah- ren eine verringerte kardiale Sterblichkeit auf.

Die Gesamtsterblichkeit ist aber im Vergleich mit Plazebo nicht verringert.

■■

■ Patienten, deren Dyslipidämie Teil eines metaboli- schen Syndroms ist, profitieren anscheinend wesent- lich mehr. Für diese Patienten kann Gemfibrozil eine Alternative zu Statinen sein.

■ Insgesamt stellt diese Studie aber den grundsätzli- chen Vorrang der Statine nicht infrage.

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Der Nutzen der HDL-Erhöhung

Seit einigen Jahren allerdings ist das Interesse an den Fibraten wieder etwas gestiegen. Auslöser dafür war zunächst die VA-HIT-Studie (Veterans Affairs HDL Intervention Trial) aus dem Jahr 1999 – ebenfalls mit Gemfibrozil durchgeführt. Im Rahmen der Untersuchung liess sich erstmals zeigen, dass auch ohne LDL-Senkung, allein durch Anheben des HDL und Sen- kung erhöhter Triglyzeridspiegel, ein Teil der kardiovaskulären Ereignisse verhindert werden kann. Im Gegensatz zu allen frü- heren Studien zielte die Therapie erstmals also nicht auf die LDL-Senkung, sondern auf die Erhöhung des HDL-Cholesterins und auf die Senkung der Triglyzeride.

In diesem Jahr sind nun neue Langzeitdaten der Helsinki Heart Study in den «Archives of Internal Medicine» publiziert worden.

Die Studie war nämlich seinerzeit nicht nach fünf Jahren been- det worden. Die Studienärzte lüfteten aber das Geheimnis der Randomisierung. Alle Patienten erfuhren also, ob sie das Verum oder ein Plazebo erhalten hatten und wurden aufgefordert, sich zu entscheiden, ob sie die Therapie mit dem Gemfibrozil für weitere 31/2Jahre im Rahmen einer offenen Folgestudie fortset- zen wollten. Das taten zwei Drittel aus beiden Gruppen. Nach Abschluss dieser Phase wurde es den Teilnehmern freigestellt, mit der Behandlung weiter fortzufahren. Nun fanden zwar keine regelmässigen Untersuchungen mehr statt, doch konnte anhand eines nationalen Registers zuverlässig festgestellt wer- den, ob jemand von ihnen gestorben war und auch, woran. Mit der neuen Publikation wissen wir, was nach 18 Jahren aus den Teilnehmern geworden ist: Patienten, die ursprünglich in der Verumgruppe waren, hatten ein um 22 Prozent geringeres Risiko, an einer Herzkrankheit zu sterben. Allerdings war die Sterblichkeit insgesamt nicht beeinflusst. Kein berauschendes Ergebnis also. Positive Meldungen lassen sich erst verkünden, wenn man den Blick nur auf die Patienten mit den höchsten Triglyzeridwerten und dem höchsten BMI richtet. In dieser Sub- gruppe sank das relative KHK-Mortalitäts-Risiko nach 18 Jahren um 71 Prozent, und auch die Gesamtsterblichkeit fiel signifi- kant geringer aus. Die Autoren nehmen nun an, dass nur ein früher Therapiebeginn mit Gemfibrozil Erfolg versprechend ist

(die Patienten, die zu einem späteren Zeitpunkt freiwillig Gemfibrozil einnahmen, konnten demgegenüber nicht mehr oder kaum noch profitieren).

Eine kostengünstige Alternative

Vor allem aber, so meinen die Forscher, lassen sich mit dem Fibrat wohl in erster Linie Patienten erfolgreich behandeln, die auch Zeichen eines metabolischen Syndroms aufweisen. Für diese Menschen, so meint auch die Kommentatorin Hanna E.

Bloomfield, sei Gemfibrozil eine «gute und kostengünstige Alternative» zu Statinen, an deren herausragender Stellung im Übrigen nicht gerüttelt werden könne. Die anderen Fibrate, Bezafibrat und Fenofibrat, müssten ihre Langzeitwirksamkeit erst noch unter Beweis stellen. Für Bloomfield kommt es jetzt darauf an herauszufinden, ob sich die Wirksamkeit der Statine durch Kombination mit einem Fibrat erhöhen lässt. Denn eines, unterstreicht sie, sei gewiss: «Statine sind exzellente Medika- mente, aber auch sie vermögen maximal 20 bis 30 Prozent der kardialen Ereignisse zu verhindern.» Eine Kombinationsthera- pie käme nach dem Stand des Wissens wohl in erster Linie für Menschen in Frage, die niedrige HDL-Spiegel und hohe Trigly- zeridwerte sowie Merkmale eines metabolischen Syndroms aufweisen. Wie viel man sich von einer solchen Behandlung er- warten darf, werden vermutlich die Ergebnisse der gerade lau- fenden ACCORD-Studie zeigen, in der Fenofibrat eingesetzt wird. Bis zum Jahr 2010 wird man sich aber noch gedulden

müssen.

Leena Tenkanen et al.: Gemfibrozil in the treatment of dyslipidemia. An 18-year follow- up of the Helsinki Heart Study. Arch Intern Med 2006; 166: 743–748.

Hanna E. Bloomfield: The role of fibrates in a statin world. Arch Intern Med 2006; 166:

715–716.

Uwe Beise

Interessenkonflikte: keine

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ARS MEDICI 22 2006

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