Deutsches Ärzteblatt
|
Jg. 110|
Heft 22|
31. Mai 2013 A 1097 MAMMAKARZINOMDie Leitlinien wurden aktualisiert
Die Wächterlymphknoten sollten bei Brustkrebs in frühem Stadium vor der neoadjuvanten Chemotherapie entfernt werden. Diese Empfehlung ist eine von mehreren
Änderungen, mit denen die Leitlinien neuen Erkenntnissen angepasst wurden.
D
ie Grundlagenforschung und die klinische Forschung ha- ben in den vergangenen Jahrzehn- ten eine unüberschaubare Zahl von Erkenntnissen zu Brustkrebs erar- beitet. In diesem „Dschungel“ von neuem Wissen können Leitlinien hel- fen, einen Weg zur optimalen indi- viduellen Therapie zu finden.Schon wenige Wochen nach dem für die Brustkrebsforschung be - sonders bedeutenden San Antonio Breast Cancer Symposium im De- zember letzten Jahres in San Anto- nio, Texas, USA, hat die Arbeits - gruppe Gynä kologische Onkologie (AGO) die deutschen Leitlinien über- arbeitet und beim 10. Jahrestreffen der German Breast Group (GBG) in Frankfurt am Main vorgestellt.
Eine dieser Änderungen bezieht sich auf die Reihenfolge von Sen - tinel-Lymphknoten(SLN)-Entfer- nung und neoadjuvanter Chemothe- rapie bei Brustkrebs im Frühstadi- um: Da die Detektionsrate des SLN vor der neoadjuvanten Chemothera- pie 99 Prozent, nach der Chemothe- rapie aber nur noch 80 Prozent be- trägt, sollten die SLN auf jeden Fall vor der systemischen Behandlung entfernt werden. Eine Falschnega - tiv-Rate von 50 Prozent bei wieder- holten SLN-Biopsien, wie es die beim Kongress vorgestellten Ergeb- nisse der deutschen SENTINA-Stu- die ausweisen, halten die Experten für inakzeptabel.
Hypofraktionierung als Option
Ähnlich eindeutig bewertet die AGO die Möglichkeiten der Ver- kürzung der Strahlentherapie nach brusterhaltender Operation: Im Ver- gleich zu einer Standard-fraktio- nierten Bestrahlung der Brust mit insgesamt 50 Gy kommt es unter der hypofraktionierten Bestrahlung mit einer Gesamtdosis von 40 Gy innerhalb von zehn Jahren selte-ner zu lokoregionären Rückfällen (5,5 Prozent versus 4,3 Prozent).
Basierend auf der Studienlage empfehlen die AGO-Leitlinien au- ßerdem bei Östrogenrezeptor-positi- vem (ER+) Brustkrebs eine adjuvan- te endokrine Therapie möglichst über zehn Jahre. Die Dauer, Wahl und Sequenz von Aromatasehem- mern (AI) beziehungsweise Tamoxi- fen (Tam) orientieren sich vor allem
am Menopausenstatus und den Ne- benwirkungen. Der Wechsel auf ei- ne andere endokrine Therapie (Tam oder AI) ist bei Unverträglichkeit besser, als die endokrine Behand- lung komplett zu stoppen. Vor allem bei hohem Risiko und lobulären Kar- zinomen sollten AI die Medikamente erster Wahl für die endokrine Thera- pie sein. Bisher gibt es bei Patienten mit hohem Risiko und lobulären Karzinomen keine Evidenz für einen Nutzen der AI über eine Anwen- dungsdauer länger als fünf Jahre. Als weitere Kombination für die antihor- monelle Therapie vor Chemothera- pie wird Everolimus empfohlen. Der Bolero-Studie zufolge verlängert die Kombination mit Exemestan das progressionsfreie Überleben im Ver- gleich zur Monotherapie mit Exe- mestan von 4,1 auf 11,0 Monate.
Beim Hochrisiko-Mammakarzinom hat sich der höhere Stellenwert einer Triple-Chemotherapie aus Epirubi- cin (E), Cyclophosphamid (C) plus Paclitaxel (dosisdicht) gegenüber ei- ner initialen Zweifachkombination (EC), gefolgt vom Taxan, bestätigt.
Die rückfallfreien Überlebensraten nach zehn Jahren betragen 56 versus 47 Prozent. Solitäre Hirnmetastasen (maximal vier) sollten, wenn die Lä- sionen kleiner als drei Zentimeter sind, mit der sogenannten Single- shot-Technik bestrahlt werden.
Duale Her2-Blockade Standard
Eine duale Her2-Blockade mit den monoklonalen Antikörpern Trastu- zumab und Pertuzumab sollte beim Her2-positiven metastasierten Brust- krebs zum Standard werden: In der Cleopatra-Studie habe sich gezeigt, dass ein Hinzufügen von Pertuzumab zur Trastuzumab/Docetaxel-Kombi- nation die Rate von Patientinnen, die nach drei Jahren noch lebten, von 50 Prozent auf 66 Prozent erhöht hatte, erläuterten die Experten die Empfehlung beim 10. Jahrestreffen der German Breast Group. Eher zu- rückhaltend wird der Einsatz von Genexpressionstests als Prognose- faktor beim primären Mammakarzi- nom bewertet.Die GBG-Mitglieder haben seit ihrem Bestehen mehr als 32 000 Kranke in Studien behandelt, derzeit werden mehr als 10 000 Patientin- nen in GBG, AGO-B oder gemeinsa- men Studien versorgt. Als Folge der Etablierung interdisziplinärer Leitli- nien, der Qualitätssicherung und der Nutzung von Tumorregisterdaten be- trage das Fünf-Jahresüberleben bei Brustkrebs inzwischen 90 Prozent, hieß es beim GBG-Treffen. Brust- krebs sei heilbar geworden.
▄
Dr. rer. nat. Annette Junker
@
Die AGO-Leitlinien im Internet:www.ago-online.de Invasiv-duktales
Mammakarzinom, mäßig differenziert, mit immunhistoche- mischer Darstellung von Her2/neu
Foto:Prof. A. Tannapfel, Ruhr-Universität Bochum