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Archiv "Pflegeversicherung: Verkappte Steuererhöhung" (28.02.1992)

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Academic year: 2022

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DEUTSCHES ARZTEBLATT

S

neben hat das Statistische Bundesamt eine Übersicht über den Sozialhilfeauf- wand 1990 veröffentlicht. Da- nach wurden 10,1 Milliarden Mark für „Hilfe zu Pflege" auf- gewandt. 1970 war es erst 1,1 Milliarde.

Der Staat will sich durch die geplante Pflegeversicherung, wie immer sie ausgestaltet sein mag, von diesem Milliardenklotz be- freien. Leider ist dieses Motiv etwas in Vergessenheit geraten;

nachhaltig in Erinnerung sind dem Bürger vielmehr Ängste, die eigene Pflege im Alter könne nicht gesichert sein. Doch sie ist gesichert, zumindest finanziell.

Durch eine Pflegeversicherung wird niemand besser gepflegt als bisher.

Finanzpolitisch gesehen ist die favorisierte Pflege-Pflicht- versicherung nichts anderes als ein Instrument, um dem Bürger zusätzliche steuerähnliche Ab- gaben zu entlocken. Und nie- mand muckt auf. Wer wird schon gegen gute Pflege sein?

Der Bürger wird somit zusätz- lich zur Kasse gebeten. Dann

Pflegeversicherung

Verkappte

Steuererhöhung

aber sollte er wissen, wofür er zahlt und was er dafür bekommt.

Um bei der Pflege zu bleiben:

Bei einer echten Versicherung stünden Leistungen und Gegen- leistungen einander gegenüber.

Selbst bei einer Pflichtversiche- rung „unter dem Dach der Kran- kenversicherung", wie sie Bun- desarbeitsminister Dr. Norbert Blüm vertritt, wäre der Zusam- menhang zwischen Einzahlun- gen und Leistungen noch er- sichtlich — zumindest dann, wenn, wie die Ärzteschaft gefor- dert hat, die Finanzierungsströ- me sauber voneinander getrennt werden.

Das war eine ahnungsvolle Forderung, verbunden mit dem leisen Verdacht, es könne „unter dem Dach der Krankenversiche- rung" schlußendlich doch noch

zu einer Vermischung der Fi- nanzierungsströme kommen.

Was bislang ahnungsvoll gearg- wöhnt wurde, bestätigt der DGB jetzt in schöner Offenheit. Sein jüngster Vorschlag läuft darauf hinaus, die Pflege zum Bestand- teil der Krankenversicherung zu machen.

Und der DGB, bisher ein ar- ger Schreier gegen Beitragserhö- hungen, rechnet damit, daß die Beitragssätze kräftig angehoben werden müssen. Der Beitrags- zahler wird, sollte der DGB- Vorschlag genug Freunde finden (und die gibt es auch in der Union), bald vergessen haben, weshalb er mehr zahlt. Er ärgert sich, und vielleicht dämmert ihm der Verdacht, Opfer einer ver- kappten Steuererhöhung gewor- den zu sein.

Übrigens: Wetten, daß bald nach solch einer Beitragserhö- hung der DGB das hohe Lied von der Beitragssatzstabilität an- stimmt und die Leistungsanbie- ter — die alten sowie die neuen, die Pflegeleistungen anbieten — auffordert, endlich maßzuhal- ten? NJ

D

as Bundesjustizministeri- um hat prompt gegen die Möglichkeit protestiert, die sich bei Redaktionsschluß dieses Heftes abzeichnete, daß nämlich Erich Honecker nun doch von Moskau nach Chile ausreisen darf. Er sitzt ja nun schon Monate in der chileni- schen Botschaft in Moskau, und anscheinend überlegen die Chi- lenen jetzt, ob sie ihn nur mit russischen Reisedokumenten in ihr Land einreisen lassen (was übrigens die Frage aufwirft: Hat Honecker eigentlich keinen deutschen Paß mehr?).

Der in Berlin stattfindende Prozeß gegen den früheren DDR-Minister für Staatssicher- heit Erich Mielke (nicht wegen seiner Stasi-Aktivitäten, sondern wegen eines 61 Jahre zurücklie- genden Mordes!) macht die Fragwürdigkeit solcher Ankla- gen gegen die früheren Macht- haber in der DDR deutlich:

Honecker

Kinkels

Ceterum censeo

Mielke ist 84 Jahre alt, aus ge- sundheitlichen Gründen kaum verhandlungsfähig, und er scheint auch seelisch am Ende zu sein (seine größte Sorge die- ser Tage im Gericht war sein ge- stohlener Lederhut) — eine Tat- sache, die ja auch ärztliche und gesundheitliche Aspekte hat.

Ähnliches sagte man über Her- mann Axen, der jetzt gestorben ist, ohne daß man Anklage ge- gen ihn erhoben hatte.

Die Bundesregierung würde erklärtermaßen nichts dagegen haben, wenn der demnächst 80jährige Honecker in einem Moskauer Krankenhaus behan-

delt würde. Das ist nur schein- bar ein Widerspruch zu dem ständigen Pochen des Bundesju- stizministers, daß Honecker nach Deutschland ausgeliefert werden muß. Denn der Rechts- staat kann nicht darauf verzich- ten, auf einer ordnungsgemäßen Untersuchung von Schuld oder Unschuld zu bestehen. Dies fin- det aber seine Grenze dort, wo eine Krankheit solches unmög- lich macht. Der ärztliche Stand- punkt gegenüber Erich Honek- ker (und wahrscheinlich auch vielen anderen früheren Funk- tionären) kann nur der sein: Ho- necker hat Anspruch darauf, daß seine Krankheit diagnosti- ziert und, wenn nötig und mög- lich, behandelt wird. Alles ande- re muß demgegenüber zurück- stehen. Wir wären eben gerade kein Rechtsstaat, wenn wir nicht auch Honecker das Recht auf menschliche Behandlung zuge- stehen würden. gb

Dt. Ärztebl. 89, Heft 9, 28. Februar 1992 (1) A1-637

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