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Archiv "Medizinische Dienste: Neuer Machtfaktor im Gesundheitswesen" (01.10.1999)

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eht es nach dem Willen der rot-grünen Regierungskoaliti- on, werden die Aufgaben des Medizinischen Dienstes der Kranken- versicherung (MDK) mit der Gesund- heitsreform 2000 neu definiert. Künf- tig soll nicht mehr die Prüfung von Einzelfällen im Vordergrund stehen, sondern der Medizinische Dienst soll sich als zentrale Steuerungsinstanz in- nerhalb der Gesetzlichen Kranken- versicherung etablieren – so lautet der Tenor in der Begründung zum Ge- setzentwurf. Die Krankenkassen wür- den mehr oder minder verpflichtet, die Kompetenz des MDK in Grund- satzfragen der medizinischen Versor- gung in Anspruch zu nehmen. Dies wäre der vorläufige Schlußpunkt un- ter eine seit Jahrzehnten anhaltende Diskussion, die schon zur Zeit des Vertrauensärztlichen Dien- stes (VäD), aus dem der Medizi- nische Dienst im Jahr 1989 in sei- ner heutigen Rechtsform hervor- gegangen ist, geführt wurde.

Dabei können die Kranken- kassen bereits jetzt aufgrund der Bestimmungen im Sozialgesetz- buch (SGB V) den MDK in Fra- gen der Qualitätssicherung, bei Vertragsverhandlungen mit den Leistungserbringern und bei Be- ratungen in Anspruch nehmen.

Allerdings wird der bisherige Er- messensspielraum der Kranken- kassen hinsichtlich der Beteili- gung des MDK mit der geplanten Neufassung des § 275 SGB V stark eingeschränkt. Geradezu erleichtert äußerte sich der AOK-Bundesver- band darüber, daß der Verpflichtungs- grad zur Heranziehung des Medizini- schen Dienstes auf dem Weg vom Ar- beitsentwurf zum Gesetzentwurf zu-

mindest für einige Tätigkeitsbereiche der Krankenkassen noch herabgestuft worden sei. In das Ermessen der Kran- kenkassen gestellt bleibe weiterhin die Einbindung des MDK in wettbe- werbsrelevante Modellvorhaben und in integrierte Versorgungsformen.

Deutlich wird hier, daß eine Kom- petenzausweitung des MDK nicht aus- schließlich zur Freude der gesetzlichen Krankenkassen, die den MDK tragen, gereicht. Die gemeinsame Träger- schaft bindet die gesetzlichen Kran- kenkassen finanziell, verhindert aber gleichzeitig in Zeiten des Wettbewerbs der Krankenkassen untereinander die Instrumentalisierung des Medizini- schen Dienstes in eine bestimmte Richtung. Sowohl Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) als auch

die Spitzenverbände der Krankenkas- sen lehnen die dem MDK im Gesetz- entwurf zugedachte Beratungsfunkti- on für einzelne Patienten ab. Zweifel sind nach Ansicht der KBV ange- bracht, ob sich Kontrollfunktion ge- genüber einem Versicherten und Be-

ratungsfunktion für einen Versicher- ten in einer Hand vereinbaren lassen.

Abgesehen von der Patientenbera- tung sei der MDK mit den ihm zuge- dachten neuen Aufgaben überfordert, ist die KBV überzeugt. Unausweich- lich sei der weitere Ausbau zu einer Mega-Behörde, die gleichwohl bei dem Bemühen, die angestrebte globa- le Steuerung des Gesundheitssystems in den Griff zu bekommen, zum Schei- tern verurteilt sei.

Vertrauensärztlicher Dienst

An Versuchen, dem Medizini- schen beziehungsweise dem Vertrau- ensärztlichen Dienst (VäD) einen steuernden Einfluß in der Gesetzli- chen Krankenversicherung zuzu- weisen, hat es in dessen langjähri- ger Geschichte nicht gefehlt. Ge- setzlich geregelt wurde die Stel- lung der Vertrauensärzte erstmals im Jahr 1925. Die von den großen Krankenkassen beschäftigten Vertrauensärzte hatten die klare Vorgabe, den Krankenstand und damit die Ausgaben für Kranken- geld zu reduzieren. 1934 wurden aus den angestellten Vertrau- ensärzten Beamte, als eine mini- sterielle Verordnung den VäD in die Trägerschaft der Landesversi- cherungsanstalten überführte.

Ursprüngliches Konzept war ge- wesen, die Unabhängigkeit der Vertrauensärzte gegenüber den Kran- kenkassen zu stärken und landesweit relativ einheitliche Verhältnisse zu schaffen. De facto wurde der VäD un- ter der NS-Herrschaft spätestens mit Kriegsbeginn zu einem NS-Instru- ment, das der Kriegswirtschaft ein Ma- A-2422 (34) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 39, 1. Oktober 1999

T H E M E N D E R Z E I T AUFSÄTZE

Medizinische Dienste

Neuer Machtfaktor im Gesundheitswesen

Mit der Gesundheitsreform 2000 sollen dem Medizinischen Dienst weitreichende Kompetenzen zugewiesen werden.

Umstritten ist die zukünftige Funktion im Gesundheitssystem.

G

Thomas Gerst

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ximum an Arbeitskräften zur Verfü- gung stellen sollte. Der Ruch des rück- sichtslosen Gesundschreibers haftete dem VäD auch noch in den ersten bei- den Nachkriegsjahrzehnten an. Und tatsächlich verschob sich in diesem Zeitraum das Schwergewicht der Tätigkeit des VäD kaum.

Strenge Kontrolle der Arbeitsunfähigkeit

Noch kurz vor Einführung der Lohnfortzahlung für Arbeiter im Jahr 1969 wurden 30 Prozent aller arbeits- unfähig Geschriebenen zur Untersu- chung beim VäD vorgeladen. Ein zwi- schenzeitlicher Reformversuch – die Einrichtung eines eigenständigen Be- ratungsärztlichen Dienstes – scheiter- te gemeinsam mit der Blankschen Re- form der Krankenversicherung 1961 vor allem am Widerstand der Ärzte, die einen zu großen Einfluß staatlicher Organe auf den neuen Dienst befürch- teten.

Einen markanten Einschnitt für den VäD bedeutete 1969 die Lohn-

fortzahlung für Arbeiter durch die Arbeitgeber. Innerhalb eines Jahres ging die Zahl der Arbeitsunfähig- keitsuntersuchungen beim VäD um mehr als 80 Prozent zurück. Trotzdem kam die dem VäD zugedachte stär- kere sozialmedizinische Betätigung nicht so recht in Gang – nicht zuletzt eine Folge der dort sehr unbefriedi- genden Personallage. Denn im Hin- blick auf Einkommen und Ansehen rangierte der Vertrauensarzt weit un- ter seinem niedergelassenen Kolle- gen, so daß es nicht einmal gelang, al- le freiwerdenden Planstellen zu beset- zen. In dem Maße, in dem der Anteil des Krankengelds an den Gesamtaus- gaben der GKV zurückging, nahm al- lerdings die Neigung bei den Kran- kenkassen-Verbänden zu, den VäD als Kontroll- und Beratungsinstanz bei den Beziehungen zu den Lei- stungserbringern in Anspruch zu neh- men. Verschiedene diesbezügliche Initiativen in den 70er und 80er Jahren führten zu keinem Ergebnis. Mit dem wachsenden ökonomischen Druck nahm in den 80er Jahren jedoch bei al- len Beteiligten die Bereitschaft zu, ei-

ner grundlegenden Reform zuzustim- men. Mit dem Gesundheits-Reform- gesetz (GRG) konnte der Medizini- sche Dienst 1989 als eigenständiger Beratungs- und Begutachtungsdienst der Gesetzlichen Krankenversiche- rung etabliert werden. Er übernahm die Zuständigkeiten des zuvor den Landesversicherungsanstalten zuge- ordneten VäD, darüber hinaus wurde der Aufgabenbereich der neuen Or- ganisation erheblich erweitert.

Organisation des Medizinischen Dienstes

Der Medizinische Dienst ist in je- dem Bundesland (Ausnahme Nord- rhein-Westfalen mit zwei Hauptver- waltungen) als eigenständige Arbeits- gemeinschaft mit einem regional un- terschiedlich gegliederten Netz von Beratungs- und Begutachtungsstellen organisiert. Träger des MDK sind die jeweiligen Landesverbände der ge- setzlichen Krankenkassen. Die Finan- zierung des MDK erfolgt durch eine von den Trägern nach Anzahl der Ver-

A-2424 (36) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 39, 1. Oktober 1999

T H E M E N D E R Z E I T AUFSÄTZE

DÄ: Mehr Transparenz in das System zu bringen – dies gehört zu den Hauptzie- len der Gesundheitsreform 2000. Welche Funktion kann der Medizinische Dienst da- bei übernehmen?

Pick: Die Gesundheits- reform 2000 hat die Verbes- serung von Qualität und Wirtschaftlichkeit im Ge- sundheitswesen zum Ziel.

Aktuelle Fehlentwicklungen wie Vernachlässigung der zu- wendungsorientierten Medi- zin oder Übermedikalisie- rung zeigen den Handlungs- bedarf. Das Versorgungssy- stem ist aufgrund von Inter- essenkonflikten zwischen den Versorgungssektoren und innerhalb der Ärzte- schaft nicht in der Lage, eine an medizinischen Prioritäten orientierte Versorgungspoli- tik zu realisieren. Insofern ist es folgerichtig, die Kranken- kassen und ihren MDK hier mit in die Verantwortung zu nehmen.

DÄ: Sind die Medizini- schen Dienste auf die Aufga- benausweitung vorbereitet?

Wie hoch ist der personelle Mehrbedarf?

Pick: Der Medizinische Dienst fühlt sich für die im Gesetz vorgesehenen neuen Aufgaben gerüstet. Schon heute berät der MDK die Krankenkassen im Bundes- ausschuß Ärzte/Krankenkas- sen bei der Bewertung neuer Untersuchungs- und Behand- lungsmethoden. Angesichts

der Finanzlage in der Kran- kenversicherung gehe ich da- von aus, daß die vorhandenen personellen Ressourcen nicht spürbar erweitert werden. Es wird vielmehr darum gehen, vorhandene Ressourcen von der Einzelfallbegutachtung in die Grundsatzberatung umzu- schichten. Bei völlig neuen Aufgaben etwa in der Zahn- medizin oder in der Qualitäts- sicherung wird man sicher über gezielte personelle Ver- stärkung sprechen müssen.

DÄ:Die Datenschutzbe- auftragten von Bund und Län- dern haben Kritik an den im Gesetzentwurf zur Gesund- heitsreform 2000 enthaltenen Bestimmungen über die Nut- zung personenbezogener me- dizinischer Daten geübt. Dies betrifft auch die Arbeit der Medizinischen Dienste.

Pick:Der Gesetzentwurf erlaubt nur die Nutzung ano- nymisierter versichertenbezo- gener Daten für die Erfüllung gesundheitsbezogener Steue- rungsaufgaben. Der MDK kann beauftragt werden, Da-

ten der Krankenkassen zu- sammenzuführen und unter medizinischen Gesichtspunk- ten zu interpretieren. Ein überzogener Datenschutz hat in den vergangenen Jahren verhindert, daß medizinisch relevante Daten aufbereitet und zur Grundlage gesund- heitspolitischer Entscheidun- gen gemacht werden.

DÄ:Wie stellen Sie sich konkret die vorgesehene Be- ratung des einzelnen Patien- ten durch die Medizinischen Dienste vor?

Pick: Bei der Versicher- tenberatung werden sich die MDK auf medizinische Fra- gen, zum Beispiel auf Nachfra- gen zu Therapien oder zur Auswahl geeigneter Einrich- tungen konzentrieren. Dabei kommt uns unser flächen- deckendes Beratungsstellen- netz zugute. Vorstellbar ist, so- zialmedizinische Sprechstun- den an bestimmten Tagen ein- zurichten und dieses Angebot durch einen Telefonservice zu üblichen Öffnungszeiten zu

flankieren. N

Dr. oec. Peter Pick

Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen e.V., Essen N A C H G E F R A G T

Foto: Archiv

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sicherten aufzubringende Umlage.

Mit Einführung der Pflegeversiche- rung im Jahr 1995 werden je 50 Pro- zent der Kosten von der Kranken- und der Pflegeversicherung getragen.

Der gleichfalls 1989 gegründete Medi- zinische Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen (MDS) mit Sitz in Essen soll für eine koordinierte und zielgerichtete Zusammenarbeit der Medizinischen Dienste untereinander und mit den Krankenkassen sorgen.

Begutachtung in der Pflegeversicherung

Für die weitere Entwicklung der Medizinischen Dienste war die Über- tragung der Begutachtung in der Pfle- geversicherung ein wichtiger Ein- schnitt, bedeutete dies doch eine we- sentliche Verfestigung der institutio- nellen Strukturen. So stehen zwi- schenzeitlich mehr als 2 000 haupt- amtliche ärztliche Gutachter im Dienst des MDK. Die Zahl der Mitar- beiter ist bis Ende 1998 auf mehr als 6 000 gewachsen (Tabelle 1). Von der noch bei Einrichtung des MDK 1989 vorgesehenen vorrangigen Beauftra- gung externer Gutachter kann inzwi- schen keine Rede mehr sein. Einen Eindruck vom Umfang der Leistun- gen der Medizinischen Dienste ver- mitteln die Angaben in Tabelle 2über die 1998 durchgeführten Beratungen und Begutachtungen. Seit Mitte der 90er Jahre wird auch innerhalb der Medizinischen Dienste der Wille spürbar, die durch das Gesundheits- Reformgesetz von 1989 vorgegebe- nen Möglichkeiten auszuloten. So wurde etwa in einem Modellprojekt der Jahre 1994 bis 1996 bei über 60 000 Einzelfällen die Notwendigkeit

der Krankenhausbehandlung über- prüft. Ein Ausblick im Tätigkeitsbe- richt des MDS 1996/97 verweist be- reits auf wesentliche Strukturelemen- te der nun anstehenden Reform; an- zunehmen ist, daß die Neufassung des Gesetzestextes in enger Abstimmung mit Spitzenvertretern der Medizini- schen Dienste erfolgte.

Kostenneutral wird die Kompe- tenzerweiterung des MDK nicht über die Bühne gehen. Rund 100 Millionen DM sind im Gesetzentwurf als Mehr- belastung der gesetzlichen Kranken- kassen für „Personal- und EDV-Ko- sten bei Verbesserung der Daten- transparenz, Errichtung neuer Gre- mien“ veranschlagt. Allerdings ver- spricht sich das Bundesgesundheits- ministerium ungleich höhere Ein- spareffekte infolge eines künftigen

„gezielteren Einsatzes des Medizini- schen Dienstes“.

Dieser wird sich nach dem Willen des Gesetzgebers in erster Linie auf die medizinische Versorgung in den Krankenhäuser richten, um dort – so der Wortlaut im neuen § 275 a – „Fehl-

belegungen zu vermeiden und beste- hende Fehlbelegungen zügig abzu- bauen“. In der Begründung zum Ge- setzentwurf wird den Krankenhäu- sern vorgeworfen, in den vergangenen Jahren eine über den Einzelfall hin- ausgehende Prüfung torpediert zu ha- ben.

Zugriffsrecht auf Krankenunterlagen

Dem wird nun entgegnet, indem dem MDK ein generelles Zugriffs- recht auf sämtliche Unterlagen, einschließlich der Krankenunterla- gen, zugestanden wird. Gleichzeitig wird dem MDK im Gegensatz zur bis- herigen Regelung die direkte Nut- zung elektronisch gespeicherter ex- terner Daten ermöglicht. Bleibt nur zu hoffen, daß es gelingt, einen Mißbrauch der Daten zu verhindern.

Krankenhausärzte und -verwaltung werden sich auf Mehrbelastungen ein- stellen müssen, vor allem dann, wenn der MDK – wie im Gesetzentwurf

A-2426 (38) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 39, 1. Oktober 1999

T H E M E N D E R Z E I T AUFSÄTZE

Tabelle 2

Leistungen der Medizinischen Dienste in der Kranken- und Pflegeversicherung im Jahr 1998

Sozialmedizinische

Krankenversicherung Vorberatungen Begutachtungen

Anlaßgruppe Anzahl in % Anzahl in %

Arbeitsunfähigkeit 2 323 337 37,7 786 583 44,5

Vorsorge- und Rehabilitations-

maßnahmen, Heilmitteltherapie 1 463 993 23,8 338 139 19,1 Krankenhausbehandlung/

häusliche Krankenpflege 1 180 816 19,2 184 442 10,4 Hilfs- und Arzneimittelverordnungen 453 797 7,4 133 888 7,6

Zahnmedizinische Versorgung 7 983 0,1 30 048 1,7

Sonstige Anlässe* 724 905 11,8 295 453 16,7

Summe 6 154 831 100,0 1 768 553 100,0

Pflege in Pflegeversicherung ambulante vollstationäre vollstationären

Pflege Pflege Behinderten- einrichtungen Durchgeführte Begutachtungen 1 056 903 282 846 28 446 davon

Erstbegutachtungen 622 516 128 129 21 960

Folge-/Wiederholungsbegutachtungen 353 006 142 555 3 129

Widersprüche 81 381 12 162 3 357

* insbesondere aus dem Bereich unkonventionelle Untersuchungs- und Behandlungsmethoden Tabelle 1

Stellenzahl der Medizinischen Dienste 1998

Anzahl der Beschäftigten

insgesamt . . . 6 206 hauptamtliche ärztliche

Gutachter/-innen . . . 2 011 Pflegefachkräfte . . . 738 Verwaltungsangestellte . . . 3 251

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er Deutsche Ärztinnenbund (DÄB) will in Zukunft nach- drücklich dafür eintreten, daß sich mehr Frauen in der ärztlichen Be- rufspolitik engagieren. Die Präsiden- tin des DÄB, Dr. med. Astrid Bühren, wies darauf hin, daß Ärztinnen an den Gremien der ärztlichen Selbstver- waltung immer noch nicht ausrei- chend beteiligt seien. Der Anteil der Ärztinnen an der gesamten berufstäti- gen Ärzteschaft liegt mittlerweile bei rund 40 Prozent. In den Ärztekam- merversammlungen sind die Ärztin- nen im Durchschnitt jedoch nur mit etwa 18 Prozent vertreten. Innerhalb der kassenärztlichen Selbstverwal- tung sieht es mit der Beteiligung von Ärztinnen nicht besser aus.

Quotenregelung in Schleswig-Holstein

Besondere Beachtung verdiene nach Ansicht von Bühren Schleswig- Holstein, wo der Anteil der weibli- chen Delegierten nach der Kammer- wahl 1997 auf 32,9 Prozent gestiegen sei. Dies müsse als unmittelbare Folge des 1996 geänderten Heilberufsgeset- zes interpretiert werden. Es schreibt vor, daß auf allen Wahllisten minde- stens so viele Kandidatinnen aufge- stellt werden, wie es der Geschlech- terrelation innerhalb der Ärzteschaft entspricht. Ohne rigide Quotenrege- lung, die von der überwiegenden Mehrheit der männlichen Kollegen abgelehnt werde, habe man hier eine Beteiligung von Ärztinnen erreicht, die fast ebenso hoch liegt wie der An- teil der Ärztinnen an den Mitgliedern der Kammer. Bei der zur Zeit in der Diskussion stehenden Neuregelung

des Heilberufsgesetzes in Hessen hofft Bühren auf eine entsprechende Regelung. Der Ärztinnenbund setzt sich für eine stärkere berufspolitische Beteiligung der Ärztinnen auch in der Weise ein, daß er in Seminaren die Grundlagen der Gremienarbeit ver- mittelt.

Bühren eröffnete in Gießen den 26. Wissenschaftlichen Kongreß des Deutschen Ärztinnenbundes. Dieser befaßte sich vom 17. bis 19. Septem- ber unter dem Titel „Schlagen Frau- enherzen anders?“ mit geschlechts- spezifischen Aspekten von Herz- Kreislauf-Erkrankungen bei Frauen.

Kritisch äußerte sich der Ärztin- nenbund zur geplanten Gesundheits- reform 2000. Der Verband war vor al- lem der Frage nachgegangen, mit wel- chen frauenspezifischen Auswirkun- gen im Gesundheitswesen bei Inkraft- treten des Gesetzes zu rechnen sei.

Der Ärztinnenbund befürchtet, daß der zu erwartende Stellenabbau im Krankenhaus in erster Linie Ärztin- nen treffen werde. Die ab 2003 vorge- sehene restriktive Bedarfszulassung in der ambulanten Versorgung er- schwere gerade Ärztinnen die Nieder- lassung als Kassenärztin; denn ein ent- scheidendes Auswahlkriterium sei die Dauer der ärztlichen Tätigkeit. Wenn die zumeist von der Frau übernomme- ne Familienarbeit nicht anerkannt werde, bedeute dies eine Benachteili- gung gegenüber den männlichen Be- werbern um einen Praxissitz. Positiv beurteilt der Ärztinnenbund die vor- gesehene Einführung der Verhältnis- wahl in der kassenärztlichen Selbst- verwaltung. Vorstellbar sei, daß künf- tig ärztinnenspezifische Belange in den KV-Gremien besser vertreten

werden können. TG

vorgesehen – künftig zur Prüfung von Untersuchungs- und Behandlungsme- thoden im Krankenhaus eingeschaltet werden soll.

Die Überprüfung der medizini- schen Versorgung im stationären Bereich ist allerdings nur ein Teil dessen, was dem MDK an Kompe- tenzen zugewiesen wird. Grundsätz- lich soll mit der Gesundheitsreform der MDK ermächtigt werden, inner- halb der Gesetzlichen Krankenver- sicherung die Notwendigkeit, Wirt- schaftlichkeit und Zweckmäßigkeit sowie die Qualität der Leistungen zu beurteilen. Auf der Grundlage dieser Globalzuweisung erscheint es müßig, neben der medizinischen Versorgung im Krankenhaus noch weitere Betä- tigungsfelder für den MDK hervor- zuheben. Hier sind kaum noch Gren- zen gesetzt.

Zentrales Steuerungs- instrument

Deutlich zum Ausdruck kommt die Überzeugung der für den Gesetz- entwurf Verantwortlichen, daß das komplexe Gesundheitssystem steuer- bar ist, sofern nur die ausreichende Datentransparenz geschaffen wird.

Ein aufgerüsteter Medizinischer Dienst soll mit dem Gesetz in die La- ge versetzt werden, die zur Steuerung des Leistungsgeschehens und dessen Finanzierung notwendigen Entschei- dungsgrundlagen zu liefern. Zweifel sind angebracht, ob dies eine realisti- sche Perspektive ist. Der MDK wird sicherlich die eine oder andere Ratio- nalisierungsreserve in der Kranken- versicherung aufspüren, doch besteht kaum Hoffnung, im Rahmen des Glo- balbudgets die Strukturen der medi- zinischen Versorgung in allen Berei- chen so umzuformen, daß die drohen- de Rationierung medizinischer Lei- stungen vermieden werden kann.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1999; 96: A-2422–2428 [Heft 39]

Anschrift des Verfassers Dr. Thomas Gerst Ottostraße 12 50859 Köln

A-2428 (40) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 39, 1. Oktober 1999

T H E M E N D E R Z E I T AUFSÄTZE/BERICHTE

Deutscher Ärztinnenbund

Mehr Engagement in der Berufspolitik

Ärztinnen sind in den berufspolitischen Gremien kaum vertreten. Das will der Ärztinnenbund ändern.

Kritik gab es an der Gesundheitsreform 2000.

D

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