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Archiv "Weihnachten in einem Krankenhaus am Bodensee: Am Ende zählt die Hilfsbereitschaft" (01.02.2008)

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Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 51. Februar 2008 A241

S T A T U S

B

ei der Lektüre des Deutschen Ärzteblattes gewinnt man zu- weilen den Eindruck, deutsche Ärz- tinnen und Ärzte befassten sich nur noch mit ihrer „Marktposition“, den

„unternehmerischen Anreizen durch neue gesetzliche Vorgaben“ und dem

„Verdrängungswettbewerb im Ge- sundheitssystem“ im Allgemeinen.

Dass die Strategieentwürfe am grü- nen Tisch und die Wirklichkeit in der Krankenversorgung jedoch weit aus- einanderliegen, belegten einmal mehr die Weihnachtsfeiertage 2007:

ein Block von elf Tagen mit nur zwei

„normalen“ Werktagen. Angesichts des Ärztemangels versprach diese Zeit „zwischen den Jahren“ für viele Krankenhäuser eine Herausforde- rung zu werden, die nicht mit „Kon- kurrenz“ oder „Wettbewerb“ zu lö- sen war, sondern nur mit Kollegia- lität und Hilfsbereitschaft. Im Klini- kum Singen am Bodensee zeigten Kollegen aus Klinik und Praxis, was durch Kooperation möglich ist.

Elf Tage am Stück, davon neun arbeitsfreie Tage. Geschäftsführun-

gen, Verwaltungen und Hilfsberufe wie Codierer, Zivis und Stationsse- kretärinnen haben frei. Die Assozia- tion der Normalbevölkerung von

„Bereitschaftsdienst“ (gelegentli- ches Aufstehen von der Liege, wenn dann mal ein Patient kommt) trifft nicht zu, wenn man sich die Eckda- ten dieses „frohen Festes“ in Singen vor Augen hält: zwei Kolleginnen in

Mutterschutz, vier Kollegen zum Jahresende auf eine neue Stelle ori- entiert (sie hatten natürlich Rest- urlaub und überstundenfrei ab No- vember). Für die Feiertage zu beset- zen: ein Oberarztdienst (mit Ab- deckung Herzkatheterdienst und En- doskopiedienst), ein Intensivstati- onsdienst, ein Hausdienst für die Akutprobleme auf den Stationen, ein Notaufnahmedienst und mit der Anästhesie gemeinsam für den

Landkreis ein Notarztdienst – alles rund um die Uhr.

Hinzu kommt ein Bettenproblem:

Fast ein Drittel der medizinischen Betten ist umfunktioniert zur Qua- rantäneeinheit für Patienten mit Noro- virus, außerhalb dieser Isolierzim- mer kaum Platz für Neuaufnahmen.

Aber diese kommen. Und zwar wirk- lich Schwerstkranke, die man nicht heimschicken kann. 290 Patienten su- chen in diesen elf „Bereitschaftsta- gen“ die internistische Notaufnahme auf: viele interventionsbedürftige Herz- infarkte, akutes Leberversagen, eine Erstdiagnose akute Leukämie, gast- rointestinale Blutungen, Schlagan- fälle. Luftnotpatienten haufenweise, davon viele beatmungspflichtig, ei- trige Cholangitiden bei Steinleiden mit Notfall-ERCP-Bedarf. Ein Dora- do für Medizinstudenten. Und immer wieder: Patienten mit Norovirus, die aber eigentlich nicht in den zusam- mengedrängten Patientenpool der Notaufnahme hinein sollen, weil sie oben und unten „nicht dicht“ sind.

Das kam nicht unerwartet. Vor- auszusehen war aber auch, dass diese Aufgaben nach dem Arbeits- zeitgesetz mit dem ausgedünnten

Mitarbeiterstamm nicht zu bewälti- gen sein würden. In der frühzeitigen Lagebesprechung sagt der kardiolo- gische Chef seinen seit Monaten ge- buchten Auslandsurlaub ab und lässt sich auf dem Dienstplan eintragen.

Der Chef der Nephrologie trägt sich aus Solidarität in einen Assistenten- dienst ein. Die PJ-Studenten ver- pflichten sich, selbstständig über die Feiertage einen Blutentnahmedienst zu organisieren. Einige Fachärzte WEIHNACHTEN IN EINEM KRANKENHAUS AM BODENSEE

Am Ende zählt die Hilfsbereitschaft

Viele der täglichen Probleme in der Akutmedizin lassen sich nicht durch den von der Politik verordneten Wettbewerb lösen, sondern nur durch gute Zusammenarbeit – auch über die Sektorengrenzen hinweg.

Von Kollegialität und Kooperation geht eine starke Kraft aus, die wir in Zeiten des Ärztemangels dringend brauchen.

Ein Lächeln ist der kürzeste Weg. Für Christina Gilot ist der Kontakt zum Patienten nach wie vor die Haupt- motivation für die tägliche Arbeit.

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A242 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 51. Februar 2008

S T A T U S

tragen sich zusätzlich als Visiten- dienste ein. Kontakte zum Qualitäts- zirkel der niedergelassenen Internis- ten werden aufgewärmt – und stoßen tatsächlich auf Verständnis. Das Wort „Kollege“ wird neu belebt, so- dass nach erfreulich unkomplizierter Kostenübernahmezusage des Klinik- personalchefs ein Krisenteam von zwölf niedergelassenen Internisten in jeweils Sechs-, teils auch Zwölf- stundenschichten die internistische Notaufnahme übernimmt. Das ver- bindet. Das schafft Zusammenhalt.

Und die gegenseitige Hilfsbereit- schaft trägt auch, als über die Feierta- ge insgesamt fünf der für den jewei- ligen Dienst eingetragenen Ärzte selbst die Norogastroenteritis be- kommen und daheimbleiben müs- sen. Auch einer der Verfasser dieses Berichts bekommt schließlich da- heim von einem Kollegen seine Infu- sion angehängt.

Das Beispiel bestätigt, was jeder am Krankenbett tätige Arzt weiß, was aber angesichts der gesund- heitspolitischen Debatte leicht in den Hintergrund gerät: Viele der täg- lichen Probleme in der Akutmedizin lassen sich nicht durch Konkurrenz und Wettbewerb lösen, sondern nur durch Zusammenarbeit. Von Kolle- gialität und Kooperation geht eine starke Kraft aus, die wir in Zeiten eines Fachärztemangels dringend brauchen. Wohl spornt Wettbewerb an (sonst würden wir uns ja nicht al- le so gespannt auf die Fußball-EM 2008 freuen) – aber das motiviert überwiegend in Projekten (zum Bei-

spiel Schreiben von Publikationen, Erstellen von Vorträgen). Wir halten es für ein Missverständnis, dass ärzt- liche Tätigkeit, die durch Fürsorge und Anteilnahme am leidenden Menschen motiviert ist, als zusätzli- che Triebfeder den Wettkampfgeist des Konkurrenzverhaltens braucht.

Korzilius’ und Flintrops Metapher vom Autorennen (DÄ, Heft 51–52/

2007) will sicher nicht so verstanden werden, dass die Ärzte, die eigene Gesundheit missachtend, zum Ver- gnügen des johlenden Publikums in ohrenbetäubendem Lärm einer nach dem anderen über die Leitplan- ke schießen, bis zum Schluss nur

„der Sieger“ übrig bleibt. Wenn wir unsere alte und bewährte Grundlage von Hilfsbereitschaft und Kollegia- lität zugunsten eines wettbewerbs- orientierten Konkurrenzverhaltens aufgeben, nur weil ein paar Gesund- heitsmanager das wollen, wird es am Ende nur noch Verlierer geben. Da wir aber in der Therapie eines Pati- enten in Not- und Krisensituationen Erfahrung haben, werden wir auch unsere eigene aktuelle Notsituation (Ärzteknappheit, offene Stellen, Be- vormundung durch die Politik) und vor allem die Krise der angeschla- genen ärztlichen Motivationslage konstruktiv angehen und Lösungen finden. Solidarität und Zusammenar- beit untereinander, Delegation von Schreibtisch- und EDV-Aufgaben an Codierer und Dokumentare, Unter- stützung durch Arzthelferinnen auch im stationären Bereich, freilich auch die Einarbeitung in betriebswirt- schaftliche Denkweisen, vor allem aber die medizinischen Erfolgserleb- nisse und die positiven Rückmeldun- gen, die eine patientenorientierte Ar- beitsweise mit sich bringen, werden uns dabei helfen.

Von den Politikern wünschen wir uns – statt Aufforderungen zum Wettbewerb – Rahmenbedingungen, die Ärzten in Deutschland eine Tätigkeit in der Krankenversorgung nachhaltig wieder attraktiv werden

lassen. I

Dr. Michael Kotzerke Hegau-Bodensee-Klinikum, Singen Bruno Sauter Hegau-Bodensee-Klinikum, Singen Dr. Benedikt Oexle Internist, Singen

Fotos:privat

Gute Stimmung trotz angespann- ter Personalsitua- tion:die niederge- lassenen Internisten Christoph Graf und Benedikt Oexle im gespräch mit G.S.

The (von links)

RECHTSREPORT

Künstliche Befruchtung: Kostenbeteili- gung ist verfassungsgemäß

Dass Krankenkassen nur die Hälfte der Kosten einer künstlichen Befruchtung übernehmen, ver- stößt nicht gegen das Verfassungsrecht. Im ent- schiedenen Fall war umstritten, ob die durch das GKV-Modernisierungsgesetz erfolgte Begrenzung der Kostenübernahme an sich rechtswidrig ist.

Die Kläger verlangten von ihrer Krankenkasse die volle Kostenübernahme einer künstlichen Be- fruchtung. Sie sahen sich diskriminiert, weil sie als Ehepaar, das sich einen Kinderwunsch nicht auf natürlichem Wege erfüllen könne, einen Teil der Behandlungskosten selbst zahlen sollten.

Versicherte, die an anderen Krankheiten litten, hätten dagegen keine hälftige Kostenbeteiligung zu leisten. Auch bei Ehepaaren, die auf natürli- chem Weg keine Kinder zeugen könnten, liege aber ein Versicherungsfall „Krankheit“ vor. Die Unfruchtbarkeit eines Ehepaars stelle nämlich ei- nen regelwidrigen körperlichen Zustand dar, der eine Heilbehandlung notwendig mache.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundes- verfassungsgerichts (BVerfG) und des Bundesso- zialgerichts (BSG) ist durch § 27 a SGB V (künst- liche Befruchtung) dagegen ein eigenständiger Versicherungsfall geschaffen worden. Die in die-

sem Paragrafen geregelten medizinischen Maß- nahmen dienen demnach nicht der Beseitigung einer Krankheit. Der Schutz des Einzelnen bei Krankheit ist eine Grundaufgabe des Staates. Die Gestaltung des Leistungskatalogs der Kranken- kassen liegt dagegen im Ermessen des Gesetz- gebers, ohne dass sich aus den Grundrechten bereits ein verfassungsrechtlicher Anspruch ab- leiten lässt, dass ganz bestimmte Gesundheits- leistungen bereitgestellt werden müssen.

Nur für Fälle regelmäßig tödlich verlaufender Krankheiten hat das Bundesverfassungsgericht den Schluss gezogen, dass die Grundrechte in diesen besonders gelagerten Fällen die Gerichte zu einer engeren Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts verpflichten. Im Übrigen ist es dem Gesetzgeber im Rahmen des Gestaltungsspielraums erlaubt, Versicherten über ihren monatlichen Beitrag hin- aus zur Entlastung der Krankenkassen und zur Stärkung des Kostenbewusstseins an Leistungen zu beteiligen. Fälle ungewollter Unfruchtbarkeit eines Ehepaars können nach Meinung des BSG aber nicht mit menschlichen Grenzsituationen gleichgestellt werden, in denen Versicherte an einer regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit leiden. (Urteil vom 19. September 2007, Az.: B 1

KR 6/07 R) RA Barbara Berner

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