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Archiv "Onkologie: Kiefernekrosen nach hoch dosierter Bisphosphonattherapie" (17.11.2006)

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A3078 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 46⏐⏐17. November 2006

M E D I Z I N R E P O R T

K

ieferchirurgen und Zahnärzte beobachten weltweit eine zu- nehmende Inzidenz an Osteonekro- sen der Kiefer (Osteonecrosis of the jaw = ONJ), die vorwiegend im Zu- sammenhang mit einer hoch dosier- ten, intravenösen Applikation von stickstoffhaltigen Bisphosphonaten (BP) bei Tumorpatienten auftreten (1). Insgesamt ist die Inzidenz bei onkologischen Patienten, die zum Schutz vor Knochenmetastasen ein Bisphosphonat erhalten, kleiner als ein Prozent (4). Die Kiefernekrose stellt somit ein seltenes, aber für den Patienten schwerwiegendes Ereig- nis dar. Die Äthiopathogenese ist noch weitgehend unbekannt.

Zentralregister in Berlin Durch die Einrichtung eines Deut- schen Zentralregisters Kiefernekro- sen in der Charité – Campus Benja- min Franklin (Berlin) ist es gelungen, eine größere Fallzahl zu analysieren.

Bis zum Februar 2006 wurden dort mehr als 300 Fälle gemeldet, von de- nen bisher 189 ausgewertet werden konnten. In acht dieser Fälle lag eine histologische Sicherung des Befunds vor. Nach den Daten kann folgendes Fazit gezogen werden:

>Die Entstehung der Kieferne- krose im Zusammenhang mit einer hoch dosierten Bisphosphonatthera- pie liegt nahe, ist aber nicht als singulärer Faktor anzunehmen. Es handelt sich wahrscheinlich um ein multifaktorielles Geschehen.

>Im Zentralregister wird in 97,6 Prozent der Fälle eine maligne Grund- krankheit angegeben.

>Detaillierte Angaben zur Cha- rakterisierung der verwendeten Bis- phosphonate lagen in 209 der 308 gemeldeten Fälle vor. Es wurden fast ausschließlich stickstoffhaltige,

injizier- oder infundierbare Bisphos- phonate eingesetzt (Tabelle).

>Die Dosierungen der BP lagen um das Sechs- bis 15-fache oberhalb der Dosis bei einer Osteoporose- therapie. Häufig wurden verschie- dene Bisphosphonate kombiniert, das heißt in Sequenzen verabreicht.

>Viele Patienten erhielten zu- nächst Pamidronat i.v. oder orale Ver- abreichungen wie Risedronat (35 mg) oder Clodronat und wurden später umgestellt auf Zoledronat i.v.

>Alendronat wurde entsprechend der Dosierung bei einer Osteoporose- therapie verabreicht.

>Klinisch werden folgende Sym- ptome beschrieben: Zahnschmerzen,

Halitose, Abszesse mit Fistelbildung, Schwellung und Rötung des Zahn- fleisches, rezidivierende und schlecht heilende Zahnfleischgeschwüre, Taubheits- und Schweregefühl im Kiefer, Gefühl der Größenzunahme des Kiefers, schmerzhafter, frei lie- gender Kieferknochen, Schwierig- keiten beim Essen und Sprechen, Kiefersperre, Parästhesien der Un- terlippe und Zahnlockerungen.

Histologisch werden sowohl avaskuläre als auch vaskuläre Ne- krosen beschrieben, mit oder ohne bakterielle oder mykotische Infek- tion des Kieferknochens oder seiner Umgebung (vorwiegend der Mandi- bula). Asymptomatische (circa ein Drittel aller Fälle) oder symptoma- tische Entzündungen des Zahnflei- sches sind in nahezu allen Fällen beobachtet worden.

Die Behandlung der ONJ sollte zunächst konservativ erfolgen mit dem Ziel, die Entzündung durch lokale und systemische Antibiotika- behandlung sowie tägliche Spü- lungen mit Chlorhexidin zu beherr- schen. Die chirurgische Interventi- on besteht im Wesentlichen in einer möglichst schonenden Ausräumung des Nekrosematerials und einer lo- kalen Deckung des Kieferknochens mit Schleimhaut. In Einzelfällen werden partielle Entfernungen der nekrotischen Kieferabschnitte er- forderlich. Protheseninkongruenzen müssen korrigiert werden.

Der hohe Prozentsatz an Kiefer- nekrosen bei Zoledronat und Pami- dronat ist nicht Ausdruck der be- sonderen Gefährdung durch diese Bisphosphonate, sondern Ausdruck dessen, dass fast ausschließlich die- se beiden Substanzen für die oben genannten Indikationen eingesetzt werden. Ibandronat i.v. wird seit ONKOLOGIE

Kiefernekrosen nach hoch dosierter Bisphosphonattherapie

Vor Zahnbehandlungen von Tumorpatienten sollte der Wirkstoff vorübergehend abgesetzt werden. Für Osteoporosepatienten besteht kein nennenswertes Risiko.

Histologie eines nekrotischen Kieferknochens:

A) mit leeren Osteo- zytenlakunen und nekrotischen Markraumanteilen, B) mit ausgeprägter Pilzbesiedelung (Pfeile) der Knochenoberfläche im Bereich der Kiefernekrose

Fotos:Amling

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A3080 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 46⏐⏐17. November 2006

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Oktober 2003 in der Tumorbegleit- therapie beim Mammakarzinom und bei Knochenmetastasen eingesetzt.

Es liegen aber bisher nur vier Mel- dungen vor.

Hypothese zur Ätiopathologie Entscheidend für die Ausbildung einer ONJ ist wahrscheinlich das Vorhandensein eines Bisphospho- nats in hoher Dosierung, verbunden mit einer komplexen Konstellation übriger Faktoren, wie zum Beispiel Tumorerkrankung und Chemothe- rapie mit konsekutiv reduzierter Im- munabwehr, Chemotherapie mit einer stärkeren antiangiogenen Wirkung im Bereich der Gingiva (Thalido- mid beim multiplen Myelom; Ei- benpräparate beim Mammakarzi- nom) und Kortisontherapie (Reduk- tion der Immunabwehr; Induktion der Osteoblasten- und Osteozyten- apoptose). Folgende Kernpunkte kristallisieren sich heraus:

>Der Kieferknochen hat im Rah- men des vermehrten Remodelings einen hohen ossären Metabolismus.

>Der Knochen liegt ober- flächennah in einer hoch pathogenen Umgebung.

>Bisphosphonate haben in höhe- ren Konzentrationen antiangiogene Wirkung und reduzieren den Kno- chenmetabolismus (2, 5, 6, 7).

>Jede bakterielle oder mykotische Infektion führt zunächst an der Ober- fläche, später auch in tieferen Schich- ten des Knochens, zu Nekrosen (gele- gentlich mit Sequesterbildung).

In Deutschland erhalten 780 000 Patienten ein BP zur Behandlung der Osteoporose. Im Zentralregister finden sich bisher drei Osteoporose- fälle, die unter der BP-Therapie eine Kiefernekrose entwickelt haben.

Die entspricht einer Prävalenz von 0,00038 Prozent, sodass bei einer osteoporosetypischen BP-Dosierung derzeit kein nennenswertes Risiko besteht. Ebenso ist es nicht er- forderlich, Osteoporosepatienten vor BP-Therapie eine prophylaktische Zahnsanierung anzuraten.

Da Bisphosphonate infolge ihrer langen Halbwertszeit im Knochen bei fortlaufender Therapie kumu- lieren und eine obere Sättigungskon- zentration nicht bekannt ist, ist hypo- thetisch denkbar, dass ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Kiefernekrose unter Langzeitthera- pie besteht. Unter diesem Aspekt bekommt die Empfehlung der Leit- linien des Dachverbandes deutsch- sprachiger osteologischer Fachge- sellschaften e.V. zur Osteoporose, eine Bisphosphonattherapie nicht länger als drei bis fünf Jahre durch- zuführen, um dann nach Neube-

wertung der Risikokonstellation die Therapie zu beenden oder fortzuset- zen, einen besonderen Stellenwert.

Anders verhält es sich bei Tumor- patienten, die ohnehin vor Therapie- beginn obligat eine Zahnsanierung durchführen lassen müssen. Besteht trotz aller Vorsichtsmaßnahmen wäh- rend einer tumorbezogenen Bisphos- phonattherapie die Notwendigkeit einer Intervention im Bereich der Zähne und/oder der Kiefer, dann sollte die Bisphosphonattherapie für die Zahnbehandlung bis acht Wochen nach der Intervention aus-

gesetzt werden. I

Koordination des Kiefernekroseregisters:

Prof. Dr. med. Dieter Felsenberg (Zentrum Muskel- & Knochenforschung, Charité – Campus Benjamin Franklin, Berlin) Prof. Dr. dent. Dr. med. Bodo Hoffmeister (Kieferchirurgie und Plastische Gesichtschirurgie, Charité – Campus Benjamin Franklin, Berlin) in Zusammenarbeit mit

Prof. Dr. med. Michael Amling

(Zentrum für Biomechanik und Skelettbiologie, Klinik und Poliklinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstel- lungschirurgie, Universitätsklinikum Hamburg- Eppendorf)

Prof. Dr. Mundlos

(Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik, Berlin) Prof. Dr. Seibel

(Endokrinologie, Universitätsklinik, Sydney, Australien) Prof. Dr. Peter Fratzl

(Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächen- forschung, Potsdam-Golm)

Anmerkung:Die Erstellung und Pflege des zentralen Kiefernekroseregisters für Deutschland wird durch die Förderung einer gemeinnützigen Stiftung (Bonhoff-Stiftung), durch die Unterstützung durch das BfArM und die Charité ermöglicht. Das Register wird ohne finanzielle Zuwendungen der Pharmaindustrie geführt.

Malignome als Grunderkrankung

– 41,8 Prozent Mammakarzinom – 28,6 Prozent multiples Myelom – 10,1 Prozent Prostatakarzinom – 3,7 Prozent Nierenkarzinom

– 3,7 Prozent lymphatische Erkrankungen – 1,6 Prozent Bronchial-, Uterus-, Cervixkarzinom – 10,5 Prozent Malignome ohne weitere Angaben

Charakterisierung der verwendeten Bisphosphonate

– Zoledronat (n = 145) 69,4 Prozent – Pamidronat (n = 52) 24,9 Prozent – Ibandronat (n = 4) 1,9 Prozent – Alendronat (n = 3) 1,4 Prozent (nur oral) – Clodronat (n = 2) 1,0 Prozent (chlorhaltiges BP) – BP ohne Namensangabe (n = 3) 1,4 Prozent

Die durchschnittliche Therapiedauer betrug:

– Zoledronat i.v. (4 mg/Monat) 23,05 Monate – Pamidronat i.v. (60–90 mg/Monat) 39,83 Monate – Ibandronat i.v. (6–12 mg/Monat) 42 Monate – Alendronat oral (10 mg/Tag oder 70 mg/Woche)

46,50 Monate

– Clodronat oral (900 mg/Monat) 8 Monate

STATISTIK IM DETAIL

Klinik:

Kiefernekrose der Maxilla sowie multi- plen Areale mit frei liegendem Kiefer- knochen

Literatur im Internet:

www.aerzteblatt.de/lit4606

@

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 46⏐⏐17. November 2006 A1

M E D I Z I N R E P O R T

LITERATUR

1. Dunstan CR, Felsenberg D, Seibel MJ: The risks and benefits of bisphosphonates for the treatment of tumor-induced bone disea- se. Nature Clinical Practice, 2006, in press.

2. Giraudo E, Inoue M, Hanahan D: An amino- bisphosphonate targets MMP-9-expressing macrophages and angiogenesis to impair cervical carcinogenesis. J Clin Invest. 2004;

114(5): 623–33.

3. Häussler B, Gothe H, Mangiapane S, Glaes- ke G, Pientka L, Felsenberg D. Versorgung von Osteoporosepatienten in Deutschland – Ergebnisse der BoneEVA-Studie. DÄ (einge- reicht zur Publikation, 2006).

4. Hoff A et al: Osteonecrosis of the jaw in pa- tients receiving intravenous bisphosphonate therapy. J Bone Mineral Res 2005;

20 (suppl 1): 55.

5. Ledoux D, Hamma-Kourbali Y, Di Benedetto M, Foucault-Bertaud A, Oudar O, SainteCat- herine O, Lecouvey M, Kraemer M: A new dimethyl ester bisphosphonate inhibits an- giogenesis and growth of human epidermo- id carcinoma xenograft in nude mice. Anti- cancer Drugs 2006;17(4): 479–85.

6. Santini D, Caraglia M, Vincenzi B, Holen I, Scarpa S, Budillon A, Tonini G: Mechanisms of disease: Preclinical reports of antineopla- stic synergistic action of bisphosphonates.

Nat Clin Pract Oncol. 2006; 3(6): 325–38.

7. Vincenzi B, Santini D, Dicuonzo G, Battistoni F, Gavasci M, La Cesa A, Grilli C, Virzi V, Gasparro S, Rocci L, Tonini G: Zoledronic acid-related angiogenesis modifications and survival in advanced breast cancer pa- tients. J Interferon Cytokine Res 2005;

25(3): 144–51.

8. Weinstein RS, Jilka RL, Parfitt AM, Mano- lagas SC: Inhibition of osteoblastogenesis and promotion of apoptosis of osteoblasts and osteocytes by glucocorticoids. Potential mechanisms of their deleterious effects on bone. J Clin Invest 1998; 102(2): 274–82.

LITERATURVERZEICHNIS HEFT 46/2006, TU:

ONKOLOGIE

Kiefernekrosen nach hochdosierter Biphosphonat-Therapie

Vor Zahnbehandlungen von Tumorpatienten sollte der Wirkstoff vorübergehend abgesetzt

werden. Für Osteoporose-Patienten besteht kein nennenswertes Risiko.

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