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Archiv "Ärztliches Berufsethos erfordert Fortbildung in Katastrophenmedizin" (19.11.1981)

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Unter Katastrophenbedingungen kommt es darauf an, möglichst vielen Verletzten und Geschädig- ten mit möglicherweise unzu- länglichen Mitteln ein Überleben zu ermöglichen und gesundheit- liche Schäden, soweit es irgend geht, abzuwehren oder zu min- dern.

Redaktion:

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DEUTSCHE S

Ä RZTEB LATT

Arz.tliche Mitteilungen

Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung

Ärztliches Berufsethos erfordert Fortbildung in Katastrophenmedizin

Karsten Vilmar

Der „Mediziner-Kongreß zur Verhinderung eines Atomkrieges" am 19. und 20. September 1981 in Hamburg hat viel Aggression, Ver- leumdung und Polemik freigesetzt — obwohl er eigentlich dem Frie- den hätte dienen sollen. Diesem Ziel wäre jedoch mit mehr Wahrhaf- tigkeit ein besserer Dienst erwiesen worden.

Unnötig war schon der nur als Propagandatrick zu wertende Ver- such, die in Hamburg Anwesenden gegen die ärztliche Selbstverwal- tung und ihre Repräsentanten aufzuwiegeln, wie das offenbar durch das Aufstellen eines Stuhles und eines Namensschildes „Bundesärz- tekammer" geschehen sollte, obwohl den Veranstaltern zu diesem Zeitpunkt seit mindestens acht Tagen bekannt sein mußte, daß wegen der erst zehn Tage vor dem Kongreß durch Telefonanruf bei mir zu Hause der Bundesärztekammer bekanntgewordenen Einla- dung kein Vertreter anwesend sein konnte. Dazu trugen weiter Ausführungen einiger Redner bei, in denen den Ärztekammern und der Bundesärztekammer vorgeworfen wurde, sie hätten die Gefah- ren des Atomkrieges unverantwortlich verharmlost, ja die Bundes- ärztekammer wolle über ein Gesundheitssicherstellungsgesetz eine Umstellung des gesamten Gesundheitswesens auf Kriegsmedizin erreichen, sie wolle sogar durch die in diesem Gesetzentwurf vom zuständigen Bundesministerium gegen den Widerstand der Bundes- ärztekammer formulierte Fortbildungsverpflichtung jeden Arzt zum Militärarzt machen.

Plumpe Polemik ist es schließlich, wenn die Bundesärztekammer auf dem Kongreß in Hamburg aufgefordert wurde, alles zu unterlassen, was der Verharmlosung des Atomkrieges dient, und statt dessen ihre humanitären Aufgaben zu erfüllen, um den Frieden und den Gesund- heitsschutz der Bevölkerung zu garantieren. Kein Wunder eigent- lich, daß derart grobe Verdrehungen massive Entgegnungen provo- zieren konnten.

Selbstverständlich hat die Bundesärztekammer schon immer alles unterlassen, was der Verharmlosung des Atomkrieges dient. Es ist vielmehr seit Jahren eindringlich auf die außerordentlichen Gefah- Heft 47 vom 19. November 1981 2213

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Die Information:

Bericht und Meinung

Berufsethos erfordert Fortbildung

ren eines Atomkrieges hingewie- sen worden. Auch im DEUT- SCHEN ÄRZTEBLATT wurde in ei- ner Artikelserie schon 1965 die Unmöglichkeit ärztlicher Hilfe bei atomaren Auseinandersetzungen ausführlich begründet. In mehre- ren Interviews habe ich persönlich betont, daß im Falle flächendek- kender atomarer Auseinanderset- zungen ärztliche Hilfe nicht nur nicht mehr möglich, sondern dann auch unnötig ist, weil niemand mehr ärztliche Hilfe benötigt.

Gleichzeitig habe ich jedoch auf die für jeden Arzt aufgrund seines Berufsethos bestehende Ver- pflichtung hingewiesen, sich für Aufgaben in der Katastrophenme- dizin fortzubilden, weil unterhalb der größtmöglichen denkbaren Katastrophe bei einer atomaren Auseinandersetzung auch Rand- zonen denkbar sind, in denen ärzt- liche Hilfe, und sei sie noch so begrenzt, möglich ist; ganz abge- sehen davon, daß es eine Vielzahl anderer Möglichkeiten mehr oder weniger großer Katastrophen gibt.

Dabei wird der Arzt zwar häufig auch nicht allen Betroffenen hel- fen können, ärztliche Hilfe wird deshalb aber nicht sinnlos, ebensowenig wie zweckentspre- chende Fortbildung.

Unter Katastrophenbedingungen kommt es darauf an, möglichst vielen Verletzten und Geschädig- ten mit möglicherweise unzuläng- lichen Mitteln ein Überleben zu er- möglichen und gesundheitliche Schäden, soweit es irgend geht, abzuwehren oder zu mindern. Ex- tremsituationen und die dann zwangsläufig verringerten ärztli- chen Hilfsmöglichkeiten bei der Versorgung einer großen Zahl von Verletzten einschließlich der or- ganisatorischen Schwierigkeiten und Notwendigkeiten erfordern entsprechende Vorbereitungen.

Mangelt es schon daran, hat allein diese Unterlassung möglicherwei- se für viele Menschen den siche- ren Tod zur Folge, denen mit rechtzeitigen Überlegungen wirk- same lebensrettende Hilfe hätte zuteil werden können.

• Dem Auftrag, Leben zu retten und zu erhalten, kann sich kein Arzt entziehen. Fortbildung in Ka- tastrophenmedizin ist daher nötig, um auch in schwierigen Situatio- nen zu versuchen, möglichst wirk- same ärztliche Hilfe leisten zu kön- nen. Fortbildung in Katastrophen- medizin wird aber deshalb noch lange nicht zur Vorbereitung auf einen Atomkrieg.

Es ist eigentlich überflüssig zu be- tonen, daß die Bundesärztekam- mer gegen Atomkrieg und gegen Atomtod ist ebenso wie gegen Tod durch bakteriologische, che- mische oder „konventionelle"

Kampfmittel; sie ist selbstver- ständlich auch gegen jede andere Art kriegerischer, gewalttätiger Auseinandersetzung und über- haupt gegen die Tötung menschli- chen Lebens. Die Tötung mensch- lichen Lebens widerspricht ja ge- radezu dem Grundauftrag des Arz- tes. Es ist doch kaum vorstellbar, daß es einen Arzt geben könnte,

Die Redaktion gibt hier eine kleine Aufstellung leicht erreichbarer Li- teratur zum Thema Katastrophen- medizin, insbesondere auch bei

„Atomkatastrophen":

„Die medizinischen Folgen eines thermonuklearen Krieges", Arti- kelserie des DEUTSCHEN ÄRZTE- BLATTES (DÄ), Hefte 8, 9, 10, 11 und 12/1965

Entschließung des 72. Deutschen Ärztetags 1969 in Hannover: „Si- cherung der ärztlichen Versor- gung im Katastrophenfall", DÄ 22 vom 31. 5. 1969

„Katastrophenmedizin und medi- zinische Versorgung im Zivil- schutz — einschließlich Kernkraft- katastrophen", IV. Interdisziplinä- res Forum der Bundesärztekam- mer, Januar 1980, in „Jahrbuch 1980/81: Fortschritt und Fortbil- dung in der Medizin", Deutscher Ärzte-Verlag, Köln, 1980

„Zur sozialen Sicherung gehört auch der Katastrophenschutz! — Die Schweiz ist gut vorbereitet —", Bericht in DÄ 38 vom 18. 9. 1980

„Zur Frage der ärztlichen Versor- gung der Bevölkerung bei Kern- kraftwerksunfällen", Herausge- ber: Wissenschaftlicher Beirat der Bundesärztekammer, Deutscher Ärzte-Verlag, Köln, 1981 (zweite Auflage in Vorbereitung)

der gegen das Leben eines Mit- menschen gerichtete Gewalttätig- keiten befürwortete oder unter- stützte.

Man müßte also annehmen, daß sich die Ärzteschaft mindestens in dieser Frage einig ist und daher lautstarke Auseinandersetzungen über die Notwendigkeit der Fort- bildung für Notfall- und Katastro- phenmedizin nicht nötig sind.

Diese Fortbildung schließt natür- lich die Erkenntnis ein, daß es un- ter Katastrophenbedingungen un- wahrscheinlich ist, allen von dem Geschehen Betroffenen wirksame ärztliche Hilfe leisten zu können.

Ebenso schließt sie die Verpflich- tung ein, die Bevölkerung auf die begrenzten ärztlichen Hilfsmög- lichkeiten in Katastrophenfällen, die im Falle einer denkbaren flä- chendeckenden, eventuell sogar weltweiten atomaren Katastrophe bis auf null zusammenschrumpfen können, aufzuklären und keine unberechtigten Hoffnungen auf Rettung durch ärztliche Behand- lungsmaßnahmen zu erwecken.

Dabei gibt es keine Unterschiede, ob Bedrohungen des Lebens von Ländern des Ostens oder des We- stens oder einer anderen denkba- ren Gruppierung ausgehen.

Diese Ziele sind nur durch sachli- che Argumentation zu erreichen.

Polemik, gleich von welcher Seite, ist weder der Sache dienlich, noch entspricht sie dem Ernst der Be- drohung; sie sollte deshalb unter- lassen werden. Alle Anstrengun- gen auch der Ärzte sollten sich vielmehr darauf richten, Katastro- phen und Bedrohungen des menschlichen Lebens zu vermei- den, menschliches Leben zu er- halten und überall dort, wo Ge- sundheit und Leben bedroht sind, nach besten Kräften zu helfen. Nur so werden Ärzte ethisch-morali- schen Grundnormen gerecht. In diesem Sinne begrüße ich es, daß Sprecher jener Ärzte, die an der Veranstaltung des Hamburger Kongresses beteiligt waren, jetzt das Gespräch mit der Hamburger Ärztekammer aufnehmen.

2214 Heft 47 vom 19. November 1981 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

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