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Archiv "Von schräg unten: Letzte Meile" (02.02.2007)

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[108] Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 5⏐⏐2. Februar 2007

S C H L U S S P U N K T

gut, ist ja gut, die redeten auch mehr von den Pillen und so, also, dass die Patienten keine neuen Medikamente kriegen würden! Das musst du uns mal erklären!“ Mei- ne Stirn sieht mittlerweile aus wie ein Dünndarmdop- pelkontrast. Es ist so: Als eifriger, gewissenhafter und penibler Mediziner beherrscht man natürlich seine Me- dikamente bis in die Interaktionen auswendig und kann alle Studien herunterleiern. „Da kommt man sich sicher ganz schön intelligent vor, nicht wahr?“ Genau. Natür- lich schreibt man seinen Patienten diese Präparate auf, kraft seines Wissens und Überzeugung gegen jegliche Warnung der Kassenärztlichen Vereinigung, dass man sein Budget schon überzogen hat. „Da kommt man sich sicher ganz schön tapfer vor, nicht wahr?“ Genau. Und dann wird man mit einer Regressforderung überzogen, muss sich eines Samstagmorgens vor mehreren fachlich versierten Kollegen zur Rechenschaft ziehen lassen und verlässt den Saal als Verlierer . . . „Da kommt man sich ziemlich alleingelassen vor, nicht wahr?“ Genau. Dann fährt man nach Hause und versucht der Familie klar- zumachen, dass der diesjährige Jahresurlaub ins Wasser fällt, weil man eben in Regress ge- nommen worden ist . . . „Da kommt man sich ziemlich mies vor, nicht wahr?“ Ge- nau. Aber dann stellt es sich heraus, wie jüngst bei den Cox-2-Hemmern, dass diese neuen Medikamente, die so sündhaft teuer sind und dich eine hohe Regresssumme ge- kostet haben, mit gravierenden Nebenwir- kungen behaftet sind. Dann hast du die Pra- xis voll mit Patienten, die dir bitterste Vor- würfe machen, warum du an ihnen herum- experimentierst und sie tödlichen Risiken aussetzt, anstatt sie mit bewährten Mitteln zu behandeln.

„Dann kommst du dir wie ein Voll- idiot vor, nicht wahr?“ Genau! „Al- so irgendwie verstehe ich dich jetzt, Onkel Thomas, da würde ich auch etwas vorsichtig werden, mit allem, was da aus der Wissenschaft kommt. Aber erklär mir doch mal, wie machst du das jetzt in deiner Praxis? Ich meine, du siehst zwar schon ganz schön alt aus, aber du musst ja noch arbeiten, kannst noch nicht in Rente gehen, also wie machst du das?“ Ich habe im Lauf der Jahrzehnte gelernt, dass die jahrtausendalte therapeutische Maxi- me, die vielen Patienten auf der ganzen Welt schon über- aus erfolgreich bei der Bewältigung schwerster Erkran- kungen geholfen hat, sich auch auf die moderne Thera- pieempfehlungen und Leitlinien anwenden lässt. „Da bin ich aber neugierig, Onkel Thomas, wie heißt denn das, diese Maxime?“ Die Verbindlichkeit eines Zustan- des ist temporär limitiert. „Ach Onkel Thomas, du re- dest wie immer so geschwollen, was meinst du damit?“

Was kommt, geht auch wieder.

Dr. med. Thomas Böhmeke ist niedergelassener Kardiologe in Gladbeck.

VON SCHRÄG UNTEN

Letzte Meile

Dr. med. Thomas Böhmeke

S

ie sind willkommen wie ein Furunkel auf der Na- senspitze und tanzen auf selbiger herum: die fre- chen Neffen. Heute versucht der ältere, mir eine De- pression beizubringen: „Onkel Thomas, ich habe in ei- ner Zeitschrift gelesen, dass ihr niedergelassenen Ärzte die letzten Deppen seid! Weil ihr nämlich nicht das Neu- este aus der Forschung an euren Patienten ausprobieren tut!“ Für einen Moment schwanke ich, ob ich seinen Deutschlehrer aus Mitleid krankschreiben soll oder mit ihm ein ernstes Wort über seine Berufsauffassung reden sollte. Dann aber weise ich den frechen Nef-

fen in strengem Ton zurecht, dass in den besagten Artikeln nicht von

letzten Deppen, sondern von der letzten Meile die Rede

war. „Ach, Onkel Tho- mas, stell

dich

nicht so an, die mei- nen doch das

Gleiche! Aber sag doch mal, warum machst du nicht immer alle moderne Diagnos- tik, die es so gibt?“ Ich lege meine Stirn in ungefähr so viele Falten, wie in eine Jejunumschlinge passen, und versuche ihm zu erklären, dass die Erfahrung einen lehrt, eine gewisse Skepsis gegenüber neuen Verfahren zu bewahren, die einem mit viel professoralen Pathos auf die Pupille gedrückt werden. Jede Untersuchungs- methode macht erst mal ihre eigenen Erkrankungen. Be- lustigend mag hier ja das Mitralklappenprolapssyndrom anmuten, das mit Aufkommen der Echokardiographie auffällig viele junge hübsche Damen befiel, die dann quartalsweise von den verursachenden Kardiologen zur Kontrolluntersuchung einbestellt wurden. Und die neu- esten Entwicklungen, sei es multislice-CT oder NMR, wären erst mal gar nicht geeignet, flächendeckend einen Ersatz für den Herzkatheter zu bieten, sondern würden erst zu einer unglaublichen . . . „Onkel Thomas, ist ja

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