Behandlung ihrer Leiden zu ermöglichen. Als Fachverband für Psychoanalytiker, die Ärzte oder Psychologen im Grund- beruf sind, begrüßen wir aus- drücklich den Wunsch nach ge- meinsamen Bemühungen von Ärzteschaft und Psychologi- schen Psychotherapeuten, um Lösungsmöglichkeiten für die Probleme in der Psychothera- pie zu finden. Hier findet sich leider in den Beschlüssen des Deutschen Ärztetages noch die eine oder andere Polemik, die der notwendigen Zusam- menarbeit nicht förderlich sein kann.
Dr. med. Dipl.-Soz. Alf Gerlach, Dipl.-Psych. Gertraud Schlesinger- Kipp,Deutsche Psychoanalytische Vereinigung (DPV), Körnerstraße 11, 10785 Berlin
Bitter nötig
Erfreut habe ich das Engage- ment des 109. Deutschen Ärz- tetages für eine Entstigmatisie- rung psychischer Erkrankun- gen zur Kenntnis genommen.
Deutliche Signale in dieser Richtung sind lange überfällig, ebenso die Förderung der psychiatrisch-psychosoma- tisch-psychotherapeutischen Kompetenz im ärztlichen Handeln, zumal zu einer Zeit, da die einschlägigen Abteilun- gen vieler Unikliniken ge- schlossen werden. Wie nötig solch ein Bemühen zum Ab- bau von Stigmatisierungen ist, zeigt ein Artikel in Heft 21/2006. Dort wurde über die KBV-Vertreterversammlung berichtet (Eine KV – für alle), die im Vorfeld des Ärztetages stattfand. Die Kollegen dort scheuten sich offensichtlich nicht, ihre Meinungsdifferen- zen mit Polemiken auf Kosten psychisch Kranker auszutra- gen. So äußerte ein Delegier- ter die Ansicht: „Vielleicht sind die Hausärzte ja früher traumatisiert worden“, und an einen Kollegen gewandt: „Was Sie hier aufführen, sind post- traumatische Belastungs- störungen“. Vielleicht lohnt es sich ja, gleich in den eigenen Reihen anzufangen.
Prof. Dr. phil. Ilka Quindeau, Finkenhofstraße 38, 60322 Frankfurt
Bürokratie-Abbau
Zu dem Beitrag „Ein Dutzend Formu- lare kann entfallen“ von Josef Maus in Heft 25/2006:
Wertvolles Geld geopfert
Wichtige Menschen und klu- ge Köpfe habe viele neue, schöne bunte Formulare ent- worfen, damit wir noch bes- ser, billiger, zertifizierter und wirtschaftlicher arbeiten kön- nen, und haben dafür sogar wertvolles Geld der Beitrags- zahler geopfert. Wichtige Menschen und kluge Köpfe gehen jetzt daran, viele neue, schöne bunte Formulare zu vereinfachen oder gar ersatz- los zu streichen, weil sie „über- flüssig“ oder „zu aufgebla- sen“ sind und opfern für die- se Aktion wieder das Geld der Beitragszahler. Kann mir diesen Unfug mal jemand er- klären?
Dr. med. Alexander Hölzle, Marktplatz 8, 86415 Mering
Unverständlich
Ich finde es unverständlich, wie man uns vormachen möchte, dass durch das Ent- fallen eines Dutzends Formu- lare ein Bürokratieabbau ent- stehen soll.
Die Bürokratie ist nicht in er- ster Linie das Formularwe- sen, sondern es sind die büro- kratischen Strukturen, die uns Ärzten das Leben schwer machen. Meist sind es zwar politische Vorgaben, doch werden diese allzu willfährig von der Ärztekammer und den Kassenärztlichen Verei- nigungen umgesetzt, anstatt offensiv dagegen vorzugehen.
Exemplarisch sind dabei z. B.
der neue EBM, das Qua- litätsmanagement, die Fort- bildungspflicht (Barcode) und diverse Überprüfungen zu nennen. Der Nutzen vieler solcher Vorgaben ist nicht be- legt, der Aufwand für uns Ärzte, die wir meist auch noch die Kosten dafür über- nehmen müssen, aber im- mens.
Kay Gottschewsky,Meislahnstraße 2, 28832 Achim
A
A2102 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 31–32⏐⏐7. August 2006
B R I E F E / B Ü C H E R
Das Fragezeichen im Titel des Buches kann mit einem Ja beantwortet werden: Bei einer Prävalenz von 9,5 Pro- zent aller weiblichen Versi- cherten und 3,7 Prozent der Männer (erstes Halbjahr 2004) muss von einer Volkskrank- heit gesprochen werden (zum Vergleich: die Prävalenz bei Diabetes beträgt rund fünf Prozent). Massiv angestie- gen sind zudem die Versor- gungsleistungen der Kran- kenkassen: Die Rate der sta- tionär mit der primären Dia- gnose Depression Behandel- ten stieg in den letzten vier Jahren um 40 Prozent, die Arz- neimittelverordnungen nah- men innerhalb eines halben Jahres um 43 Prozent zu.
Die Zahlen stammen aus dem in der wissenschaftli- chen Reihe der Gmünder Ersatzkasse (GEK) erschie- nenen Buch, das das Thema Depression nicht nur aus klinischer Sicht beleuchtet, sondern auf sozioökonomi- sche und gesellschaftliche Ur- sachen und Wirkungen hin- weist. Grundlage sind natio- nale und internationale Stu- dien sowie die Analyse der GEK-Versichertendaten. Zu Wort kommen 35 renommier- te Wissenschaftler.
Das Buch zeigt einige ernst zu nehmende sozioökonomi- sche Zusammenhänge auf.
Zum Beispiel, dass ein hö- heres Einkommen mit ei- nem niedrigeren Risiko für depressive Erkrankungen ver- bunden ist: Versicherte mit einem Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze ha- ben ein um ein Viertel ge- ringeres Risiko für die Dia- gnose Depression. Dagegen haben Arbeitslose ein etwa doppelt so hohes Risko wie Erwerbstätige. In den neu- en Bundesländern liegen die Diagnoseraten für Depres- sion 20 bis 40 Prozent unter
dem Bundesdurchschnitt. Die- ser Unterschied bleibt auch bestehen, wenn man Arbeits- lose und Erwerbstätige ge- sondert betrachtet.
Die Wissenschaftler ge- hen aufgrund der Studienlage davon aus, dass es sich um ein reales epidemiologisches Phänomen handelt, dass nicht nur mit unterschiedlichen Diagnosegepflogenheiten zu erklären ist. Vielmehr bie- ten sich soziologische Er- klärungsmodelle an, zum Bei- spiel, dass bei Massenarbeits- losigkeit das Depressions- risiko sinkt, weil es weniger stigmatisierend ist, arbeitslos zu sein.
Die Herausgeber fordern, die Bedeutung des Faktors Arbeit für die psychische Ge- sundheit ernster zu nehmen.
Bei zunehmendem Leistungs- druck, unsicheren Arbeits- plätzen bei gleichzeitiger gesellschaftlicher Norm, die Leistungsfähigkeit, Erfolg, ständige Aktivität und Selbst- verwirklichung durch Arbeit als Ideal propagiert, sei ein
„Einknicken“ im Sinne einer psychischen Erkrankung von immer mehr Menschen nicht erstaunlich.
Das Phänomen, dass diese Attribute eher der westdeut- schen Sozialisation entspre- chen, erklärt vielleicht auch die geringere Prävalenz von depressiven Erkrankungen in den östlichen Bundesländern.
Notwendig ist nach Ansicht der Herausgeber eine Ar- beitsmarktpolitik, die mehr und sichere Arbeitsplätze schafft, auch für weniger Lei- stungsfähige.
Ärzten, Psychologen, So- ziologen, Gesundheitswissen- schaftlern und Entscheidungs- trägern im Gesundheitswesen liefert das Buch wichtige An- regungen für Gesundheitsför- derung und Prävention.
Petra Bühring
Depression
Geld macht glücklicher
Gabriela Stoppe, Anke Bramesfeld, Friedrich-Wilhelm Schwartz (Hrsg.): Volkskrankheit Depression? Bestandsaufnahme und Per- spektiven. Springer Medizin Verlag, Heidelberg, 2006, 475 Seiten, ge- bunden. 39,95 Euro