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Archiv "Finanzierung der Künstlichen Befruchtung: Auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe" (02.05.2008)

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A936 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 182. Mai 2008

P O L I T I K

B

is zum GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) war die künstliche Befruchtung eine Pflichtleistung der gesetzlichen Kranken- versicherung (GKV). Diese Situation änderte sich mit dem GMG. Die entscheidende Ände- rung besteht darin, dass die Krankenkasse nun- mehr nur 50 Prozent der Kosten einer künstli- chen Befruchtung übernimmt. In Deutschland bleiben zwischen 15 und 20 Prozent aller Paa- re ungewollt kinderlos, etwa zwei Millionen Paare. 1,2 bis 1,5 Millionen Paare suchen deshalb eine ärztliche Beratung auf. Die Kos- ten für einen Behandlungszyklus im Rahmen der künstlichen Befruchtung liegen im Durch- schnitt bei 3 200 Euro, bei drei Behandlungs-

zyklen bei 9 600 Euro. Die Selbstbeteiligung eines Paares beträgt bei drei Behandlungszy- klen und 50 Prozent Eigenanteil rund 4 800 Euro. Dieser Betrag stößt bei vielen Paaren an finanzielle Grenzen. Reproduktionsmediziner gehen davon aus, dass durch die Einführung eines Eigenanteils von 50 Prozent jedes Jahr rund 4 000 Kinder weniger geboren werden.

Diese Situation trifft zu auf eine Bevölkerung mit einer der geringsten Geburtenziffern welt- weit. 2006 betrug die Zahl der Kinder je Frau im gebärfähigen Alter in Deutschland 1,33. Zur Bestandserhaltung einer Bevölkerung ist min- destens eine Geburtenziffer von zwei Kindern je Frau im gebärfähigen Alter erforderlich. Als Folge dieser zu geringen Geburtenziffer geht die Bevölkerung nach den Vorausberechnun- gen des Statistischen Bundesamts von 82,3 Millionen im Jahr 2005 auf 68,8 Millionen im Jahr 2050 zurück.

Bezogen auf die Einwohnerzahl liegen bei der Zahl von Behandlungszyklen im Rahmen einer reproduktionsmedizinischen Behandlung die skandinavischen Länder an der Spitze, wobei Dänemark die erste Position einnimmt.

Das Land wies 2003 den höchsten Anteil von Kindern auf, die nach einer künstlichen Be- fruchtung geboren sind: 3,9 Prozent aller Neugeborenen. In Dänemark werden drei In-

vitro-Behandlungen voll bezahlt. Das Berliner Institut für Bevölkerung und Entwicklung hat errechnet, dass in Deutschland bis 2050 nach dem dänischen Modell 1,6 Millionen Kinder zu erwarten wären.

Seit der Einführung des Eigenanteils der Versicherten von 50 Prozent für eine künstli- che Befruchtung ist die Zahl der Kinder, die mithilfe der künstlichen Befruchtung geboren worden sind, auf fast ein Drittel zurückgegan- gen. Die Ursache für diesen Rückgang wird ausschließlich in der finanziellen Belastung ge- sehen, die von Paaren, die eine künstliche Be- fruchtung wünschen, übernommen werden muss. In Deutschland hat zurzeit die Familien-

politik einen hohen Stellenwert. Zusätzlich zu bisherigen Maßnahmen wie Kindergeld und Steuerfreibeträgen stehen für Elterngeld und Kinderbetreuung Milliardenbeträge zur Verfü- gung. Ziel ist die Förderung des Kinderwun- sches und damit eine höhere Geburtenzahl. Es sind also in erster Linie bevölkerungspolitische Überlegungen, mit denen dieser Aufwand ge- rechtfertigt wird. Dauerhafte Erfolge dürften nur mittelfristig zu erwarten sein. Bisher jeden- falls kann eine durch diese Förderung bedingte Steigerung der Geburtenzahl nicht nachgewie- sen werden. Dabei treffen diese Maßnahmen auf eine Bevölkerungsentwicklung, in der die Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter rückläu- fig ist. Eine aller Wahrscheinlichkeit nach kurz- fristig wirkende Maßnahme ist dagegen die Förderung der künstlichen Befruchtung durch eine Änderung der Eigenbeteiligung in der GKV. Das darf allerdings nicht dadurch ge- schehen, dass der GKV wie vor dem GMG die gesamten Kosten für die künstliche Befruch- tung auferlegt werden. Die Förderung der Ge- burtenzahl durch die künstliche Befruchtung liegt auch im gesamtgesellschaftlichen Inter- esse. Sie ist neben der Möglichkeit, Paaren ei- nen Kinderwunsch zu erfüllen, eine bevölke- rungspolitische Maßnahme. Die Kosten der künstlichen Befruchtung sollten daher zu je ei-

nem Drittel auf die öffentliche Hand, die GKV und die behandelten Paare aufgeteilt werden, eine Regelung, die offenbar in Österreich Er- folg hat. Die Durchführung der für eine künstli- che Befruchtung erforderlichen Maßnahmen kann der GKV als Auftragsverwaltung übertra- gen werden. Eine derartige Lösung berück- sichtigt die Finanzsituation der GKV und das öffentliche Interesse, bezieht aber gleichzeitig die behandelten Paare in die Finanzierung ein, was im Sinne der Stärkung von Eigenverant- wortung liegt.

Die Kosten für den Erhalt des Lebens von Frühgeborenen allein für die Dauer von hun- dert Tagen sind rund doppelt so hoch wie die

Kosten für eine Geburt durch eine künstliche Befruchtung. Beide Maßnahmen sind erfor- derlich, der Erhalt des Lebens von Frühgebo- renen und die Erzeugung von Leben durch die künstliche Befruchtung. Die Kosten für den Erhalt der Lebensfähigkeit von Frühgeborenen sind von der GKV zu tragen. Die Erzeugung von Leben durch eine künstliche Befruchtung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und daher auch von der Gesellschaft aus Steuer- mitteln zu finanzieren.

Deutschland hat weltweit mit die geringste Geburtenziffer. Soll sich dies ändern, sollen mehr Kinder geboren werden, und dies ist er- klärter politischer Wille, sind vielfältige Maß- nahmen erforderlich, allgemein aus gesell- schaftlichen oder bevölkerungspolitischen Gründen, individuell aus familienpolitischen Gründen. Keine Maßnahme schließt andere Maßnahmen aus. Eine wirkungsvolle, kurzfris- tig wirkende und besonders kostengünstige Maßnahme ist die künstliche Befruchtung. Ge- handelt werden kann sofort. Der Erfolg liegt auf der Hand. Die Politik sollte keine Zeit ver- lieren. Alles andere ist unter Abwägung aller Umstände nicht zu rechtfertigen. I

Prof. Dr. med. Fritz Beske MPH

Fritz Beske Institut für Gesundheits-System-Forschung Kiel Weimarer Straße 8, 24106 Kiel

KOMMENTAR

Prof. Dr. med. Fritz Beske, Leiter des Instituts für Gesundheits-System-Forschung Kiel

FINANZIERUNG DER KÜNSTLICHEN BEFRUCHTUNG

Auch eine gesamtgesellschaftliche

Aufgabe

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