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Archiv "Die In-vitro-Befruchtung" (02.04.1981)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen FORUM

Embryo-Transfer: eine Klärung der rechtlichen Beziehungen Im folgenden gehe ich von der An- nahme aus, daß der Staat die klini- sche Anwendung des Embryo- Transfers nicht untersagt ... Ich möchte die Behauptung aufstellen, daß die bisherige Rechtsprechung (18, 28, 29) ein allgemeines (wenn auch nicht absolutes (30)) Recht auf Autonomie in Fragen der Fortpflan- zung anerkannt hat. Das heißt, das Recht einer Frau, eine klinische Be- handlung ihrer Unfruchtbarkeit an- zustreben, ist höherwertig als das staatliche Interesse am Schutz ihrer physischen und moralischen Ge- sundheit; und es ist ebenfalls vor- rangig gebenüber dem staatlichen Interesse am Schutz der körperli- chen Gesundheit des Babys, das sie zur Welt zu bringen beabsichtigt.

Zugegeben, diese Annahme löst die ethischen Probleme, indem sie ih- nen aus dem Wege geht. Eine abso- lutistische Ethik ist aber mit unserer gesellschaftlichen Ordnung nicht vereinbar; alle Fragen der Moral werden in einem gewissen Maß will- kürlich (politisch) entschieden ...

Es lassen sich drei klinische Situa- tionen denken, die evtl. eine gesetz- liche oder quasi-gesetzliche Rege- lung nötig machen könnten. Es sind dies:

1. Aspiration einer Eizelle von einer Frau mit undurchgängigen Eileitern, I.V.B. mit dem Sperma des Eheman- nes und nachfolgende Übertragung des Keimlings in den Mutterleib.

2. Aspiration einer Eizelle von einer Spender-Frau, I.V.B. mit Sperma ei- nes Mannes und nachfolgender Übertragung des Keimlings auf des- sen Ehefrau.

3. Aspiration einer Eizelle von einer Frau, I.V.B. mit dem Sperma ihres Ehemannes und nachfolgende Übertragung des Keimlings auf eine andere Frau (die Ersatzmutter oder uterine Mutter), die das Kind aus- trägt und es nach der Geburt den genetischen Eltern zurückgibt.

Außerdem sollte der rechtliche Sta- tus des Keimlings vor der Implanta- tion definiert werden, damit Kliniker und Laborangestellte über ihre Auf- gaben und Pflichten Bescheid wis- sen, und schließlich müssen auch die rechtlichen Beziehungen der durch I.V.B. geborenen Kinder zu den Ärzten (bzw. den Laboratorien), die die Schwangerschaft vermitteln, zu den Keimzellenspendern und den Eltern (also den Paaren, die Eltern werden wollen) genau bestimmt werden. Da die letzten beiden Aspekte bei jeder klinischen Anwen- dung der I.V.B. eine Rolle spielen, wollen wir mit ihnen beginnen.

1,5 Millionen Schadenersatz gefordert

Welches ist der richtige Status des menschlichen Keimlings nach der Reagenzglas-Befruchtung, aber vor der Übertragung in die Gebärmut- ter? Hat der mit der Durchführung einer I.V.B. beauftragte Kliniker eine spezielle Sorgfaltspflicht für den

Keimling? Kann er z. B. wegen Ver- nachlässigung seiner Sorgfalts- pflicht gerichtlich verfolgt werden, wenn ein Dritter den Keimling be- schädigt? Es könnte schnell der Fall sein, daß ein Gericht zur Lösung sol- cher und ähnlicher Fragen angegan- gen wird.

Shettles, ein weitbekannter Fach- mann auf dem Gebiet der Fortpflan- zungsphysiologie, stimmte im Som- mer 1974 einem Versuch zur I.V.B.

der Keimzellen eines kinderlosen Ehepaares und einem nachfolgen- den Embryo-Transfer zu. Nach er- folgreicher Aspiration der Eizellen war offensichtlich auch die I.V.B. ge- glückt. Ungefähr zur selben Zeit wurde diese klinische Forschung dem Direktor der geburtshilflichen Abteilung der Medizinischen Fakul- tät der Columbia Universität bekannt

— Shettles gehörte ebenfalls als Mit- glied zu dieser Abteilung. In der An- nahme, daß diese Experimente im Widerspruch zu Bundes-Richtlinien über die Forschung am Menschen stünden, vernichtete der Direktor den Inhalt des Reagenzglases. Dies verursachte ein erhebliches Aufse- hen. Shettles verließ daraufhin nach 27jähriger Tätigkeit die Columbia Universität, und das Ehepaar, das auf ein Kind gehofft hatte, verklagte den betreffenden Direktor auf eine Schadensersatzsumme von 1,5 Mil- lionen Dollar wegen „böswilliger Vernichtung" der Zellkultur (31).

Wie würden die Gerichte auf diese Klage reagieren? Vor der Implanta- tion könnte man den Keimling ange- messenerweise als das „Eigentum"

des Ehepaares betrachten. Umfang- reiche Beschädigungen könnten al- lerdings stets als Zerstörung des Keimlings angesehen werden, wenn eine absichtliche Schädigung vor- liegt. Eine Entscheidung, die auf großen Schaden erkennt, würde dar- auf hindeuten, daß — trotz der Tatsa- che, daß ein Keimling selbstver- ständlich keine Person im rechtli- chen Sinne ist — ihm aufgrund des besonderen Interesses der Keimzel- lenspender ein erheblicher Wert zu- kommt, den sich jeder vernünftige Mensch vorstellen kann. Es scheint deshalb durchaus angemessen, den

Die In-vitro-Befruchtung

Eine Beurteilung des gegenwärtigen Stands der Möglichkeiten

Philip Reilly

Fortsetzung von Heft 13/1981, Seite 621 ff., und Schluß

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ln-vitro-Befruchtung

Arzt und das Laborpersonal zu be- sonderer Sorgfalt bei Arbeiten zur I.V.B. anzuhalten. Gegebenenfalls müßte eine Verpflichtung auf den Grundsatz strenger Verantwortlich- keit gewährleistet sein.

Welche Rechte hätte ein Kind, das nach I.V.B. geschädigt zur Welt kommt? Es fällt schwer, für dieses Kind ein Klagerecht gegen den Arzt vorauszusehen. Vorausgesetzt, daß er von seiten der Eltern in angemes- sener Weise Zustimmung erhalten und die Schwangerschaft entspre- chend überwacht hat, dürfte ihm ei- ne Verletzung seiner Sorgfaltspflicht außerordentlich schwer nachzuwei- sen sein. Könnten die Kläger jemals erfolgreich eine ursächliche Verbin- dung zwischen der Konzeptionsart und dem Geburtsschaden nachwei- sen? Alle Keimlinge sind in starkem Maße Schädigungen ausgesetzt, und in der Tat geht ein großer Pro- zentsatz von ihnen spontan ab. Auch das vieldiskutierte „Unrecht durch ein beeinträchtigtes Leben" bietet hier keine Klagegrundlage (32). Ent- scheidend für die fünf Klagen, die von dieser Argumentation ausge- gangen waren, war das Versäumnis des Arztes, der Schwangeren ein be- kanntes Risiko für angeborene Schäden mitzuteilen. Das Ehepaar müßte also vor der I.V.B. vollständig über die Risiken aufgeklärt werden.

1. Die große Mehrheit der an I.V.B..

interessierten Personen werden Frauen mit undurchgängigen Eilei- tern sein, die ansonsten körperlich in der Lage sind, ein Kind zur Welt zu bringen, wenn nur eine Empfäng- nis möglich wäre. In biologischer Hinsicht wäre also keine dritte Per- son in diese I.V.B. verwickelt. Selbst- verständlich wäre ein solchermaßen geborenes Kind auch nicht mit meta- physischen Zweifeln über seine Vor- fahren belastet; biologische und rechtliche Elternschaft fielen zusam- men. Diese Situation wäre das weib- liche Gegenstück zur künstlichen Befruchtung mit dem Samen des Ehemannes.

Für einige Jahre — bis ein gewisser Erfahrungsschatz vorliegt — wird man menschliche I.V.B. noch als im

Versuchsstadium befindlich anse- hen müssen. Das Risiko der Rea- genzglas-Keimlinge ist nicht leicht zu quantifizieren, aber einige Leute erörtern die Wahrscheinlichkeit, daß viele Keimlinge nicht erfolgreich im- plantieren, daß es bei einigen zu Fehlgeburten und bei anderen zu mißgebildeten Kindern kommen könnte. Dies lenkt die Aufmerksam- keit auf die rechtlichen Aspekte.

Können zwei Personen der Verwen- dung ihrer Keimzellen zur Erzeu- gung eines Reagenzglas-Keimlings und dessen Übertragung in den Leib der Frau zur Erzielung einer Schwangerschaft überhaupt zustim- men? Das Schlüsselwort ist hier

„zustimmen", und die entscheiden- de Frage ist, ob das Interesse des möglichen Keimlings irgendwelche rechtlichen Auswirkungen auf die Zustimmungsentscheidung der bei- den möglichen Elternteile haben kann. Wenn ein Paar darin überein- stimmt, auf diese Weise zu einer Schwangerschaft kommen zu wol- len, üben sie dann nur das Grund- recht auf die Eigenverfügbarkeit über ihren Körper aus, oder werden dadurch bereits die Interessen eines Dritten berührt? Hat es das Paar be- reits mit einer Art von stellvertreten- der Zustimmung im Namen des Ba- bys zu tun, das sie bekommen möchten?

Diese Unterscheidung hat eine wich- tige rechtliche Konsequenz. Obwohl der rechtliche Charakter der stellver- tretenden Einverständniserklärung nicht exakt definiert ist, scheint es doch, daß eine Person nur Handlun- gen zustimmen kann, die dem Nut- zen der Person dienen, in dessen Namen das Einverständnis gegeben wird (33). Nimmt man einmal an, daß eine dritte Person (der Keimling) in die I.V.B. verwickelt ist, dann werden die diesem Verfahren eigentümli- chen Risiken wichtig.

Wie ich schon erwähnt habe, wäre es dem Staat möglich zu argumen- tieren, daß ein Paar diese Methode der Zeugung nicht wählen dürfte, wenn das Risiko für Fehlgeburten oder konnatale Schäden bei der I.V.B. bedeutend größer wäre als bei

einer natürlich erzielten Schwanger- schaft. Wahrscheinlich würde der Staat dann zum Schutz der Interes- sen dieser noch nicht existierenden Lebewesen wirksam werden und die Anwendung der I.V.B. untersagen.

Ein zweites Argument, das für eine gesetzliche Beschränkung der klini- schen Anwendung der I.V.B. spre- chen könnte, wäre eine so erhebli- che Wahrscheinlichkeit von angebo- renen Mißbildungen, daß der Staat vernünftigerweise annehmen müßte, daß eine beträchtliche Zahl solcher Kinder in öffentlichen Heimen auf- wachsen müßte.

Das Hauptargument zur Unterstüt- zung der Entscheidung eines Paa- res, der I.V.B. und dem E.T. zuzu- stimmen, mag man in der sich ent- wickelnden Verfassungslehre von den fundamentalen Interessen se- hen. Wenn eine Frau in dem ersten Trimester das unbeschränkte Recht auf Beendigung ihrer Schwanger- schaft hat, dann hat sie a fortiori das Recht, auch unabhängig von der Ge- fahr einer Fehlgeburt eine unge- wöhnliche Empfängnismethode zu wählen. Ein Verbot der klinischen Anwendung der I.V.B. würde Frauen mit einer Tubenmißbildung (voraus- gesetzt, daß die Eileiter einer chir- urgischen Rekonstruktion nicht zu- gänglich sind) die Möglichkeit einer Schwangerschaft nehmen.

Eine solche Haltung wäre in direk- tem Widerspruch zur Rechtspre- chung, die auf dem Recht der Per- son besteht, in Fragen der Fortpflan- zung selbständig zu entscheiden. Es ist zu hoffen, daß I.V.B. in kurzer Zeit zu einer mit nur geringen Risiken behafteten Methode wird, die es vie- len Paaren ermöglicht, Kinder zu ha- ben. Wenn die I.V.B. aus ihrem Ver- suchsstadium heraus ist, wird auch das staatliche Interesse an der Kon- trolle ihrer Anwendung abnehmen.

Eine zweite rechtliche Schwierigkeit betrifft das Verhältnis des Arztes zu dem Paar, das eine I.V.B. und ein solcherweise geborenes Kind wünscht. Sofern die Eheleute aus- führlich über die bekannten Risiken der Laparoskopie (zur Aspiration der Eizellen) sowie der Hormonverabrei-

688 Heft 14 vom 2. April 1981 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen In-vitro-Befruchtung

chung und Laparoskopie (zur Durchführung der Keimling-Übertra- gung) aufgeklärt werden und sofern sie auch über die (noch) völlig unbe- kannte Wahrscheinlichkeit für das Erieichen einer Schwangerschaft und das unbezifferbare Risiko für die Geburt eines mißgebildeten Kin- des Bescheid wissen, kann ich keine ungewöhnliche rechtliche Verant- wortlichkeit auf seiten des Arztes se- hen. Wie immer ist er zu einer be- stimmten Sorgfalt in der praktischen Anwendung dieser Techniken ver- pflichtet — aber dies ändert sich nicht aufgrund des ungewöhnlichen Zieles.

2. Eine wesentlich geringere Anzahl von Frauen wird in der Lage sein, ein Baby auszutragen, aber unfähig oder unwillig, dafür eine Eizelle zur Verfügung zu stellen. Dabei würde es sich um Frauen mit primären Ei- erstocksmißbildungen (wie beim Turner-Syndrom) handeln; außer- dem um ältere unfruchtbare Frauen, um bekannte Träger X-gebundener Erbkrankheiten und um Personen, bei denen die Gefahr des Spätbe- ginns einer dominanten Erbkrank- heit gegeben ist. Möglicherweise würde eine kleine Zahl von Frauen auch wünschen, Mutter von Kindern zu sein, die von Eizellen abstammen, deren Spenderin sie als genetisch - höherwertig betrachten.

Die Eizellen-Spende (E.S.) ist das weibliche Gegenstück zur künstli- chen Befruchtung mit Spendersa- men. Aus zwei Gründen ist sie aber in der Praxis wesentlich von der künstlichen Besamung verschieden.

Erstens erfordert sie — anders als die Sperma- oder Blutspende — einen chirurgischen Eingriff, der körperli- che Beschwerden und Gefahren mit sich bringt. Für die unmittelbare Zu- kunft würde es zwar möglich sein, die benötigten Eizellen von Frauen zu erhalten, die sich aus anderen Gründen einem chirurgischen Ein- griff unterziehen, aber es ist wichtig, sich der Tatsache bewußt zu sein, daß bei dieser Herkunft der Eizellen die Größe des Spenderpools be- schränkt ist und daher auch der Spielraum der Wahlmöglichkeiten, den die Empfänger-Paare haben.

Chirurgische Patienten könnten nicht in der Lage sein, genügend Eizellen zur Verfügung zu stellen.

Dies läßt an die Möglichkeit denken, daß sich ein ziemlich exotischer Wa- renhandel mit menschlichen Eizel- len entwickeln könnte. Die traurigen Erfahrungen mit der kommerziellen Blutspende in Amerika, besonders im Vergleich mit der nichtkommer- ziellen Praxis in England, sollte uns vor der Anwendung finanzieller An- reize im Zusammenhang mit Gewe- bespenden warnen.

Ein weiterer wichtiger Grund, der die Notwendigkeit einer Regelung der Eizellenspende unterstreicht, ist dadurch gegeben, daß es hier weit schwieriger als bei der Empfängnis durch künstliche Besamung sein wird, die Anonymität der Spenderin aufrechtzuerhalten. Die Notwendig- keit der chirurgischen Eizellen-Ent- nahme, die klinische Vorliebe für so- fortige Anstrengungen zur Erzielung einer 1.V.B. und die für die Implanta- tion notwendige hormonale Vorbe- reitung der Empfängerin machen es wahrscheinlich erforderlich, daß die verschiedenen Personen ungefähr zur gleichen Zeit in der gleichen Kli- nik behandelt werden müssen. Das erhöht in gewisser Weise die Mög- lichkeit, daß die Eizellenspenderin später in der Lage sein wird, mit dem aus ihren Eizellen entstandenen Kind Kontakt aufzunehmen. Auch wenn dieses Risiko zweifellos gering ist, könnte die Möglichkeit, daß ein solcher Kontakt eine Familie spalten könnte, dazu nötigen, daß der Eizel- lenspenderin eine Kenntnis der Spendenempfängerin verboten sein sollte.

Aber wie steht es mit dem Kind? Hat es ein „Recht", seine genetische Herkunft zu ermitteln? In Schottland z. B. haben adoptierte Kinder das gesetzlich garantierte Recht, ihrer biologischen Herkunft nachgehen zu dürfen (35). Vielleicht sollten alle Kinder dieses Recht haben. Dies wä- re eines der Probleme, das durch gesetzgeberische Entscheidung festgelegt werden könnte.

3. Einige Frauen könnten eventuell körperlich nicht in der Lage sein,

eine Schwangerschaft durchzuste- hen. Herzfehler, partielle Lähmun- gen, frühere Fehlgeburten oder eine Vielzahl anderer Krankheiten könn- ten daran denken lassen, daß Frau- en, die genetisch Eltern sein möch- ten, sich um die Hilfe von „Ersatz- müttern" bemühen. Bitte, halten Sie das nicht für eine Phantasterei! Ei- ner meiner Kollegen hat bereits eine solche Anfrage von einer Frau be- kommen, ... deren Uterus teilweise entfernt wurde, die aber dennoch ein Kind haben möchte, das gene- tisch von ihr selbst und ihrem Ehe- mann abstammt. Für die Frauen, die keine eigenen Kinder haben können, scheint ,auch die Adoption keine sinnvolle Alternative zu sein. Die er- hebliche Verknappung an jungen, gleichrassigen Babies hat längst zur Entwicklung eines Schwarzmarktes geführt, auf dem Paare häufig mehr als 10 000 Dollar zahlen, um ein Kind zu bekommen (36).

Natürlich könnten „Ersatzmütter"

auch von Rechtsanwältinnen oder Ärztinnen gewünscht werden, die ei- ne große Praxis führen, oder auch von Filmstars und Photomodellen, die durch die Schwangerschaft Kar- rierenachteile befürchten, oder ein- fach nur von älteren Frauen, die sich wegen der mit dem Alter zunehmen- den Krankheitshäufigkeit Sorgen machen.

Junge, ... gesunde und erfahrene Mütter könnten aber willens sein, den Keim einer anderen Frau auszu- tragen, wenn ein angemessenes Ho- norar dafür bezahlt wird. Es wäre interessant, darüber zu spekulieren, ob der Staat sich dafür entscheiden würde, zwar den Frauen Ersatzmüt- ter zuzugestehen, die aus körperli- chen Gründen kein Kind bekommen können, nicht aber denen, die die Schwangerschaft aus beruflichen Gründen vermeiden möchten. Unter den ganz wenigen juristischen Kom- mentaren zu dieser Frage ist der ei- nes französischen Gelehrten, der für eine solche Unterscheidung votiert:

„Die Anwendung des Embryo-Trans- fers sollte selbstverständlich aus therapeutischen Überlegungen her- aus geschehen. Jegliche andere Mo- tivation, Ambition oder Karriereab-

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ln-vitro-Befruchtung

sicht, in der ästhetische Gesichts- punkte den Ausschlag geben, soll- ten eine solche Möglichkeit aus- schließen. Die durch andere Motiva- tionen entstehende Publizität reicht aus, uns daran zu erinnern, daß Lö- sungsmöglichkeiten, die therapeu- tisch vertretbar sind, skandalös wer- den können, wenn es keine medizi- nische Rechtfertigung für sie gibt (37)."

Ich stimme mit dieser Ansicht nicht überein. Erstens glaube ich, daß Frauen bestimmte triftige nichtmedi- zinische Gründe haben können, die Dienste von Ersatzmüttern in An- spruch zu nehmen. Würde dann der Verfasser auch eine stark beschäf- tigte Ärztin verurteilen, die ihr Kind einer Amme überläßt? Zweitens, Frauen sollten ... ein gesetzliches Recht haben (sei es durch Altruis- mus oder eine Verdienstabsicht mo- tiviert), jeden beliebigen Keim aus jedem Grund, den sie wünschen, auszutragen. (Im selben Maße wie ich für die Reduktion der Erbkrank- heiten bin, habe ich auch davon überzeugt zu sein, daß ein Zwang zur Abtreibung gerechtfertigt wer- den kann.) Körperliche von nicht- körperlichen Gründen im Hinblick auf den Gebrauch von Ersatzmüt- tern zu unterscheiden, ist eine unan- nehmbare Weise der moralischen Bevormundung.

Ich vermute, der Staat könnte die Anwendung von Ersatzmüttern des- halb verbieten, weil sie das Kinds- recht auf eine „normale" Geburt ver- letzt. Diese Argumentation wird in gewisser Weise durch Gesetze ge- stützt, die außerehelichen Verkehr verbieten (die sicherlich teilweise dazu dienen sollen, die unehelichen Geburten zu reduzieren). Allerdings, wenn der Staat aus diesem Grund die Ersatzmutterschaft untersagt, würde er sich mit der außerordent- lich schwierigen Aufgabe belasten, nachzuweisen, daß solcherart gebo- rene Kinder mit großer Wahrschein- lichkeit Nachteile zu erwarten hät- ten. Dieses Argument unterstützt ei- ne Art Moralgesetzgebung, der ge- genüber die Gerichtshöfe skeptisch geworden sind, wenn persönliche Freiheiten dadurch verletzt werden.

Angesichts der fraglosen körperli- chen und seelischen Belastungen, die mit der Schwangerschaft ver- bunden sind, ist es äußerst wahr- scheinlich, daß „uterine" Mütter für ihre Dienste gut bezahlt würden.

(Bei einer Zufallsbefragung von zehn erwachsenen Frauen fand ich, daß das durchschnittliche Honorar bei 15 000 Dollar lag). In der Praxis der Ersatzmutterschaft tauchen ziemlich einzigartige und kompli- zierte Vertragsprobleme auf. Im be- sten Interesse aller Beteiligten, be- sonders des auf solche Weise gebo- renen Kindes, wäre es angemessen, wenn der Staat diese Aktivitäten re- geln würde. Für eine ausführliche Diskussion der mit der Ersatzmutter- schaft verbundenen Probleme ist es noch zu früh .. .

Wir wollen annehmen, daß eine Frau

— wir nennen sie Mary — mit einem Paar, Herrn und Frau Jones, über- einkommt, deren Keimling auszutra- gen. Wird Harold, der Mann der Ma- ry, an dieser Übereinkunft beteiligt sein müssen? Hätte das Paar das Recht, dieser Mary angemessene Vorschriften hinsichtlich ihrer Le- bensgewohnheiten, ihrer medizini- schen Versorgung oder ihrer Nah- rung zu machen? Könnte Mary bei- spielsweise auf eine bestimmte wö- chentliche Trinkmenge an Alkohol festgelegt werden oder auf ein Rauchverbot? Könnte man ange- messenerweise von ihr verlangen, sich einer Amniozentese zu unter- ziehen (um evtl. Mißbildungen des Keims festzustellen)?

Könnte das Ehepaar Jones erwarten, daß sie sich einer Schwanger- schaftsunterbrechung unterzieht, wenn nennenswerte Mißbildungen beim Föten wahrscheinlich sind?

Könnten sie Mary auch ersuchen, sich aus nichtmedizinischen Grün- den einer Schwangerschaftsunter- brechung zu unterziehen (z. B. weil sie sich entschieden haben, ihre Ehe aufzulösen)? Könnten Sie Mary das Recht einschränken, aus bestimm- ten medizinischen Gründen die Schwangerschaft unterbrechen zu lassen? Müßten die Jones gegebe- nenfalls für unvorhergesehene Arzt-

kosten aufkommen, die durch Schwangerschaftskomplikationen entstehen?

Was wäre, wenn ein mißgebildetes Kind geboren würde? Wenn die Er- krankung mit Umweltfaktoren in Verbindung gebracht werden könn- te, denen sich Mary fahrlässigerwei- se während der Schwangerschaft ausgesetzt hätte, wäre sie dann ver- antwortlich für die zusätzlichen me- dizinischen und sozialen Belastun- gen, die im Interesse des Kindes er- griffen werden müßten? Hätte das Kind gegen sie ein Klagerecht we- gen Vernachlässigung —wie es eines gegen jeden anderen Peiniger ha- ben könnte? Was wäre, wenn sich Mary weigern würde, das Kind sei- nen genetischen Eltern zu überlas- sen? Könnten sie die Übertragung des Kindes in ihren Gewahrsam er- zwingen? Wie könnten sie ihr Recht durchsetzen? Könnte Mary gerech- terweise dazu gebracht werden, von ihrem Anspruch auf Elternschaft ab- zulassen?

Wenn die Jones entschieden, daß sie nicht mehr Eltern werden möch- ten, und Mary die Bitte um Abbruch der Schwangerschaft ablehnt, könn- ten sie ihre rechtlichen Beziehungen zu dem Kind tilgen? Wenn das Paar plötzlich sterben sollte, hätte Mary dann ein Vorrecht, dieses Kind zu adoptieren? Sollten die Interessen der nächsten Angehörigen des Paa- res berücksichtigt werden? Könnte Mary unter irgendwelchen Umstän- den gezwungen werden, für das Kind zu sorgen?

Sollte der Staat verlangen, daß Verträge über Ersatzmutterschaft schriftlich geschlossen werden müs- sen, daß spezielle Versicherungsver- einbarungen Bestandteil des Vertra- ges sein müssen, daß Schadensvor- kehrungen in Rechnung gestellt werden? Sollten Ersatzmütter staat- licher Kontrolle unterliegen? Müß- ten sie geprüfte „Kindträgerinnen"

sein? Könnte ihre Funktion als Er- satzmutter auf eine bestimmte An- zahl von Schwangerschaften be- grenzt werden? Müßten sie be- stimmten Anforderungen an Alter und Gesundheit genügen? Dies al- 690 Heft 14 vom 2. April 1981 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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GESCHICHTE DER MEDIZIN

MARGINALIEN

Londoner

Kinderkrankenhaus 1872

Im Jahre 1872 erschien bei Grant & Company in London ein großer Bildband von Gu- stave Dorä und Blanchard Jer- rold über London mit 180 Holzstichen, davon 54 Vollbil- der mit Legende und 126 Vi- gnetten. Der Folioband er- schien in 12 Einzelliefe- rungen.

Das war kein Souvenirge- schenk, kein Sammelwerk ge- fälliger Ansichten. Das war ei-

„Im Kinderkrankenhaus”, aus:

Gustave Dorä, Das graphische Werk, ausgewählt von Gabriele Forberg, mit einem Nachwort von Günter Metkenk, Manfred Pawlak Verlags-Gesellschaft mbH, Herr- sching, o. J., 2. Band, Seite 808.

ne zeitgenössische Reportage in Bildern, eine Reportage des Großstadtlebens mit Bildern vom Fischfang, von armen Leuten unter einer Brücke, von Leierkastenmännern, Seiltänzern, Handwerkern, von Opiumrauchern, von Wirtshausstreit und Nacht- asyl. Die Szene „Im Kinder- krankenhaus" (im Original 10,8 x 9,7 cm) gehört zu den freundlichen Bildern dieser Serie, auch wenn der Tod hier gegenwärtig ist.

Spektrum der Woche Aufsätze Notizen

les sind nur die mehr ins Auge sprin- genden Probleme, die gelöst werden müßten.

Eine ernsthafte Diskussion der staat- lichen Regelungen der neuartigen Fortpflanzungstechnologien ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht gerechtfertigt. Für einen Arbeitsent- wurf für ein „Einheitliches Embryo- Übertragungs-Gesetz" wäre es aber nicht zu früh. Ich möchte gerne fünf Orientierungspunkte andeuten, die ein wichtiger Bestandteil eines sol- chen Modell-Gesetzes sein würden:

Fünf Orientierungspunkte

1. Ein gesetzliches Verbot der klini- schen Anwendung der menschli- chen I.V.B. ist unangemessen. So ein Gesetz würde sicherlich ein fun- damentales Interesse der unfrucht- baren Frau beeinträchtigen — näm- lich ihr Recht auf Kinder. Es könnte außerdem durch eine unangemesse- ne Beschränkung der Forschungs- freiheit gegen die vorrangigen Rech- te der klinischen Forschung auf Ver- besserung verstoßen und schließlich wäre ein solches Gesetz außeror- dentlich schwierig durchsetzbar.

2. Der Spender einer menschlichen Eizelle sollte in keiner Weise ein ge- setzliches Anrecht auf ein Kind ha- ben, das aus dieser Eizelle entsteht, und das Kind sollte ebenfalls kein gesetzliches Anrecht auf den Spen- der haben. Das Interesse an der Inte- grität der Familie, der das Kind zuge- hört, ist der vorrangige Grund für diese Regel.

3. Die Eispende sollte so geregelt sein, daß möglichst wenig Anreiz vom Markt ausgeht. Da mit der Ei- spende Beschwerden und Risiken verbunden sind, sollten Frauen eher davon abgehalten werden, sich un- nötigen Operationen zu unterzie- hen. Statt dessen sollte jede An- strengung gemacht werden, Eizellen von den Frauen zu erhalten, die sich aus anderen Gründen operativen Eingriffen unterziehen müssen. Die Spenderbereitschaft dieser Gruppe von Frauen sollte ebenso gefördert werden wie die der weiblichen Ver- wandten von unfruchtbaren Frauen.

4. Die Eltern eines Kindes, das von einer „Ersatzmutter" geboren wird, sind deren genetische Eltern. Die Er- satzmutter sollte in keiner Weise rechtliche Ansprüche gegenüber dem Kind haben, noch sollte das Kind solche Ansprüche gegenüber der Ersatzmutter haben. Der Name der Ersatzmutter sollte weder auf dem Geburtsschein noch auf irgend- einem anderen Dokument erschei- nen. Die Interessen des Kindes ver- langen nach bestmöglicher Vertrau- lichkeit.

5. Ersatzmutterschaften sollten so geregelt sein, daß die Interessen des heranwachsenden Föten optimal ga- rantiert sind. Der Staat sollte ver- nünftige Richtlinien darüber erlas- sen, welche Personen als Gebär- Mütter zugelassen sein sollen. Ge- eignete Frauen könnten eine Lizenz bekommen. Es könnte sich als rich- tig erweisen, die Ausübung der Er- satzmutterschaft auf solche Frauen zu beschränken, die keine weiteren Kinderwünsche haben, aber bisher nicht mehr als zwei Schwanger- schaften hatten. Aus einer großen Anzahl gesundheitlicher Gründe (z.

B. Zigarettenrauchen) könnten Frau- en von dieser Tätigkeit ausgeschlos- sen werden.

Es könnte auch festgelegt werden, daß eine Ersatzmutter, die aus Lau- nenhaftigkeit ihr Kind abtreiben ließ, definitiv von weiteren Ersatzschwan- gerschaften ausgeschlossen sein soll (und vielleicht auch auf andere Weise mit Sanktionen belegt werden soll). Solche Richtlinien könnten aber auch z. B. das Recht der geneti- schen Eltern auf Abtreibung auf die Fälle beschränken, in denen fötale Erkrankungen diagnostiziert wor- den sind.

Dies sind freilich nur einige der de- taillierten Vorschriften, die notwen- dig sein würden, um die Anwendung dieser Technologie zu regeln (38).

Ein Sonderdruck mit Literaturangaben kann bei Dr. med. Bc. phil. Helmut Pie- chowiak, Zentralkrankenhaus Gauting der LVA Oberbayern, Unterbrunnerstra- ße, 8035 Gauting, angefordert werden.

In-vitro-Befruchtung

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