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Archiv "Neue Aspekte in der Pathogenese der Fettsucht" (17.04.1980)

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Neue Aspekte

in der Pathogenese der Fettsucht

Horst Kather und Bernd Simon

Aus dem Klinischen Institut für Herzinfarktforschung an der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg (Geschäftsführender ärztlicher Direktor:

Professor Dr. Dr. h. c. mult. Gotthard Schettler

Die Ursachen der Fettsucht sind noch immer unklar. Die Rolle von Fettzellgröße und Fettzellzahl in der Pathogenese der Erkrankung wurde in der Vergangenheit überschätzt. Die Bedeutung gestörten Verhaltens läßt sich zur Zeit noch nicht sicher abschätzen. Ergebnisse der letzten Jahre zeigen, daß die Erkrankung nicht ausschließlich auf Trägheit oder Völlerei beruht. Eine unterschiedliche Futterverwertung muß als eine der möglichen Ursachen der Obesitas ernsthaft in Be- tracht gezogen werden. Neue Einblicke in pathogenetische Mechanis- men sind auf Grund der neuen Entdeckungen über die Existenz von Präadipozyten und die Rolle gastrointestinaler Hormone in Energie- aufnahme, Energiespeicherung und Energieverwertung zu erwarten.

ÜBERSICHTSAUFSATZ

Einleitung

Zeiten des Überflusses sind in der Menschheitsgeschichte selten.

Auch heute noch ist Nahrungsman- gel für die Mehrheit der Weltbevöl- kerung der Normalzustand. Die Fett- sucht ist ein Problem der wenigen Regionen auf der Erde, in denen Überfluß herrscht. Sie ist der ge- sundheitliche Tribut an den Wohl- stand. In den westlichen Überflußge- sellschaften stellt die Obesitas ein gesundheitliches Problem ersten Ranges dar. Unter den zahlreichen Begleit- und Folgekrankheiten tra- gen besonders kardiovaskuläre Er- krankungen wie Hypertonie und Ar- teriosklerose in Verbindung mit la- tentem oder manifestem Diabetes mellitus sowie Störungen des Fett- stoffwechsels zur Verkürzung der Lebenserwartung bei.

Der unmittelbar auslösende Anlaß zur Entwicklung der Erkrankung ist immer ein Mißverhältnis zwischen Energieaufnahme und Energiebe-

darf. Konsequenterweise lautet die konservative Therapie Einschrän- kung der Energiezufuhr bis hin zur Nulldiät und Erhöhung des Energie- verbrauchs durch mehr Bewegung.

Es herrscht Übereinstimmung, daß die Langzeitergebnisse konservati- ver Therapieverfahren bisher unbe- friedigend sind. Nach kurzzeitigen Erfolgen in der Gewichtsreduktion nehmen die meisten Patienten spä- ter wieder zu. Dies zeigt, daß Über- gewicht nur ein Symptom für eine Störung in der Regulation der Ener- giebilanz ist, die auch nach Ge- wichtsreduktion weiterbesteht.

Als Ursachen der gestörten Energie- bilanz werden seit langem einige wenige Mechanismen diskutiert. Die Fettsucht wurde von Mayer in eine regulatorische und eine metaboli- sche Form unterteilt (6)*). An regula- torischen Ursachen wurden Störun- gen in der Appetitregulation auf Grund von Störungen im Bereich der zentralnervösen Zentren ange- nommen; in neuerer Zeit werden

auch Verhaltensstörungen als ur- sächliche Faktoren diskutiert (10).

Als metabolische Ursachen wurden Fehlsteuerungen auf Fettgewebs- ebene oder Unterschiede in der Fut- terverwertung diskutiert.

Auch heute hat sich das Spektrum möglicher Ursachen der Fettsucht nicht wesentlich verändert. Den- noch sind durch Forschungsergeb- nisse der letzten Jahre neue Aspekte in den Vordergrund gerückt, die die lange diskutierten Ursachen in neu- em Licht erscheinen lassen.

Regulatorische Aspekte Fettsucht als Verhaltensstörung?

Die Theorie des amerikanischen Psychiaters Schachter (10) der die Fettsucht als Ergebnis einer Verhal- tensstörung in der Appetitregulation auffaßt, erregte zunächst große Auf- merksamkeit und therapeutischen Enthusiasmus. Schachter nimmt an, daß die Nahrungsaufnahme bei Fett- süchtigen überwiegend außenreiz- gesteuert ist, das heißt der Fettsüch- tige richtet sich im Gegensatz zum Schlanken nicht nach endogenen Signalen wie dem Hungergefühl, sondern läßt sich in Frequenz und Menge der Mahlzeiten von äußeren Faktoren, wie leichte Erreichbarkeit von Eßbarem, ansprechende Aufma- chung usw. leiten. Die von Schach- ter herausgearbeiteten Kriterien ent-

*) Die in Klammern stehenden Ziffern, bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 16 vom 17. April 1980 1031

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Pathogenese der Fettsucht

sprechen in vieler Hinsicht frappie- rend den Verhaltensmerkmalen, die bei Versuchstieren mit hypothalami- scher Fettsucht beobachtet werden.

Nach anfänglichem Enthusiasmus wird die Rolle gestörten Verhaltens in der Pathogenese der Fettsucht je- doch zunehmend nüchterner einge- schätzt. Diese nüchterne Einstellung gründet sich darauf, daß einmal auch unter Normalgewichtigen zahl- reiche außenreizgesteuerte Perso- nen zu finden sind, die von den Ver- fechtern der Verhaltenshypothese als „latent fettsüchtig" bezeichnet werden. Zum anderen stehen bisher überzeugende Berichte über die Langzeiterfolge verhaltenstherapeu- tischer Maßnahmen aus.

Humorale Faktoren

Neue Aspekte über die Rolle humo- raler Faktoren in der Pathogenese der Fettsucht haben sich durch die Entdeckung ergeben, daß gastroin- testinale Peptidhormone wie Chole- zystokinin Gastrin und Vasoaktives Intestinales Polypeptid (VIP) nicht nur im Magen-Darm-Trakt, sondern auch im Zentralnervensystem nach- gewiesen wurden, wo sie offen- bar Neurotransmitterfunktion haben (14). Umgekehrt wurden zentralner- vöse Transmitter wie Endorphine und Enkephaline auch aus endokri- nen Zellen des Magen-Darm-Traktes isoliert (14). Da eine Reihe von ga- strointestinalen Hormonen wie VIP, Sekretin und Glukagon zusätzlich auch den Stoffwechsel von Leber und Fettgewebe zu beeinflussen ver- mögen, liegt die Vermutung nahe, daß dieser Hormonklasse eine zen- trale Bedeutung in der Regulation von Energiezufuhr, Energiespeiche- rung und Energieverwertung zu- kommt.Tierexperi mentell gesichert erscheint inzwischen die Rolle von Cholezystokinin. Die Cholezystoki- ninspiegel im Gehirn sind enorm hoch, sie übertreffen die zentral- nervösen Konzentrationen anderer Peptidhormone um das 10- bis 100fache. Das Hormon hemmt die Nahrungsaufnahme bei Tier und Mensch (12). Darüber hinaus sind die Cholezystokininspiegel im Zen-

tralnervensystem von genetisch fett- süchtigen (ob/ob-)Mäusen signifi- kant niedriger als bei schlanken Kontrollen (11). Als weitere Hormon- klasse, die sowohl im Zentralnerven- system als auch im Gastrointesti- num nachgewiesen werden kann, kommen die Endorphine und Enke- phaline als Kandidaten für eine ur- sächliche Rolle in der Appetitregula- tion und der Pathogenäse der Fett- sucht in Betracht. Endorphine be- deutet endogene Morphine; diese körpereigenen Peptide interagieren mit den Rezeptoren, die auch bei der Opiatwirkung von Bedeutung sind.

Naloxon, ein Opiat-(und Endorphin-) Antagonist verursacht im Tierexperi- ment eine drastische Reduktion der Nahrungsaufnahme (5). Darüber hin- aus sind die hypophysären ß-Endor- phin-Spiegel bei genetisch fettsüch- tigen (ob/ob-)Mäusen deutlich höher als bei schlanken Kontrollen (5).

Peptide mit Opiatwirkung wurden kürzlich auch in Hydrolysaten von Gluten und Casein nachgewiesen (15). Diese exogenen Opioide wer- den im Darm nicht gespalten, ver- mutlich unverändert resorbiert und sind deshalb in der Lage, das Gehirn zu erreichen. Es ist gesichert, daß Angst und seelische Spannungen zu gesteigerter Nahrungsaufnahme führen. Angesichts dieser neuen Er- gebnisse könnte die angstinduzierte Freßsucht Ausdruck für den Versuch sein, die seelischen Spannungen durch die euphorisierende Wirkung mit der Nahrung zugeführter exoge- ner Opioide auszugleichen.

Metabolische Aspekte Das Fettzellkonzept

Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe um Hirsch (3) über ernährungsbe- dingte beziehungsweise assoziierte Änderungen von Fettzellzahl und Fettzellgröße mündeten in das soge- nannte „Fettzellkonzept" zur Erklä- rung der Entstehung der Fettsucht.

Auf Grund tierexperimenteller Un- tersuchungen wurde vermutet, daß Überernährung in bestimmten kriti- schen frühen Lebensphasen zu ei-

ner überschießenden Fettzellver- mehrung führt. Durch die Tendenz der einmal gebildeten Fettzellen, sich auch mit Fett zu füllen, sollte fast zwangsläufig Übergewicht ent- stehen. Dieses, besonders für den Laien attraktive Konzept hielt jedoch der experimentellen Überprüfung nicht stand. Kritische Phasen für ei- ne Fettzellhyperplasie ließen sich nicht bestätigen. Fettsucht im Er- wachsenenalter läßt sich nicht mit genügender Sicherheit aus einer Fettsucht im Kindesalter vorhersa- gen, und die seit Kindheit bestehen- de Form der Fettsucht läßt sich auf Grund der Fettgewebszellularität nicht von der im Erwachsenenalter erworbenen Form der Erkrankung unterscheiden (1).

Präadipozyten

Das Fettzellkonzept führte zur Über- schätzung der Rolle von Fettzellgrö- ße und Fettzellzahl in der Pathoge- nese der Fettsucht. Dennoch zeigen neuere Untersuchungen, daß das Fettgewebsorgan nicht nur als pas- sives Speicherorgan fungiert, son- dern daß Signale über den Füllungs- zustand des Fettgewebes existieren, die auf die Nahrungsaufnahme zu- rückwirken. Die Diskussion um die Rolle des Fettgewebes in der Patho- genese der Fettsucht wurde jüngst durch die Entdeckung von Vorläu- ferzellen, sogenannten Präadipozy- ten, die zu reifen Fettzellen zu diffe- renzieren vermögen, angeregt (2).

Präadipozyten entsprechen mor- phologisch und funktionell Fibrobla- sten. Der Differenzierungsprozeß ist gekennzeichnet durch die Ausbil- dung fettzellspezifischer Stoffwech- selleistungen wie Lipolyse und Lipo- genese und den Erwerb des typi- schen spärischen Erscheinungsbil- des der reifen Fettzelle. Erste patho- physiologische Untersuchungen mit Präadipozyten genetisch fettsüchti- ger Mäuse weisen darauf hin, daß genetische Faktoren, die zur Fett- sucht prädisponieren, schon auf der Stufe der Präadipozyten nachweis- bar sind (7). ln-vitro-Untersuchun- gen mit menschlichen Präadipozy- ten zeigen, daß eine Vermehrung der Fettzellzahl im Gegensatz zu frü-

1032 Heft 16 vom 17. April 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Aktuelle Medizin

Pathogenese der Fettsucht

heren Anschauungen während des ganzen Lebens möglich ist (13). Wei- tere Studien werden zeigen müssen, ob sich mit dem Modell der Präadi- pozyten Hormone oder Pharmaka entdecken lassen, die durch Beein- flussung des Differenzierungsvor- ganges zu einer Verminderung der Körperfettmasse führen.

Futterverwertung

Unbestritten ist, daß Übergewichtige nicht immer starke Esser sind. Als mögliche Ursachen für eine unter- schiedliche Ausnutzung der Nah- rungsenergie kommen nur der Darm oder ein unterschiedlicher Energie- bedarf in Frage. Der Darm scheidet bei darmgesunden Personen wegen der praktisch vollständigen Aus- nutzung der Nahrung als Ursache unterschiedlicher Futterverwertung aus. Unterschiede im Energiehaus- halt ließen sich lange Zeit nicht be- weisen. Als einzige beweisbare Fak- toren verblieben Trägheit oder über- durchschnittliche Nahrungsaufnah- me. Die Erkrankung wurde als Lei- den der „Faulen und der Fresser"

etikettiert.

Trägheit und Völlerei sind unbe- streitbar wichtige Ursachen der Obesitas. Neue Untersuchungen zei- gen jedoch übereinstimmend, daß eine unterschiedliche Ausnutzung der Nahrungsenergie tatsächlich existiert, so daß die Futterverwer- tung als eine der möglichen Ursa- chen der Erkrankung wieder ernst- haft in Betracht gezogen werden muß.

Der Energiebedarf des Organismus läßt sich unter funktionellen Ge- sichtspunkten in drei Einzelposten aufteilen:

• den Grundumsatz, der beim Nor- malgewichtigen mehr als 50 Prozent des Energiebedarfs ausmacht Q die nahrungsinduzierte und ther- moregulatorische Wärmebildung (25 Prozent des Energiebedarfs) und

• den Energiebetrag, der für me- chanische Arbeit aufgewendet wird (20 Prozent des Energiebedarfs).

Frühere Untersuchungen beschäf- tigten sich auf der Suche nach Ursa- chen für eine unterschiedliche Fut- terverwertung vornehmlich mit dem Grundumsatz, der ja den Hauptan- teil des Energiebedarfs ausmacht.

Auch neuere Untersuchungen erga- ben jedoch übereinstimmend, daß dem Grundumsatz, wenn überhaupt, dann eine untergeordnete Rolle im Rahmen unterschiedlicher Futter- verwertung zukommt. Dagegen be- stehen bei Tier und Mensch erhebli- che Unterschiede in der thermore- gulatorischen Wärmebildung und der mahlzeiteninduzierten Thermo- genese. Bis vor wenigen Jahren wur- de angenommen, daß die thermore- gulatorische Wärmebildung aus- schließlich durch Muskelzittern er- folgt. Inzwischen ist gesichert, daß es auch eine Wärmebildung ohne Muskelzittern gibt, die maßgeblich zur Temperaturkonstanz des Orga- nismus beiträgt. Auch der Anstieg der Wärmeproduktion im Anschluß an die Nahrungsaufnahme erfolgt ohne Muskelzittern. Beide Formen der Wärmebildung ohne Muskelzit- tern (mahlzeiteninduzierte Thermo- genese und thermoregulatorische Wärmebildung) laufen vermutlich über ähnliche oder identische Me- chanismen ab (9). Es ist dieser Po- sten in der Energiebilanz des Orga- nismus, der als Ursache für eine un- terschiedliche Verwertung der Nah- rungsenergie identifiziert wurde.

Mit Hilfe der direkten und indirekten Kalorimetrie wurde inzwischen ge- zeigt, daß bei Übergewichtigen die mahlzeiteninduzierte Thermogene- se um bis zu 50 Prozent geringer ist als bei schlanken Kontrollen (8). Aus der besseren Isolierung resultierte darüber hinaus eine um 30 Prozent geringere Stoffwechselantwort auf Kältereiz, als bei den schlanken Kon- trollen. Ein Defekt in der Wärmebil- dung ohne Muskelzittern kann durch Infusion von Katecholaminen aufgedeckt werden. Jung et al. (4) untersuchten den Anstieg der Wär- meproduktion unter Noradrenalin — bei fettsüchtigen und ehemals fett- süchtigen Frauen mit erheblicher fa- miliärer Prädisposition zur Fett- sucht. Der Anstieg der Wärmepro- duktion war bei den Fettsüchtigen

und ehemals Fettsüchtigen um etwa 30 bis 40 Prozent geringer als bei schlanken Kontrollpersonen. Beson- ders interessant ist, daß die ehemals fettsüchtigen Frauen den gleichen thermoregulatorischen Defekt auf- wiesen wie die Fettsüchtigen.

Diese Beobachtung zeigt, daß pri- märe Unterschiede in der metaboli- schen Ökonomie bestehen. Der ge- ringere Anstieg der Wärmeproduk- tion unter Katecholamininfusion bei den Fettsüchtigen und ehemals Fett- süchtigen ist gleichbedeutend mit unterschiedlicher Futterverwertung.

Die Unterschiede in der metaboli- schen Effizienz betreffen nicht, wie ursprünglich angenommen, den Grundumsatz, sondern die Wärme- bildung ohne Muskelzittern.

Eine bessere Verwertung der Nah- rung muß nicht unbedingt mit Über- gewicht verbunden sein. Dies zeigt die Gruppe der ehemals Fettsüchti- gen, die den gleichen thermoregula- torischen Defekt aufweisen wie die Frauen mit manifestem Überge- wicht. Möglicherweise müssen Stö- rungen der Appetitregulation hinzu- kommen, damit aus dem guten Fut- terverwerter ein Fettsüchtiger wird.

Ausblick

Die Ursachen der Fettsucht sind noch immer unklar. Allerdings ha- ben experimentelle Befunde der letzten Jahre unsere Einblicke in mögliche Pathomechanismen ver- tieft.

Die Entdeckung, daß gastrointesti- nale Hormone im Zentralnervensy- stem vorkommen und die Nahrungs- aufnahme beeinflussen können, hat einen völlig neuen Aspekt in der Re- gulation des Energiehaushaltes of- fengelegt. Der Nachweis von Präadi- pozyten, als Vorläuferzellen der rei- fen Fettzelle, hat die Kenntnisse über die Regulation der Fettzellzahl erweitert und verspricht in Zukunft detailliertere Einblicke in die hormo- nale Steuerung des Differenzie- rungsprozesses. Eine unterschiedli- che Verwertung der aufgenomme- nen Nahrungsenergie muß als eine

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 16 vom 17. April 1980 1033

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Aktuelle Medizin

In der Einleitung zur genannten Ar- beit heißt es, daß bei 50 Prozent der Normalbevölkerung in der Mund- höhle Candidaarten gefunden wer- den. Das trifft sicherlich nicht zu.

Entweder ist die Diagnose dann zu leichtfertig ohne Pilzkultur gestellt, oder es handelt sich bei den unter- suchten Personen doch um eine Ne- gativauslese (etwa stationäre Patien- ten). In der Alltagspraxis halte ich die Annahme von 10 Prozent candi- dabefallener Gesunder für weit reali- stischer. Aber auch das ist natürlich – zugegebenermaßen – schon ziem- lich viel.

Dr. med. Armin Fischer Dermatologe

Bahnhofstraße 37 5400 Koblenz

Schlu ßwort

Bei Reihenuntersuchungen an Sol- daten der Bundeswehr wurde von Heber (mykosen 18 [1975] 397-406) in 47,1 Prozent der Fälle eine Hefe- besiedlung der Mundhöhle gefun- den: kulturell waren es in 38,4 Pro- zent Candida albicans, in 5,2 Pro- zent Candida-Arten und in 3,5 Pro- zent andere Hefen (zum Beispiel To- rulopsis). Untersucht man kulturell ein Kollektiv von Lungenkranken, so findet man im Sputum in etwa 60 Prozent der Fälle Pilze, überwiegend Candida-Arten, nach Einsetzen einer antibiotischen Therapie ist der kul- turelle Pilznachweis bis zu 76 Pro- zent positiv (Skobel, P., Lungenmy- kosen, Thieme, Stuttgart, 1971, 15-39). Wenn bei gesunden jungen Soldaten die Pilzkultur in 43,6 Pro-

zent Candida-Arten erbringt, dürfte die „Hochrechnung" von 50 Prozent der Normalbevölkerung (einschließ- lich vieler chronisch Lungenkran- ker) realistisch sein.

Privatdozent

Dr. med. Dr. med. habil. Götz Brandt Direktor des

Pathologischen Instituts der Zentralkrankenhäuser St.-Jürgen-Straße

und Links der Weser

Am Schwarzen Meer 134-136 2800 Bremen 1

ECHO

Zu: „Das Symptom diffuser Haar- ausfall" von Professor Dr. med.

Hansotto Zaun im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT, Heft 10/1980, Seite 583 ff.

Die „Pille"

führt zu Haarausfall

„Die Einnahme der Anti-Baby- Pille führt bei jungen Frauen gelegentlich zu Haarausfall, der allerdings medizinisch rückgängig zu machen ist.

Veränderungen im Hormon- haushalt des Körpers, die häu- fig nach der Niederkunft, aber auch bei der Anwendung hor- moneller Kontrazeptiva eintre- ten, führten dazu, daß gleich- zeitig mehr Haare als sonst in die ‚Ruhephase' eintreten."

(nach dpa in Süddeutsche Zei- tung und in anderen Tageszei- tungen).

Pathogenese der Fettsucht

der Ursachen der Fettsucht ernst- haft in Betracht gezogen werden.

Die Langzeitergebnisse verhaltens- therapeutischer Programme werden den Stellenwert gestörten Verhal- tens in der Pathogenese der Obesi- tas in klarerem Licht erscheinen lassen.

Literatur

(1) Ashwell, M.: The fat cell pool concept, Int. J.

Obesity 2 (1978) 69-72 — (2) Green, H., Meuth, M.: An established preadipose cell line and its differentiation in culture. Cell 3 (1975) 127-133

— (3) Hirsch, J.; Knittle, J. L.: Cellularity of obese and non obese human adipose tissue, Fed. Proc. 29 (1970) 1516-1521 — (4) Jung, R.

T.. Shetty, P. S., James, W. P. T., Barrand, M. A., Callingham, B. A.: Reduced thermogenesis in obesity, Nature 279 (1979) 322-323 — (5) Margu- les, D. L., Moisset, B., Lewis, M. J., Shibuya, H., Pert, C. B.: ß-Endorphin is associated with overeating in genetically obese mice (ob/ob) and rats (fa/fa), science 202 (1978) 988-989 — (6) Mayer, J.: The obese hyperglycemic syn- drome of mice as and example of metabolic obesity, Am. J. Clin. Nutr. 8 (1960) 712-718. — (7) Negrel, R., Grimaldi, P., Ailhaud, G.: Esta- blishment of preadipocyte clonal cell line from epididymal fat pads of ob/ob mouse that re- sponds to insulin and to lipolytic hormones, Proc. Natl. Acad. Sci. USA 75 (1978) 6054-6058

— (8) Pittet, Ph., Chappuis, Ph., Axheson, K., de Techtermann, F., Jequier, E.: Thermic effect of glucose in obese subjects studied by direct and indirect calorimetry, Br. J. Nutr. 35 (1976) 281-292 — (9) Rothwell, N. J., Stock, M. J.: A role of brown adipose tissue in diet-induced thermogenesis, Nature 281 (1979) 31-35 — (10) Schachter, S.: Appetite regulation in obese subjects, In: Lipid metabolism, obesity and dia- betes mellitus: Impact upon atherosclerosis, R.

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Anschrift der Verfasser:

Privatdozent Dr. med.

Horst Kather

Privatdozent Dr. med.

Bernd Simon Klinisches Institut

für Herzinfarktforschung an der Medizinischen Universitätsklinik Bergheimer Straße 58

6900 Heidelberg

AUSSPRACHE

Organmykosen —

Entzündliche Erkrankungen durch fakultativ pathogene Erreger

Zu dem Beitrag von Privatdozent Dr. med. Dr. med. habil.

Götz Brandt in Heft 51/52/1979, Seite 3367 ff.

1034 Heft 16 vom 17. April 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

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