Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 43⏐⏐26. Oktober 2007 A2909
A K T U E L L
ARZNEIREPORT
Preise sinken, Mengen steigen weiter
Die Ausgaben für Arzneimittel sind in der gesetzlichen Krankenversi- cherung (GKV) im Jahr 2006 nur noch um 1,8 Prozent auf knapp 26 Milliarden Euro gestiegen. Prof.
Dr. med. Ulrich Schwabe, einer der Herausgeber des Arzneiverord- nungs-Reports (AVR), wertete dies vor allem als Erfolg des Arzneimit- telversorgungs-Wirtschaftlichkeits- gesetzes. Dennoch hätten Medika- mente mit rund 18 Prozent weiter- hin einen großen Anteil an den GKV-Leistungsausgaben.
Hohe Umsatzrückgänge verzeich- net der AVR bei Husten- und Erkäl-
tungspräparaten, Calciumantagonis- ten, Antibiotika, Antimykotika, Uro- logika und Magenulkustherapeutika.
Als Hauptursache werden gesun- kene Arzneimittelpreise genannt. Al- lerdings seien die Generikapreise Schwabe zufolge in Deutschland im- mer noch deutlich höher als in vielen europäischen Nachbarländern. Auf- fällig war im Jahr 2006, dass der Arz- neimittelverbrauch in vielen Berei- chen noch gestiegen ist. Schwabe verwies zudem darauf, dass im vergangenen Jahr in Deutschland 27 Medikamente mit neuen Wirk- stoffen eingeführt wurden.
Mehrere Pharmaverbände kriti- sierten die Berechnungen. Sie basier- ten „auf der unrealistischen Annah- me, dass jeder Arzt jedem Patienten immer das billigste Medikament ver- schreiben könne“, hieß es beim Ver- band Forschender Arzneimittelher- steller. Pro Generika und der Bun- desverband der Pharmazeutischen Industrie kritisierten, dass die Auto- ren des AVR mit Brutto-Apotheken- verkaufspreisen rechneten. Die darin enthaltene hohe Mehrwertsteuer so- wie Handelsspannen für den Groß- handel und die Apotheken würden nicht herausgerechnet. Berücksichti- ge man diese Größen, dann seien die Hersteller lediglich für 58 Prozent der GKV-Arzneimittelausgaben ver-
antwortlich. Rie
Man stelle sich vor, eine Umfrage in der deutschen Bevölkerung ergäbe, dass vor dem Hintergrund des herr- schenden Zahnärztemangels inzwi- schen rund sechs Prozent der Pati- enten zur Selbsthilfe greifen und das mithilfe von Alleskleber, Schrau- benzieher und Kitt. Nicht zu verges- sen, die Selbstextraktion der Zähne mittels der hauseigenen Rohrzange.
Das Gesundheitsministerium gerät so unter Druck, dass Ulla Schmidt Patienten, die dringende Hilfe vom
Zahnarzt benötigen, zum Hausarzt- besuch rät und die Bundesärzte- kammer empört darauf hinweist, dass die Hausärzte weder die Quali- fikation besitzen noch die Lücke fehlender Zahnärzte schließen sol- len. Fiktion oder Schwarzmalerei?
Weit gefehlt: In Großbritannien, wo bei Humanmedizinern Wartelis- ten schon Gewohnheit sind, Selbst- zahler VIP-Patienten und immer mehr ausländische Ärzte den Laden (sprich National Health Service) in Schwung halten, ist dies bittere Realität. Bei der zahnmedizinischen Versorgung im Vereinigten König- reich liegt einiges im Argen. Man könnte Gesundheitsminister Ben Bradshaws Lösungsansatz, bei drin- genden Zahnschmerzen auch dem Hausarzt zu vertrauen, kreative Um- schichtung innerhalb der Ärzte- schaft nennen, wenn er nicht so realitätsfern wäre, dass man schon beim Lesen stockt. So will der Vor- sitzende des Hausarztkomitees in- nerhalb der British Medical Associa- tion, Laurence Buckman, Bredshaw auch noch schriftlich erläutern, war- um Hausärzte nicht zahnärztlich tätig werden können. Um wieder auf deutsche Verhältnisse und den dort akuten Ärztemangel zurückzukom- men: Vorsicht ist geboten, wenn es plötzlich heißt: Fragen Sie ihren Zahnarzt oder Apotheker.
RANDNOTIZ
Michael Schmedt
Selbst ist der Patient
Werden die handelsüblichen trans- dermalen Fentanylpflaster erst ge- teilt und dann dem Patienten auf- geklebt, ist der Verordner rechtlich nicht abgesichert und bewegt sich außerhalb der erteilten Zulassungen (off label). Wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinpro- dukte (BfArM) aus aktuellem An- lass mitteilt, ist nach den bestehen- den arzneimittelrechtlichen Zulas- sungen eine Teilung der Pflaster nicht vorgesehen – ungeachtet der dem Pflaster zugrunde liegenden Systemtypen (Matrix oder Mem- bran). Ein fehlender Hinweis auf die Nichtteilbarkeit der Pflaster in den Texten der Gebrauchs- und Fachin-
formationen impliziere keinesfalls eine arzneimittelrechtlich gedeck- te Tolerierung der Pflasterteilung.
„Die Gewährleistung der Dosier- genauigkeit nach Zuschnitt und ei- ne fachgerechte Lagerung unbe- nutzter Pflasterhälften dürfen nicht in den Verantwortungsbereich des Anwenders verlagert werden“, so das BfArM. Sofern für die Schmerz- therapie niedrigere Dosierungen er- wünscht seien, existierten Präparate mit abgestuften, geringeren Dosis- stärken. Durch deren Kombination, die auch Zwischendosierungen er- möglicht, erscheine eine individuelle Schmerztherapie bereits weitestge- hend realisierbar. zyl TRANSDERMALE SYSTEME
Teilung von Fentanylpflastern rechtswidrig
Grund zur Freude für Ulla Schmidt:2006 stiegen die Arzneimittel- ausgaben nur
um 1,8 Prozent Foto:dpa